Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. November 2006, Az. 4a O 406/06
Rechtsmittelinstanz: 2 U 134/06
I.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt,
medizinische Instrumente zur Behandlung von biologischem Gewebe, mit einer Einrichtung zum extrakorporalen Erzeugen von Druckwellen und mit einem Übertragungselement zum Einkoppeln der Druckwellen in den Körper von Lebewesen,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen das Übertragungselement aus einer metallischen Sonde besteht, die eine stumpfe, auf der Körperoberfläche anzuordnende Sondenspitze mit einer flachen oder gekrümmten Austrittsgrenzfläche aufweist, die eine unfokussierte, mechanisch erzeugte Druckwelle in das biologische Gewebe einkoppelt, die von einem auf eine Endgeschwindigkeit von 5 m/s bis 20 m/s beschleunigten und auf das Übertragungselement auftreffenden, hin- und herbewegbaren Schlagteil erzeugt wird, wobei die Einrichtung zum Erzeugen von Druckwellen aus einem in einem Gehäuse geführten, mit Hilfe eines Antriebsmittels hin- und herbewegbaren Schlagteil besteht, das auf das Übertragungselement einen oder mehrere Kraftstöße ausübt, wobei das Schlagteil infolge des Kraftstoßes eine Druckwelle in das Übertragungselement induziert, die sich bis zu der Austrittsgrenzfläche der stumpfen Sondenspitze des Übertragungselements fortpflanzt und die Schlagfrequenz des Schlagteils ca. 1 bis 30 Hz, vorzugsweise 6 bis 20 Hz beträgt.
II.
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, jeweils zu vollziehen an den Mitgliedern ihres Verwaltungsrates, angedroht.
III.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung aus dem deutschen Teil des europäischen Patents 0 991 xxx (nachfolgend: Verfügungspatent) auf Unterlassung in Anspruch. Das Verfügungspatent wurde am 03. Juni 1998 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 17. Juni 1997 angemeldet, die Patentanmeldung am 12. April 2000 veröffentlicht. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 01. Dezember 2004. Eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents, das in Kraft steht, ist die F Holding S.A. Diese hat der Antragstellerin eine ausschließliche Lizenz für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilt. Das Verfügungspatent betrifft ein medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe mittels extrakorporal erzeugter Druckwellen.
Gestützt auf das Verfügungspatent hat die Kammer mit Urteil vom 01. Juni 2006 (4a O 234/05) die Antragsgegnerin unter anderem zur Unterlassung verurteilt. Gegenstand des Hauptsacheverfahrens war ein von der Antragsgegnerin unter der Bezeichnung „ABC-100“ angebotenes und vertriebenes Gerät zur Behandlung von biologischem Gewebe. Mit Rücksicht auf eine Entscheidung der Gebrauchsmusterlöschungsabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts betreffend das parallele Gebrauchsmuster DE 298 24 xxx (Gegenstand des Hauptsacheverfahrens 4a O 162/06), welche die Schutzfähigkeit dieses Gebrauchsmusters nur in eingeschränktem Umfang bejaht hatte, machte die Antragstellerin auch im auf das Verfügungspatent gestützten Hauptsacheverfahren eine Kombination der Ansprüche 1, 2, 4, 6 und 12 des eingetragenen Verfügungspatents geltend. Daraus ergab sich die den Beteiligten aus dem Urteil vom 01. Juni 2006 (hier Anlage ASt2) bekannte Merkmalskombination, nach deren Merkmal 11, das dem Unteranspruch 12 entstammt, das Durchmesserverhältnis der Austrittsgrenzfläche zur Eintrittsgrenzfläche ca. 2 bis 3 beträgt. Die Verwirklichung auch dieses Merkmals hat die Kammer für die damals angegriffene Ausführungsform bejaht, soweit diese mit dem „Applikator X1“ (Durchmesser der Eintrittsgrenzfläche: 15 mm) und dem „Applikator X2“ (Durchmesser der Eintrittsgrenzfläche: 10 mm) ausgerüstet ist.
Im Hinblick auf das Urteil vom 01. Juni 2006 hat die Antragsgegnerin die Ausgestaltung des Projektils (das nunmehr konisch zulaufend ist und im Stirnbereich nur noch einen Durchmesser von ca. 4,2 mm aufweist) geändert und bietet das Gerät nunmehr unter der Bezeichnung „ABC-200“ an. Der Lieferumfang dieser im vorliegenden Verfahren angegriffenen Ausführungsform umfasst nicht mehr den Applikator X2, sondern nur noch die Applikatoren X1 (15 mm Austrittsgrenzfläche) und X3 (6 mm Austrittsgrenzfläche), und wird in der Bundesrepublik Deutschland seit Juli 2006 vertrieben.
Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hat als Ergebnis der Einspruchsverhandlung vom 31. Oktober 2006 Patentanspruch 1 des Verfügungspatents in einem Umfang aufrechterhalten, der das oben genannte Merkmal 11, wonach das Durchmesserverhältnis der Austritts- zur Eintrittsgrenzfläche ca. 2 bis 3 beträgt, nicht umfasst. Patentanspruch 1 des Verfügungspatents lautet demnach in der aufrecht erhaltenen Fassung:
Medizinisches Instrument zur Behandlung von biologischem Gewebe, mit einer Einrichtung zum extrakorporalen Erzeugen von Druckwellen und mit einem Übertragungselement (2) zum Einkoppeln der Druckwellen in den Körper von Lebewesen, wobei
– das Übertragungselement (2) aus einer metallischen Sonde besteht, die eine stumpfe, auf der Körperoberfläche anzuordnende Sondenspitze (22) mit einer flachen oder gekrümmten Austrittsgrenzfläche (24) aufweist, die eine unfokussierte, mechanisch erzeugte Druckwelle in das biologische Gewebe einkoppelt, die von einem auf eine hohe Endgeschwindigkeit von 5 bis 20 m/s beschleunigten und auf das Übertragungselement (2) auftreffenden hin- und her bewegbaren Schlagteil (10) erzeugbar ist, dessen Schlagfrequenz ca. 1 bis 30 Hz, vorzugsweise 6 bis 20 Hz, beträgt,
– die Einrichtung zum Erzeugen von Druckwellen aus einem in einem Gehäuse (4) geführten mit Hilfe eines Antriebsmittels (14) hin- und her bewegbaren Schlagteil (10) besteht, das auf das Übertragungselement (2) einen oder mehrere Kraftstöße ausübt, wobei das Schlagteil (10) infolge des Kraftstoßes eine Druckwelle in das Übertragungselement (2) induziert, die sich bis zu der Auftrittsgrenzfläche (24) der stumpfen Sondenspitze (22) des Übertragungselementes (2) fortpflanzt.
Insbesondere im Hinblick auf die am 15. November 2006 in Düsseldorf beginnende Messe MEDICA 2006 nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung der im Tenor zu I. genannten Benutzungshandlungen in Anspruch.
Die Antragstellerin beantragt den Erlass einer einstweiligen Verfügung,
mit der unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel erkannt werde, wie geschehen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie stellt ein Sicherungsbedürfnis der Antragstellerin im Hinblick auf die Fassung des Verfügungspatents nach der Entscheidung der Einspruchsabteilung in Abrede. Die Antragstellerin habe sich dieses Schutzes begeben, indem sie den Schutzbereich des Verfügungspatents im Hauptsacheverfahren nicht ausgeschöpft habe. Des Weiteren fehle es an der erforderlichen Dringlichkeit, weil die Antragstellerin – wie aus ihrem Vorbringen im auf das parallele Gebrauchsmuster gestützten Zwangsvollstreckungsverfahren 4a O 162/06 ZV I ersichtlich sei – bereits seit dem 10. August 2006 die Auffassung vertrete, dass die angegriffene Ausführungsform „ABC-200“ alle Merkmale des eingeschränkten Gebrauchsmusteranspruchs und damit auch des (demgegenüber weiter gefassten) Verfügungspatentanspruchs 1 verwirkliche.
Die Antragsgegnerin erhebt den Einwand widerrechtlicher Entnahme. Der eingetragene Miterfinder Prof. Dr. H, der als freier Mitarbeiter und Berater der Antragstellerin in Deutschland tätig gewesen sei, habe mit Vertrag vom 27. Oktober 2006 (der in Kopie als Anlage L8 vorgelegt wurde) seine Rechte am Verfügungspatent auf die Antragsgegnerin übertragen.
Dem tritt die Antragstellerin entgegen. Sie behauptet, der Miterfinder Prof. Dr. H habe bereits am 26. Oktober 1999 sämtliche Rechte an der Erfindung gemäß dem Verfügungspatent auf die eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents übertragen. Die Übertragungserklärung aller drei Miterfinder liegt in Kopie als Anlage ASt7 vor. Ausweislich ihres letzten Absatzes seien, so die Antragstellerin, nicht nur die Rechte im Hinblick auf die US-Patentanmeldung, sondern sämtliche Rechte an der Erfindung auch für alle übrigen Staaten, mithin auch für die Bundesrepublik Deutschland, auf die F Holding S.A. übertragen worden.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Wirksamkeit der Übertragungserklärung vom 26. Oktober 1999 stehe die Formvorschrift des Art. 72 EPÜ entgegen, weil es an einer Annahmeerklärung der F Holding S.A. auf derselben Urkunde fehle. Des Weiteren habe Prof. Dr. H mit per Fax übermittelter Erklärung vom 14. November 2006, die im Termin als Kopie vorgelegt wurde, seine Übertragungserklärung vom 26. Oktober 1999 wirksam angefochten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die einstweilige Verfügung war auf den Antrag der Antragstellerin vom 09. November 2006 zu erlassen. Die Antragstellerin hat das Bestehen sowohl eines Verfügungsanspruchs als auch eines Verfügungsgrundes nach §§ 935ff. ZPO in Verbindung mit §§ 9 Satz 2 Nr. 1; 139 Abs. 1 PatG glaubhaft gemacht.
I.
