Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 27. November 2007, Az. 4a O 404/06
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des Patents DE 36 38 xxx (Klagepatent) auf Rechnungslegung und Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin war seit dem 29.11.1999 eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das unter Inanspruchnahme einer Unionspriorität vom 28.04.1986 am 10.11.1986 angemeldet und dessen Erteilung am 13.09.1990 veröffentlicht wurde. Auf den Einspruch vom 17.11.1990 und die nachfolgende Beschwerde vom 15.02.1994 wurde das Patent mit Beschluss vom 19.09.1996 des Bundespatentgerichts beschränkt aufrechterhalten. Das Patent ist am 10.11.2006 durch Zeitablauf erloschen.
Gegenstand des Klagepatents ist ein Türschließer. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 9 des Klagepatents lautet wie folgt:
9. Türschließer mit einem in einem Gehäuse geführten Kolben, zumindest einer mit dem Kolben zusammenwirkenden Schließerfeder und einer hydraulischen Dämpfungseinrichtung und mit einer über ein Getriebe mit dem Kolben verbundenen Schließerwelle, wobei das Getriebe mindestens ein Zahnritzel mit über dem Umfang unterschiedlich langen wirksamen Hebelarmen aufweist, welches mit einer kolbenseitigen Zahnstange mit S-förmiger Wälzkurve kämmt,
dadurch gekennzeichnet, dass die zahnritzelseitige Verzahnung (Zahnritzel 25, Zahnritzel 30, Zahnrad 48) und/oder die dem Zahnritzel (25) zugeordnete, komplementäre Verzahnung (27) der Zahnstange über ihre Wälzkurve (26, 28) variierten Flankenwinkel mit mindestens einem unsymmetrischen Zahn mit an der druckseitigen Flanke (20, 21) spitzeren Flankenwinkel als an der nicht druckseitigen Flanke aufweisen, wobei unsymmetrisch ausgebildete Zähne im Bereich des Wendepunktes der S-förmigen Wälzkurve (Verzahnung 27) der Zahnstange angeordnet sind.
Nachfolgend abgebildet sind eine zeichnerische Darstellung zur Erläuterung des Funktionsprinzips eines Türschließers (Figur 1), eine schematische Darstellung eines Ausführungsbeispiels eines Kolbens mit Innenverzahlung und zugeordnetem Ritzel (Figur 4) und eine Teilschnittdarstellung einer Ausführungsform eines Obertürschließers (Figur 6). Die Abbildungen stammen aus der Klagepatentschrift (Anlage K5).
Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Türschließer. Sie bietet in einem Prospekt den Drehflügelantrieb „A CD 80“ an, wie er in der folgenden Abbildung zu sehen ist:
Die Klägerin ließ bei zwei Mustern der angegriffenen Ausführungsform die Zahnstangen durch ein unabhängiges Messinstitut vermessen. Wegen der Ergebnisse der Messungen, die zwischen den Parteien streitig sind, wird auf die zur Akte gereichte Anlage K12 mit den entsprechenden Tabellen Bezug genommen. Auf der Grundlage der Messungen ließ die Klägerin die Zahnstangenprofile der beiden Muster zeichnerisch darstellen. Die Darstellungen sind ebenfalls aus der Anlage K12 ersichtlich und nachfolgend abgebildet.
1. Messung
2. Messung
Unstreitig weist die angegriffene Ausführungsform ein kreisrundes, exzentrisch gelagertes Ritzel mit einer regulären Evolventen-Normal-Verzahnung mit einem Modul von 1,375 mm, 15 Zähnen und einem Flankenwinkel von 20° auf. Die Wälzkurve der Zahnstange verläuft S-förmig.
Die Klägerin ist der Ansicht, durch den Türschließer „A CD 80“ werde das Klagepatent wortsinngemäß verletzt. Dies ergebe sich aus den beiden Messungen. Sie behauptet, die Messungenauigkeit betrage 3m. Dieser Wert ergebe sich aus dem Kalibrierschein. Der in der Tabelle angegebene Toleranzwert von 0,5 und -0,5 betreffe die Fertigungstoleranz bei Vermessungen im Qualitätswesen und nicht die Messgenauigkeit. Die Wälzkurve sei von der Firma GEOMESS durch ein empirisches Verfahren zur Bestimmung der Wälzkurve ermittelt worden.
