4b O 274/10 – UMTS-Mobilstation II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1894

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. April 2012, Az. 4b O 274/10

I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
im Geltungsbereich des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 841 XXX Mobilstationen, die von oder im Auftrag der A Corporation, XX B Rd., C XXX, D, E oder der F Corporation, G XX, XXX H, I, hergestellt oder vertrieben werden, zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz, in dem mehrere Nutzerklassen unterschieden werden, anzubieten, in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wobei die Mobilstationen dazu eingerichtet sind, eine Nutzerklasse von einer SIM-Karte zu lesen, über einen Broadcast Control Channel Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen zu empfangen, aus den Zugriffsschwellwertbits einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln, anhand der für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklasseninformationen zu ermitteln, ob die Mobilstation unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf, oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal zum Bespiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird;
2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.04.2010 begangen hat und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen (und gegebenenfalls Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) entsprechende Belege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat,
der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkretes Befragen mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die in Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen und nach dem 17.04.2010 in der Bundesrepublik Deutschland Dritten angebotenen und/oder an Dritte in Verkehr gebrachten und/oder gebrauchten und/oder zu diesen Zwecken besessenen Erzeugnisse zurückzurufen,
indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des Klagepatents EP 1 841 XXX B 1 erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse oder der Austausch der Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, sowie die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen oder auf Grund der unter Ziffer 3. geltend gemachten Ansprüche in ihren Besitz gelangten und gelangenden, unter Ziffer 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre, der Beklagten, Kosten herauszugeben.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 17.04.2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Die durch die Nebenintervention zu 1) verursachten Kosten trägt die Streithelferin zu 1); die durch die Nebenintervention zu 2) verursachten Kosten trägt die Streithelferin zu 2).

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000.000,00 €.

T a t b e s t a n d
Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des mit Wirkung u.a. für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 1 841 XXX mit der Bezeichnung „Zugriff einer Mobilstation auf einen wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit der Nutzerklasse“ (Anlage K 1, nachfolgend: Klagepatent). Das Klagepatent, welches eine Priorität vom 08.03.1999 in Anspruch nimmt, wurde am 15.02.2000 angemeldet. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 03.10.2007, die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung am 17.03.2010. Das Klagepatent steht in Kraft. In dem gegen das Klagepatent anhängigen Einspruchsverfahren bestimmte das EPA mit Bescheid vom 08.11.2011 (Anlage K 24) Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24./25.04.2012.

Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung ist eine Teilanmeldung zu der Anmeldung 00916XXX.5, aus der das europäische Patent EP 1 186 XXX (nachfolgend: Stammpatent) erteilt wurde. Ursprüngliche Inhaberin des Stammpatents war die J GmbH (nachfolgend: J), von welcher die als Patentverwertungsgesellschaft tätige Klägerin im Mai 2007 ein umfangreiches, u a. das Stammpatent umfassendes Patentportfolio im Bereich der Mobiltelefontechnik erwarb.

Mehrere Patente des Patentportfolios waren und sind Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen im In- und Ausland, an denen die Klägerin, die Beklagte und/oder die Streithelferinnen beteiligt sind. Teilweise ist/war auch J beteiligt. Mit Urteil vom 18.02.2011 verurteilte das Landgericht Mannheim, Az. 7 O 100/10, die Streithelferin zu 2) wegen Verletzung des Klagepatents durch den Vertrieb von UMTS-fähigen Mobilfunkgeräten zur Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Entfernung, Vernichtung und zum Schadenersatz (Anlage K 11). Das Berufungsverfahren ist vor dem OLG Karlsruhe, Az. 6 U 29/11, anhängig. Der High Court of Justice London erkannte mit Urteil vom 16.06.2011, Az. HC10 C01233, auf eine Verletzung des englischen Teils des Klagepatents durch den Vertrieb von UMTS-fähigen Mobilfunkgeräten der Streithelferin zu 2) in Großbritannien (Anlage B&B 7, deutsche Übersetzung Anlage K 23).

Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
„Mobilstation (5, 10, 15, 20) zum Betrieb in einem UMTS Mobilfunknetz, in dem mehrere Nutzerklassen (35, 40) unterschieden werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Mobilstation (5, 10, 15, 20) dazu eingerichtet ist,
– eine Nutzerklasse (35, 40) von einer SIM-Karte (75) zu lesen,
– über einen Broadcast Control Channel (25) Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) und Zugriffsklasseninformationen (Z0, Z1, Z2, Z3) zu empfangen,
– aus den Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) einen Zugriffsschwellwert (S) zu ermitteln,
– anhand der für die Nutzerklasse (35, 40) relevanten Zugriffsklasseninformationen (Z0, Z1, Z2, Z3) zu ermitteln, ob die Mobilstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf,
oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal zum Bespiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird.“

Die nachstehend eingeblendeten Figuren der Klagepatentschrift verdeutlichen den Gegenstand der Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Die Figur 1 stellt bildlich einen Ausschnitt aus einem Telekommunikationsnetz dar. Figur 3c zeigt ein (drittes) Bitmuster für die Zuteilung des Zugriffs auf einen Telekommunikationskanal.