Die Kammer ist im Hinblick auf die seit Juli 2006 in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem über das Internet vorgenommenen Angebots- und Vertriebshandlungen der Antragsgegnerin zur Entscheidung über das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin international und örtlich zuständig. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 143 Abs. 1 und 2 Satz 1 PatG in Verbindung mit der Verordnung über die Zuweisung von Patentstreitsachen, Gebrauchsmusterstreitsachen und Topographieschutzsachen an das Landgericht Düsseldorf vom 13. Januar 1998 (GVBl. NW S. 106) in Verbindung mit Artikel 5 Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
II.
Die Antragstellerin hat einen Verfügungsanspruch auf Unterlassung der Patentbenutzung aus §§ 9 Satz 2 Nr. 1; 139 Abs. 1 PatG hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Diesem Verfügungsanspruch kann die Antragsgegnerin den Einwand widerrechtlicher Entnahme gemäß Art. II § 5 IntPatÜG nicht mit Erfolg entgegen halten. Eine Anfechtung der Erklärung vom 26. Oktober 1999 ist Prof. Dr. H nicht möglich.
1.
Die seit Juli 2006 in der Bundesrepublik Deutschland angebotene und vertriebene angegriffene Ausführungsform „ABC-200“ macht von Anspruch 1 des Verfügungspatents in seiner mit Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 31. Oktober 2006 aufrecht erhaltenen Fassung wortsinngemäß Gebrauch. An der durch die Kammer im Hauptsacheverfahren vorgenommenen Auslegung der Merkmale wird festgehalten. Die Abwandlung gegenüber der angegriffenen Ausführungsform des Hauptsacheverfahrens 4a O 234/05 (ABC-100) beschränkt sich auf eine Verringerung des Stirnseitendurchmessers des Schlagelements von ca. 5,5 mm auf ca. 4,2 mm in Verbindung mit dem Wegfall des X2-Applikators aus dem Lieferumfang des nunmehr unter der Bezeichnung „ABC-200“ vertriebenen Geräts. Daraus ergibt sich bei den beiden Applikatoren, die zum Lieferumfang des „ABC-200“ gehören, ein Durchmesserverhältnis zwischen Austritts- und Eintrittsgrenzfläche, das mit 3,57 (bei dem X1-Applikator) und 1,43 (bei dem X3-Applikator) jeweils außerhalb des Bereichs von „ca. 2 bis 3“ gemäß Merkmal 11 der im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchskombination liegt. Nachdem die aufrechterhaltene Fassung des hier geltend gemachten Anspruchs 1 des Verfügungspatents das Merkmal 11 nicht mehr enthält, steht die Verwirklichung sämtlicher verbliebener Merkmale auch durch die Abwandlung in Gestalt des „ABC-200“ fest.
2.
Der Einwand widerrechtlicher Entnahme aus Art. II § 5 IntPatÜG steht der Antragsgegnerin nicht zu. Sie leitet ihn daraus ab, dass der Miterfinder Prof. Dr. H ihr mit Übertragungserklärung vom 27. Oktober 2006 (in Kopie als Anlage L8 vorgelegt) alle Rechte an der Erfindung „Medizinisches Instrument zum Behandlung von biologischem Gewebe“ und damit an dem hierzu erteilten Verfügungspatent übertragen habe. Daher sei es arglistig, wenn die Antragstellerin nunmehr gestützt auf das Verfügungspatent Verbietungsrechte wegen Patentverletzung durchsetzen wolle.
Eine Übertragung der Miterfinderrechte des Prof. Dr. H auf die Antragsgegnerin konnte am 27. Oktober 2006 jedoch nicht mehr wirksam erfolgen. Dem steht die Übertragungserklärung (das „Assignment“) zugunsten der eingetragenen Patentinhaberin F Holding S.A. vom 26. Oktober 1999 (in Kopie vorgelegt als Anlage ASt7) entgegen, mit welcher der Prof. Dr. H seine Miterfinderrechte am Gegenstand des Verfügungspatents auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf die F Holding S.A. wirksam übertragen hat.
a)
Eingangs der Erklärung gemäß Anlage ASt7 übertragen die als Miterfinder des Verfügungspatents eingetragenen Herren Prof. Dr. H, Dr. M und Dr. S (als „Assignors“, Übertragende) an die eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents F Holding (als „Assignee“, Übertragungsempfängerin) alle Rechte und die Inhaberschaft an der US-amerikanischen Patentanmeldung mit dem Titel „Medical Instrument for Treating Biological Tissue (PCT/EP98/03xxx)“ sowie sämtliche Rechte, die ihnen an der der genannten Anmeldung zugrunde liegenden Erfindung zustehen („entire right, title and interest in any and all inventions (…) disclosed in said application for Letters Patent“). Diese eingangs der Übertragungserklärung nur auf die US-Patentanmeldung bezogene Übertragung wird im letzten Absatz des „Assignments“, der am linken Rand durch die Anmerkung „Note: This paragraph to be crossed out if not applicable“ hervorgehoben ist, auf sämtliche Rechte an der Erfindung auch für alle übrigen Länder erweitert („the entire right, title and interest in said invention (…) for any and all foreign countries“). Nachdem zunächst die US-amerikanische Anmeldung genannt wurde, erschließt es sich ohne weiteres, dass mit „any and all foreign countries“ alle übrigen Staaten neben den USA gemeint waren, mithin auch die Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte für das hier relevante territoriale Schutzgebiet des Verfügungspatents, die Bundesrepublik Deutschland, übertragen wurde.