Die Messung habe eine breite Variation unterschiedlicher Flankenwinkel der auf der Zahnstange angeordneten Zähne ergeben. Im Bereich des – von links betrachtet – vierten Zahns (das ist der dritte vermessene Zahn) habe die Wälzkurve die größte Steigung. Dieser Zahn sei unsymmetrisch. Die zugehörige linke Zahnflanke weise einen Winkel von 19,374° (erste Messung) bzw. 19,719° (zweite Messung) auf, die rechte Zahnflanke von 20,215° bzw. 20,130°. Unstreitig handelt es sich bei der linken Seite um die mit Druck belastete Flanke.
Bei den Differenzen zwischen den Flankenwinkeln handele es sich um gewollte Unterschiede und nicht um Fertigungstoleranzen. Unbeachtlich sei es nach ihrer Ansicht, dass der fünfte Zahn den spitzeren Flankenwinkel auf der nicht mit Druck belasteten Seite aufweise. Denn die Wandreibung werde auch durch einen einzelnen Zahn verringert.
Mit der am 20.09.2006 eingereichten und der Beklagten am 27.09.2006 zugestellten Klage hat die Klägerin unter Ziffer I.1c) beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, Türschließer mit einem in einem Gehäuse geführten Kolben, zumindest einer mit dem Kolben zusammenwirkenden Schließerfeder und einer hydraulischen Dämpfungseinrichtung und mit einer über ein Getriebe mit dem Kolben verbundenen Schließerwelle, wobei das Getriebe mindestens ein Zahnritzel mit über dem Umfang unterschiedlich lang wirksamen Hebelarmen aufweist, welches mit einer kolbenseitigen Zahnstange kämmt,
in der Bundesrepublik herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, auszuführen und/oder zu den genannten Zwecken zu besitzen
bei denen die dem Zahnritzel zugeordnete komplementäre Verzahnung der Zahnstange über ihre Wälzkurve einen variierten Flankenwinkel mit mindestens einem unsymmetrischen Zahn mit an der druckseitigen Flanke spitzeren Flankenwinkel als an der nicht druckseitigen Flanke aufweist und bei denen unsymmetrisch ausgebildete Zähne im Bereich des Wendepunktes der S-förmigen Wälzkurve der Zahnstange angeordnet sind.
Mit einem bei Gericht am 27.08.2007 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu I.1c) für erledigt erklärt. Dem hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 15.10.2007 zugestimmt.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
I. die Beklagte zu verurteilen,
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I.1c) bezeichneten Handlungen vom 29.11.1999 bis zum 10.11.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe,
a) der Herstellungsmengen und –zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer sowie der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und zugleich verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Nachfrage Auskunft darüber zu erteilen, ob ein bestimmt bezeichneter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die vorstehend zu I.1c) bezeichneten, vom 29. 11.1999 bis zum 10.11.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die in der Anlage K12 abgebildete Verzahnung habe nichts mit der angegriffenen Ausführungsform zu tun. Die Wälzkurve sei nicht richtig ermittelt worden. Sie könne nur dadurch ermittelt werden, dass das relevante Ritzel im Kolben gelagert werde, auf der Zahnstange ablaufe und die lokalen Verhältnisse in jeder Position der Drehung vermessen würden. Dies sei nicht erfolgt. Es sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, wie die Winkel gemessen worden seien. Die Winkel seien nicht, wie in der Patentschrift beschrieben, vermessen worden und im Übrigen aufgrund der fehlerhaften Ermittlung des Wälzkurvenverlaufs falsch.
Die Zähne des Ritzels und der Zahnstange seien auf das gleiche Bezugsprofil zurückzuführen. Auch die Zähne der Zahnstange seien symmetrisch und würden einen Flankenwinkel von einheitlich 20° aufweisen. Dies ergebe sich auch aus der allgemeinen Verzahnungsgeometrie.
