Landgericht München I
Urteil vom 8. Februar 2006, Az. 21 O 15831/99
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
Funkenstreckenanordnungen zum Einsatz in Niederspannungsanlagen mit einer (Kegel-) Elektrode und einer (Hülsen-) Elektrode, die von einer Stahlhülse umhüllt werden, herzustellen, herstellen zu lassen, anzubieten, anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen und zu besitzen,
bei denen das Volumen des Innenraums so bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Netzfolgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung um ein vielfaches des atmosphärischen Drucks gegeben ist, wobei zum langsamen Abbauen des Überdrucks oder Angleichen des Innendrucks an den atmosphärischen Druck Kanäle kleinen Querschnitts ausgebildet sind;
2.
Der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziffer I. 1. seit dem 8. Juli 1999 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
– der Herstellungsmengen und -Zeiten
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
3. die noch im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse
gemäß Ziffer 1.1. zu vernichten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer 1.1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juli 1999 entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft“ bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
1.1 ein Verfahren zum Betreiben von Funkenstreckenanordnungen mit zwei Elektroden, die innerhalb eines Gehäuses angeordnet sind, wobei gegebenenfalls innerhalb des Gehäuses ein Löschgas vorgesehen ist, eine Abstimmung der Größeres des zu löschenden Folgestromes auf das Volumen des Innenraumes des Gehäuses derart erfolgt, dass eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens bewirkt wird, wobei die Druckerhöhung in dem die Elektroden aufweisenden Innenraum produziert wird und wobei die Druckerhöhung durch den Lichtbogen des Folgestroms selbst produziert wird
zur Anwendung im Geltungsbereich des deutschen Patentgesetzes anzubieten und/oder
1.2 Funkenstreckenanordnungen mit einer (Kegel-) Elektrode und einer (Hülsen-) Elektrode, die von einer Stahlhülse umhüllt werden, zur Durchführung eines Verfahrens zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen
herzustellen, herstellen zu lassen, anzubieten, anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der die Elektroden beinhaltende Innenraum von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraums derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Folgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung eines im Inneren des Elektrodenraums vorgesehenen Gases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks erreicht wird;
2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziffer III.1. seit dem 10. August 1997 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
– der Herstellungsmengen und -Zeiten
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten
und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungekosten und des erzielten Gewinns;
die noch im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer II 1.1. zu vernichten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer III.1. bezeichneten Handlungen seit dem 10. August 1997 entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
Funkenstreckenanordnungen mit einer (Kegel-) Elektrode und einer (Hülsen-) Elektrode, die von einer Stahlhülse umhüllt werden, zur Durchführung eines Verfahrens zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen
herzustellen, herstellen zu lassen, anzubieten, anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der die Elektroden beinhaltende Innenraum von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraums derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Folgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung eines im Inneren des Elektrodenraums vorgesehenen Gases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks erreicht wird, und bei denen zum Angleichen des Innendrucks der Gehäuseanordnung an den atmosphärischen Druck Druckausgleichsöffnungen vorgesehen sind;
der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziffer V.1. seit dem 24. August 1997 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
– der Herstellungsmengen und -zeiten
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungekosten und des erzielten Gewinns;
die noch im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer V. 1. zu vernichten.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer V.1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. August 1997 entstanden ist und künftig entstehen wird.
VII. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
VIII. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung der Rechte aus einem deutschen Patent, aus dem deutschen Anteil des parallelen europäischen Patents sowie aus zwei deutschen Gebrauchsmustern, die allesamt Blitzstromableiter betreffen, auf Unterlassung und Rechnungslegung in Anspruch und beantragt ferner, jeweils die Schadensersatzpflicht festzustellen.
Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Patents 196 04 xxx (Klageschutzrecht I; Anlage K 2). Das Patent wurde am 10. Februar 1996 angemeldet und am 10. Juli 1997 veröffentlicht. Anspruch 6 des Patents lautet:
„Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses angeordnet sind, zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der die Elektroden (2a, 2b) beinhaltende Innenraum (1) von einer druckfesten Gehäuseanordnung (5) umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraumes derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestromes abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Folgestromes eine Druckerhöhung eines im Innern des Elektrodenraumes vorgesehenen Gases, insbesondere eines Löschgases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks erreicht wird.“
Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 der Klagepatentschrift zeigt einen Längsschnitt durch eine erfindungsgemäße Funkenstreckenanordnung.
Die Klägerin ist ferner eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmuster XXXX
720.5 (Klageschutzrecht II; Anlage K 1). Dieses Gebrauchsmuster betrifft wie auch die anderen beiden Klageschutzrechte Funkenstreckenanordnungen, die als Blitzstromableiter in elektrischen Niederspannungs-Energieversorgungsnetzen eingesetzt werden. Das Gebrauchsmuster wurde im Wege der Abzweigung unter Inanspruchnahme des Anmeldetages der deutschen Patentanmeldung 196 04 xxx, dem 10. Februar 1996, angemeldet und am 08. Juli 1999 eingetragen. Der mit der Klage geltend gemachte Hauptanspruch 1 lautet:
„Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines druckfesten Gehäuses angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass das Volumen des Innenraumes so bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Netzfolgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung um ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks gegeben ist, wobei zum langsamen Abbauen des Überdrucks oder Angleichen des Innendrucks an den atmosphärischen Druck Kanäle kleinen Querschnitts ausgebildet sind.“
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 296 22 xxx (Klageschutzrecht III; Anlage K 3). Das Gebrauchsmuster wurde im Wege der Abzweigung unter Inanspruchnahme des Anmeldetages der deutschen Patentanmeldung 196 04 xxx, dem 10. Februar 1996, angemeldet und am 24. Juli 1997 eingetragen. Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche 1 und 17 lauten:
„[1] Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass der die Elektroden (2a, 2b) beinhaltende Innenraum (1) von einer druckfesten Gehäuseanordnung (5) umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraumes derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestromes abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Folgestromes eine Druckerhöhung eines im Innern des Elektrodenraumes vorgesehenen Gases, insbesondere eines Löschgases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks erreicht wird.
[17] Funkstreckenanordnung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 16, dadurch gekennzeichnet, dass zum Angleichen des Innendruckes der Gehäuseanordnung (5) an den atmosphärischen Druck Be- und Entlüftungskanäle (9) vorgesehen sind.“
Die Klägerin ist auch Inhaberin des Europäischen Patents 0 789 xxx (Klageschutz-recht IV; Anlage MBP 1). Das Patent wurde am 19. November 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität des Klageschutzrechts I angemeldet. Am 5. Juli 2000 erfolgte die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung. Die jeweiligen Ansprüche Ziffer 6 der Klageschutzrechte I und IV sind im Wortlaut identisch. Anspruch I des Klageschutzrechts IV lautet:
„Verfahren zum Betreiben von Funkenstreckenanordnungen mit zwei Elektroden, die innerhalb eines Gehäuses angeordnet sind, wobei gegebenenfalls innerhalb des Gehäuses ein Löschgas vorgesehen ist, gekennzeichnet durch eine Abstimmung der Größe des zu löschenden Folgestromes auf das Volumen des Innenraumes des Gehäuses derart, dass eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens bewirkt wird, wobei die Druckerhöhung in dem die Elektroden aufweisenden Innenraum produziert wird und wobei die Druckerhöhung durch den Lichtbogen des Folgestroms selbst produziert wird.
Die Beklagte vertreibt unter der Bezeichnung „X-XX-MX“ Blitzstromableiter. In der entsprechenden Installationsanleitung (Anlage K 9) ist deren maximales Folgestromlöschvermögen mit 1,5 kAeff und deren maximaler Blitzstoßstrom mit 35 kA angegeben. Die nachstehend wiedergegebene Abbildung zeigt eine Querschnittszeichnung des angegriffenen Blitzstromableiters:
Die Querschnittszeichnung zeigt eine (Kegel-) Elektrode (1) und eine (Hülsen-) Elektrode (2), die von einer Stahlhülse (3) umhüllt werden. Beide Elektroden werden von außen über die Kontaktbügel (6) und (7) sowie die Befestigungsschrauben (5) und (9) kontaktiert. Die konzentrischen Elektroden sind durch die Isolierstoff-Buchse (4) voneinander elektrisch isoliert. Der Lichtbogen brennt nach seiner Zündung über der Engestelle (10) – zunächst als Gleitentladung über diese Isolierstofffläche – zwischen diesen beiden konzentrischen Elektroden.