Die Beklagte betreibt u.a. Mobilfunknetze nach dem GSM (Global System for Mobile Communications) – Standard und dem UMTS (Universal Mobile Telecommunications System) – Standard. Zudem vertreibt sie UMTS-fähige Mobiltelefone der Streithelferin zu 1) und der Streithelferin zu 2).

J, die Beklagte sowie die Streithelferinnen gehören zu den Mitgliedern des European Telecommunication Standards Institute (ETSI), einem auf Initiative der Europäischen Kommission gegründeten gemeinnützigen Institut in Form einer juristischen Person nach französischem Recht mit Sitz in Frankreich. Aufgabe der 1988 gegründeten ETSI ist es, bis dato nationale Bestrebungen zur Entwicklung der Mobilfunktechnik zu vereinheitlichen und eine internationale Standardisierung für den Bereich der mobilen Telekommunikation zu erarbeiten. Die grundlegenden Organisationsregelungen von ETSI finden sich in den so genannten „ETSI Directives“ (vgl. Auszug gemäß Anlagenkonvolut S&S 4).
Annex 6 der ETSI Rules of Procedure (Seite 34-48 der ETSI Directives) befasst sich mit der ETSI lntellectual Property Rights Policy (nachfolgend: ETSI IPR Policy), für die Ziffer 12 ausdrücklich die Anwendung französischen Rechts anordnet. Appendix A von Annex 6 der ETSI Rules of Procedure (Seite 41 der ETSI Directives) beinhaltet seit Dezember 2001 Muster der Lizenzerklärungen, für deren Auslegung, Validität und Einhaltung ebenfalls die Anwendung französischen Rechts vorgegeben ist. Am 10. Oktober 1997 hatte ETSI ein Schreiben an die Mitglieder versandt, das den Entwurf einer Lizenzerklärung beinhaltete, die wiederum ausdrücklich französischem Recht unterworfen war (Anlage S&S 5).
Die Regelungen der ETSI IPR Policy sind für die Mitglieder verbindlich (Art. 14 von Annex 6). Ergänzt werden die Regeln der ETSI IPR Policy durch den so genannten ETSI Guide on lntellectual Property Rights (nachfolgend: ETSI Guide on IPR). Die ETSI-Regelungen sind zwar im Laufe der Jahre leicht angepasst worden, blieben im Kern jedoch nahezu unverändert.

Im Vorwort zum ETSI Guide on IPRs (Anlage B&B 21) heißt es in deutscher Übersetzung (Seite 48, 5. Absatz, siehe Anlage S&S 6):
„Dieses Spannungsverhältnis (Ausschlusscharakter gewerblicher Schutzrechte gegenüber weiterer Verbreitung von Standards) ist durch die Verabschiedung der ETSI IPR Policy, wie sie in Annex 6 zu den ETSI Rules of Procedure zu finden ist, durch die ETSI Mitglieder reduziert worden.“

ETSI verlangte noch während des Standardisierungsprozesses und vor Verabschiedung des Standards die Offenlegung von Patenten, die für den geplanten Standard essenziell sein könnten. Die Offenlegung ist insbesondere in Ziffer 4 der ETSI IPR Policy (Seite 34 von Anlagenkonvolut S&S 4) geregelt. Dort ist die Pflicht festgehalten, Schutzrechte, die für den zu verabschiedenden Standard relevant sein können, so früh wie möglich offenzulegen. Zum anderen wird von jedem Schutzrechtsinhaber – ebenfalls bereits vor Verabschiedung des Standards – die Abgabe einer Lizenzerklärung verlangt, mit der der jeweilige Schutzrechtsinhaber gegenüber ETSI unwiderruflich erklärt, bezüglich sämtlicher seiner Schutzrechte, die er für den entsprechenden Standard als essenziell erachtet, jedem interessierten Dritten eine Lizenz zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen (FRAND) zur Benutzung dieser Patente zu erteilen (Ziffer 6.1 der ETSI lPR Policy, Seite 34/35 von Anlagenkonvolut S&S 4).Die ETSI IPR Policy sieht detaillierte Regelungen vor, die dafür Sorge tragen, dass eine patentierte Technologie, bezüglich der eine solche Lizenzerklärung nicht abgegeben worden ist, nicht in den entsprechenden Standard aufgenommen bzw. wieder entfernt wird (vgl. Ziffer 8 der ETSI IPR Policy). Auf der Website der ETSI ist die aus Anlage K 21 ersichtliche Fragen- und Antwortenliste veröffentlicht.

J setzte sich während der ETSI-Standardisierung für eine maximale Gesamtlizenzbelastung für die Benutzung des Standards ein (Anlage B&B 22). Sie gab Lizenzerklärungen für zahlreiche Patente und Patentfamilien ab, unter die auch die Erfindung des Klagepatentes fällt (vgl. Anlagenkonvolut S&S 7). Darüber hinaus gab J für alle standardessenziellen Patente zwei Lizenzerklärungen ab (Anlagenkonvolut S&S 8).