Die Beklagte ist der Auffassung, auch für den Fall, dass die Messergebnisse richtig seien, sei der kennzeichnende Teil des Klagepatentanspruchs nicht verwirklicht. Sie behauptet, bei den Unterschieden zwischen den jeweils rechten und linken Flankenwinkeln handele es sich um geringe Abweichungen im Bereich üblicher Fertigungstoleranzen. Der Fachmann habe keine Zweifel, dass die Zähne durch einen einheitlichen Flankenwinkel von 20° definiert seien. Der Flankenwinkel variiere nicht und die Zähne seien nicht unsymmetrisch. Zudem habe die Wälzkurve ihre größte Steigung und damit ihren Wendepunkt im Bereich des fünften Zahns (das ist der vierte gemessene Zahn), der den spitzeren Winkel an der rechten Flanke habe. Auch dies schließe eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatents aus.
Der Fachmann schließe aus dem kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs, dass immer dann, wenn ein unsymmetrischer Zahn vorhanden sei, der spitzere Flankenwinkel auf der mit Druck belasteten Seite liegen müsse. Eine umgekehrte Unsymmetrie sei ausgeschlossen. Durch den „umgekehrt unsymmetrischen“ fünften Zahn würden die durch das Patent bezweckten Wirkungen wieder aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Der mittlerweile für erledigt erklärte Klageantrag zu I.1c) ist dahingehend auszulegen, dass er dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs 9 entsprechen sollte. Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 30.10.2007 den Antrag mit der Ergänzung „zur Reduzierung der Wandreibung“ hinter dem Wort „wobei“ im dritten Absatz des Klageantrags zu I.1c) gestellt. Dieser Einschub wurde jedoch lediglich versehentlich eingefügt. Dem Gericht ist bekannt, dass dieser Rechtsstreit zusammen mit den Parallelsachen 4a O xxx/06 und 4a O xxx/06 am Terminstag verhandelt worden ist und gleichlautende Ergänzungen auch in den beiden anderen Verfahren gestellt worden sind. Die Ergänzungen wurden auf Anregung des Gerichts im Hinblick auf den Wortlaut des jeweiligen Klagepatents vorgenommen. Im vorliegenden Fall enthält der geltend gemachte Klagepatentanspruch 9 aber weder das Wort „wobei“, noch die Wendung „zur Reduzierung des Wandreibung.“ Vor diesem Hintergrund ist eine Auslegung des Klageantrags angebracht, wonach die oben genannte Einfügung nicht Gegenstand des Antrags sein soll. Eine Einschränkung oder Erweiterung des Antrags in der Sache ist damit nicht verbunden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 9 Nr. 1, 140b PatG, § 242 BGB. Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht.
I.
Das Klagepatent schützt im Patentanspruch 1 einen Türschließer. Im Stand der Technik waren entsprechende Türschließer bekannt. Gegenstand der im Klagepatent benannten DE-PS 8 21 772 ist ein Türschließer mit einem an der Tür angelenkten Schließergehäuse. Die Schließerwelle ist mit einem exzentrisch gelagerten elliptischen Zahnrad verbunden, das mit einer schrägen kolbenseitigen Zahnstange kämmt. Die FR 15 10 056 weist ein Getriebe mit zwei elliptischen Zahnrädern auf und die US 13 59 144 ein kreisrundes, exzentrisch gelagertes Zahnritzel, das mit einer ungeraden Zahnstange am Kolben kämmt. Aus der IT 580 797 ist ein hydraulischer Türschließer mit exzentrisch gelagertem Ritzel und einer schrägen Zahnstange am Kolben bekannt. Das Klagepatent kritisiert an den benannten Türschließern, dass diese einen schlechten Wirkungsgrad aufweisen. Um ein ausreichendes Schließmoment zu erhalten, sind nach dem Stand der Technik relativ große Schließfedern und damit eine große Baugröße erforderlich.