Das Bundespatentgericht hat das von der Beklagten angegriffene Klageschutzrecht I mit Beschluss vom 17. Juli 2003 aufrechterhalten (Az.: 23 W (pat) 701/02). Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Die Klägerin behauptet, der Blitzstromableiter der Beklagten mache unmittelbar Gebrauch von den Merkmalen des Klageschutzrechts II (Hauptanspruch 1), des Klageschutzrechts I bzw. IV (Vorrichtungsanspruch 6; Verfahrensanspruch) und des Klageschutzrechts III (Ansprüche 1 und 17). Insbesondere sei auch beim angegriffenen Blitzstromableiter das Volumens des Innenraumes auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestroms abgestimmt. Ferner seien bei der angegriffenen Ausführungsform „Be- und Enthüllungskanäle (Ziffer 4, Anlage K15) bzw. „Kanäle kleinen Durchschnitts“ (Ziffer 4,
Anlage K7) vorhanden. Die Klägerin sieht die Öffnung über die Gewindebohrung sowie Einkerbung als solche an und verweist insofern auf die Offenlegungsschrift der Beklagten vom 17. April 1998 (Anlage B1, Spalte 4, Zeile 17, „kleiner Durchlaß“).
Die Klägerin hat zunächst nur auf das Klageschutzrecht II gestützte Ansprüche geltend gemacht (nachfolgend Klageanträge Ziffern I und II). Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2000 hat sie weitere, auf die Klageschutzrechte I und III gestützte Ansprüche geltend gemacht (nachfolgend Klageanträge Ziffern III bis VI, wobei den Ziffern III und IV das Klageschutzrecht I und den Ziffern V und VI das Klageschutzrecht III zugrundeliegt). Mit Schriftsatz vom 25. Juni 2003 hat sie weitere, auf das Klageschutzrecht IV gründende Anträge gestellt; mit Ziffer IM. 1.1 dieses Antrags hat die Klägerin – insofern abweichend von der ursprünglichen Antragsfassung betreffend das Klageschutzrecht I – auch den Verfahrensanspruch des Klageschutzrechts IV (Anspruch 1 des Patents) geltend gemacht. Im Termin vom 16. November 2005 hat sie all diese Anträge gestellt; die nachfolgend unter Ziffer III und IV aufgeführten Anträge (bei der Klägerin im Schriftsatz vom 21. Februar 2000 mit Ziffern V und VI gekennzeichnet, da nach der klägerischen Nomenklatur Ziffern III und IV aus der Klage vom 9. September 1999 die Kostentragung und Vollstreckbarkeit betreffen) hat die Klägerin mit der Maßgabe gestellt, dass sie seit dem 5. August 2000 auf das Klageschutzrecht IV gestützt werden und der nachfolgend unter Ziffer III.1. aufgeführte Antrag entsprechend der Antragsfassung aus dem Schriftsatz vom 24. Juni 2003 erweitert wird (Ziffer III.1.1).
Die Klägerin beantragt zuletzt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ord
nungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs
Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen
an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
Funkenstreckenanordnungen zum Einsatz in Niederspannungsanlagen mit
zwei Elektroden, die im Innenraum eines druckfesten Gehäuses angeord-
net sind, herzustellen, herstellen zu lassen anzubieten, anbieten zu las
sen, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genann-
ten Zwecken einzuführen und zu besitzen, ,
bei denen das Volumen des Innenraums so bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Netzfolgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung um ein vielfaches des atmosphärischen Drucks gegeben ist, wobei zum langsamen Abbauen des Überdrucks oder Angleichen des Innendrucks an den atmosphärischen Druck Kanäle kleinen Querschnitts ausgebildet sind;
2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang Handlungen gemäß
Ziffer 1.1. seit dem 8. Juli 1999 begangen worden sind, und zwar unter An
gabe
– der Herstellungsmengen und -zeiten
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
– Der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungekosten und des erzielten Gewinns.
3. die noch im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer 1.1. zu vernichten.
II.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer 1.1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Juli 1999 entstanden ist und künftig entstehen wird.
III.
die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
1.1 ein Verfahren zum Betreiben von Funkenstreckenanordnungen mit zwei Elektroden, die innerhalb eines Gehäuses angeordnet sind, wobei gegebenenfalls innerhalb des Gehäuses ein Löschgas vorgesehen ist, eine Abstimmung der Größe des zu löschenden Folgestromes auf das Volumen des Innenraumes derart erfolgt, dass eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens bewirkt wird, wobei die Druckerhöhung in dem die Elektroden aufweisenden Innenraum produziert wird und wobei die Druckerhöhung durch den Lichtbogen des Folgestroms selbst produziert wird zur Anwendung im Geltungsbereich des deutschen Patentgesetzes anzubieten und/oder
1.2 Funkstreckenanordnungen mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines
geschlossenen Gehäuses angeordnet sind, zur Durchführung eines Verfahrens zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen
herzustellen, herstellen zu lassen, anzubieten, anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der die Elektroden beinhaltende Innenraum von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraums derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Folgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung eines im Inneren des Elektrodenraums vorgesehenen Gases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks erreicht wird;
2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziffer III. 1. seit dem 10. August 1997 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
– der Herstellungsmengen und -Zeiten
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungekosten und des erzielten Gewinns.
3. die noch im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer II 1.1. zu vernichten.
IV. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer III.1. bezeichneten Handlungen seit dem 10. August 1997 entstanden ist und künftig entstehen wird.
V. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Geschäftsführern, zu unterlassen,
Funkenstreckenanordnungen mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses angeordnet sind, zur Durchführung eines Verfahrens zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen
herzustellen, herstellen zu lassen, anzubieten, anbieten zu lassen, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
bei denen der die Elektroden beinhaltende Innenraum von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben ist, wobei das Volumen des Innenraums derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt ist, dass durch den Lichtbogen des Folgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung eines im Inneren des Elektrodenraums vorgesehenen Gases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Drucks erreicht wird, und bei denen zum Angleichen des Innendrucks der Gehäuseanordnung an den atmosphärischen Druck Druckausgleichsöffnungen vorgesehen sind;
2. der Klägerin Rechnung zu legen in welchem Umfang Handlungen gemäß
Ziffer 1. seit dem 24. August 1997 begangen worden sind, und zwar unter Angabe
– der Herstellungsmengen und -zeiten
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungekosten und des erzielten Gewinns.
3. die noch im Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse
gemäß Ziffer V.1. zu vernichten.
VI. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus den in Ziffer V.1. bezeichneten Handlungen seit dem 24. August 1997 entstanden ist und künftig entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte rügt, es fehle dem Klageantrag an der erforderlichen Bestimmtheit, weil der Verletzungsgegenstand lediglich mit den Merkmalen der Ansprüche der Klageschutzrechte umschrieben werde. Der Klageantrag sei nicht der angegriffenen konkreten Ausführungsform angepasst, da weder der Netzfolgestrom, noch die entsprechende Volumenzuordnung der angegriffenen Ausführungsform angegeben seien. Zudem sei unklar, welche Ausführungsform der Beklagten (Folgestromlöschvermögen 420 A oder 1,2 kA) überhaupt angegriffen werde.
Die Beklagte stellt eine Verletzung in Abrede. Der von ihr hergestellte und vertriebene Blitzstromableiter unterscheide sich hinsichtlich der Merkmale der Klageschutzrechte wie folgt:
– bei der angegriffenen Ausführungsform seien nicht beide Elektroden im Innenraum angeordnet; es handele sich vielmehr um eine innere und eine äußere Elektrode.
– die Wirksamkeit der angegriffenen Ausführungsform könne nicht darauf beruhen, dass das Volumen des Innenraums auf den Netzfolgestrom abgestimmt sei. Das Volumen und der gesamte Aufbau der Ausführungsform der Beklagten sei nämlich für zu erwartende Netzfolgeströme von 420 A und 1,25 kA identisch; daraus ergebe sich, dass zwischen Netzfolgestrom und Kammervolumen kein Proportionalitätsverhältnis bestehe. Schon aus der offensichtlich von den Klageschutzrechten abweichenden Geometrie des angegriffenen Blitzstromableiters und dessen daraus resultierender – von der Lösung der Klageschutzrechte abweichenden – Wirkweise ergebe sich, dass dieses Merkmal nicht verwirklicht werde. Für die Löschwirkung der angegriffenen Ausführungsform sei die durch die spezielle Elektroden-und Kammergeometrie determinierte Bewegungsführung des Lichtbogens und nicht die Auswahl des Kammervolumens entscheidend.
