4a O 155/05 – Tonaufbereitungssiebmischer

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 491

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 6. April 2006, Az. 4a O 155/05

I.
Die Beklagte wird verurteilt,

1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsstrafe, entweder als Ordnungsgeld bis zu 250.000,– Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder als Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, bei wiederholtem Verstoß bis zu insgesamt zwei Jahren

zu unterlassen,

Siebmischer zum Aufbereiten von Ton mit einer in einem Rohr vorgesehenen Schnecke zum Fördern des Tons und einer Siebplatte, durch welche im Betrieb der Ton hindurchgedrückt wird und welche dabei im Ton enthaltene Fremdkörper zurückhält,

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

die zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte eine Räumvorrichtung aufweisen, wobei die Räumvorrichtung an einem Träger vorgesehen ist, welcher zwischen einem Ende des Rohres und der Siebplatte angeordnet ist, wobei die Räumvorrichtung aus einer Arbeitsstellung in eine Ruhestellung verschieblich ist und wobei die Siebplatte relativ zum Träger verschieblich ist;

2.
der Klägerin unter Vorlage von Belegen hinsichtlich der Angaben zu a), b) und c) darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen im Falle der Beklagten zu 1) seit dem 5. Juli 2003 und im Falle des Beklagten zu 2) seit dem 8. September 2003 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen,
b) der Menge der erhaltenen oder bestellten Siebmischer, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
c) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
d) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
e) der beschriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
f) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, der nicht durch Abzug von Fixkosten und variablen Gemeinkosten gemindert ist, es sei denn, diese könnten ausnahmsweise der Herstellung und dem Vertrieb der unter 1. fallenden Gegenstände unmittelbar zugerechnet werden,

3.
die Räumvorrichtungen der noch in ihrem Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu 1. bezeichneten Siebmischer auf eigene Kosten zu vernichten.

4.
an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 954,33 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basissatz ab 31. Januar 2006 zu zahlen.

II.
Es wird festgestellt, dass
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 8. September 2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird,
2. sowie dass die Beklagte zu 1) darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 5. Juli 2003 bis zum 7. September 2003 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

V.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,– Euro vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Gebrauchsmusters 203 02 xxx (Klagegebrauchsmuster), das am 8.2.2003 angemeldet und dessen Eintragung am 5.6.2003 bekannt gemacht wurde.

Mit Eingabe vom 24.9.2004 hat die Klägerin neue Schutzansprüche zu den Akten des Klagegebrauchsmusters gereicht. Der danach neu gefasste Schutzanspruch 1 nimmt die eingetragenen Schutzansprüche 1, 2, 3 und 5 in Kombination auf und lautet wie folgt:

„Siebmischer zum Aufbereiten von Ton mit einer in einem Rohr vorgesehenen Schnecke zum Fördern des Tons und einer Siebplatte (3a, 3b), durch welche im Betrieb der Ton hindurchgedrückt wird und welche dabei im Ton enthaltene Fremdkörper zurückhält, dadurch gekennzeichnet, dass zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte eine Räumvorrichtung (2a, 2b) vorgesehen und die Räumvorrichtung (2a, 2b) an einem Träger (1) vorgesehen ist, welcher zwischen einem Ende des Rohres und der Siebplatte (3a, 3b) angeordnet ist, wobei die Räumvorrichtung (2a, 2b) aus einer Arbeitsstellung in eine Ruhestellung verschieblich ist und dass die Siebplatte (3a, 3b) relativ zu dem Träger (1) verschieblich ist.

Die nachfolgend wiedergegebenen Zeichnungen stammen aus dem Klagegebrauchsmuster und zeigen in Figur 1 ein Ausführungsbeispiel eines Kopfteils eines erfindungsgemäßen Siebmischers in einer Vorderansicht, in Figur 2 das in Figur 1 gezeigte Ausführungsbeispiel in Rückansicht und in Figur 3 das in Figur 1 gezeigte Ausführungsbeispiel in einer Schnittansicht:

Die Beklagte zu 1) hat beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, das Klagegebrauchsmuster zu löschen. Eine Entscheidung liegt noch nicht vor.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt Siebmischer zum Aufbereiten von Ton. Einen Siebmischer lieferte die Beklagte zu 1) an die W GmbH & Co. KG Ziegel- und Porotonwerk. Von diesem Siebmischer hat die Klägerin durch ihren Mitarbeiter Michael G Fotografien angefertigt, die sie als Anlagen K 10 bis 15 zur Akte gereicht hat und auf die Bezug genommen wird.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass die Beklagten durch den Vertrieb des genannten Siebmischers das Klagegebrauchsmuster verletzen.