Zwischen der Streithelferin zu 1) und J fanden zu der Zeit, in der J Inhaberin der Erfindung des Stammpatentes war, Verhandlungen über eine Lizenzierung des gesamten Patentportfolios Js statt. Bereits im Frühjahr 2005 nahmen die Streithelferin zu 1) und J Lizenzverhandlungen auf. Mit E-Mail vom 14. Dezember 2005 unterbreitete J ein erstes konkretes Lizenzangebot. Dieses Angebot sah eine Einmalzahlung in Höhe von EUR 30 Mio. für das betreffende Patentportfolio Js vor (Anlagenkonvolut S&S 9). Dieses erste Angebot wurde von der Streithelferin zu 1) aus diversen Gründen (ihrer Ansicht nach erhebliche Zweifel an der Rechtsbeständigkeit zahlreicher Patente und an der Benutzung diverser Patente) abgelehnt. Darüber hinaus sah die Streithelferin zu 1) den geforderten Betrag als zu hoch an. J wiederholte im Laufe der Verhandlungen ihr Angebot einer Gesamtlizenz gegen Zahlung eines Pauschalbetrages in Höhe von EUR 30 Mio. (Anlagenkonvolut S&S 10). Die Streithelferin zu 1) unterbreitete am 13. Juli 2006 ein erstes Gegenangebot in Höhe von USD 4 Mio. (Anlagenkonvolut S&S 11). J wies dieses Angebot jedoch als aus ihrer Sicht unzureichend zurück, so dass zu diesem Zeitpunkt eine Einigung nicht zustande kam.

Mit Schreiben vom 21. September 2008 verwies die Klägerin auf mehrere anhängige Streitverfahren in den USA und Europa mit anderen Mobiltelefonherstellern und nannte als Richtwert für die künftigen Verhandlungen nunmehr einen Lizenzsatz in Höhe von 7,5 % (Anlagenkonvolut S&S 12). Mit Schreiben vom 6. Oktober 2008 erhöhte die Streithelferin zu 1) ihr bisheriges Angebot und erklärte ihre Bereitschaft, einen Pauschalbetrag für das Patentportfolio der Klägerin, einschließlich des Klagepatents, in Höhe von USD 10 Mio. zu zahlen (Anlagenkonvolut S&S 13). Dieses wies die Klägerin als “unseriös“ zurück und machte eine Lizenzerteilung von einer nicht zurückzahlbaren Vorabzahlung in Höhe von EUR 100 Mio. sowie einer zusätzlichen Stücklizenz von 2 % abhängig (Anlagenkonvolut S&S 14).

Jedenfalls mit der K Ltd. schloss die Klägerin einen Lizenzvertrag, wonach letztere als Lizenzgebühr für die vergangene und künftige Nutzung des Gesamtpakets der Patente und Patentanmeldungen eine Einmalzahlung in Höhe von EUR 12,5 Mio. zu leisten hatte.

Die hiesige Streithelferin zu 1) gab in Patentverletzungsverfahren vor dem LG Mannheim wegen der Verletzung zweier Patente mit den dortigen Klageerwiderungen vom August 2009 unbedingte Angebote zum Abschluss eines Lizenzvertrages sowohl über das gesamte von J übernommene Patentportfolio als auch alternativ für die betroffenen Patente und die entsprechende Patentfamilie ab (Anlagenkonvolut S&S 17). Die Klägerin wies diese Angebote zurück. Im Termin zur mündlichen Verhandlung in dem Verfahren vor dem LG Mannheim (Az. 7 0 84/09) am 4. Dezember 2009 übergab die hiesige Streithelferin zu 1) zwei Patentlizenzvertragsangebote (vgl. Anlagenkonvolut S&S 18, Anlage S&S 19). Im vorliegenden Rechtsstreit legt die Streithelferin zu 1) entsprechende Angebote vor (Anlagen S&S 20 und 21). Die hiesige Streithelferin zu 1) erbrachte zur Abweisung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil im Verfahren LG Mannheim, 7 0 94/08, vom 27. Februar 2009, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 7,5 Mio EUR (vgl. Anlagenkonvolut S&S 22).
Die Klägerin gab am 10. Dezember 2009 die aus Anlagenkonvolut S&S 24 ersichtliche FRAND-Erklärung ab. Unter demselben Datum erfolgte die Presseerklärung der Europäischen Kommission gemäß Anlage S&S 27.
Die Streithelferin zu 2) beschwerte sich gegen das Verhalten der Klägerin bei der Europäischen Kommission (Anlagen B&B 39, 40). Die Kommission gab in diesem Zusammenhang die aus Anlage B&B 41 ersichtliche Presseerklärung ab. Die Streithelferin zu 2) unterbreitete unter anderem die aus Anlagen B&B 42 und B&B 43 ersichtlichen Lizenzangebote. Die Streithelferin zu 2) hinterlegte EUR 5 Mio. zugunsten der Klägerin beim Amtsgericht München gemäß § 372 BGB unter Verzicht auf die Rücknahme (Anlagen B&B 74 – 78). Mit Schreiben vom 4. März 2011 (Anlage B&B 62) bot die Streithelferin zu 2) der Klägerin ausdrücklich die Annahme des patentspezifischen Lizenzangebots vom 12. April 2010 in der Fassung vom 3. März 2011 (Anlagen B&B 42, 43) an und wiederholte dieses Angebot im laufenden Rechtsstreit.