Der Bezeichnung der PCT-Anmeldung PCT/EP98/03xxx eingangs des „Assignments“ (Anlage ASt7) kommt damit im Zusammenhang mit der Übertragung sämtlicher aus der Erfindung herrührender Rechte lediglich die Funktion zu, den Gegenstand der Erfindung in kurzer und prägnanter Weise zu kennzeichnen. Eine Übertragung der Anmeldung des Verfügungspatents von den Miterfindern auf die F Holding S.A. konnte hier schon deshalb nicht zur Debatte stehen, weil die Anmeldung des Verfügungspatents von Anfang an auf die F Holding S.A. vorgenommen worden war und die Miterfinder zu keinem Zeitpunkt Inhaber einer Anmelderposition waren, die sie auf die F Holding S.A. hätten übertragen können.
b)
Der Wirksamkeit der Übertragung aller aus der Erfindung herrührenden Rechte auf die F Holding S.A. steht die Formvorschrift des Art. 72 EPÜ nicht entgegen. Diese ist auf eine Übertragung der Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte nicht anwendbar. Es ist daher hier unschädlich, wenn die Erklärung vom 27. Oktober 1999, die gerade eine solche Übertragung der Gesamtheit der Rechte aus der Erfindung und nicht die Übertragung einer europäischen Patentanmeldung betrifft, den Formerfordernissen des Art. 72 EPÜ nicht genügt, weil sie nicht erkennbar eine Erklärung seitens der F Holding S.A. als der Übertragungsempfängerin enthält.
Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) unterscheidet in einer dem nationalen Recht (vgl. die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG) grundsätzlich vergleichbaren Weise zwischen drei Kategorien von Rechten, die aus einer Erfindung resultieren können. Das im deutschen Recht in der Vorschrift des § 6 PatG geregelte „Recht auf das Patent“ beschreibt in materieller Hinsicht die Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte (Benkard/Ullmann, Patentgesetz, Gebrauchsmustergesetz, 10. Auflage 2006, § 15 PatG Rn. 2). Das Recht auf das Patent steht dem Erfinder bzw. den Miterfindern gemeinschaftlich zu (§ 6 Satz 1 und 2 PatG). Diese erste Kategorie erfindungsbezogener Rechte kennt auch das EPÜ, indem es in seinem Art. 60 Abs. 1 Satz 1 das „Recht auf das europäische Patent“ dem Erfinder (bzw. seinem Rechtsnachfolger) zuweist. Die zweite Kategorie beschreibt das „Recht aus der Patentanmeldung“ (den „Anspruch auf Erteilung des Patents“, wie § 15 Abs. 1 Satz 1 PatG es nennt), mithin die durch die Anmeldung begründete und damit formale Rechtsposition des Anmelders eines Patents (Benkard/Ullmann, a.a.O., § 15 PatG Rn. 2). Dass auch das EPÜ eine aus der Anmeldung resultierende eigenständige Rechtsposition kennt, belegt bereits die Kapitelüberschrift vor Art. 71 EPÜ, die „die europäische Patentanmeldung als Gegenstand des Vermögens“ beschreibt. Dies unterstreicht Art. 60 Abs. 3 EPÜ, der im Verfahren vor dem europäischen Patentamt fingiert, dass der Anmelder berechtigt ist, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen. Für den vorliegenden Fall nicht von Relevanz, lediglich aus Gründen der Vollständigkeit als dritte Kategorie zu erwähnen ist das Recht aus dem Patent, das in seinen Rechtswirkungen im nationalen Recht in §§ 9; 10 Abs. 1 PatG geregelt und dem EPÜ ausweislich seines Art. 64 ebenfalls bekannt ist.
Die Formvorschrift des Art. 72 EPÜ betrifft ausschließlich die Übertragung der formalen, aus einer europäischen Patentanmeldung resultierenden Rechtsposition (zweite der oben genannten Kategorien), um aus Gründen der Rechtsklarheit für das Europäische Patentamt aus lediglich einer einheitlichen Urkunde nachvollziehbar zu machen, dass und an wen eine Übertragung der europäischen Patentanmeldung stattgefunden hat und ob diese Übertragung – etwa im Hinblick auf die Vertretungsbefugnis der tatsächlich handelnden Personen – wirksam zustande gekommen ist. Mit ihr soll ermöglicht werden, die materielle Berechtigung an der Patentanmeldung vertragsweit auf einfache und zugleich sichere Weise feststellen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 1992, X ZR 98/90, GRUR 1992, 692, 693 – Magazinbildwerfer). Die Schriftform steht im Zusammenhang mit der auch im Übrigen vorgesehenen Schriftlichkeit im Verfahren gegenüber dem Europäischen Patentamt (vgl. etwa Art. 99 Abs. 1 Satz 2, Art. 108 Satz 1, Art. 121 Abs. 2 EPÜ; vgl. Benkard/Ullmann/Grabinski, EPÜ, 2002, Art. 72 Rn. 2).