Sie beantragt,

wie zuerkannt, wobei sie Belegvorlage auch hinsichtlich der zuerkannten Anträge zu I. 2. d), e) und f) verlangt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Verhandlung bis zur Entscheidung über den Löschungsantrag der Beklagten gegen das Klagegebrauchsmuster auszusetzen.

Sie meinen, das Klagegebrauchsmuster sei nicht schutzfähig. Es werde sowohl durch druckschriftlichen Stand der Technik als auch durch eine offenkundige Vorbenutzung neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Klägerin hält das Klagegebrauchsmuster hingegen auch angesichts des von den Beklagten aufgebrachten Standes der Technik für bestandskräftig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin stehen gegenüber den Beklagten die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung und Schadensersatz zu, §§ 24 Abs. 1 und 2, 24 a, 24 b GebrMG, §§ 242, 259 BGB. Gleiches gilt hinsichtlich des eingeklagten Anspruchs auf Erstattung der durch die vorgerichtliche Abmahnung der Beklagten entstandenen Patentanwaltsgebühren, §§ 683, 670 BGB.

I.

Das Klagegebrauchsmuster betrifft einen Siebmischer zum Aufbereiten von Ton. Beim Betrieb derartiger Siebmischer wird die Siebplatte nach einer gewissen Zeit durch Fremdkörper wie Wurzeln oder Steinchen zugesetzt und verstopft. Um durch das Reinigen der Siebplatte bedingte Betriebsunterbrechungen zu vermeiden, ist es nach den Angaben des Klagegebrauchsmusters im Stand der Technik bekannt, einen Siebrahmen mit zwei oder mehr Siebplatten zu verwenden. Sobald eine der Siebplatten mit Fremdkörpern zugesetzt ist, kann der Siebrahmen weitergeschoben werden, so dass eine neue Siebplatte zum Einsatz kommt. Die zugesetzte Siebplatte muss dann gegebenenfalls aus dem Siebrahmen entnommen werden und mühsam von Fremdkörpern gereinigt werden.

Der Erfindung liegt das Problem („die Aufgabe„) zugrunde, die Reinigung der Siebplatte eines Siebmischers mit möglichst geringem Aufwand zu ermöglichen.

Das soll nach Schutzanspruch 1 in der nachgereichten Fassung durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:

(1.1) Siebmischer zum Aufbereiten von Ton,
(1.2) mit einer Schnecke zum Fördern des Tons,
(1.2.1) wobei die Schnecke in einem Rohr vorgesehen ist,
(1.3) und mit einer Siebplatte (3a, 3b),
(1.3.1) durch welche im Betrieb der Ton hindurchgedrückt wird
(1.3.2) und welche dabei im Ton enthaltene Fremdkörper zurückhält,
(1.4) eine Räumvorrichtung (2a, 2b)
(1.4.1) zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte (3a, 3b),
(1.4.2) welche an einem Träger (1) vorgesehen ist,
(1.4.2.1) wobei der Träger (1) zwischen einem Ende des Rohres und der Siebplatte (3a, 3b) angeordnet ist,
(1.5) wobei die Räumvorrichtung (2a, 2b) aus einer Arbeitsstellung in eine Ruhestellung verschieblich ist
(1.6) und wobei die Siebplatte (3a, 3b) relativ zum Träger (1) verschieblich ist.

Mit der vorgenannten Räumvorrichtung lässt sich nach den Vorteilsangaben des Klagegebrauchsmusters eine zugesetzte Siebplatte von Fremdkörpern befreien, ohne dass ein mühsames Reinigen der zugesetzten Siebplatte von Hand oder gar ein Ausbau der Siebplatte nötig wäre.

II.

Der in Schutzanspruch 1 in der nachgereichten Fassung benannte Gegenstand erweist sich gegenüber dem von der Beklagten aufgezeigten Stand der Technik als neu, §§ 1 Abs. 1, 3 GebrMG.