Am 26. Januar 2011 waren 4.618 Patente für den GSM-Standard, 1.249 Patente für dem GPRS-Standard sowie 9.788 Patente für den UMTS-Standard als standardessentiell bei ETSI deklariert (Anlagenkonvolut S&S 29; vgl. auch Anlage B&B 20), wobei sich darunter Doppeldeklarierungen, aber auch allgemeine Lizenzerklärungen, die eine Vielzahl von Patenten erfassen, befinden. Ein Teil der Deklarierungen betrifft möglicherweise nicht standardessenzielle Patente; die Anzahl der tatsächlich standardessenziellen Patente ist zwischen den Parteien streitig.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen das Anbieten und den Vertrieb sämtlicher UMTS-fähiger Mobiltelefone der Streithelferinnen (angegriffene Ausführungsformen), wobei sie eine exemplarische Übersicht UMTS-fähiger Modelle in den Anlagen K 5, K 25 und K 43 zur Akte gereicht hat.
Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten Anspruch 1 des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß. Die angegriffenen Ausführungsformen machten als UMTS-fähige Mobiltelefone von dem UMTS-Standard Gebrauch, wie er insbesondere in den Standarddokumenten ETSI TS 125 211 (Anlage K 6), ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7, deutsche Übersetzung K 7a) und ETSI TS 125 XXX (Anlage K 8, deutsche Übersetzung K 8a) niedergelegt ist. Da die Erfindung nach dem Klagepatent in dem UMTS-Standard umgesetzt worden sei, würden sämtliche angegriffenen Ausführungsformen auch die technische Lehre des Klagepatents verwirklichen. Hierbei gelte es insbesondere zu beachten, dass Anspruch 1 des Klagepatents als Vorrichtungsanspruch lediglich die Mobilstation, nicht jedoch das Mobilfunknetz betreffe. Entscheidend sei deshalb allein, dass die Mobilstation die Fähigkeit und objektive Geeignetheit aufweise, dass das UMTS-Netz anhand der übermittelten Parameter bestimmen könne, ob die Mobilstation direkt unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits zugreifen dürfe oder ob die Zugriffsberechtigung in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt werde. Ob das Netzwerk von dieser Fähigkeit der angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch mache, sei indes unerheblich. Gleiches gelte für die objektive Geeignetheit der Mobilstation bezüglich des Auslesens der Nutzerklasse von einer SIM (Subscriber Identity Module) – Karte, worunter das Klagepatent funktional jede UMTS-fähige Zugriffsberechtigungskarte verstehe, die Nutzerklassen zur Verfügung stelle, unabhängig davon, wie diese nach der jeweiligen UMTS-Standardversion bezeichnet werde. Die Eignung, über den Broadcast Control Channel (nachfolgend: BCCH) Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen empfangen zu können, verlange keine gemeinsame Verortung der genannten Parameter in einem einzigen Informationselement. Es komme lediglich darauf an, dass der erfindungsgemäße Zugriffsweg mittels dieser Zugriffsinformationen seitens des Netzes bestimmbar sei, wenn der Zugriffswunsch bestehe. Die angegriffenen Ausführungsformen seien fürderhin geeignet, aus den übermittelten Zugriffschwellwertbits den für sie maßgeblichen Zugriffsschwellwert zu ermitteln, wobei auch die Berücksichtigung anderer Faktoren/Parameter erfindungsgemäß möglich sei. Schließlich wiesen die angegriffenen Ausführungsformen auch allesamt die Fähigkeit auf, den Zugriffsweg entsprechend der Lehre des Anspruchs 1 zu bestimmen. Hierbei gehe es nicht um die Ermittlung der Zugriffsberechtigung schlechthin, sondern nur um die Ermittlung des Zugriffsweges seitens der zugriffswilligen Mobilstation. Etwaige vorgelagerte Zugriffsklassensperren oder etwaige nachgelagerte Zugriffsversuche seien ohne Bedeutung. Die beiden Zugriffsalternativen seien nur dadurch gekennzeichnet, dass in dem einen Fall die Zugriffschwellwertbits keine Bedeutung erlangen sollten, in dem anderen Fall hingegen wohl. Wie der Verfahrensablauf bei der ersten Alternative erfolge, sei dem Fachmann überlassen.

Nachdem die Klägerin ursprünglich angekündigt hat, auch die Entfernung der angegriffenen Ausführungsformen zu beantragen, beantragt sie nunmehr,
wie zuerkannt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des EPA über den Rechtsbestand des Klagepatents in dem dort anhängigen Einspruchsverfahren auszusetzen,
höchst hilfsweise, ihr, der Beklagten, zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.

Die Streithelferin zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des EPA über den Rechtsbestand des Klagepatents in dem dort anhängigen Einspruchsverfahren auszusetzen,
höchst hilfsweise, der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden,
äußerst hilfsweise, der Klägerin die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30 Mio. EUR zu gestatten.

Die Streithelferin zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer Entscheidung des EPA über den Rechtsbestand des Klagepatents in dem dort anhängigen Einspruchsverfahren auszusetzen,
hilfsweise, der Beklagten zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden,
ihr, der Streithelferin zu 2), nachzulassen, etwaige Sicherheitsleistungen durch Bank- oder Sparkassenbürgschaften zu erbringen.

Die Streithelferin zu 2) erachtet den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot als unzulässig.