Dem Klagepatent liegt daher das Problem zu Grunde, einen Türschließer zu schaffen, der bei kompakter Bauweise einen günstigen Momentenverlauf und hohen Wirkungsgrad liefert. Dies soll durch den Patentanspruch 1 erreicht werden, der folgende Merkmale aufweist:
1. Türschließer
2. mit einem in einem Gehäuse geführten Kolben,
3. mit zumindest einer mit dem Kolben zusammenwirkenden Schließerfeder
4. mit einer hydraulischen Dämpfungseinrichtung und
5. mit einer über ein Getriebe mit dem Kolben verbundenen Schließerwelle;
6. das Getriebe weist mindestens ein Zahnritzel mit über dem Umfang unterschiedlich lang wirksamen Hebelarmen auf
7. das Zahnritzel kämmt mit einer kolbenseitigen Zahnstange;
8. die zahnritzelseitige Verzahnung (Zahnritzel 25, Zahnritzel 30, Zahnrad 48) und/oder die dem Zahnritzel (25) zugeordnete, komplementäre Verzahnung (27) der Zahnstange weist/weisen über ihre Wälzkurve (26, 28) variierten Flankenwinkel mit mindestens einem unsymmetrischen Zahn auf;
9. der mindestens eine unsymmetrische Zahn weist an der druckseitigen Flanke (20, 21) spitzeren Flankenwinkel auf als an der nicht druckseitigen Flanke;
10. unsymmetrisch ausgebildete Zähne sind im Bereich des Wendepunktes der S-förmigen Wälzkurve (Verzahnung 27) der Zahnstange angeordnet.
Zu den Vorteilen der Erfindung führt das Klagepatent aus, dass bei Zähnen mit einem spitzeren Flankenwinkel auf der druckseitige Flanke als auf der nichtdruckseitigen Flanke die Kraftkomponente in Richtung der Seitenwand und damit auch die Wandreibung des Kolbens relativ gering gehalten werde (Spalte 3 Zeile 25-30 der Anlage K5).
II.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob durch die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 8 bis 10 verwirklicht werden und damit der Schutzbereich des Klagepatents verletzt ist.
1. Nach § 14 PatG wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen sind. Inhalt bedeutet nicht Wortlaut, sondern Sinngehalt. Die Auslegung dient nicht nur der Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen, sondern auch zur Klarstellung der in den Patentansprüchen verwendeten technischen Begriffe sowie zur Klärung der Bedeutung und der Tragweite der Erfindung. Begriffe in den Patentansprüchen und in der Patentbeschreibung sind so zu deuten, wie sie der angesprochene Durchschnittsfachmann nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung der Erfindung versteht (BGH GRUR 1999, 909, 911 – Spannschraube).
a) Das Klagepatent unterscheidet sich durch die Gestaltung der Zähne am Ritzel und/oder an der Zahnstange vom vorbekannten Stand der Technik. Dieser kannte bereits Türschließer mit elliptischen oder exzentrisch gelagerten runden Ritzeln. Infolgedessen verlief die zum Ritzel und zur Zahnstange gehörige Wälzkurve nicht linear, sondern wies eine veränderliche Steigung auf. Ritzel und Zahnstange waren jedoch nach dem Stand der Technik mit einer symmetrischen Normal-Verzahnung ausgestattet. Das heißt, dass die Flankenwinkel – das ist begrifflich der von der Zahnflanke und der Senkrechten auf die Wälzkurve eingeschlossene Winkel (so auch die Klagepatentbeschreibung in Spalte 6 Zeile 30-34 der Anlage K5) – bei allen Zähnen gleich waren. Von diesem Stand der Technik setzt sich die Lehre des Klagepatentanspruchs 9 dadurch ab, dass in Merkmal 8 variierende Flankenwinkel und in Merkmal 9 mindestens ein unsymmetrischer Zahn mit einem spitzeren Flankenwinkel auf der druckseitigen Flanke vorgesehen ist.
Nach dem Vorbringen der Parteien gibt es aber in der praktischen Ausführung von Ritzeln und Zahnstangen keine völlig gleichen Flankenwinkel im exakt-mathematischen Sinne. Die Beklagte hat dazu vorgetragen, dass die Flankenwinkel üblicherweise mit Fertigungstoleranzen behaftet seien. Immerhin handele es sich bei der Herstellung von Türschließern um eine Massenproduktion und nicht um die Anfertigung von Präzisionsgetrieben. Auch die Klägerin hat Fertigungstoleranzen bei der Herstellung von Türschließern nicht ausgeschlossen. Es wird sogar in den von der Klägerin vorgelegten Tabellen mit den Messergebnissen (Anlage K12) ein Toleranzwert von 0,5 und -0,5 angegeben. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, es handele sich dabei um eine veränderbare Größe, um bei Vermessungen im Qualitätswesen Fertigungstoleranzen bei dem zu messenden Gegenstand zu berücksichtigen.