Auf die von der Übertragung der Patentanmeldung unabhängige, ihr gleichsam logisch vorgelagerte Frage der Übertragung der Rechte auf das Patent, also der Gesamtheit der aus der Erfindung herrührenden Rechte (die erste oben genannte Kategorie) ist Art. 72 EPÜ hingegen nicht anzuwenden. Hierfür spricht neben dem Wortlaut der Vorschrift die Kapitelüberschrift vor Art. 71 EPÜ, die ausdrücklich „die europäische Patentanmeldung als Gegenstand des Vermögens“ bezeichnet. Wie oben bereits ausgeführt wurde, unterscheidet auch das EPÜ zwischen der ersten (Recht auf das Patent) und der zweiten Kategorie (Recht aus der Patentanmeldung) erfindungsbezogener Rechtspositionen. Angesichts dieser dem EPÜ geläufigen Unterscheidung ist der Wortlaut des Art. 72 EPÜ („Die rechtsgeschäftliche Übertragung der europäischen Patentanmeldung …“) von einer solchen Klarheit, dass es der Antragsgegnerin oblegen hätte, plausible Gründe für die Erstreckung der Formvorschrift über ihren Wortlaut hinaus auch auf die Übertragung der gesamten materiellen Rechtsposition des Erfinders darzutun. Diese von der Antragsgegnerin angenommene Erstreckung des Art. 72 EPÜ ist unter teleologischen und systematischen Gesichtspunkten nicht überzeugend.
Im Termin ließ die Antragsgegnerin darauf verweisen, Art. 60 Abs. 3 EPÜ, wonach der Anmelder im Verfahren vor dem europäischen Patentamt als berechtigt gilt, das Recht auf das europäische Patent geltend zu machen, zeige, dass es dem EPÜ auf die gesamte materielle Rechtsposition gar nicht ankomme. Daraus lässt sich jedoch nicht mit der Antragsgegnerin ableiten, dass das EPÜ auch die Übertragung der materiellen Rechtsposition der Formvorschrift des Art. 72 EPÜ unterwerfen wolle. Vielmehr zeigt die Tatsache, dass das EPÜ mit einer an der formellen Anmelderstellung anknüpfenden Fiktion arbeitet, gerade, dass es zwischen der formellen Position des Anmelders einerseits und der materiellen Berechtigung an der Erfindung (die das Recht auf das Patent zur Folge hat, vgl. Benkard/Melullis, a.a.O., Art. 60 EPÜ Rn. 1) andererseits wohl zu unterscheiden weiß. Lediglich im Verfahren vor dem europäischen Patentamt soll das Anmelderprinzip gemäß Art. 60 Abs. 3 EPÜ gelten, um das europäische Patentamt einer praktisch kaum durchführbaren Prüfung der Frage zu entheben, wem das Recht auf das Patent (materiell) zusteht; es kann die materielle Berechtigung des Anmelders aufgrund der Fiktion vielmehr unterstellen (Benkard/Melullis, a.a.O., Art. 60 EPÜ Rn. 27). Mit dieser auf die formelle Anmelderposition fokussierten Sichtweise des EPÜ ist es aber gerade konsequent, dass Art. 72 EPÜ nur die Übertragung der Patentanmeldung als der formellen Anmelderposition der strengen Form der Schriftlichkeit mit Unterschriften beider Vertragsparteien auf einer Urkunde unterwirft (nur sie der strengen Form unterwerfen muss), weil sich im Wege der Fiktion daraus für das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt zugleich beantwortet, wer materiell Berechtigter der Rechte auf das Patent sein soll.
Es überzeugt daher auch nicht, wenn die Antragsgegnerin aus der Kommentierung bei Benkard/Ullmann/Grabinski, a.a.O., vor Art. 71-74 EPÜ, Rn. 3 ableiten möchte, es solle unabhängig von der Anmelderfrage keine Verfügungen geben, die nicht der Formvorschrift des Art. 72 EPÜ genügen. Wenn dort unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Regeln 20 bis 22 der Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 05. Oktober 1973 ausgeführt wird, die Eintragung in das Patentregister habe keine materiell-rechtlichen Wirkungen, die Wirksamkeit der Rechtsübertragung beurteile sich vielmehr ausschließlich nach den dem nationalen Recht (Art. 74 EPÜ) vorgehenden Regelungen der Art. 71-73 EPÜ, übersieht die Antragsgegnerin den Kontext des Verweises, wenn sie aus ihm ein Postulat einer Gleichbehandlung der Übertragung des Rechts auf das Patent mit dem Recht aus der Patentanmeldung ableiten möchte. Die Verweisung in der Kommentierung kann selbstverständlich nur so weit Geltung beanspruchen, wie der Anwendungsbereich der in Bezug genommenen Vorschriften reicht. So wie sich Art. 72 EPÜ ausdrücklich auf die Übertragung der europäischen Patentanmeldung bezieht, betreffen auch die Regeln 20 bis 22 die Eintragung von Rechtsübergängen sowie von Lizenzen und anderen Rechten nur in Bezug auf eine europäische Patentanmeldung. Die Kommentierung ist daher so zu verstehen, dass die Eintragung eines Rechtsübergangs der europäischen Patentanmeldung (Regel 20 Absatz 1) keine materiell-rechtlichen Wirkungen hat, weil diese vielmehr allein aus dem materiellen Übertragungsakt außerhalb des Registers resultieren.
