4b O 236/06 – Fahrrad-Kindersitz

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 704

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Juli 2007, Az. 4b O 236/06

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110% der jeweils beizutreibenden Forderung.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 1 184 xxx B1 (Anlage MBP 1; nachfolgend: Klagepatent), dessen Anmeldung am 06. März 2002 und dessen Erteilung am 30. November 2005 veröffentlicht worden ist und das in Kraft steht.

Das Klagepatent, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, trägt die Bezeichnung „Haltevorrichtung für einen Fahrrad-Kindersitz oder dergleichen“. Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut:

Eine bevorzugte Ausführungsform der patentgemäßen Haltevorrichtung ist aus der nachfolgend abgebildeten Fig. 1 der Klagepatentschrift in Verriegelungsstellung und perspektivischer Ansicht ersichtlich.

Fig. 4 der Klagepatentschrift stellt die entsprechende Ausführungsform mit weggebrochener Seitenwand unter Darstellung der Verriegelungs- und Signalmechanik im Entriegelungszustand dar.

Die Beklagte bietet an und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Fahrrad-Kindersitze wie aus dem aus Anlage MBP 5 vorgelegten auszugsweisen Ausdruck aus ihrem Internetauftritt ersichtlich. Diese verfügen über das in der Anlage fotografisch wiedergegebene „Visual safety system“, das nachfolgend gesondert eingeblendet ist und auch der Anlage B 1 zu entnehmen ist.

Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verletze das Klagepatent und nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Entschädigung und Schadenersatz sowie Zahlung nicht anrechenbarer vorprozessualer Rechts- und Patentanwaltsgebühren in Anspruch.

Die Klägerin macht geltend, der bewegliche Ring der angegriffenen Ausführungsform sei sowohl Teil des Signalelements als auch Gehäuse der Haltevorrichtung im Sinne des Klagepatents. Eine solche Doppelfunktion sei patentrechtlich nicht ausgeschlossen. Hilfsweise macht sie geltend, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatents in patentrechtlich äquivalenter Weise Gebrauch.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

I.
die Beklagte zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

Haltevorrichtungen für einen gesonderten oder integrierten Gepäckträger, insbesondere Fahrradgepäckträger, Kfz-Dachgepäckträger, Kfz-Fahrradträger, Fahrrad-Kindersitz oder Träger dafür, oder dergleichen zur Montage an einem Fahrzeug, insbesondere Fahrzeugrahmen, mit wenigstens einer Öffnung zur Aufnahme eines Anschlussteils, wobei in der Haltevorrichtung ein Signalelement angeordnet ist, dieses Signalelement ist zur optischen und/oder fühlbaren Anzeige der Verriegelungsstellung der Haltevorrichtung durch ein Anschlussteil beaufschlagbar

anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, bei denen

das Signalelement unabhängig von einem Verriegelungselement der Haltevorrichtung von einem Anschlussteil bewegbar ist,
bei einer Bauform das Signalelement im verriegelten Zustand durch ein Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckt ist,
in einem unverriegelten Zustand der Haltevorrichtung der nicht durch ein Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckte Teil des Signalelements eine Farbe trägt, die für „Achtung“ steht.

2.
der Klägerin für die Zeit seit dem 06.03.2002 Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der unter vorstehend zu 1. beschriebenen Erzeugnisse zu erteilen, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschrift, des Lieferanten und/oder anderer Vorbesitzer, der gewerblichen Abnehmer oder Auftraggeber,

3.
der Klägerin über den Umfang der vorstehend zu 1. bezeichneten und seit dem 06.04.2002 begangenen Handlungen Rechnung zu legen, und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Beifügung der Belege, insbesondere unter Angabe

a)
der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie im Hinblick auf erhaltene Lieferungen der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)
der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)
der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)
der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch den Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert werden darf, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise den vorstehend zu Ziffer 1. genannten Erzeugnissen unmittelbar zugeordnet werden,

wobei den Beklagten vorbehalten bleiben mag, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden und ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

4.
die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend I. 1. an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

II.
festzustellen,

1.
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 06.04.2002 bis zum 29.12.2005 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2.
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 30.12.2005 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

III.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 4003,– nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Hilfsweise beantragt die Klägerin,
die Beklagten wie vorstehend beantragt zu verurteilen, jedoch mit der Maßgabe, dass es unter Ziff. I. 1. sinngemäß heißt:

Haltevorrichtungen für einen gesonderten oder integrierten Gepäckträger, insbesondere Fahrradgepäckträger, Kfz-Dachgepäckträger, Kfz-Fahrradträger, Fahrrad-Kindersitz oder Träger dafür, oder dergleichen zur Montage an einem Fahrzeug, insbesondere Fahrzeugrahmen, mit wenigstens einer Öffnung zur Aufnahme eines Anschlussteils, wobei an der Haltevorrichtung ein Signalelement angeordnet ist, dieses Signalelement ist zur optischen und/oder fühlbaren Anzeige der Verriegelungsstellung der Haltevorrichtung durch ein Anschlussteil beaufschlagt,
bei denen
das Signalelement verschiebbare Ringe umfasst, die unabhängig von einem Verriegelungselement der Haltevorrichtung von einem Anschlussteil bewegbar sind,
bei einer Bauform das Signalelement im verriegelten Zustand durch ein Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckt ist,
in einem unverriegelten Zustand der Haltevorrichtung der nicht durch ein Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckte Teil des Signalelements eine Farbe trägt, die für „Achtung“ steht.

Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen
2. hilfsweise, ihr einen Wirtschaftsprüfervorbehalt hinsichtlich der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger einzuräumen.

Die Beklagte stellt die Verletzung des Klagepatents in Abrede und macht geltend, das Signalelement sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht in, sondern an der Haltevorrichtung angeordnet. Das durch die roten Signalkennzeichen gebildete Signalelement sei nicht bewegbar. Die verschiebbaren Ringe seien hingegen nicht als Gehäuse der Haltevorrichtung anzusehen, so dass das Signalelement nicht durch dieses verdeckt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht gerechtfertigt.

Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunft, Vernichtung und Schadenersatz stehen der Klägerin nicht zu. Mit dem Vertrieb der angegriffenen Haltevorrichtungen macht die Beklagte keinen Gebrauch von der technischen Lehre des Klagepatents.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Haltevorrichtung für einen gesonderten oder integrierten Gepäckträger, insbesondere Fahrrad-Kindersitz.

Derartige Vorrichtungen sind aus dem Stand der Technik in vielfältiger Weise bekannt. Die Klagepatentschrift nennt beispielhaft die DE 43 25 965 A1, der eine Haltevorrichtung für Fahrrad-Kindersitze zu entnehmen ist, die vorzugsweise am Sitzrohr eines Fahrradrahmens befestigt wird. Sie stellt daran als nachteilig heraus, dass die Haltevorrichtung nicht näher beschrieben ist, so dass ihr auch nicht zu entnehmen ist, ob sie Vorkehrungen erfasst, die eine sichere Verriegelung eines an der Haltevorrichtung montierten Trägers anzeigen.

Ein Träger oder Anschlussteil desselben wird in der Regel in eine zugeordnete Haltevorrichtung eingerastet; um die Verbindung zu überprüfen, muss der Benutzer am Träger ziehen. Nur so kann er feststellen, ob der Träger sicher an der Haltevorrichtung angeschlossen ist, was vor allem bei Fahrrad-Kindersitzen von Bedeutung ist, da ein Lösen während der Fahrt nicht in Kauf genommen werden kann.

Als weiteren Stand der Technik erwähnt die Klagepatentschrift die US 4,711,595, die eine Haltevorrichtung lehrt, welche eine Öffnung zur Aufnahme eines Anschlussteils umfasst. Diese verfügt über ein in der Haltevorrichtung angeordnetes Signalelement zur optischen und/oder fühlbaren Anzeige der Verriegelungsstellung der Haltevorrichtung, das durch ein Anschlussteil beaufschlagbar ist. Das Klagepatent kritisiert daran, dass es sich bei dem die korrekte Verriegelung signalisierenden Signalelement gleichzeitig um das Verriegelungselement handelt, so dass dieses einem (erhöhten) Verschleiß ausgesetzt ist. Dies begründet die Gefahr einer ungewollten Entfernung einer Farbschicht oder anderweitiger Beschädigungen, durch die die Visualisierung des korrekten Verriegelungszustandes erschwert wird. Weiter stellt die Klagepatentschrift als nachteilig heraus, dass die Vorrichtung nur mit Hilfe eines Spezialwerkzeuges entriegelt werden kann, was zu einer komplizierten Handhabung und einem hohen Produktionsaufwand führt.

Vor diesem Hintergrund formuliert es das Klagepatent als der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe, eine kostengünstige Haltevorrichtung zu schaffen, die sicher erkennen lässt, ob ein zugeordneter Gepäckträger, insbesondere Kindersitzträger, funktionssicher angeschlossen ist oder nicht.