Die Beklagte und die Streithelferinnen stellen eine Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents im Wesentlichen wie folgt in Abrede, wobei sie sich grundsätzlich auch den Vortrag der jeweils anderen zu eigen machen:
Die Streithelferin zu 1) behauptet, die von der Streithelferin zu 1) stammenden angegriffenen Ausführungsformen seien zwar auch in einem UMTS-Mobilfunknetz betreibbar. Die Klägerin habe jedoch weder behauptet noch nachgewiesen, dass die angegriffenen Ausführungsformen, wie das Klagepatent voraussetze, mit einer herkömmlichen (physikalischen) SIM-Karte im UMTS-Mobilfunknetz betrieben werden könnten. Im UMTS-Standard sei die physikalische, aus dem GSM-Netz bekannte SIM-Karte durch eine physikalische UICC (Universal Integrated Circuit Card) – Karte ausgetauscht worden, was – unwidersprochen – im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents bereits bekannt gewesen sei. Die UICC-Karte könne – unstreitig – zwei Applikationen aufweisen: zwingend verfüge sie über eine USIM (Universal Subscriber Identity Module) – Applikation, optional auch über eine GSM- oder SIM-Applikation. Letztere entspreche der Funktionalität der physikalischen SIM-Karte am Prioritätstag des Klagepatents. Um im UMTS-Mobilfunknetz betreibbar zu sein, müssten die angegriffenen Ausführungsformen die USIM-Applikation ihrer UICC-Karte ausführen. Die Nutzerklasse sei dann der USIM-Applikation zu entnehmen und nicht der SIM-Applikation. Eine USIM-Session und eine SIM-Session schlössen einander aus. Wenn die SIM-Applikation durchgeführt werde, seien die angegriffenen Ausführungsformen GSM-Mobilstationen. Über eine SIM-Applikation auf der UICC-Karte verfügen – insoweit unstreitig – im Übrigen nur die von der Streithelferin zu 1) stammenden 2G/3G dual mode Ausführungsformen, nicht auch die 3G single mode Mobilstationen. Das Klagepatent gehe des Weiteren davon aus, dass über den BCCH nur ein Schwellwert an alle Mobilstationen übermittelt werde. Dies bedeute, dass die übertragenen Zugriffsschwellwertbits einen Schwellwert repräsentierten. Dies entspreche der in der Vorteilsangabe angestrebten Reduzierung der Übertragungskapazität. Daneben würden auch Zugriffsklasseninformationen übermittelt, die in fester Relation für eine vorgegebene Nutzerklasse stünden, so dass sie also gerade nicht eine Information für alle Nutzerklassen repräsentierten. Dies werde bei den von der Streithelferin zu 1) stammenden Ausführungsformen nicht erreicht. Hierbei komme es auf die unterschiedliche Ausgestaltung von 2G/3G dual mode und 3G single mode Mobilstationen an. Die angegriffenen Ausführungsformen, die ihre Nutzerklasse von der SIM-Applikation der UICC-Karte erhielten, könnten nämlich nicht auf einer Zelle des UTRAN (UMTS Terrestrial Radio Access Network) „lagern“, weshalb sie die Systeminformationen, die von dem UTRAN an alle Einheiten übermittelt werden, nicht auswerten könnten. Hinzu trete, dass im UMTS-Standard keine Reduzierung der Übermittlungskapazitäten erreicht werde, da insgesamt 3 Bytes (24 Bitstellen) für die Ermittlung des Schwellwertbits und die Zugriffsklasseninformationen erforderlich seien. Es würde nur 1/8 der tatsächlich in Anspruch genommenen Übertragungskapazität für die Übermittlung der Zugriffsberechtigungsinformationen auf den Zugriffsschwellwert verwendet. 7/8 würden indes auf die Übermittlung der Zugriffsklasseninformation verwendet. Schließlich solle nach den Ausführungsbeispielen des Klagepatents nur ein Zugriffsklassenbit je Nutzerklasse übermittelt werden. Im UMTS-Mobilfunknetz würden hingegen 3 Bitstellen je Nutzerklassen verwendet. Hervorzuheben sei darüber hinaus, dass das Klagepatent eine Mobilstation fordere, die dazu eingerichtet sei, aus den Zugriffsschwellwertbits einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln. Hierbei sei eine Abhängigkeit von der Zugriffskontrolle, wie der systematische Zusammenhang des Anspruchs zeige, nicht angestrebt. Das Klagepatent gehe nicht von einer „Entweder-oder“-Ermittlung von Zugriffsklasseninformation und Zugriffsschwellwert aus, sondern von einer „Entweder-oder“-Ermittlung des Zugriffsrechts. Wenn eine angegriffene Ausführungsform zu einer privilegierten Nutzerklasse gehöre, sei sie nicht dazu eingerichtet, einen Zugriffsschwellwert aus Zugriffsschwellwertbits zu ermitteln. Dies sei für den Zugriff unabhängig vom Zugriffsschwellwert auch gar nicht erforderlich. Die von Anspruch 1 genannten Zugriffswege stünden nicht in einem strengen Alternativverhältnis. Das bekannte Zugriffsklassenverfahren sei ergänzend heranzuziehen. Zunächst sei der Schwellwerttest und sodann sei der Zugriffsklassentest durchzuführen. Wollte man von einem strengen Alternativverhältnis ausgehen, fehle es nach dem UMTS-Standard an dem klagepatentgemäßen Szenario. Eine priorisierte Mobilstation greife nicht auf den von der Klägerin als Zugriffsschwellwertbit definierten Parameter zu; eine nicht priorisierte Mobilstation prüfe nicht, ob sie aufgrund einer Zugriffsklasseninformation zugreifen dürfe. Darüber hinaus meint die Beklagte, der UMTS-Standard verwende ein grundlegend anderes Ordnungsprinzip als das Klagepatent. Mobilstationen würden nicht in Abhängigkeit ihrer Nutzerklasse auf der allen zur Verfügung stehenden einen Ressource priorisiert, sondern es werde für jeden verfügbaren Dienst oder Service eine eigene Ressource auf dem PRACH bereitgestellt. Der PRACH entspreche dem Zugriffskanal des Klagepatents; hier gäbe es indes nicht mehr die Kombination aus Zugriffsklassentest und Zugriffsschwellwerttest. Eine Verwirklichung des Anspruchs 1 scheide schließlich jedenfalls bezüglich der seit dem 1.12.2011 angebotenen und vertriebenen Ausführungsformen der Streithelferin zu 1) aus. Ab diesem Zeitpunkt seien sämtliche angegriffene Ausführungsformen der Streithelferin zu 1) für den deutschen Markt nur so eingerichtet, dass sie entsprechend den Vorgaben gemäß Anlage HL 33 arbeiten könnten.