Vor diesem Hintergrund wiesen bereits die nach dem Stand der Technik mit einer „symmetrischen Evolventen-Normal-Verzahnung“ versehenen Ritzel und Zahnstangen unsymmetrische Zähne mit unterschiedlichen Flankenwinkeln auf. Dabei waren die Unsymmetrie der Zähne beziehungsweise die Unterschiede zwischen den Flankenwinkeln eines Zahns allein durch Fertigungstoleranzen bedingt. Ausschlaggebend ist daher nicht eine exakt-mathematische, sondern eine am technischen Sinngehalt orientierte Auslegung des Patentanspruchs. Die Lehre des Klagepatents im Patentanspruch 9 ist einschränkend dahin auszulegen, dass eine Unsymmetrie außerhalb von unvermeidbaren Fertigungstoleranzen verlangt wird, weil andernfalls bereits der Stand der Technik unter die Lehre des Klagepatents „gezogen würde.“ Umgekehrt führen durch unvermeidbare Fertigungstoleranzen bedingte Unterschiede in den Flankenwinkeln eines Zahns aus der Lehre des Klagepatents heraus.
b) Diese Auslegung wird durch die Funktion, die einem Zahn mit unterschiedlichen Flankenwinkeln zukommt, gestützt. Die Patentbeschreibung (hier Spalte 3 Zeile 25-30 der Anlage K5) weist darauf hin, dass durch die unsymmetrische Gestaltung des Zahns die Kraftkomponente auf die Kolbenwand und damit die Wandreibung verringert werden soll. Bei den vorbekannten Türschließern mit herkömmlicher symmetrischer Normal-Verzahnung sind in Wälzkurvenabschnitten größerer Steigung die mit Druck belasteten Flanken stärker zur Kolbenwand geneigt als in Abschnitten geringer Steigung. Dadurch ist die auf die Kolbenwand wirkende Kraftkomponente und zugleich die Wandreibung erhöht. Durch die Ausbildung eines unsymmetrischen Zahns, dessen druckseitige Flanke einen spitzeren Winkel aufweist als die nicht druckseitige Flanke (Merkmal 9), verläuft die druckseitige Flanke bezüglich der Senkrechten auf die Wälzkurve steiler und wird die Kraftkomponente in Richtung Kolbenwand verringert.
Der Fachmann erkennt, dass die Wandreibung tendenziell stärker verringert wird, je größer der Unterschied zwischen den beiden Flankenwinkeln ist. Umgekehrt wird er erkennen, dass marginale Größenunterschiede, die allein fertigungstechnisch bedingt sind, unbeachtlich sind, da die technische Wirkung in Form einer Verringerung der Wandreibung vernachlässigbar gering ist.
c) Diese Auslegung des Patentanspruchs widerspricht nicht dem Grundsatz, dass sich Erwägungen zum Zweck, zur Wirkung und zur Funktion eines Merkmals grundsätzlich erübrigen, wenn eine Ausführungsform von den Merkmalen eines Patentanspruchs in deren räumlich-körperlicher Ausgestaltung identisch Gebrauch macht (vgl. BGH GRUR 1991, 436 – Befestigungsvorrichtung). Denn die Beantwortung der Frage, ob eine identische Verwirklichung eines Merkmals vorliegt, darf nicht auf die rein räumlich-körperliche Definition reduziert werden. Dies rechtfertigt es im vorliegenden Fall, solche Winkeldifferenzen aus dem Schutzbereich auszunehmen, die allein auf Fertigungstoleranzen beruhen und den Wirkungsgrad nicht spürbar beeinflussen können.
2. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer auf der Grundlage des bisherigen Sachvortrags der Klägerin eine Verwirklichung des Merkmals 9 nicht zu bejahen.