– bei der angegriffenen Ausführungsform seien auch keine „Be- und Entlüftungskanäle“ bzw. „Kanäle kleinen Querschnitts“ vorhanden.
Aus dem Beschluß des DPMA (Anlage MBP 14) zum Widerruf des Patents der Beklagten DE 198 17 xxx ergebe sich, dass die Löschwirkung der angegriffenen Ausführungsform bereits seit 1974 freier Stand der Technik sei. Die Klageschutzrechte würden daher nicht verletzt.
Die Beklagte beruft sich ferner auf ein internes Vorbenutzungsrecht. Zum Zeitpunkt der Anmeldung des Klageschutzrechts I (10. Februar 1996) sei der Blitzstromableiter P-BM 230 bereits fertig entwickelt gewesen und getestet worden. Die Beklagte habe sich 1995 zur Entwicklung des genannten Produkts entschlossen. Bereits am 10. März 1995 sei ein erster Prototyp der TU Illmenau zur Prüfung übergeben worden und auch geprüft
worden. Am maßgeblichen Prioritätstag, dem 10. Februar 1996, habe die Beklagte ein funktionsfähiges Muster und damit Erfindungsbesitz gehabt. Danach seien lediglich unwesentliche Änderungen vorgenommen worden. Nach der damals neuen VDEW-Richtlinie sei der Einbau von Funkenstrecken-Blitzstromableitern zwischen Hausan-schluss und Zähler allerdings erst im August 1998 zugelassen worden. Erst ab diesem Zeitpunkt sei eine Markteinführung möglich gewesen. Unmittelbar im Anschluss an die Zulassung habe die Beklagte den streitgegenständlichen Blitzstromableiter auf der Sonderschau „Dortmunder Elektrotechnik 98″ vorgestellt.
Den Klageschutzrechten II und IM hält die Beklagte entgegen, sie seien unwirksam abgezweigt und daher nicht rechtsbeständig. So seien beim Klageschützrecht II gegenüber dem klageschutzrecht I insofern unzulässige Änderungen bzw. Erweiterungen enthalten, als anstelle des Begriffs „druckfest“ das Wort „geschlossen“ und statt „Folgestrom“ „Netzfolgestrom“ verwandt werde. Während im Klageschutzrecht I noch von einem „geschlossenen“ Gehäuse die Rede sei,, würden mit dem Klageschutzrecht II „Kanäle kleinen Querschnitts“ offenbart. Vor dem Wort Druckerhöhung sei im Unterschied zum Klageschutzrecht I das Adjektiv „kurzzeitig“ eingefügt.
Die Klägerin hält dem behaupteten Vorbenutzungsrechts entgegen, die vorgelegten Unterlagen seien nicht geeignet, eine betriebsinterne Vorbenutzung zu begründen. Sie weist insbesondere darauf hin, dass nach dem Prüfbericht der TU Ilmenau (Anlage B 5) die Blitzstromfestigkeit bei Beanspruchung durch den Stoßstrom getestet worden sei, nicht aber das Löschvermögen für den Netzfolgestrom.
Gegenüber der angeblich unwirksamen Abzweigung wendet sie ein, die angeführten Änderungen seien entweder im Klageschutzrecht I ausdrücklich genannt („Kanäle kleineren Querschnitts“, „druckfest“) oder für den Fachmann ohne weiteres zu erschließen (Folgestrom = Netzfolgestrom).
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die nachfolgenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Soweit in der bis zum 11. Juni 2003 erfolgten Erstreckung der Klage auf die Klage
schutzrechte I, III und IV Klageänderungen liegen, waren diese als sachdienlich
zuzulassen, da dadurch der sachliche Streitstoff im Rahmen des anhängigen
Rechtsstreits insgesamt ausgeräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden wei
teren Rechtsstreit vorgebeugt wird.
Soweit die Klägerin die Anträge III und IV aufgrund der Regelung des Art. II § 8 IntPatÜG mit der Maßgabe gestellt hat, dass diese seit dem 5. August 2000 auf das Klageschutzrecht IV gestützt werden, ist hierin keine Klageänderung zu sehen, § 264 Ziffer 1 ZPO. Art. II § 8 Abs. 1 IntPatÜG bestimmt, dass das deutsche Patent von einem der in Nr. 1 bis 3 genannten Zeitpunkte an in dem Umfang keine Wirkung mehr hat, in dem es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt.
2. Den Klageanträgen, die die Ansprüche der Klageschutzrechte wiedergeben und
darauf gerichtet sind, Verletzungen der so beschriebenen Gegenstände der Klage
schutzrechte zu unterlassen, mangelt es nicht an Bestimmtheit. Das Klagebegehren ergibt sich daraus hinreichend deutlich. Gegenstand des Verletzungsprozesses
ist jedoch die Frage, ob die angegriffene Ausführungsform in ihrer konkreten Ausgestaltung von der technischen Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch macht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, GRUR 2005, 569 –
Blasfolienherstellung; BGHZ 98, 12 [23] = GRUR 1986, 803 – Formstein) geht ein
Klageantrag, der der konkreten Ausführungsform nicht Rechnung trägt, daher al-
lenfalls inhaltlich insofern zu weit, als er nicht nur die konkrete Verletzungsform erfasst; die Klage bleibt indes auch mit einem solchen, möglicherweise zu weitgehenden Antrag zulässig.
Die Kammer hat daher entsprechend der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Formulierung der Klageanträge – soweit möglich – durch eine stärker am konkreten Verletzungsgegenstand orientierte Fassung des Tenors abgewandelt, ohne, dass dies als teilweise Klagabweisung zu bewerten wäre.
II.
Der Klägerin stehen die gegen die Beklagte geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz zu. Die Beklagte macht mit der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Blitzstromableiter den Vorschriften des § 9 PatG und § 11 GebrMG zuwider von der Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch. Gemäß § 139 PatG und § 24 GebrMG ist die Beklagte der Klägerin deshalb zur Unterlassung, zum Schadensersatz und zur Rechnungslegung (§§ 242, 259 BGB) verpflichtet.
1. Die Lehre des Klageschutzrechts I betrifft Verfahren und Anordnungen zur Beeinflussung des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen. Funkenstreckenanordnungen werden in Niederspannungs-Energieversorgungsnetzen als Überspannungsschutz (Blitzstromableiter) installiert. Bei der Ableitung einer Überspannung kann es nach Abklingen des Blitzstromes zu einem schädlichen Netzfolgestrom kommen. Dieser entsteht dadurch, dass ausgehend von einem Lichtbogen-Kurzschluß in der Funkenstrecke ein durch das Energieversorgungsnetz gespeister netzfrequenter Kurzschlussstrom – der sogenannte Netzfolgestrom – getrieben wird. Die Höhe dieses Kurzschlussstromes wird von den Netzbedingungen an der Einbaustelle bestimmt, d.h. von der Fähigkeit des Energieversorgungsnetzes, aus dem Netz heraus Ströme in den durch die Funkenstrecke verursachten Kurzschluß an der Einbaustelle einzuspeisen. Wird der netzfrequente Folgestrom im Netz nicht gelöscht, kann er Schäden in den Anlagen bewirken und für
Die Abnehmer die Unterbrechung der Stromversorgung bedeuten. Von einem Blitzstromableiter wird also nicht nur erwartet, dass er durch Zündung der Funkenstrecke im Inneren einen Blitzstrom nach Erde ableitet, sondern dass er auch in der Lage ist, den sich anschließenden durch das Energieversorgungsnetz gespeisten Folgestrom über die zuvor gezündete Funkenstrecke zu löschen.
Zum Stand der Technik wird auf die ausführliche Abhandlung im Beschluss des Bundespatentgerichts vom 17. Juli 2003 (dort insbesondere Seiten 16-23) verwiesen.
Ziel der Erfindung ist es, eine Funkenstreckenanordnung derart auszugestalten, dass sie als Löschfunkenstrecke einsetzbar ist und bei einem Überschlag und Entstehen eines Folgestroms eine möglichst optimale Folgestromlöschfähigkeit aufweist (Klagepatentschrift I Spalte 6 Absatz 2).