Dazu schlägt das Klagepatent im Anspruch 1 in der hier interessierenden Bauform eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

Haltevorrichtung für einen gesonderten Gepäckträger, insbesondere Fahrrad-Kindersitz, zur Montage an einem Fahrzeug, insbesondere Fahrzeugrahmen

1. Die Haltevorrichtung (1) weist wenigstens eine Öffnung (2) zur Aufnahme eines Anschlussteils (3) auf.

2. In der Haltevorrichtung (1) ist ein Signalelement (4) angeordnet,
2.1. welches zur optischen und/oder fühlbaren Anzeige der Verriegelungsstellung der Haltevorrichtung (1) durch ein Anschlussteil (3) beaufschlagbar
und
2.2 welches unabhängig von einem Verriegelungselement (8) der Haltevorrichtung (1) von einem Anschlussteil (3) bewegbar ist.

3. Im verriegelten Zustand ist das Signalelement (4) durch ein Gehäuse der Haltevorrichtung (1) verdeckt.

4. In einem unverriegelten Zustand der Haltevorrichtung (1) ist ein Teil des Signalelements (4) nicht durch ein Gehäuse der Haltevorrichtung (1) verdeckt.

5. Der im unverriegelten Zustand nicht verdeckte Teil des Signalelements (4) trägt eine Farbe, die für „Achtung“ steht.

II.

Zwischen den Parteien steht die Verwirklichung der Merkmale 2, 2.2, 3 und 4 im Streit. Zu Recht ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform der Beklagten von den übrigen Merkmalen des Klagepatents Gebrauch macht, so dass es eines Eingehens darauf nicht bedarf. Eine Verletzung der Merkmale 2, 2.2, 3 und 4 des Klagepatents kann hingegen nicht festgestellt werden, und zwar weder in wortsinngemäßer, noch in patentrechtlich äquivalenter Weise.

1.
Die angegriffene Ausführungsform macht nicht in wortsinngemäßer Weise von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch.

a)
Die angegriffene Ausführungsform verfügt nicht über ein Signalelement, welches unabhängig von einem Verriegelungselement der Haltevorrichtung von einem Anschlussteil bewegbar ist (Merkmal 2.2). Merkmal 2.2 trägt der Kritik des Klagepatents am Stand der Technik Rechnung, wonach es bei der aus der US 4,711,595 bekannten Vorrichtung im Hinblick auf den Verschleiß nachteilig ist, dass es sich bei dem die korrekte Verriegelung signalisierenden Signalelement gleichzeitig um das Verriegelungselement handelt (Anlage MBP 1, Sp. 1, Abs. [0004], Z. 29-39). Demgegenüber sieht das Klagepatent vor, dass eine Trennung zwischen dem Verriegelungselement und dem das Signalelement beaufschlagenden (Merkmal 2.1) Anschlussteil vorgesehen wird (Anlage MBP 1, Sp. 1, Abs. [0007], Z. 57 bis Sp. 2, Z. 2).

Unstreitig wirkt auch bei der angegriffenen Ausführungsform das Verriegelungselement nicht als Auslöser für ein Signalelement. Das Anschlussteil, das bei der angegriffenen Ausführungsform einen Ring niederdrückt, der einen am unteren Ende der Haltervorrichtung angeschlagenen Zylinder umschließt, bewegt hingegen kein Signalelement. Der Auffassung der Klägerin, der Ring sei sowohl Teil des Signalelements als auch Gehäuse der Haltevorrichtung, ist nicht zu folgen.

Die patentgemäße Konstruktion weist die folgenden Bestandteile auf:
o Haltevorrichtung mit Gehäuse derselben
o Signalelement
o Verriegelungselement
o Anschlussteil.

Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass ein Bauteil gleichzeitig mehrere Funktionen ausübt. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich aus der patentierten Lehre ergibt, dass verschiedene Bauteile separat konstruiert sein müssen. Dies ist bei der technischen Lehre des Klagepatents der Fall.

Danach soll das Signalelement in Abhängigkeit vom Verriegelungszustand von dem Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckt sein. Beide Funktionen können nicht durch ein einziges Bauteil erfüllt werden, denn das Klagepatent unterscheidet nicht nur zwischen den beiden Bauteilen, sondern weist ihnen auch unterschiedliche Funktionen zu. Diese schließen sich gegenseitig aus, da eine Verdeckung durch das Gehäuse voraussetzt, dass es sich bei dem zu verdeckenden Bauteil, d. h. dem Signalelement, um ein anderes Bauteil handelt. Eine Verdeckung kann nicht dadurch erfolgen, dass sich ein Bauteil selbst verbirgt; dazu bedarf es eines zweiten Bauteils.