Gleiches gilt für die Kommentierung bei Benkard/Melullis, a.a.O., Art. 60 EPÜ Rn. 5. Dass das materielle Recht an der Erfindung übertragen werden kann und in dieser Kommentierungsstelle auf Art. 71 EPÜ verwiesen wird, lässt nicht den Schluss auf eine Gleichbehandlung des Rechts auf das Patent einerseits und des Rechts aus der Patentanmeldung andererseits auch im Sinne des Art. 72 EPÜ zu. Auch insoweit ist zugleich der Kontext der Kommentierung zu berücksichtigen, der das materielle Recht an der Erfindung betrifft, aus dem nach einer europäischen Patentanmeldung der Anspruch gegen das Europäische Patentamt auf Erteilung des Patents erwächst. Insoweit besitze es – so die Kommentierung a.a.O. – einen materiellen Wert, der es als Vermögensrecht erscheinen lasse. Auch der Verweis auf Art. 71 EPÜ steht daher im Kontext der Anmeldung und der aus ihr folgenden Rechtsposition, mit der sich die Art. 71ff. EPÜ (schon ausweislich ihrer Kapitelüberschrift und ihres klaren Wortlauts) befassen. Rückschlüsse auf einzuhaltende Formvorschriften bei der Übertragung der gesamten aus der Erfindung herrührenden Rechtsposition lassen sich daraus entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht ziehen.
Art. 72 EPÜ steht der Wirksamkeit der Übertragung sämtlicher Rechte aus der Erfindung des Verfügungspatents durch den Miterfinder Prof. Dr. H auf die F Holding S.A. somit nicht entgegen.
c)
Auch durch eine Anfechtung, wie sie der Miterfinder Prof. Dr. H mit Schreiben vom 14. November 2006 gegenüber der eingetragenen Patentinhaberin erklärt hat, konnte er die ex-tunc-Unwirksamkeit (§ 142 Abs. 1 BGB) der Übertragung vom 26. Oktober 1999 nicht herbeiführen. Ihm stand weder ein Anfechtungsrecht aus § 123 Abs. 1 BGB wegen arglistiger Täuschung noch ein Anfechtungsrecht aus § 119 Abs. 1 BGB wegen eines rechtlich relevanten Irrtums zu.
aa)
Für eine arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) des Miterfinders Prof. Dr. H durch Dr. M, der ihm das „Assignment“ (Anlage ASt7) am 26. Oktober 1999 zur Unterschrift vorlegte, sind keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte von der Antragsgegnerin, die hierfür darlegungspflichtig wäre, dargetan. Auch die im Termin abgegebene eidesstattliche Versicherung des Prof. Dr. H (Bl. 59 GA) enthält keinen Sachverhalt, nach dem Dr. M aktiv auf die Vorstellungsbildung bei Prof. Dr. H Einfluss genommen hätte, die Erklärung sei nur im Hinblick auf die US-Patentanmeldung zu unterzeichnen und habe darüber hinaus keine Bedeutung. Auch eine dahingehende Frage des Prof. Dr. H, deren wahrheitswidrige Beantwortung Grundlage für ein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung hätte sein können, ist nicht dargetan. Der Tatsache, dass ihm das Schriftstück in der Klinik auf dem Flur zwischen Ambulanz und Röntgenabteilung vorgelegt worden, kommt keine Relevanz für eine arglistige Täuschung zu, schon weil nicht erkennbar ist, dass dies gezielt zum Zwecke einer Täuschung geschehen wäre und nicht lediglich den tatsächlichen Umständen des Klinikbetriebs geschuldet war.
bb)
Einem Anfechtungsrecht aus § 119 Abs. 1 BGB, gestützt auf eine Fehlvorstellung des Prof. Dr. H, mit dem „Assignment“ vom 26. Oktober 1999 ausschließlich eine Übertragungserklärung betreffend die US-Patentanmeldung abzugeben, steht entgegen, dass er angesichts der Gesamtumstände nicht in unbewusster Unkenntnis vom wirklichen Sachverhalt gewesen sein kann, was Voraussetzung für ein Anfechtungsrecht aus § 119 Abs. 1 BGB ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage 2005, § 119 Rn. 9 m.w.N.). Dabei kann offen bleiben, ob der Irrtum über die Reichweite des „Assignments“ als Inhaltsirrtum (Irrtum über den Erklärungsinhalt, § 119 Abs. 1, 1. Fall BGB) oder eher als Irrtum in der Erklärungshandlung (§ 119 Abs. 1, 2. Fall BGB) anzusehen wäre. Denn in beiden Fällen darf die Erklärung nicht in dem Bewusstsein abgegeben worden sein, ihren Inhalt nicht zu kennen. Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat in der Regel kein Anfechtungsrecht (BGH, Urteil vom 11. Juli 1968, II ZR 157/65, NJW 1968, 2102). Im vorliegenden Fall kommt aus Sicht der Kammer nur eine Deutung des Geschehens in Betracht, nach der Prof. Dr. H das „Assignment“ am 26. Oktober 1999 ungelesen und damit in bewusster Unkenntnis seines Erklärungsinhalts unterzeichnet hat, während ihm gleichwohl bewusst war, dass es sich (zumindest im Hinblick auf die Erfinderrechte betreffend die US-Patentanmeldung) um eine rechtlich erhebliche Erklärung handelte.