Die Streithelferin zu 2), die sich in weiten Teilen auf das von ihr vorgelegte Gutachten ihres Privatgutachters Prof. L (Anlage B&B 1) stützt, ist zunächst der Ansicht, die technische Lehre des Klagepatents beziehe sich nur auf ein UMTS-Mobilfunknetz, wie es im Prioritätszeitpunkt, also am 08.03.1999, vorgesehen gewesen sei. Die angegriffenen Ausführungsformen sind indes – unstreitig – nicht rückwärtskompatibel und können nicht im damals aktuellen Standard-Entwurf, dokumentiert im Release 1999, arbeiten. Der heutige UMTS-Standard, in dem die angegriffenen Ausführungsformen betreibbar seien, sähe – ebenfalls unstreitig – insbesondere eine andere Art der Kodierung der Daten vor, zudem würden andere Parameter übertragen. Die von ihr stammenden angegriffenen Ausführungsformen würden darüber hinaus von ihr – unstreitig – nicht mit einer SIM-Karte vertrieben. Die angegriffenen Ausführungsformen seien auch nicht dazu eingerichtet, eine klagepatentgemäße SIM-Karte auszulesen. Das Klagepatent habe vor allem angesichts des eindeutigen Anspruchswortlauts lediglich SIM-Karten entsprechend dem GSM-Standard im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents vor Augen, nicht hingegen Zugriffsberechtigungskarten anderer Art. Die im derzeitigen UMTS-Mobilfunknetz verwendeten USIM-Karten bzw. UICC-Karten seien keine SIM-Karten. Es handele sich nicht um Synonyme. Dies sei vor allem auch deshalb anzunehmen, weil im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents – unwidersprochen – die USIM für UMTS schon bekannt gewesen ist. Das Klagepatent habe sich gleichwohl ausdrücklich und bewusst für ein Auslesen von SIM-Karten entschieden. Das Klagepatent setze außerdem voraus, dass die über den BCCH empfangenen Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen stets zur selben Zeit und in einem gemeinsamen Datenstrom gesendet werden. Es reiche vor allem angesichts des technischen Grundes, die jeweilige Kanalbelastung zu reduzieren, und wegen des einzigen erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiels des Klagepatents, das in Figur 3c gezeigt sei, nicht aus, dass alle relevanten Parameter irgendwann einmal zeitgleich vorlägen. Zudem differenziere das Klagepatent gezielt zwischen Zugriffsschwellwerten und Zugriffsklasseninformationen. Ein und derselbe Parameter könne folglich nicht bei beiden eine Rolle spiele. Da in dem UMTS-Standard die Daten, die nach Ansicht der Klägerin Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen darstellten, in – insoweit unstreitig – zeitlich und logisch getrennten Blöcken unterschiedlich oft gesendet werden, und zudem eine Vermischung der Parameter erfolge, scheide eine Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents aus. Die erfindungsgemäße Mobilstation müsse des Weiteren dazu eingerichtet sein, nur aus den Zugriffschwellwertbits des empfangenen Bitmusters einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln. Andere Parameter dürften hierbei nicht einfließen, vielmehr müsse die Schwellwertermittlung unmittelbar, direkt und ausschließlich mittels der Schwellwertbits geschehen. Die Zugriffsschwellwertbits und der Zugriffsschwellwert gäben inhaltlich stets den identischen Parameter und größenmäßig stets dessen identischen Wert wieder. Im UMTS-Standard werde jedoch – insoweit unstreitig – nicht nur auf den von der Klägerin als Zugriffsschwellwertbit qualifizierten Parameter abgestellt, sondern auch auf den von der Klägerin als Zugriffsklasseninformation benannten Parameter und weitere Faktoren. Hierzu gehörten in manchen Zugriffsklassen auch so genannte Skalierungsfaktoren, die für unterschiedliche Mobilstationen unterschiedlich seien. Dies widerspreche indes dem vom Klagepatent postulierten Egalitätsprinzip, wonach der empfangene Schwellwert unterschiedslos für alle Mobilstationen gelten solle. Ebenso könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass in dem Mobilfunknetz der Beklagten keine dynamischen, sondern statische Zugriffsschwellwerte versendet würden. Die von Anspruch 1 vorgegebenen Berechtigungsalternativen stünden in einem strengen Alternativverhältnis, wobei in der ersten Alternative eine kumulative Nichtauswertung von Zugriffsschwellwertbits bzw. Zugriffsschwellwert und Zufallszahl stattzufinden habe. Dem Klagepatent gehe es um die Ermittlung der Zugriffsberechtigung, also um die Frage, ob die Mobilstation eine Zugriffsberechtigung erhalte oder nicht. Dies sei eine „Hop oder Top“ – Entscheidung, wobei der Anspruch nicht allein die konkrete Zugriffssituation vor Augen habe. Im UMTS-Mobilfunkstandard gehe es demgegenüber nicht um das „Ob“ des Zugriffs, sondern um das „Wann“. Abgesehen davon verwirklichten jedenfalls die vom 17.02.2010 bis zum 17.02.2011 vertriebenen, als „A2“ bezeichneten Ausführungsformen, deren Ausgestaltung sich aus der Anlage B&B 9 ergibt, und die nach dem 17.02.2011 vertriebenen, als „C2“ beschriebenen Ausführungsformen nicht das Klagepatent. Ab bzw. in den genannten Zeiträumen seien ausschließlich solche angegriffenen Ausführungsformen angeboten und vertrieben worden, die nur dazu eingerichtet gewesen sind bzw. seien, nach den Vorgaben „A2“ bzw. „C2“ zu arbeiten. Die in der Anlage K 25 aufgeführten Modelle „Lumia“ seien nach der im Londoner Verfahren als „B1“ bezeichneten Ausführungsvariante aufgebaut. Auch hier werde ausschließlich die neue „Mapping-Tabelle“ wie in „C2“ verwendet.