Ferner verlangt die technische Lehre des Klagepatents, dass ein Teil des Signalelements im nicht verriegelten Zustand eine für „Achtung“ stehende Farbe trägt (Merkmal 5); dies trifft bei der angegriffenen Ausführungsform auf den roten Ring, nicht aber auf den beweglichen grauen Ring zu. Auch deshalb ist dieser nicht als Signalelement anzusehen.

Da der rote Ring und der Zylinder, an dem dieser befestigt ist, nicht beweglich sind, erfüllen auch diese nicht die Anforderungen des Merkmals 2.2.

b)
Ebenso wenig macht die angegriffene Ausführungsform Gebrauch von den Merkmalen 2, 3 und 4, die inhaltlich in einem funktionalen Zusammenhang stehen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin beschränkt sich die Bedeutung des Wortes „in“ bei Merkmal 2 nicht auf eine bloße Wirkverbindung, die nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Nähme man dies an, könnte auch ein äußerlich „an“ der Haltevorrichtung ausgebildetes Signalelement als „in der Haltevorrichtung angeordnet“ angesehen werden. Die technische Lehre des Klagepatents gibt in der Zusammenschau der Merkmale 2, 4 und 5 jedoch eine bestimmte Art und Weise des Zusammenwirkens vor, die erfordert, dass die Anordnung des Signalelements „in“ der Haltevorrichtung dahingehend zu verstehen ist, dass sie innerhalb der Haltevorrichtung angeordnet ist.

Dies folgt daraus, dass die Merkmale 4 und 5 der technischen Lehre je nach Verriegelungszustand vorsehen, dass das Signalelement von einem Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckt ist oder nicht. Dies wiederum setzt voraus, dass das Signalelement räumlich innerhalb der Haltevorrichtung, deren Gehäuse die Verdeckung vornehmen soll, angeordnet ist. Dazu gelten entsprechende Erwägungen wie vorstehend zu Merkmal 2.2 ausgeführt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bei dieser Funktionsbetrachtung nicht zwischen der optischen und der taktilen Signalisierung des Verriegelungszustands unterschieden werden. Der Patentanspruch spricht insoweit ohne nähere Differenzierung davon, dass das Signalelement „zur optischen und/oder fühlbaren Anzeige der Verriegelungsstellung“ geeignet sein muss, wonach grundsätzlich auch ein alternativ nur eine Signalisierungsform erfüllendes Signalelement in Frage kommt. Auch die Beschreibung des Klagepatents (Anlage MBP 1, Sp. 2, Abs. [0008], Z. 17-29) erwähnt, dass „statt eines optischen Signalelements auch ein Tastelement vorgesehen sein [kann]“.

Im Hinblick auf die Konstruktion unterscheidet das Klagepatent hingegen nicht zwischen unterschiedlichen Signalelementen, so dass ein optisches Signalelement auch die – teilweise eher auf ein Tastelement formulierten – konstruktiven Vorgaben des Patentanspruchs erfüllen muss. Da der Fachmann dem Klagepatent für beide Signalisierungsformen dieselbe konstruktive Verwirklichung entnimmt, erscheint es nicht angängig, das Klagepatent in Abhängigkeit vom verwirklichten Signalelement unterschiedlich auszulegen. Es ist im Hinblick auf das zu lösende technische Problem, eine sicher zu erkennende Anzeige für einen ordnungsgemäßen Anschluss des Trägers zu lehren, daher auch für die optische Anzeige erforderlich, dass das Signalelement bei der vorliegenden Bauformvariante in dem Sinne vom Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckt wird, dass es gewissermaßen darin verschwindet.

Dies ist bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall.

2.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht entgegen der von der Klägerin hilfsweise vorgetragenen Begründung die im Streit befindlichen Merkmale auch nicht mit patentrechtlich äquivalenten Mitteln.

Nach § 14 S. 1 PatG und Art. 69 Abs. 1 EPÜ wird der Schutzbereich eines Patents durch den Inhalt des Patentanspruchs bestimmt. Das gleichwertig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherheit erfordert, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt des Patents nicht nur den allgemeinen Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet; diese hat sich am Patentanspruch auszurichten (BGH GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil; BGH GRUR 2002, 515 – Scheidmesser I; BGH GRUR 2002, 519 – Schneidmesser II; BGH GRUR 2002, 523 – Custodiol I; BGH GRUR 2002, 527 – Custodiol II; OLG Düsseldorf, Mitt. 2005, 449 – Monoklonaler Maus-Antikörper). Jedes Merkmal des Patentanspruchs ist danach allein schon wegen seiner Aufnahme in den Anspruch wesentlich und begrenzt für jeden erkennbar den Schutzbereich. Bei einer vom Sinngehalt der Ansprüche eines Patents abweichenden Ausführung kann eine äquivalente Benutzung der patentgemäßen Lehre dann vorliegen, wenn der Fachmann aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen des Patents unter Schutz gestellten Erfindung anknüpfen, die bei der angegriffenen Ausführungsform eingesetzten abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse als für die Lösung des der patentgeschützten Erfindung zugrundeliegenden Problems gleichwirkend auffinden konnte.