1.) Der Gegenstand von Schutzanspruch 1 wird durch das deutsche Zusatzpatent 71317 vom 27.10.1891 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Entgegenhaltung offenbart einen Siebmischer zum Aufbereiten von Ton („Thonreiniger„). Bei diesem fördert eine – in den Figuren nicht gezeigte und auch in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnte, vom Fachmann aber als für das Funktionieren der Vorrichtung als selbstverständlich vorausgesetzte – in Förderrichtung vor der Austrittsöffnung a angeordnete Schnecke den Ton durch die sich hinter der Austrittsöffnung a befindliche Siebplatte f oder g. Soll die vor der Austrittsöffnung befindliche Siebplatte von Verunreinigungen durch Fremdkörper und dergleichen gesäubert werden, ist es bei dem „Thonreiniger„ möglich, den Rahmen h, in dem die beiden Siebplatten f und g angeordnet sind, seitlich soweit zu verschieben, dass die verunreinigte Siebplatte von der Austrittsöffnung a zu einer seitlich von dieser befindlichen Öffnung d oder e bewegt wird. Gleichzeitig gelangt durch die Verschiebung des Rahmens die zweite Siebplatte vor die Austrittsöffnung a, um zur Reinigung des geförderten Tons eingesetzt zu werden. Bei der vor eine der seitlichen Öffnungen geschobenen Siebplatte kann der Verschluss f2 oder g2 gelöst und die Siebplatte verschwenkt werden, so dass die in dem Raum f1 oder g1 befindlichen Verunreinigungen, die in Form eines Kuchens an dem Sieb anhaften, herabfallen können (Anlage K 4, Sp. 2, unten). Bleiben aber Verunreinigungen in der Öffnung f1 oder g1 trotz der „Konicität„ der letzteren stecken, genügt das Vorschieben eines Kolbens d1 oder e1, der durch den Handhebel d2 oder e2 betätigt werden kann, um die Verunreinigungen sicher zu entfernen (a.a.O., K 4, Sp. 2 unten – 3 oben). Bei der Räumvorrichtung werden die Fremdkörper also nach den Angaben der Entgegenhaltung durch den Kolben nicht – wie nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters vorgesehen – abgestreift, sondern aus der Öffnung f1 oder g1 herausgedrückt.

Die Beklagten haben nun in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es auch möglich sei und es sich dem Fachmann erschließe, den in der genannten Patentschrift offenbarten Siebmischer dergestalt zu betreiben, dass der Kolben d1 oder e1 vorgeschoben wird, während sich die dazugehörige Siebplatte f oder g noch vor der Austrittsöffnung a befindet. Werde sodann die verunreinigte Siebplatte f oder g seitlich verschoben, würden die Verunreinigungen von der Siebplatte f oder g abgestreift. Dass die Vorrichtung für eine solche Betriebsweise eingerichtet ist, geht jedoch aus der Druckschrift nicht mit der erforderlichen Sicherheit hervor. Wie bereits erwähnt, wird diese Möglichkeit in der Beschreibung der Entgegenhaltung nicht erwähnt. Sie erschließt sich dem Fachmann aber auch nicht aufgrund der Zeichnungen. Die von den Beklagten angesprochene Betriebsweise setzt zwingend voraus, dass sich der Rahmen h, an dem die Siebplatten f oder g befestigt sind, auch dann von der jeweiligen (rechten oder linken) Seite Austrittsöffnung zur jeweiligen (linken oder rechten) Seite der seitlich angeordneten Öffnungen d oder e schieben lässt, wenn die Kolben d1 oder e1 in „Abstreifstellung“ vorgeschoben sind. Dass dies möglich ist, geht aus der Entgegenhaltung nicht hervor. Dagegen spricht vor allem, dass eine solche seitliche Öffnung des Raums zwischen dem verschiebbaren Rahmen h und dem Gerüst b zur Folge haben würde, dass in Förderstellung zwischen der Austrittsöffnung a und der jeweiligen Siebplatte f oder g keine Begrenzung besteht und der geförderte Ton deshalb vor dem Durchtritt durch die Siebplatte seitlich ausweichen könnte, was zu erheblichen Funktionsstörungen führen würde.

Die Neuheit der Lehre aus Schutzanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters wird durch die deutsche Entgegenhaltung also nicht in Frage gestellt.

2.) Gleiches gilt für das deutsche Patent 82xxx vom 6.11.1894. Dieses betrifft einen ununterbrochen wirkenden Thonreiniger, bei dem die einzelnen Siebteile durch einen Handgriff aus dem Rahmen herausgenommen und ausgewaschen werden können. Auch bei diesem fehlt es also an einer Räumvorrichtung zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte.