Die Streithelferin zu 2) ist zudem der Ansicht, die beantragte Vernichtung (angeblich) patentverletzender Mobiltelefone sei unverhältnismäßig, da die Klägerin ein nicht produzierendes Rechteverwertungsunternehmen ist. Die Streithelferin zu 1) gibt bezüglich einer etwaigen Vollstreckung durch die Klägerin zu bedenken, dass – sofern überhaupt eine Patentverletzung festgestellt werden könnte – die beanspruchte Zugriffsschwellwertauswertung nur einen theoretischen Anwendungsbereich im Geltungsbereich des Patentgesetzes habe. Hierauf ein durchsetzbares Unterlassungsverbot zu stützen, würde den Beklagten einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, dem keine überwiegenden Gläubigerinteressen gegenüberstünden.

Die Beklagte und die Streithelferinnen sind der Ansicht, die von J gegenüber ETSI abgegebenen Lizenzerklärungen hätten nach dem anzuwendenden französischen Recht bis auf Weiteres eine Vertragsbeziehung zwischen J und der Beklagten bzw. den Streithelferinnen begründet, die letztere jeweils berechtige, vom Klagepatent Gebrauch zu machen. Die Anwendung französischen materiellen Rechts auf die von J gegenüber ETSI abgegebenen Lizenzerklärungen führe zu einem unmittelbaren positiven Nutzungsrecht der Beklagten und der Streithelferinnen aufgrund einer stipulation de contrat pour autrui, das diese den geltend gemachten Ansprüchen entgegenhalten könnten, und zwar bereits ohne abschließende Einigung über die Höhe der Lizenzgebühr. Die Klägerin sei an dieses positive Nutzungsrecht gebunden. In diesem Zusammenhang behaupten die Beklagte und die Streithelferinnen, die Klägerin habe die vertraglichen Beziehungen im Rahmen des Patentkaufvertrages übernommen (vgl. Anlage A 3). Jedenfalls sei die Klägerin gemäß § 15 Abs. 3 PatG bzw. gemäß einer entsprechenden französischen Regelung (Art. L 613-8 Code des la Propriété Intellectuelle) an das Nutzungsrecht aufgrund einer stipulation de contrat pour autrui gebunden. Unabhängig von der Anwendung französischen Rechts ergebe sich ein unmittelbares Nutzungsrecht auch in Anwendung deutschen Rechts. Die Klägerin habe sich in der mündlichen Verhandlung am 9. Februar 2010 in dem Parallelverfahren 6 U 66/09 vor dem OLG Karlsruhe selbst für einen bindenden Übergang von Js FRAND-Verpflichtungserklärung auf sie, die Klägerin, ausgesprochen. Jedenfalls stünden die von J gegenüber ETSI abgegebenen Erklärungen den geltend gemachten Ansprüchen deshalb entgegen, weil diese jedenfalls seit dem Frühjahr 2005 ein Stillhalteabkommen zwischen J und potentiellen Lizenzsuchern begründet hätten. Auf dieses Stillhalteabkommen könne sich auch die Beklagte gegenüber der Klägerin berufen, weil letztere gemäß § 15 Abs. 3 PatG bzw. §§ 413, 404 BGB entsprechend gebunden sei. Das Stillhalteabkommen bzw. die FRAND-Erklärung sei nicht durch eine etwaige Übertragung bzw. den Verlust der Inhaberschaft am Klagepatent auflösend bedingt gewesen. Das Stillhalteabkommen erfasse auch Benutzungshandlungen der Beklagten, jedenfalls soweit diese Produkte beträfen, welche von den Streithelferinnen hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden.
Die Geltendmachung der Ansprüche aus dem Klagepatent durch die Klägerin sei unter Berücksichtigung des Kartellverbots des Art. 101 AEUV rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Deren Geltendmachung widerspreche nämlich den ETSI-Lizenzerklärungen Js und der ausdrücklichen Regelung in Ziffer 1.4 des ETSI Guides on IPR.