Die allen Klageschutzrechten zugrunde liegende erfinderische Lösung besteht darin, dass durch den Folgestrom selbst – d.h. dessen Lichtbogen – eine kurzzeitige Erhöhung des Innendrucks des Gehäuses auf ein vielfaches des atmosphärischen Drucks (beispielsweise 10 bis 60 bar) bewirkt wird. Diese Druckerhöhung hat nämlich eine entsprechende Erhöhung der Lichtbogenfeldstärke und somit auch der Lichtbogenspannung zur Folge. Die Lichtbogenspannung ist maßgeblich für die Löschung des Netzfolgestromes, da sie der – entgegengesetzt gerichteten – Netzspannung entgegenwirkt und damit den Folgestrom bis hin zur Löschung reduziert; die Lichtbogenspannung ist dem Folgestromlöschvermögen im wesentlichen proportional. Maßgeblich für die Druckerhöhung ist die Abstimmung der Größe des zu löschenden Folgestroms auf das Volumen des Innenraums des Gehäuses – bzw. umgekehrt durch Abstimmung des Volumens des Innenraums des Gehäuses auf die Höhe des zu erwartenden Folgestromes, Das Ziel der Erfindung wird patentgemäß mit einem relativ kleinvolumigen, quasi-druckdichten Gehäuse erreicht.
Das Klageschutzrecht I sieht im Rahmen des Patentanspruchs 6 die Kombination folgender Merkmale vor (Merkmalsanalyse Anlage K14):
Oberbegriff:
Funkenstreckenanordnung
(1) mit zwei Elektroden
(1.1) Die Elektroden sind im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses angeordnet.
(2) Die Anordnung dient der Durchführung eines Verfahrens zur Beeinflussung
des Folgestromlöschvermögens von Funkenstreckenanordnungen.
kennzeichnender Teil:
(1) Der die Elektroden beinhaltende Innenraum ist von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben.
(2) Das Volumen des Innenraumes ist derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt, dass durch den‘ Lichtbogen des Folgestroms eine kurzzeitige Druckerhöhung eines im Inneren des Elektrodenraumes vorgesehenen Gases, insbesondere eines Löschgases, auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes erreicht wird.
Das Klageschutzrecht II sieht in seinem Hauptanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor (Merkmalsanalyse Anlage K7):
Oberbegriff:
Funkenstreckenanordnung
(1) mit zwei Elektroden
(2) Diese sind im Innenraum eines druckfesten Gehäuses angeordnet.
kennzeichnender Teil:
(3) Das Volumen des Innenraums ist so bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestroms abgestimmt, dass durch den Lichtbogen des
Netzfolgestroms eine kurzeitige Druckerhöhung um ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes gegeben ist.
(4) Zum langsamen Abbauen des Überdrucks oder Angleichen des Innendrucks an den atmosphärischen Druck sind Kanäle kleinen Querschnitts ausgebildet.
Das Klageschutzrecht III sieht in seinen Ansprüchen Ziffer 1 und 17 die Kombination folgender Merkmale vor (Merkmalsanalyse Anlage K15):
Oberbegriff:
Funkenstreckenanordnung
(1) mit zwei Elektroden
(1.1) Die Elektroden sind im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses ange
ordnet. , ,
kennzeichnender Teil:
(2) Der die Elektroden beinhaltende Innenraum ist von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben.
(3) Das Volumen des Innenraumes ist derart bemessen und auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt, dass durch den Lichtbogen des Fol-, gestroms eine Druckerhöhung eines im Inneren des Elektrodenraumes vorgesehenen Gases, insbesondere eines Löschgases auf ein Vielfaches des atmosphärischen Druckes erreicht wird.
(4) Zum Angleichen des Innendruckes der Gehäuseanordnung an den atmosphärischen Druck sind Be- und Entlüftungskanäle vorgesehen.
2. Die Klageschutzrechte II und III wurden wirksam abgezweigt.
Voraussetzung einer gemäß § 5 Abs. 1 GebrMG wirksamen Abzweigung ist, dass die Gebrauchsmusteranmeldung dieselbe Erfindung wie die vorangegangene Patentanmeldung betrifft. Die Kammer folgt nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung, dass eine wörtliche Übereinstimmung gegeben sein muss. Andernfalls wäre es wegen § 2 Nr. 3 GebrMG beispielsweise ausgeschlossen, auf der Grundlage eines auch Verfahrensansprüche enthaltenden Patents eine Gebrauchsmusteranmeldung abzuzweigen. Vielmehr ist bei der Frage nach der Wirksamkeit einer Abzweigung auch dann noch von „derselben Erfindung“ auszugehen, wenn der Gegenstand der abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung in der zugrundeliegenden Patentanmeldung für den Fachmann ohne weiteres erkennbar offenbart ist (vgl. auch BPatGE 39, 10 – Polyisocyanate; BPatGE 35, 1 = GRUR 1995, 486 -Scheibenzusammenbau; BPatG Mitt. 1996, 211,213- Plattenaufnahmeteil).
Daran gemessen, geht der Gegenstand der Klageschutzrechte II und IM über denjenigen der in Bezug genommenen Patentanmeldung nicht hinaus. Die angeführten Änderungen sind entweder im Klageschutzrecht I ausdrücklich genannt („Kanäle kleineren Querschnitts“: Spalte 7, Zeilen 36 – 43, „druckfest“: Spalte 11 Zeile 51) oder zumindest für den Fachmann ohne weiteres zu erschließen (Folgestrom = Netzfolgestrom; „kurzzeitige“ Druckerhöhung).
3. Ausgehend von der vorstehenden Merkmalsanalyse streiten die Parteien darüber, ob bei den angegriffenen Funkenstreckenanordnungen beide Elektroden im Innenraum eines Gehäuses angeordnet sind, das Volumen des Innenraumes auf die Höhe des zu erwartenden Folgestroms abgestimmt ist und ob bei der angegriffenen Ausführungsform „Be- und Entlüftungskanäle“ bzw. „Kanäle kleinen Querschnitts“ vorhanden sind. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die angegriffene Ausführungsform die übrigen Merkmale der Klageschutzrechte wortsinngemäß verwirklicht.
Die von der Beklagten vertriebenen Funkenstreckenanordnungen verwirklichen sämtliche im Streit stehenden Merkmale der Klageschutzrechte.
a. Der Einwand der Beklagten, das sei bei der von ihr vertriebenen Ausführungsform nicht zwei Elektroden im Innenraum angeordnet sind, sondern es sich um eine innere und eine äußere Elektrode handelt, greift nicht durch.
Zur Beantwortung der Frage, ob auch bei der angegriffenen Ausführungsform zwei Elektroden im Innenraum angeordnet sind und damit insofern die in den klageschutzrechten unter Schutz gestellte Erfindung benutzt wird, oder es sich – wie die Beklagte meint – um eine innere und eine äußere Elektrode handelt, ist auf die Sicht des Fachmanns abzustellen, von dessen Verständnis bereits die Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe abhängt.
Nach der Feststellung des Sachverständigen besteht die angegriffene Ausführungsform der Funkenstrecke aus einem druckfest gekapselten Gehäuse. Die druckfeste Kapselung wird durch die Stahlhülse (3) erreicht, die sowohl die „äußere“ (Hülsen-) Elektrode (2) als auch die in den Entladungsraum hineinreichende „innere“ (Kegel-) Elektrode (1) und die Isolierstoffhülse (4) umfaßt und kraftschlüssig zusammenhält. Beide Elektroden sind – so der Sachverständige – in dem von diesem Gehäuse gebildeten Innenraum angeordnet. Dies ist dem Sachverständigen zufolge aus physikalischen Gründen für die Funktion des Blitzstromableiters sogar unerlässlich. Der Sachverständige hat ausgeführt:
„Elektroden sind im physikalisch-technischen Grundverständnis jene leitfähigen Teile, zwischen denen sich der Lichtbogen ausbilden kann. Für diesen Sachverhalt spielt zunächst die Ausführungsform der Elektroden und der verwendete Werkstoff keine Rolle, ebensowenig deren Bezeichnungen.