Dies ist in Bezug auf die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform, bei der die Klägerin eine kinematische Umkehrung verwirklicht sieht, nicht zu erkennen. Dabei kann auf sich beruhen, ob die von der Beklagten gewählte Lösung mit einem freiliegenden Signalelement zu derjenigen des Klagepatents gleichwirkend ist, insbesondere ob das vom Klagepatent gelöste technische Problem, eine sichere Erkennung des Verriegelungszustands zu ermöglichen auch im Hinblick auf die im Stand der Technik kritisierte Verschleißanfälligkeit gegeben ist. Es ist jedenfalls nicht festzustellen, dass die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform für den Fachmann naheliegend und bei Orientierung am Patentanspruch gleichwertig ist.

Dabei kann unterstellt werden, dass eine kinematische Umkehrung im Prioritätszeitpunkt zum allgemeinen Kenntnisstand des angesprochenen Fachmanns gehörte. Eine solche liegt bei der angegriffenen Ausführungsform hingegen nicht vor. Eine Umkehrung der Kinematik wäre dann anzunehmen, wenn ein ursprünglich bewegliches Bauteil in der Abwandlung ruht und ein ruhendes nunmehr beweglich ist. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass dies in Bezug auf die technische Lehre des Klagepatents voraussetzen würde, dass statt des bewegbaren Signalelements, das je nach Verriegelungszustand von einem Gehäuse der Haltevorrichtung verdeckt wird oder nicht, nunmehr das Signalelement unbeweglich angeordnet wäre und dessen Verdeckung von einem bewegbaren Gehäuse der Haltevorrichtung bewerkstelligt würde. Dem ist aber nicht so, da es sich bei den beweglichen Ringen der angegriffenen Ausführungsform nicht um ein Gehäuse der Haltevorrichtung handelt. Die Klägerin hat den Begriff des Gehäuses selbst zutreffend dahingehend definiert, dass ein Gehäuse eine feste, schützende Hülle ist, deren konkrete Ausgestaltung sich nach den zu erfüllenden Funktionen im Anwendungsfall richtet. Als Gehäuse ist aber nicht anzusehen, was von vornherein in keiner Weise dem Schutz eines im Inneren des Gehäuses befindlichen Elementes dient. Dies trifft auch auf die beweglichen Ringe der angegriffenen Ausführungsform zu, die allein einem anderen als dem Schutzzweck dienen. Sie können auch nicht als Schutz für das Signalelement angesehen werden, denn das Klagepatent beschäftigt sich im Stand der Technik gerade mit dem Schutz der Signalfarbe vor Abnutzung. Dem dienen die Ringe aber eben nicht, da die roten Signalelementteile im nicht beaufschlagten Zustand der beweglichen Ringe frei liegen.

Auch beschränkt sich die bei der angegriffenen Ausführungsform gewählte Abwandlung nicht auf eine kinematische Umkehr, da das Signalelement nicht in der Haltevorrichtung angeordnet ist. Der Fachmann erkennt die Konstruktion der angegriffenen Ausführungsform daher nicht als bloße und ihm ohne weiteres geläufige kinematische Umkehrung, sondern muss weitere Denkschritte unternehmen, um diese zu verwirklichen. Er hat jedoch insbesondere keinen Anlass, die Anordnung des Signalelements „in der Haltevorrichtung“ aufzugeben und diese „an“ der Haltevorrichtung vorzusehen. Der Fachmann entnimmt dem Klagepatent gerade die geschickte Lösung, eine sichere Anzeige dadurch zu erreichen, dass das Signalelement im Verriegelungszustand gänzlich in dem ohnehin vorhandenen Gehäuse verschwindet. Dem widerspricht es, diesen Vorteil wegfallen zu lassen und mit anderer Wirkung, nämlich einer äußeren Anordnung und der Verschiebung eines stets außen liegenden weiteren Bauteils erreichen zu wollen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 709, 108 ZPO.

IV.

Die Kammer hat beschlossen, den Wert des Streitgegenstandes auf

400.000,– €

festzusetzen (§ 63 Abs. 2 GKG, § 3 ZPO).