3.) Die europäische Patentanmeldung 0 925 xxx, die am 30.6.1999 veröffentlicht wurde, betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Siebwechsel an einer Filtervorrichtung für die Reinigung von flüssigen oder plastischen Massen. Bei dieser wird ein Sieb 6 mittels eines Trägerkörpers 4 aus dem Massestrom herausgeschoben und sodann durch einen Schaber 27 entfernt und durch ein neues Sieb ersetzt (vgl. Figur 1, Rdn. 1). Eine verschiebbare Räumvorrichtung zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte ist damit nicht offenbart.

4.) Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte schließlich auf eine offenkundige Vorbenutzung des Gegenstands von Schutzanspruch 1.

Die Beklagte verweist zur Begründung der offenkundigen Vorbenutzung auf einen Zusammenarbeitsvertrag, den die Parteien am 17.6.1996 geschlossen hätten und der keine Vertraulichkeitsvereinbarung enthalte. Die Beklagte zu 1) behauptet im Löschungsverfahren mit Schriftsatz vom 8.11.2005, auf den sie in dem hiesigen Verfahren Bezug genommen hat, dass im Zuge der Zusammenarbeit aufgrund des Vertrages und des damit verbundenen Maschinenaustauschprogramms eine undatierte Zeichnung der Klägerin mit der Nummer MDSG1015A 1-30 zu ihr gelangt sei. Der Zeitraum des Empfangs könne relativ genau eingeordnet werden und zwar spätestens auf Ende Juli 2002. Denn am 28. Oktober 2002 sei ihr ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter Herr Ch gestorben und habe ihrem – der Beklagten – Konstruktionsleiter, Herrn K, zuvor die besagte Zeichnung mit dem Auftrag übergeben, auf dieser Basis einen Siebmischer beim „Ziegelwerk F“ zu realisieren, welcher dann jedoch erst im August 2003 – also fast ein Jahr später – zur Auslieferung gelangt sei. Die Beklagten meinen, dass die Zeichnung mit der Übergabe an Herrn K öffentlich geworden sei, weil zwischen den ehemals verbundenen Unternehmen keine Geheimhaltungsabsprachen bestanden hätten.

Die Klägerin bestreitet, dass sie die in Rede stehende Zeichnung Herrn Ch vor dem 8. August 2002 übergeben habe. Die Zusammenarbeit der Parteien im Bereich der hier relevanten Doppelwellenmischer sei bereits in den Jahren 2000/2001 beendet worden, wie sich auch aus einem Schreiben des Herrn Ch vom 21.3.2001 ergebe. Alle im Zusammenhang mit diesem Produkt stehenden Dokumente habe Herr Ch persönlich am 18. Mai 2001 zwei Mitarbeitern der Klägerin, den Herren Au und F, am Sitz der Beklagten übergeben. Materialien zu Weiterentwicklungen bei ihr, der Klägerin, seien der Beklagten danach nicht mehr übergeben worden. Das gelte insbesondere auch für die undatierte Zeichnung MDSG1015A-1-30. Zudem sei Herr Ch als Mitgesellschafter der Beklagten zu 1) gegenüber der H GmbH & Co. KG, also der Partnerin des Zusammenarbeitsvertrages vom 17.6.1996 gemäß § 7 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages vom 24.4.1996 zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen.

Das Vorbringen der Beklagten erweist sich bei Berücksichtigung der Darlegungen der Klägerin als nicht hinreichend substantiiert, eine offenkundige Vorbenutzung zu begründen. Dem Beklagtenvortrag lässt sich bereits nicht entnehmen, aufgrund welcher Umstände die Beklagten zu dem Schluss gelangen, dass die Klägerin die genannte Zeichnung dem damaligen Geschäftsführer Ch der Beklagten spätestens Ende Juli 2002 übergeben hat. Der Umstand, dass Herr Ch am 28. Oktober 2002 verstorben ist, schließt es nicht aus, dass dieser die Zeichnung von der Klägerin erst nach dem 7. August 2002 erhalten hat. Dann aber wäre die Zeichnung der Beklagten noch innerhalb der sechs Monate dauernden Neuheitsschonfrist des § 3 Abs. 1 Satz 3 GebrMG zugegangen, die im Hinblick auf den Anmeldetag des Klagegebrauchsmusters (8. Februar 2003) am 8. August 2002 begann.