Für die Behauptung der Antragsgegnerin, Prof. Dr. H habe davon ausgehen dürfen, dass sich das „Assignment“ nur auf die US-Patentanmeldung beziehe, mag der Gegenstand der mit Schreiben der Antragstellerin vom 20. Oktober 1999 übersandten sonstigen Schriftstücke (wie sie Bestandteil der Anlage L9 sind, vgl. Bl. 46-49 GA) und damit der Kontext, in dem die angefochtene Erklärung abgegeben wurde, sprechen. Bereits das Begleitschreiben vom 20. Oktober 1999 (Bl. 46 GA) erwähnt die „beiliegenden Erklärungen für die X1 Patentanmeldung in den USA“, was auf die dem Schreiben beigefügten Erklärungen („Statements, Declarations“; Bl. 47-49 GA), die Prof. Dr. H am 25. Oktober 1999 unterzeichnete, auch der Sache nach zutrifft. Wenn ihm das „Assignment“ gemäß Anlage ASt7 (zugleich Bl. 50 GA) am Folgetag von Dr. M mit Bezug auf das Schreiben vom 20. Oktober 1999 persönlich in der Klinik zur Unterschrift vorgelegt wurde und er es sodann in dem Glauben unterzeichnete, hiermit ausschließlich eine Erklärung in Bezug auf das US-Patent zu unterzeichnen (wie sich der eidesstattlichen Versicherung von Prof. Dr. H, Bl. 59 GA, entnehmen lässt), konnte er zu dieser Vorstellung nach Überzeugung der Kammer nur dann gelangen, wenn er das „Assignment“ ohne vorherige Lektüre unterzeichnet hat. Dies folgt aus einer Gesamtschau der sich aus dem Schriftstück ergebenden Umstände: Dass Prof. Dr. H der englischen Sprache nicht mächtig gewesen sei, ist nicht dargetan. Auch die in dem „Assignment“ verwendete „Vertragssprache“ begründet keine so erheblichen Verständnisschwierigkeiten, dass die Bedeutung der Formulierung im letzten Absatz „the entire right, title and interest in said invention (…) for any and all foreign countries“ einem verständigen Leser hätte verschlossen bleiben können. Nachdem eingangs ausdrücklich von den Erfinderrechten in Bezug auf die US-Patentanmeldung die Rede war, konnten mit „any and all foreign countries“ nur dem Wortsinn nach alle übrigen Länder außer den USA gemeint sein, für die „the entire right, title and interest in said invention“, mithin die Gesamtheit aller aus der Erfindung herrührenden Rechte, übertragen wurde. Hinzu kommt, dass der letzte Absatz des „Assignments“, in dem sich die Erweiterung der Übertragung auf alle anderen Länder befindet, durch die Randbemerkung „Note: This paragraph to be crossed out if not applicable“ besonders hervorgehoben ist. Dem durchschnittlich aufmerksamen Betrachter konnte daher nicht verborgen bleiben, dass sich in dieser Passage ein optionaler Zusatz zum übrigen Erklärungstext befand, von dem Kenntnis zu nehmen war. Wenn Prof. Dr. H dies nicht getan hat, kann das nur darauf zurückzuführen sein, dass er das Schriftstück nicht vollständig zur Kenntnis genommen hat, wofür seine Schilderung in der eidesstattlichen Versicherung (Bl. 59 GA) spricht, das „Assignment“ sei ihm auf dem Klinikflur zwischen Ambulanz und Röntgenabteilung vorgelegt worden, mithin in einer Situation und Umgebung, wo nicht mit einer aufmerksamen Lektüre zu rechnen ist. Gegenüber der deutlichen Hervorhebung durch die Randbemerkung tritt die implizite Erwähnung der europäischen Patentanmeldung in der Bezeichnung des Vertragsgegenstands, die durch den Bezug auf die PCT-Anmeldung (PCT/EP98/03317) vorgenommen wurde, in ihrer Bedeutung eher zurück. Auch sie steht aber einem Vertrauen des Prof. Dr. H auf die Beschränkung der Erklärung auf solche Erfinderrechte, die im Zusammenhang mit der US-Patentanmeldung stehen, im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung entgegen.
Mangels Anfechtungsgrundes konnte die Anfechtungserklärung vom 14. November 2006 nicht zur Unwirksamkeit der Übertragung auf die F Holding S.A. führen. Diese steht daher einer erneuten Übertragung auf die Antragsgegnerin, deren Wirksamkeit Voraussetzung für den Einwand widerrechtlicher Entnahme nach Art. II § 5 IntPatÜG ist, entgegen.