Im vorliegenden Falle ist es offensichtlich, dass sich der Lichtbogen sowohl bei der kurzzeitigen Blitzstrombeanspruchung als auch bei der längeren Beanspruchung durch den netzfrequenten Folgestrom im Inneren des Gehäuses ausbildet und nicht zwischen einer Elektrode im Inneren des Gehäuses und einer Elektrode außerhalb des Gehäuses brennt.“
Zwar hält der Sachverständige auch eine Ausführungsform mit einer Elektrode im Innenraum und einer Elektrode außerhalb des Innenraumes für denkbar. Mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform mit ihrem druckfest gekapselten Gehäuse führt er allerdings aus:
„Die Darstellung der Beklagten, dass die angegriffene Ausführungsform nur eine einzige innere Elektrode besitzt und das leitfähige Gehäuse ..eine Art äußere Elektrode“ darstellt, geht am vorliegenden physikalischen Sachverhalt vorbei, der sich aus dem technischen Gesamtzusammenhang ergibt, den der Inhalt der vorliegenden Patentschriften dem Fachmann vermittelt. … Beide Elektroden befinden sich Jm Inneren“ des gekapselten Gehäuses. Nicht eine befindet sich außerhalb, denn dann würde bei einem geschlossenen Gehäuse kein Lichtbogen entstehen können.
Es ist andererseits berechtigt, die „im Innenraum“ des Gehäuses angeordneten Elektroden nach ihrer gegenseitigen Lage zur Mittelachse des zylindrischen Gehäuses als „innere“ (Stift-) Elektrode und „äußere“ (Hülsen-) Elektrode zu bezeichnen. Solche konzentrischen Funkenstrecken mit einer „inneren“ und einer „äußeren“ Elektrode werden in der Technik in vielfältiger Weise angewendet, so z.B. als Löschrohr-Funkenstrecke oder als Plasmabrenner.
Aus dieser semantischen Doppeldeutigkeit jedoch ableiten zu wollen, dass es nur eine einzige „innere“ Elektrode – im Wortsinne „im Innenraum“ eines Gehäuses – gibt und die zweite Elektrode sich nicht mehr im Innenraum befindet, ist sowohl im philologischen als auch im technischen Sinne unsinnig und widerspricht dem Verständnis des unbefangenen Fachmannes.“
Die Kammer geht aufgrund des Sachverständigengutachtens davon aus, dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden handelt, die im Innenraum eines Gehäuses angeordnet sind. Das Gutachten ist auch für den Nicht-Fachmann klar, verständlich und nachvollziehbar. Es ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei. Die Kammer hat keinen Anlaß, die Ergebnisse des Gutachtens in Zweifel zu ziehen.
An der Verwirklichung des hier in Rede stehenden Merkmals durch die angegriffene Ausführungsform ändert sich auch hinsichtlich der unterschiedlichen Attribute „geschlossen“ und „druckfest“, mit denen der Schutzgegenstand in den verschiedenen Klageschutzrechten beschrieben wird, nichts. Der Sachverständige kommt in seiner ausführlichen und überzeugenden Stellungnahme diesbezüglich zu einem klaren Ergebnis:
„Für den Gutachter ist es unzweifelhaft, dass die beiden Elektroden der angegriffenen Blitzableiter – Ausführung X „im Innenraum eines druckfesten Gehäuses“ angeordnet sind, bzw. „der die Elektroden beinhaltende Innenraum von einer druckfesten Gehäuseanordnung umgeben ist (zur Formulierung „druckfeste Gehäuseanordnung“ s. auch Patentschrift DE 19604xxx, Anlage K2, Abschnitt 6, Zeile 19).“
„Die angegriffene Ausführungsform des Blitzstromableiters P-BM 230 entspricht… auch dem Schutzanspruch „Funkenstreckenanordnung mit zwei Elektroden, die im Innenraum eines geschlossenen Gehäuses angeordnet sind“ (s. Merkmale 1.1 der Merkmalsanalysen K 14 und K15).“
b. Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Beklagten, die Wirksamkeit der angegriffenen Ausführungsform könne nicht darauf beruhen, dass das Volumen des Innenraums auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestrom abgestimmt sei.
aa. Der Sachverständige hat zunächst dargelegt, dass das Volumen des Innenraumes einer Funkenstreckenanordnung auf die Höhe des zu erwartenden Netzfolgestromes abstimmbar ist. Das Bundespatentgericht hat an der Ausführbarkeit dieser entscheidenden Lehre des Patents ebenfalls keinen Zweifel gelassen. Der Sachverständige hat ausgeführt:
„Für den Fachmann ist erkennbar, dass das Volumen des Innenraumes des abgeschlossenen Gehäuses nach der Größe des maximal auszuschaltenden Folgestromes ausgelegt werden muß, insbesondere unter Berücksichtigung von dessen mechanischer Festigkeit. Die laut Beschreibung im Klagepatent (Anlage K2, Spalte 4, Zeile 34) erwartete „kurzeitige Erhöhung des Innendruckes des Gehäuses auf 10-60 bar“ stellt einen vergleichsweise hohen Überdruckbereich dar, bei dessen Berücksichtigung durch die konstruktive Ausführung des Gehäuses unbedingt vermieden werden muß, dass es zu einem „Bersten“ kommt. Die Vermeidung eines solchen Ereignisses steht für den Fachmann ganz oben auf der Prioritätenliste der zu beachtenden Parameter.
Eine Formulierung, dass das Volumen des Innenraumes nach der Größe des maximal auszuschaltenden Folgestromes auszulegen sei, findet sich zwar nicht im Wortlaut in den Klagepatentschriften. Es ist jedoch für den Fachmann im Wortsinne ohne weiteres einleuchtend, dass nur eine Abstimmung auf den maximal zulässigen Strom technisch sinnvoll ist. Es ist auch hier dem Laien bekannt, dass es in der Technik allgemein üblich ist, stets die obere Belastbarkeit als wichtigen Kennwert anzugeben. Es wird demnach als selbstverständlich vorausgesetzt, dass bei einer Anordnung, die große Netzfolgeströme löschen kann, auch das Löschvermögen für kleinere Folgeströme gegeben ist. … Dafür, dass eine Einrichtung auch unterhalb der Maximalbeanspruchung funktioniert, hat der Fachmann Sorge zu tragen und ggf. vorhandene Grenzbedingungen zu berücksichtigen.
Würde eine Funkenstrecke nicht den gesamten Bereich der unterhalb des Maximalwertes liegenden Folgeströme löschen können, wäre dies eine technisch sinnlose Lösung, denn eine solche Funkenstrecke würde bei wechselnden Netzbedingungen versagen.
Wesentlich ist es daher, die Funktion des Blitzstromableiters im gesamten zu erwartenden Strombereich sicherzustellen. Der Fachmann wird – wie bereits ausgeführt – zunächst eine Auslegung für den maximal auszuschaltenden Folgestrom vornehmen und ein Gehäusevolumen wählen, das dem zu erwartenden hohen Druck standhält. Er wird weiterhin eine Überprüfung der Druckverhältnisse im Hinblick auf eine noch ausreichende Erhöhung der Lichtbogenspannung untersuchen für den Fall des Vorliegens kleiner Netzfolgeströme.“
Der Sachverständige hat auch, was von der Beklagten in Zweifel gezogen worden war, vermocht, das Verhältnis von Volumen und Netzfolgestrom in einer näherungsweisen Gleichung anzugeben:
„Somit ergibt sich unter den vorgenannten vereinfachenden Voraus- setzungen und Annahmen der Zusammenhang zwischen dem Netzfolgestrom Uff und dem für den Druckaufbau benötigten Volumen V wie folgt:
leff = V •17 bar / 0,08 • X oder
V = leff • O,08• X /17 bar
Damit ist eine einfache Näherungsbeziehung zwischen dem zu löschenden Netzfolgestrom mit dem Effektivwert leff und dem zum ausreichenden Druckaufbau benötigten Volumen V angegeben.“
Die Kammer schließt sich diesen einleuchtenden und im Ergebnis auch vom Bundespatentgericht bestätigten Ausführungen an. Die Kammer zweifelt nicht daran, dass das Volumen des Innenraumes einer Funkenstrecke auf die Höhe des zu löschenden maximalen Netzfolgestromes abgestimmt werden kann.
bb. Der Sachverständige hat ferner festgestellt, dass auch bei der angegriffenen Ausführungsform, dem Blitzstromableiter X, das Volumen auf den zu erwartenden Folgestrom abgestimmt ist. Dabei erläutert er zunächst die physikalischen Prozesse und Zusammenhänge in dem geschlossenen Gehäuse:
„Brennt ein Lichtbogen in einem geschlossenen Raum (geschlossenem Gehäuse), so ergibt sich nach dem Gesetz von der Erhaltung der Energie eine Umwandlung der im Lichtbogen umgesetzten elektrischen Energie in thermische Energie. …
Die in das erwähnte geschlossene Gehäuse eingebrachte elektrische Energie ermittelt sich aus dem Produkt von Lichtbogenstrom, Lichtbogenspannung und Zeitdauer (genauer: Für diesen Zusammenhang ergibt sich eine Integralbeziehung). Die aus der eingespeisten elektrischen Energie sich ergebende thermische Energie lässt sich aus dem sogenannten „allgemeinen Gasgesetz“ ermitteln.