Die Klägerin führte Messungen an zwei Mustern der angegriffenen Ausführungsform durch und hat dazu behauptet, bei dem vierten Zahn von links betrachtet – das ist der dritte vermessene Zahn in beiden Messungen – handele es sich um einen unsymmetrischen Zahn. Der Winkel der linken Flanke betrage im ersten Fall 19,374° im Vergleich zu einem Winkel von 20,215° der rechten Flanke und im zweiten Fall 19,719° (linke Flanke) im Vergleich zu 20,130° (rechte Flanke).
a) Die Beklagte hat diese Messergebnisse bestritten und behauptet, bei der Verzahnung von Ritzel und Zahnstange handele es sich um eine reguläre Evolventen-Normal-Verzahnung mit einem Flankenwinkel von 20°. Einer Beweisaufnahme über die Größe der Flankenwinkel bedurfte es gleichwohl nicht, weil sich die Klägerin mit den Einwänden der Beklagten nicht im einzelnen auseinandergesetzt hat und eine ordnungsgemäße Vermessung und damit die Richtigkeit der Messergebnisse nicht dargelegt hat. Die Beklagte bemängelt an den von der Klägerin vorgelegten Messergebnissen, dass nicht nachvollziehbar sei, wie diese Messungen erfolgten. Unklar sei, wie die in der Anlage K12 dargestellte Wälzkurve ermittelt worden sei. Es sei für die Bestimmung der Wälzkurve notwendig, das relevante Ritzel in der Einbausituation im Kolben des Türschließers zu lagern, auf der Zahnstange ablaufen zu lassen und in jeder Stellung die auftretenden lokalen Verhältnisse zwischen dem Drehwinkel des Ritzels und dem Schubweg der Zahnstange festzustellen. Erst dann könne die Wälzkurve ermittelt werden. Infolge einer fehlerhaften Bestimmung der Wälzkurve seien aber auch die gemessenen Winkel unzutreffend. Schließlich sei auch unklar, wie die Flankenwinkel bestimmt worden seien, insbesondere ob sie entsprechend den Anordnungen des Klagepatents ermittelt worden sein.
Im Verlaufe des Rechtsstreits ist nicht deutlich geworden, wie die von der Klägerin vorgelegten Messergebnisse ermittelt wurden. Der Vortrag seitens der Klägerin hat sich zunächst darauf beschränkt, dass die Wälzkurve durch das Messinstitut im Wege eines empirischen Verfahrens ermittelt worden sei. Der Begriff „empirisches Verfahren“ lässt jedoch völlig offen, auf welcher Grundlage und mit welcher Methodik die Messung erfolgte. Erst in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erläutert, dass die Kontur der Zähne mittels CAD-Technik über einen Abtaster ermittelt werde. Danach werde die Wälzkurve festgelegt, indem die Berührpunkte zwischen Ritzel und Zahnstange auf den Zahnflanken ermittelt werden. Im Anschluss daran werde die Senkrechte auf die Wälzkurve aufgetragen und der Winkel zwischen der Flanke und der Senkrechten auf die Wälzkurve gemessen.
Dieser Vortrag lässt weiterhin offen, wie die Wälzkurve konkret bestimmt wurde. Da die Berührpunkte an den Zahnflanken der Zahnstange von der Verzahnung des Ritzels abhängig sind, hätte die Messung in der konkreten Einbausituation von Ritzel und Zahnstange erfolgen müssen. Ob dies geschehen ist, ist nicht vorgetragen worden. Weiterhin bedarf es – worauf auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zutreffend hingewiesen hat – zur Bestimmung der Winkel ausgehend von der ursprünglichen Vermessung des Zahnstangenprofils mehrerer Schritte. Da die ursprüngliche Vermessung, wie von der Klägerin dargelegt, mit Messtoleranzen im Bereich von 3 m erfolgte, werden diese Messfehler mit jedem weiteren Schritt fortgeschrieben. Es ist nicht dargelegt, in welcher Größenordnung Messfehler bei den schließlich nur rechnerisch ermittelten Flankenwinkeln vorhanden sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass in der Darstellung der Bestimmung der Flankenwinkel außer acht gelassen worden ist, dass es sich bei den Zahnflanken um gekrümmte Flächen handelt und der Flankenwinkel die Berechnung der Tangente an die Zahnflanke im jeweiligen Berührpunkt von Zahnrad und Zahnstange erfordert. Wie diese Berechnung der Tangente erfolgte, ist ebenfalls offengeblieben.