Nachdem die Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung auf die vorgenannten Zusammenhänge hingewiesen wurden, haben sie ihr Vorbringen dahingehend ergänzt, dass die Übergabe der Zeichnung von Herrn Ch an Herrn K spätestens Ende Juli 2002 erfolgt sei. Herr K könne sich deshalb so genau an den Zeitpunkt erinnern, weil es seinerzeit eine Auftragsflaute gegeben habe.

Auch wenn dieses neue Vorbringen der Beklagten, das die Klägerin im Termin bestritten hat, zu ihren Gunsten als wahrheitsgemäß unterstellt wird, ergibt sich daraus jedoch nicht, dass die Klägerin die undatierte Zeichnung MDSG1015A-1-30 ohne Geheimhaltungsverpflichtung dem Herrn Ch übergeben hat. Die Beklagten tragen nichts zu den näheren Umständen der Übergabe der Zeichnung von der Klägerin an Herrn Ch vor, obwohl sie insoweit darlegungsbelastet sind, nachdem die Klägerin bestritten hat, dass überhaupt eine Übergabe erfolgt ist. Insbesondere bleibt im Beklagtenvortrag offen, ob die Übergabe mit Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt ist. Der Abschluss einer solchen Geheimhaltungsvereinbarung hätte aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung im Geschäftsverkehr mehr als nahe gelegen, weil die Zeichnung im Hinblick auf die Räumvorrichtung zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte eine technische Neuerung offenbarte und ein entsprechendes Schutzrecht Ende Juli 2002 noch nicht beantragt war.

Soweit die Beklagten demgegenüber auf den Zusammenarbeitsvertrag vom 17.6.1996 Bezug nehmen, den – insoweit tragen die Beklagten ungenau vor – nicht die Klägerin, sondern die H GmbH & Co. KG mit der Beklagten zu 1) geschlossen hat, und darauf hinweisen, dass dieser keine Geheimhaltungsregelung enthalte, ist dies unbehelflich. Zwar enthält der Zusammenarbeitsvertrag tatsächlich keine Geheimhaltungsvereinbarung. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Zusammenarbeit der Parteien im Bereich der hier relevanten Doppelwellenmischer bereits in den Jahren 2000/2001 einvernehmlich beendet wurde. Das ergibt sich insbesondere auch aus dem als Seite 35 der Anlage K 7 vorgelegten Schreiben des Herrn Ch, in dem dieser der Klägerin mitteilt, dass die Beklagte zu 1) künftig nicht mehr an der Fertigung solcher Siebverschiebungen interessiert sei, und ist zwischen den Parteien auch unstreitig. Nach faktischer Beendigung der Zusammenarbeit der Parteien hinsichtlich der Siebmischer im Jahre 2001 kann jedoch nicht ohne weiteres angenommen werden, dass die Klägerin dem damaligen Geschäftsführer der Beklagten zu 1) mehr als ein Jahr später eine Zeichnung übergeben hat, die eine technische Neuerung für Siebmischer enthielt, für die die Klägerin noch keinen Schutz beantragt hatte, ohne dass Geheimhaltung vereinbart worden wäre. Das gilt auch gerade unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Einstellung der Zusammenarbeit ausweislich der Bezugnahme in dem Schreiben des Herrn Ch vom 21.3.2001 die Siebverschiebung MDSG1xxxA betraf, während die in Rede stehende Zeichnung den Siebmischer MDSG1015A zeigte. Bei der Siebverschiebung MDSG1xxxA handelte es sich – wie dem genannten Schreiben des Herrn Ch entnommen werden kann – um ein in Zusammenarbeit der Parteien hergestelltes und vertriebenes Modell. Hinsichtlich der Ausgestaltung eines auf dem Markt erhältlichen Modells einer Siebverschiebung bedarf es keiner Geheimhaltung, weil alle Details offen zu Tage liegen. Ganz anders stellt sich demgegenüber die Situation hinsichtlich der Zeichnung betreffend die Siebverschiebung MDSG1xxxA dar, die eine bislang nicht bekannte Räumvorrichtung zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte aufwies. Es versteht sich von selbst, dass es in einer solchen Situation mehr als nahe liegt, bei Weitergabe der Zeichnung an ein Unternehmen, mit dem die Zusammenarbeit hinsichtlich Siebverschiebungen vor mehr als einem Jahr eingestellt wurde, nur mit Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt. Dass entgegen einer solchen wirtschaftlicher Vernunft entsprechenden Erwartung eine Geheimhaltungsvereinbarung zwischen der Klägerin und Ch bei Übergabe der Zeichnung tatsächlich nicht vereinbart wurde, hat die Beklagte – wie ausgeführt – nicht im Einzelnen dargelegt.