III.
Auch ein Verfügungsgrund zugunsten der Antragstellerin besteht. Als Verfügungsgrund erfordert der Erlass einer einstweiligen Verfügung die unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu ermittelnde Dringlichkeit der einstweiligen Regelung. Durch Veränderung des bestehenden Zustandes muss entweder die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden können (§ 935 ZPO) oder die Regelung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheinen (§ 940 ZPO) (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl. 2003, § 143 Rn. 326). Diese Prüfung erfordert unter anderem eine Berücksichtigung der Interessen des Antragsgegners, die gegen die Interessen des Antragstellers abgewogen werden müssen (Benkard/Rogge/Grabinski, a.a.O., § 139 PatG Rn. 153a mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Ist der Verletzungstatbestand glaubhaft gemacht und bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Schutzrechtes, haben grundsätzlich die Interessen des Verletzten Vorrang, auch wenn die einstweilige Verfügung mit einschneidenden Folgen für den Verletzer verbunden ist (Meier-Beck, GRUR 1988, 861, 866).
Legt man diese Grundsätze zugrunde, ist den Verbietungsinteressen der Antragstellerin der Vorrang einzuräumen. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist durch die Entscheidung der fachkundig besetzten Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hinreichend gesichert. Dass diese Entscheidung in Widerspruch stehe zu dem Widerruf des parallelen deutschen Patents 197 25 477 (Gegenstand des ausgesetzten Hauptsacheverfahrens 4a O 462/04) durch Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Dezember 2004 sowie zu der nur beschränkten Aufrechterhaltung des Gebrauchsmusters DE 298 24 944 durch die Gebrauchsmusterabteilung gemäß Beschluss vom 24. April 2006, wie die Antragsgegnerin meint, stellt die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 31. Oktober 2006 nicht in Frage. Es handelt sich um die autonome, von Entscheidungen anderer Gremien unabhängige Entscheidung des für die Schutzfähigkeit des Verfügungspatents in erster Instanz allein zuständigen Gremiums. Sie begründet eine im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents.
Des Weiteren stellt die Beschränkung des Rechtsschutzbegehrens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren auf eine den Unteranspruch 12 umfassende Merkmalskombination ihr Sicherungsbedürfnis für den vorliegend begehrten einstweiligen Rechtsschutz nicht in Frage. Zum einen gab es die hier angegriffene Ausführungsform, deren Durchmesserverhältnis zwischen Austritts- und Eintrittsgrenzfläche außerhalb des von Unteranspruch 12 geschützten Bereichs liegt, zum Zeitpunkt der letzten Antragstellung in erster Instanz des Hauptsacheverfahrens noch gar nicht. Die Veränderung der Projektilstirnseite sowie die Reduzierung des Lieferumfangs um den X2-Applikator waren offenkundig erst durch das Urteil vom 01. Juni 2006 veranlasst, so dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren noch gar keine Veranlassung hatte, von der Einbeziehung des Merkmals 11 aus Unteranspruch 12 abzusehen. Zum anderen war die Entscheidung des Europäischen Patentamts zur Schutzfähigkeit des Verfügungspatents vom 31. Oktober 2006 zum Zeitpunkt der letzten Antragstellung in erster Instanz des Hauptsacheverfahrens noch nicht ergangen, so dass die Klägerin auch nicht davon ausgehen konnte, dass das Verfügungspatent in dem nun befürworteten weitergehenden Umfang als schutzfähig angesehen werden würde.
Dem Verfügungsgrund kann die Antragsgegnerin schließlich nicht entgegenhalten, dass die Antragstellerin bereits seit dem 10. August 2006 Kenntnis vom Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform „ABC-200“ gehabt habe. Der im Ordnungsmittelverfahren 4a O 162/06 ZV I von der Antragstellerin als dortige Anlage ZV3 (hier Teil der Anlage L6) vorgelegte Internet-Auszug stammt zwar vom 10. August 2006, zu diesem Zeitpunkt ging die Antragstellerin aber noch davon aus, dass es sich lediglich um eine Änderung in der Gerätebezeichnung handelte, ohne dass zugleich technische Änderungen vorgenommen worden wären. Von den Änderungen in der Stirnseitengeometrie des Schlagteils und im Lieferumfang der Applikatoren musste sie erst durch den Schriftsatz der Antragsgegnerin im Ordnungsmittelverfahren vom 04. Oktober 2006 (hier Anlage ASt3) Kenntnis erlangen. Und auch diese Kenntnis kann ihr erst ab dem 31. Oktober 2006 entgegengehalten werden, weil sie erst ab der Entscheidung des Europäischen Patentamts von jenem Tage wissen konnte, dass ein auf das Verfügungspatent gestütztes Vorgehen gegen den „ABC-200“ möglich ist, weil das Merkmal 11 als nicht für die Schutzfähigkeit wesentlich angesehen wurde.
IV.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Das die einstweilige Verfügung erlassende Urteil ist nach § 929 ZPO ohne besondere Anordnung vorläufig vollstreckbar (Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Auflage 2004, § 922 Rn. 16).
Der Streitwert wird auf 600.000,- € festgesetzt.