b) Aber auch wenn man unterstellt, dass die Messergebnisse die Verzahnung der angegriffenen Ausführungsform richtig wiedergeben, vermag die Kammer eine Verwirklichung der Lehre des Klagepatents nicht festzustellen. Es fehlt der Vortrag konkreter Tatsachen, dass es sich bei den Unterschieden zwischen den beiden Flankenwinkeln nicht allein um fertigungstechnisch bedingte Toleranzen handelt. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Einwänden der Beklagten fehlt.
Denn die Beklagte hat ungeachtet der von ihr bestrittenen Richtigkeit der Messung und der Messergebnisse darauf hingewiesen, dass es sich bei den Differenzen zwischen den Flankenwinkeln nur um geringe Abweichungen im Bereich üblicher Fertigungstoleranzen handele. Ein Fachmann habe keinen Zweifel daran, dass es sich um eine Evolventen-Normal-Verzahnung mit einheitlichen Winkeln von 20° handele.
Für diese Auffassung sprechen verschiedene Anhaltspunkte. So werden die in den Messtabellen der Anlage K12 genannten Toleranzen von 0,5 und -0,5 von der Klägerin selbst als veränderbare Größe erläutert, um bei Vermessungen im Qualitätswesen Fertigungstoleranzen zu berücksichtigen (Seite 6 der Duplik vom 27.08.2007 / Blatt 65 der Akte). Fasst man diese Größen von 0,5 und -0,5 als Fertigungstoleranzen auf, ist eine Unsymmetrie des jeweils dritten vermessenen Zahns bei beiden Mustern zu verneinen. Denn die Differenz der beiden Flankenwinkel des jeweils dritten vermessenen Zahns beträgt bei der Messung des ersten Musters 0,841° und des zweiten Musters 0,411°. In beiden Fällen liegen die Differenzen im Toleranzbereich, wenn aufgrund der Fertigungstoleranzen der linke Flankenwinkel bis zu 0,5° zu klein und der rechte Flankenwinkel bis zu 0,5° zu groß angefertigt wurde.
Wie auch die Beklagte vorgetragen hat, deutet weiterhin der Vergleich der beiden Messergebnisse der angegriffenen Ausführungsform darauf hin, dass nicht unerhebliche Fertigungstoleranzen von teilweise über 1° auftreten können. So ist bei dem ersten Muster der angegriffenen Ausführungsform der rechte Flankenwinkel am dritten vermessenen Zahn um 0,085° größer als beim Muster der zweiten Messung. Der linke Flankenwinkel ist um 0,345° kleiner. Noch deutlicher sind die Unterschiede am vierten vermessenen Zahn. Dort betragen die Winkeldifferenzen 1,230° (rechte Flanke) und 0,267° (linke Flanke).
Vor diesem Hintergrund wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, sich im Einzelnen mit den Umständen, die auf Fertigungstoleranzen als Ursache für die unsymmetrische Ausbildung der Zähne bei der angegriffenen Ausführungsform hinweisen, auseinanderzusetzen und darzulegen, dass die Lehre des Klagepatents auch unter diesen Umständen verwirklicht wird. Es fehlt an Darlegungen, mit welchen Fertigungstoleranzen üblicherweise bei der Herstellung von Türschließern wie der angegriffenen Ausführungsform zu rechnen ist oder welche Abweichungen vermeidbar sind. Der Vortrag, bei den Winkelunterschieden handele es sich um gewollte Abweichungen, reicht in dieser Hinsicht nicht aus. Zur technischen Wirkung der gemessenen Winkelunterschiede auf die Wandreibung des Kolbens fehlt es ebenfalls an Darlegungen. Der Kammer liegen lediglich die Messergebnisse und eine zugehörige Zeichnung vor. Bei dem von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezeigten Muster einer angegriffenen Ausführungsform war das Spiel zwischen Ritzel und Zahnstange hingegen auch aus weiterer Entfernung deutlich erkennbar. Ein solch großes Spiel macht deutlich, dass Fertigungstoleranzen in technischer Hinsicht durchaus toleriert werden können und die Anfertigung eines Präzisionsgetriebes, dessen Flankenwinkel in der Praxis nur Bruchteile vom Soll abweichen, nicht erforderlich ist.