Ist demnach davon auszugehen, dass die Übergabe der Zeichnung an Herrn Ch mit Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt ist, fehlt es an einer offenkundigen Vorbenutzung. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Herr Ch die Zeichnung an Herrn K spätestens Ende Juli 2002 übergeben haben soll. Denn selbstverständlich ist auch Herr K an eine zwischen der Klägerin und Herrn Ch getroffene Geheimhaltungsvereinbarung gebunden.

5.) Es ist schließlich nicht dargetan, dass der Gegenstand von Schutzanspruch 1 in der nachgereichten Fassung nicht auf einem erfinderischen Schritt gegenüber dem vorgetragenen Stand der Technik beruht, § 1 Abs. 1 GebrMG. Keine der genannten Druckschriften offenbart eine Räumvorrichtung zum Abstreifen der Fremdkörper von der Siebplatte, so dass auch deren Zusammenschau die Lehre aus Schutzanspruch 1 nicht nahe legen kann.

III.

Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht den Gegenstand aus Schutzanspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß. Darüber besteht zwischen den Parteien zu Recht kein Streit, so dass es weiterer Erläuterungen hierzu nicht bedarf.

IV.

1. Die Beklagten sind gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet, § 24 Abs. 1 GebrMG.

2. Außerdem kann die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz verlangen, § 24 Abs. 2 GebrMG. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) und der Beklagte zu 2) als ihr Geschäftsführer die Gebrauchsmusterverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Da es überdies hinreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.

3. Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, sind die Beklagten ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Denn die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.

Die Beklagten haben über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 24 b GebrMG. Die danach geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2. mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.

Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch der geltend gemachte Anspruch auf Belegvorlage zu, allerdings nur im Umfang der Auskünfte, die die Klägerin nach § 24 b GebrMG verlangen kann (vgl. BGH, GRUR 02, 709 – Entfernung der Herstellungsnummer III; GRUR 03, 433, 434 – Cartier-Ring).

4. Der Klägerin steht ferner der gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Vernichtung zu, § 24 a GebrMG.

5. Schließlich kann die Klägerin von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag die Erstattung der ihr durch die vorprozessuale Abmahnung der Beklagten entstandenen Aufwendungen verlangen, §§ 683, 670 BGB. Da den Beklagten durch die Abmahnung die Gelegenheit eingeräumt wurde, die berechtigterweise von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche wegen Verletzung des Klagegebrauchsmusters ohne die durch die Anrufung eines Gerichts entstehenden Kosten zu erfüllen, hat es sich um ein zumindest auch den Beklagten objektiv nützliches und damit auch ihrem mutmaßlichen Willen entsprechendes Geschäft der Klägerin gehandelt. Wie die Klägerin unwidersprochen dargelegt hat, sind ihr dabei auf der Grundlage eines Streitwertes von 250.000,– Euro unstreitig Patentanwaltsgebühren in Höhe von etwa einer 0,8fachen Gebühr (genau: 1.645,40 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer) entstanden. Davon muss sie sich allerdings die Hälfte auf die Verfahrensgebühr in diesem Verfahren anrechnen lassen, Vorbemerkung 3 Abs. 4 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, so dass noch eine etwa 0,4fache Gebühr verbleibt, die sich zuzüglich der Mehrwertsteuer auf den zuerkannten Betrag von 954,33 Euro beläuft.

V.

Die Aussetzung der Verhandlung im Hinblick auf das von der Beklagten eingeleitete Löschungsverfahren betreffend das Klagegebrauchsmuster ist nicht veranlasst, weil dem Verfahren nicht die für eine Aussetzung erforderlichen Erfolgsaussichten beizumessen sind, wie sich aus den obigen Erläuterungen zur Schutzfähigkeit ergibt.

VI.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 108, 709 Satz 1 ZPO.

Der Streitwert wird auf 250.000,– Euro festgesetzt.

Dr. R1 R3 R2