Bleibt das Volumen des Gehäuses konstant und damit die Dichte des eingeschlossenen Gases (d.h. die Zahl der Gasteilchen pro Volumeneinheit), so wirken die dann noch freien Parameter „Druck“ und „Temperatur“. Die hohe Temperatur eines Lichtbogens erzeugt somit eine Druckerhöhung.
Die erreichte Druckerhöhung hängt bei der Annahme eines konstanten Eintrages an elektrischer Energie vom Volumen des geschlossenen Gehäuses ab. Im Falle eines kleinen Volumens ergibt sich ein hoher Druck, im Falle eines großen Volumens ein vergleichsweise kleiner Druck. Das Gehäuse wird durch den sich einstellenden „Ü-berdruck“ beansprucht.“
Sodann kommt er auf die angegriffene Ausführungsform zu sprechen:
„Die vorliegenden Funkenstreckenanordnungen machen von einer solchen Druckerhöhung Gebrauch, weil eine solche Druckerhöhung auch zu einer Erhöhung der Feldstärke (Feldstärke = Spannung/Länge) im Lichtbogen und damit in einer ersten Überlegung auch zu einer Erhöhung der resultierenden Lichtbogenspannung führt. Bei dieser Überlegung ist noch nicht berücksichtigt, dass sich der Lichtbogen auch während der Lichtbogendauer durch Einwirkung elektromagnetischer Kräfte und sonstiger Blaswirkungen, z.B. durch gasabhebende Stoffe, ausweiten, d.h. verlängern kann.
Aus der Lichtbogenphysik ist bekannt, dass die Feldstärke im Bereich der Lichtbogensäule (Säule = Bereich des Lichtbogens außerhalb der sogenannten Fußpunktbereiche) stetig nach einer Wurzel-, beziehung mit dem Druck zunimmt.
Auch wenn von der Beklagten der physikalische Zusammenhang bestritten wird und die Abmessungen der angegriffenen Ausführungsform durch Zufall oder Probieren gefunden wurden, so zeigen die erreichten Parameter und Messkurven nach den eingereichten Anlagen die Nutzung des Löschprinzips und das Vorhandensein der objektiven Gesetzmäßigkeiten.
Wenn das Löschvermögen der angegriffenen Funkenstreckenanordnung nicht nur bei dem Maximalwert von 1,25 kA, sondern auch bei niedrigeren Stromwerten von 430 A oder noch darunter nachgewiesen, wird, so beweist dies, dass die Anordnung das im Patent beschriebene stromabhängige Schaltvermogen verwirklicht und be-stimmungsgemäß funktioniert.“
Soweit die Beklagte dem entgegengehalten hat, die Wirksamkeit der angegriffenen Ausführungsform könne nicht darauf beruhen, dass das Volumen des Innenraums auf den Netzfolgestrom abgestimmt sei, da das Volumen der streitbefangenen Ausführungsformen der Beklagten nämlich für zu erwartende Netzfolgeströme von 420 A und 1,25 KA identisch sei, hält die Kammer dies durch folgende Ausführungen des Sachverständigen für entkräftet:
„Für die „kleinen“ Netzfolgeströme gibt es jedoch eine untere Grenze, die er im Hinblick auf die Überprüfung des erforderlichen Druckaufbaus und die erforderliche Erhöhung der Lichtbogenfeldstärke zu beachten hat. Eine solche Grenze liegt im Bereich von 100-200 A Stromstärke des Netzfolgestroms. Ströme unterhalb dieser Stromwerte brauchen nicht mehr nach dem Prinzip E (Löschen durch Druckerhöhung) betrachtet zu werden, da hier das Lichtbogenlöschprinzip A (Löschen durch „Sofortverfestigung“) beim Polaritätswechsel Platz greift, denn dieses Löschprinzip ist für die vergleichsweise kleinen Ströme wirksam. Der Effekt der „Sofortverfestigung“ beim Polaritätswechsel von vergleichsweise kleinen Strömen ist dem Fachmann zweifelsfrei bekannt, denn dieser Effekt wird bereits seit längerem beim Bau von Niederspannungs-Schaltgeräten benutzt. Die sogenannte „Sofortverfestigung“ beschreibt die Tatsache, dass Wechselstrom-Lichtbögen bis zu Strömen von einigen 100 A ohne zusätzliche Löschhilfen von selbst verlöschen. Ausreichend ist dazu eine Lichtbogenverlängerung auf einige Millimeter.
Die vielfältigen Einflussfaktoren auf die „Sofortverfestigung“ sind dem Fachmann bekannt. Unter den vorliegenden Bedingungen (Wolfram/Kupfer-Elektroden und stark ohm’scher Charakter des Stromkreises) ist mit Sicherheit der Effekt der „Sofortverfestigung“ mindestens bis zu Strömen von 100…200 A wirksam. Bei Strömen von über 100 A wird aber bereits der 10-fache Atmosphärendruck (10 bar) im Innenraum erreicht und damit der Löschvorgang wesentlich unterstützt. Dies wird durch Druckmessungen an der angegriffenen Ausführungsform (s. Anlage K16) bei den Netzfolgeströmen von 430 A (gemessener Druck: 1,3 MPa = 13 bar) bzw. 1,25 kA (Druck:1,7 MPa = 17 bar) entsprechend Anlage K16 Seite 20 bzw. Seite 19 nachgewiesen.“
Wenn das Löschvermögen der angegriffenen Funkenstreckenanordnung nicht nur bei dem Maximalwert von 1,25 kA, sondern auch bei niedrigeren Stromwerten von 430 A oder noch darunter nachgewiesen wird, so beweist dies, dass die Anordnung das im Patent beschriebene stromabhängige Schaltvermögen verwirklicht und bestimmungsgemäß funktioniert.
Die Beklagte beschreibt ihr Produkt im Übrigen selbst wie folgt: „Das streitgegenständliche Überspannungsschutzelement ist charakterisiert durch den maximal zulässigen Netzfolgestrom.“ (Blatt 147 d.A.)