Die Kammer vermag mangels klägerischen Vortrags nicht zu beurteilen, ob es sich bei den aus der Messung erkennbaren Unterschieden zwischen den Flankenwinkeln um unsymmetrische Zähne mit unterschiedlichen Flankenwinkeln im Sinne von Merkmal 8 und 9 handelt oder um unvermeidbare Fertigungstoleranzen. Lediglich der Unterschied zwischen den Flankenwinkeln des jeweils ersten vermessenen Zahns (9,974° beziehungsweise 8,499°) spricht für eine unsymmetrische Ausgestaltung, die nicht allein fertigungstechnisch bedingt ist. Gleichwohl sind Merkmale 9 und 10 durch diesen Zahn nicht verwirklicht, weil sich dieser Zahn weder im Bereich des Wendepunktes der S-förmigen Wälzkurve befindet, noch weist die mit Druck belastete linke Zahnflanke einen spitzeren Winkel als die rechte Flanke auf (29,302° bzw. 29,35° gegenüber 19,328° bzw. 20,851°). Im Übrigen ist es aufgrund der zuvor geschilderten Anhaltspunkte durchaus möglich, dass die Unterschiede zwischen dem jeweils linken und rechten Flankenwinkel eines Zahns lediglich auf unvermeidbare Fertigungstoleranzen beruhen.
Schließlich kann auch nicht der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung gefolgt werden, die Beklagte habe achsensymmetrisch gestaltete Zähne auf der Wälzkurve angeordnet, was aufgrund der unterschiedlichen Steigung der Wälzkurve zwangsläufig zu unsymmetrischen Zähnen im Sinne der Lehre des Klagepatents führe. Wenn diese Ansicht zuträfe, müsste die Differenz zwischen den Steigungswinkeln der Wälzkurve an der linken und rechten Flanke eines Zahns der Differenz der Flankenwinkel des gleichen Zahns entsprechen (wobei der Flankenwinkel durch die Zahnflanke und die Normale auf die Wälzkurve eingeschlossen wird). Dies kann aber auf der Grundlage der von der Klägerin mit der Anlage K12 vorgelegten Messergebnisse nicht bestätigt werden. Die Klägerin hat dazu erklärt, die in der dritten und vierten Rubrik der Tabelle wiedergegebenen Messergebnisse („Winkel Y rechte bzw. linke Zahnflanke“) gäben die Steigung der Wälzkurve an der linken bzw. rechten Flanke der Zähne wieder. In der Messung des ersten Musters beträgt am dritten vermessenen Zahn die Winkeldifferenz der Wälzkurvensteigung 0,372°. Die Differenz der Flankenwinkel hingegen 0,841°. Beim vierten vermessenen Zahn belaufen sich die Differenzen der Wälzkurvensteigungswinkel bzw. der Flankenwinkel auf 0,423° (Wälzkurvensteigung) bzw. 0,173° (Flankenwinkel). Im Hinblick auf diese Unterschiede zwischen den Winkeldifferenzen, die sich auch bei den übrigen Zähnen zeigen, ist eine achsensymmetrische Ausgestaltung der Zähne nicht festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und im Hinblick auf die übereinstimmende Erledigung des Unterlassungsantrags auf § 91a ZPO. Nach den Grundsätzen des § 91a ZPO sind der Klägerin die Kosten aufzuerlegen, da sie die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nicht dargelegt hat und insoweit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand unterlegen wäre. Mangels Darlegung einer Patentverletzung fehlt es an der Wiederholungsgefahr, der für einen Unterlassungsanspruch aus §§ 139 Abs. 1, 9 Nr. 1 PatG Voraussetzung ist. Für eine Erstbegehungsgefahr hat die Klägerin nichts vorgetragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Streitwert: 330.000,00 EUR bis zum 15.10.2007
200.000,00 EUR zuzüglich Kosteninteresse aus 130.000,00 EUR seit dem
15.10.2007.