Soweit die Beklagte dem weiter entgegengehalten hat, das inmitten stehende Merkmal sei schon wegen der offensichtlich von den Klageschutzrechten abweichenden Geometrie des angegriffenen Blitzstromableiters und dessen daraus resultierender – von der Lösung der Klageschutzrechte abweichenden – Wirkweise nicht verwirklicht, macht sich die Kammer die folgenden Ausführungen des Sachverständigen zu eigen:
„Zunächst wird festgestellt, dass sowohl in den Anordnungen nach dem Klagepatent und den Klagegebrauchsmustern als auch in der angegriffenen Ausführungsform des Blitzstrom-Ableiters X das gleiche Grundprinzip einer geschlossenen gekapselten Funkenstrecke verwirklicht wird. Damit wird zwangsläufig, und zwar unabhängig vom Wollen und Wissen des Entwicklers und Konstrukteurs, das Prinzip der Lichtbogenlöschung durch Druckerhöhung … wirksam. …
sowohl in der Anordnung nach dem Klagepatent und den Klagegebrauchsmustern als auch in der angegriffenen Ausführungsform der Beklagten [wird] bei zwar unterschiedlicher geometrischer Form der Elektroden das gleiche Grundprinzip einer Funkenstrecke mit sich erweiterndem Elektrodenabstand verwirklicht … . In beiden Ausführungen wird in gleicher Weise das Bewegen der Lichtbogenfußpunkte und die Verlängerung des Lichtbogens durch die zuvor beschriebenen „Blaswirkungen“ unterstützt. In beiden Fällen findet sich ein Isolierstoffbereich, über den der Lichtbogen zunächst als sogenannte „Gleitentladung“ gezündet wird und bei dem nach der Zündung Gase abgesondert werden, die den Lichtbogen in der dargestellten Weise vom Ort der Zündung wegtreiben. Die in der Form so unterschiedlichen Elektroden haben im Hinblick auf die Lichtbogenbewegung die gleiche physikalische Wirkung bei der Entwicklung des Lichtbogens nach der Zündung.“
Die Beklagte kann demgegenüber nicht einwenden, die Experimente des Sachverständigen mit geöffneten Blitzstromableitern des Typs P-XY 230 hätten erwiesen, dass – anders als bei den Klageschutzrechten – der Druckaufbau im Gehäuse für die Löschwirkung der angegriffenen Ausführungsform nicht verantwortlich ist. Zwar hat der Sachverständige zunächst tatsächlich angenommen, aus solcherlei Experimenten gesicherte Erkenntnisse über die Wirkweise der angegriffenen Ausführungsform gewinnen zu können. Dabei ging der Sachverständige davon aus, dass sich die Maßgeblichkeit des Druckaufbaus für die Löschwirkung der angegriffenen Ausführungsform dadurch experimentell nachweisen lasse, dass dem Prüfling die Möglichkeit des Druckaufbaus genommen wird – etwa durch das Versehen des Prüflings mit einer großen Öffnung. Nach Durchführung der entsprechenden Versuchsreihen musste der Sachverständige diese Annahme allerdings wieder verwerfen. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt:
„Die praktische Durchführung eines Experiments mit der Zielsetzung, den Einfluß des Druckaufbaus im Vergleich zu der Lichtbogenverlängerung auf der Grundlage der vorliegenden Elektroden-und Kammergeometrie mit Versuchen an einer „geöffneten“ Funkenstrecke … zu ermitteln oder zu gewichten, ist im Licht der nun vorliegenden Erkenntnisse also nicht sinnvoll, da durch das nicht zu vermeidende Ausblasen heißer Löschgase ein dem behindertem Druckaufbau und der damit verbundenen Abnahme der Löschwirkung entgegengesetzter Effekt der Zunahme der Löschwirkung nach einem anderen Löschprinzip auftritt….
Vielmehr ist im Hinblick auf den anhängigen Rechtsstreit zweifelsfrei festzustellen, dass die bei weitgehend verdämmten Funkenstrecken auftretende überzeugende Löschwirkung auf den dabei erzielten Druckaufbau zurückzuführen ist. Ein sicherer Indikator dafür ist die dabei festgestellte Erhöhung der Lichtbogenspannung. …
Resultierend folgt aus den vorstehenden Ausführungen, die auf experimentellen Befunden basieren, dass die Druckerhöhung in einer nicht-ausblasenden, ganz oder teilweise wirksamen verschlossenen Funkenstrecke zu einer Erhöhung von Lichtbogenfeldstärke und Lichtbogenspannung führt, die maßgeblich für die Löschung des Netzfolgestromes ist.
Die Löschwirkung einer ausblasenden Funkenstrecke nach dem „Löschrohrprinzip“ besteht vorwiegend aus der Entfernung heißer und ionisierter Löschgase aus dem Funkenstreckenraum, ohne dass es dazu einer Druckerhöhung oder einer Erhöhung der Lichtbogenspannung bedarf. Ausblasende Funkenstrecken sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, dass sich auf nicht-ausblasende weitgehend abgeschlossene Funkenstrecken mit einem vom Netzfolgestrom verursachten Druckaufbau bezieht, wobei der Netzfolgestrom über die von ihm erzeugte Drückerhöhung im Inneren wesentlich zu seiner eigenen Löschung beiträgt.“
Die Beklagte selbst war – bereits vor Bekanntwerden der Ergebnisse der Untersuchungen des Sachverständigen an geöffneten Funkenstrecken – der Ansicht, dass
„durch das Aufbohren eine Funkenstrecke völlig anderer Gattung geschaffen wird.“ (Schriftsatz vom 10. Oktober 2003, S. 1 unten = Bl. 400 d.A.)
Dem schließt sich auch die Kammer an.
Damit steht fest, dass für die Löschung des Netzfolgestrom-Lichtbogens in der gekapselten, d.h. nicht-ausblasenden Funkenstrecke der Beklagten die durch den Netzfolgestrom selbst erzeugte Druckerhöhung der maßgebende physikalische Mechanismus ist, während sich der Beitrag der Lichtbogenverlängerung infolge des Netzfolgestromes zum Netzfolgestrom-Löschverhalten vergleichsweise bescheiden ausnimmt.
Da der angegriffene Blitzstromableiter auch insoweit von der Lehre der Klageschutzrechte Gebrauch macht, greift der Einwand der Beklagten, die Löschwirkung der angegriffenen Ausführungsform sei bereits seit 1974 freier Stand der Technik, nicht durch.
c. Bei der angegriffenen Ausführungsform sind entgegen der Behauptung der Beklagten auch Be- und Entlüftungskanäle“ (Ziffer 4, Anlage K15) bzw. „Kanäle kleinen Querschnitts“ (Ziffer 4, Anlage K7) vorhanden.
Der Sachverständige kommt auch hinsichtlich dieses Merkmals zu einem klaren Ergebnis:
„Es ist offensichtlich und unbestreitbar, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Funkenstrecke ..Be- und Entlüftunqskanäle“, bzw. „Ka^ näle kleinen Querschnitts“ vorhanden sind, die einen Druckausgleich zwischen dem hohen Innendruck im Innenraum und dem Umgebungsdruck ermöglichen und auch einen sich möglicherweise einstellenden Unterdruck beheben können.
Bei der angegriffenen Ausführungsform der Funkenstrecke sind, also Entlüftungskanäle kleinen Querschnittes zum Druckausgleich vorhanden, womit die Schutzansprüche im Klagepatent DE 19604xxx (Ansprüche 3, 4, 22), im Klagegebrauchsmuster 29622xxx (Anspruch 17) und im Klagegebrauchsmuster 29622xxx (Anspruch 1, Zeile 10…13) gegenständlich und wortsinngemäß verwirklicht werden.“
Im einzelnen führt der Sachverständige aus:
„Der durch Verdampfungsprozesse und chemische Reaktionen entstandene Überdruck im Inneren einer als hermetisch gekapselt, d.h. als völlig druckdicht angenommenen Funkenstrecke wird auch nach der Abkühlung entsprechend dem „allgemeinen Gasgesetz“ nicht wieder auf den Ausgangswert zurückgehen, da sich bei dem Lichtbogenvorgang durch thermische Einwirkung auf die zur Isolierung zwischen den Elektroden benötigten Kunststoffe, die Feststoffe darstellen, durch Zersetzung Gase gebildet haben, die die Dichte des Gases im eingeschlossen Gasraum erhöhen. Es würde also nach Abkühlung ein „Überdruck“ im Vergleich zum Ausgangsdruck verbleiben. Dieser durch die Dichteerhöhung bei jeder erneuten Beanspruchung weiter steigende Druckwert würde schließlich bei den vorübergehenden Druckspitzen, die durch den Folgestrom erzeugt werden, Werte erreichen, die schließlich eine mechanische Zerstörung herbeiführen können. Bild 4 skizziert in prinzipieller Weise den Verlauf des Druckaufbaus bei Austreten von Gasen aus den beanspruchten Kunststoffen. Ein solcher Druckverlauf ließe sich auch experimentell nachweisen.
Der Druckabbau im Anschluß an den Löschvorgang des Nachfolgestromes durch „Entlüftungskanäle“ ist also von Vorteil, um eine Kumulierung des Druckes bei rasch aufeinander folgenden Blitzstromereignissen zu verhindern und einen möglichst raschen Abbau des Überdruckes auf den Normaldruck zu erreichen. Weist das durch das Lichtbogenereignis stark erhitzte Gas nach dem Druckausgleich noch eine Übertemperatur auf, so führt das bei Abkühlung auf Raumtemperatur und Ausbleiben weiterer Blitzstrombeanspruchungen aus physikalischen Gründen (allgemeines Gasgesetz) zu einem Unterdruck, zu dessen Behebung dem beanspruchten Gasraum wieder Gas aus der Umgebung zugeführt werden muß. Die Strömungsrichtung des hierfür erforderlichen Gases kehrt sich somit um, d.h. von „außen“ nach „innen“, und der Verbindungskanal zwischen „innen“ und „außen“ wandelt seinen Charakter von einem „Entlüftungskanal“ zu einem „Belüftungskanal“.
Ein weiterer Nachteil einer ständig ansteigenden Dichte des Gases im abgeschlossenen Innenraum bei Fehlen eines „Entlüftungskanals“ führt nach dem sogenannten „Paschen-Gesetz“ zu einer höheren elektrischen Durchschlagsfestigkeit der Elektrodenanordnung und damit zu einer ansteigenden Ansprechspannung der Funkenstreckenanordnung, wie Bild 5 zeigt.
Bei einem solchen Verhalten würden aber auch die von den Normen geforderten und von den Herstellern von Blitzstrom-Ableitem zu garantierenden Ansprechspannungen überschritten mit der Folge, dass die Schutzwirkung der Blitzstrom-Ableiter beeinträchtigt wird. Aus den genannten physikalischen Zusammenhängen ergibt sich zwangsläufig, dass der Raum, in dem das Lichtbogenereignis stattfindet, einer Entlüftung bedarf, um nach einem Lichtbogenereignis auf den Ausgangszustand vor Auftreten des Lichtbogenereignisses zurückzukehren.
Aus der gleichen Gesetzmäßigkeit folgt auch die Notwendigkeit, dem Gasraum nach Entlüftung und Abkühlung erforderlichenfalls durch einen „Belüftungskanal“ Gas zuzuführen, um Gasdichte und Ansprechspannung der Funkenstrecken (= Durchschlagsspannung) wieder auf den Ausgangswert zu bringen und ein Ansprechen bei einem zu geringen Spannungswert zu vermeiden.
Aus der Querschnittszeichnung der angegriffenen Ausführungsform entsprechend Anlage K10 (s. auch Bild 2) ist zu erkennen, dass eine Bohrung 8 in der „äußeren“ (Hülsen-) Elektrode 2 vorliegt. Dieser Entlüftungskanal wird von der Beklagten selbst in Anlage B1, Spalte 4, Zeile 16 und Zeile 24 als „kleiner Durchlaß“ bezeichnet. Diese Bohrung hat keine andere Aufgabe als den Druckausgleich zwischen dem „abgeschlossenen“ Innenraum des Blitzstrom-Abieiters und der Umgebung zu ermöglichen.
Der betreffende Entlüftungskanal setzt sich durch die Bohrung in der „druckdichten“ Kapselung über das Gewinde „der Befestigungsschraube 9 und die Einkerbung am Kontaktbügel 7 fort.
Die durchgehende Bohrung für die Schraube 9 durch die ansonsten druckdichte äußere Kapselung hat nur die Aufgabe, den Druckausgleich zu ermöglichen. Es ist nicht erkennbar, dass für eine elektrische Kontak-tierung oder eine mechanische Befestigung ein Durchgangsloch erforderlich wäre.
Es ist aus der praktischen Erfahrung allgemein bekannt, dass einfache Verschraubungen nicht druckdicht gegen Gase oder Flüssigkeiten sind. Zum druckdichten“ Abdichten“ sind stets zusätzliche Aufwendungen und Hilfsmittel erforderlich. Hierfür gibt es eine große Anzahl konstruktiver und werkstoffmäßiger Lösungen, von Rundschnur-Dichtungen auf E-lastomer-Basis, über Flachdichtungen aus geeigneten Kunststoffen oder bei extrem hohen Anforderungen in der Ultrahoch-Vakuumtechnik (UHV-Technik) Dichtungen aus Metall.
Verschraubungen kann man in der Technik einsetzen, um gezielt einen kleinen Ausgleichskanal zum Druckausgleich zu schaffen. Dies funktioniert bereits bei einfachen normgerechten Gewindepaarungen. Begründet ist dies durch die sehr detaillierten Normvorgaben für die Gewindeabmessungen, die einen großen technischen Spielraum bei der Herstellung der Gewinde zulassen.
Die Kammer schließt sich diesen ausführlich begründeten, auch für den Laien nachvollziehbaren und einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen an.
4. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf ein Vorbenutzungsrecht berufen.
Nach § 9 PatG ist allein der Patentinhaber oder der von diesem Ermächtigte befugt, die im Patent unter Schutz gestellte Erfindung zu benutzen; sonstige Dritte sind dauernd von einer solchen Benutzung ausgeschlossen. Diesen Grundsatz schränkt § 12 PatG insofern ein, als er diese Wirkung des Patents gegenüber demjenigen nicht eintreten lässt, der die Erfindung zur Zeit der Anmeldung im Inland bereits in Benutzung genommen oder die dafür erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Mit dieser Einschränkung will das Gesetz aus Billigkeitsgründen einen vorhandenen oder bereits angelegten gewerblichen Besitzstand des Vorbenutzers schützen und damit die unbillige Zerstörung in zulässiger, insbesondere rechtlich unbedenklicher Weise geschaffener Werte verhindern (so bereits RGZ 75, 317 [318]; Busse, § 12 Rdnr. 43). Auf der Grundlage seines erst zu einem späteren Zeitpunkt in rechtlich relevanter Weise angelegten bzw. geschaffenen Ausschließlichkeitsrechts soll der Patentinhaber nicht auch die Personen von der Benutzung der unter Schutz gestellten Erfindung ausschließen können, die sie bereits vorher benutzt oder konkrete Anstalten für eine solche Benutzung getroffen haben.
Als Veranstaltungen im Sinne des § 12 PatG sind nach der Rechtsprechung alle Maßnahmen anzusehen, die den ernstlichen Willen erkennen lassen, die Erfindung alsbald gewerblich zu verwerten, wobei eine Bekundung dieses Willens in sichtbarer Weise gefordert wird. Die Umschreibung des Zeitmoments mit „alsbald“ läßt Raum für eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls, die den Notwendigkeiten der Entwicklung technischer Neuerungen zur Marktreife Rechnung trägt. Es darf dabei nicht außer Betracht bleiben, dass die Einführung von Neuerungen auf dem Markt vielfach zunächst auf mangelndes Interesse stößt und erhebliche Anstrengungen erfordert, die des zeitlichen Spielraums bedürfen.
Die Beklagte behauptet, am 10. Februar 1996 ein funktionsfähiges und im wesentlichen marktreifes Muster und damit Erfindungsbesitz gehabt zu haben. Ob dies erweislich ist, kann letztlich dahinstehen; die vorgelegten Unterlagen wie etwa der Prüfbericht der TU Ilmenau (Anlage B 5) berechtigen allerdings zu Zweifeln daran, ob überhaupt Versuche bzw. Prüfungen betreffend die technische Brauchbarkeit der Prototypen hinsichtlich deren Folgestrom-Löschvermögen durchgeführt wurden. Aber selbst dann, wenn man die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten unterstellt, liegt die Markteinführung des streitgegenständlichen Blitzstromableiters zu einem späteren Zeitpunkt – nämlich frühestens im Herbst 1998 – nicht mehr innerhalb des von der Rechtsprechung beschriebenen zeitlichen Rahmens.
Daran ändert auch der Hinweis der Beklagten auf die im August 1998 veröffentlichte Richtlinie des VDEW, nach der der Einbau von Funkenstrecken-Blitzstromableitern zwischen Hausanschluss und Zähler erst im August 1998 zugelassen worden sein soll, so dass die Markteinführung entsprechender Produkte frühestens ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen sei, nichts. Denn bei besagter Richtlinie handelt es sich einerseits nicht um verbindlich gesetztes Recht, sondern lediglich ein privates Normwerk; eine auf die Richtlinie des VDEW verweisende Rechtsvorschrift im formellen Sinn ist weder vorgetragen noch sonst – etwa im Energiewirtschaftsgesetz – ersichtlich. Aus der von der Beklagten vorgelegten Richtlinie (Anlage B 15, Seiten 14/15) ergibt sich vielmehr lediglich eine Empfehlung:
„Die Anwendung dieser Vornorm [gemeint ist DIN VDE 0100-534/A1] wird dem Planer/Errichter von elektrischen Anlagen mit Überspannungs-Schutzeinrichtungen bis zum Erscheinen einer harmonisierten europäischen Norm (CENELEC-HD) empfohlen.“
Andererseits kann eine im Jahre 1996 noch gar nicht existente Richtlinie selbst dann, wenn diese bei Veröffentlichung 1998 durch formelles Recht in Bezug genommen worden wäre, im Jahre 1996 noch keine Rechtswirkungen entfalten. Der Aufschub der Markteinführung über mehr als zwei Jahre lässt sich nach allem nicht mit der Richtlinie der VDEW erklären.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.