Ferner meinen die Beklagte und die Streithelferin zu 1), es fehle an der Aktivlegitimation der Klägerin, wenn man zu dem Ergebnis komme, die von J abgegebenen Erklärungen gegenüber ETSI seien nicht auf die Klägerin übergegangen. In diesem Falle sei der Übertragungsvertrag nichtig nach Art. 101 AEUV bzw. § 134 BGB i.V.m. § 1 GWB.
Schließlich machen die Beklagte und die Streithelferinnen folgende kartellrechtlichen Einwendungen geltend: Die Klägerin verstoße gegen Art. 101 AEUV i.V.m. § 33 GWB, weil sie ihnen den Zugang zum Standard unter Erteilung von FRAND-Lizenzen verweigere. Die Klägerin missbrauche zudem ihre marktbeherrschende Stellung (Art. 102 AEUV bzw. §§ 19, 20 GWB). Die vom Bundesgerichtshof (nachfolgend: BGH) in der Orange-Book-Standard-Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen für einen Kartellrechtseinwand wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung seien nicht verallgemeinerungsfähig; vielmehr handele es sich um eine Frage des Einzelfalles. Der vorliegende Sachverhalt weise diverse Besonderheiten gegenüber dem Orange-Book-Fall auf, weshalb sich eine eins-zu-eins-Anwendung der dortigen Voraussetzungen verbiete. Im Übrigen sei es zweifelhaft, ob weitergehende Verpflichtungen des Nutzers (Pflicht, ein Angebot zu unterbreiten, und zwar mit im Einzelnen ausformulierten Klauseln; Verzicht auf Geltendmachung fehlender Verletzung bzw. mangelnder Validität) eines standardessentiellen Patents mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar seien. Der FRAND-Erklärung der Klägerin komme ein eigenständiger, über den rein kartellrechtlichen Anspruch des Art. 102 AEUV hinausgehender Charakter zu. Die von der Klägerin geforderten Lizenzgebühren lägen bei weitem über einem marktgerechten Niveau, so dass die Klägerin exzessive Lizenzgebühren verlange. Das Verhalten der Klägerin komme einer Lizenzverweigerung gleich. Es gehe der Klägerin einzig und allein darum, durch Patentverletzungsverfahren so viel Druck auszuüben, dass die Lizenzsucher am Ende nachgeben und die geforderte überhöhte Lizenzgebühr zahlten, um nicht durch die Vollstreckung eines Unterlassungstitels aus dem Markt gedrängt zu werden. Die Klägerin wende ihre Lizenzierungspolitik offensichtlich nicht gleichmäßig und nicht in nicht-diskriminierender Weise an; vielmehr verlange sie in willkürlicher Vorgehensweise exzessive Gebühren. Die Lizenzangebote der Streithelferinnen seien mit der erteilten K-Lizenz vergleichbar, weshalb deren Zurückweisung durch die Klägerin diskriminierend sei.
Die Beklagte und die Streithelferin zu 1) meinen hilfsweise, letztere habe die Voraussetzungen gemäß der Orange-Book-Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfüllt: Insbesondere entspreche eine zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbrachte Sicherheitsleistung in der vorliegenden Konstellation einer Hinterlegung nach § 372 BGB.
Die Beklagte und die Streithelferin zu 2) behaupten, Lizenzverhandlungen zwischen der Streithelferin zu 2) und J (vgl. Anlagen B&B 24 bis B&B 38) hätten zu einem abgestimmten Lizenzvertragsentwurf vom 8.11.2005 geführt, in dem lediglich noch die genaue Höhe der FRAND-Lizenzgebühr offen geblieben sei. Sie meinen, das patentspezifische Angebot der Streithelferin zu 2) (Anlagen B&B 42, 43) genüge den „Orange-Book-Kriterien“ des Bundesgerichtshofs, wobei sie insbesondere folgende Gesichtspunkte hervorheben: Angriffe auf den Rechtsbestand des Klagepatents dürften weder vertraglich ausgeschlossen werden, noch dürften diese die Klägerin zur Kündigung des Lizenzvertrages berechtigen. Die Streithelferin zu 2) habe ihren lizenzvertraglichen Verpflichtungen ordnungsgemäß vorgegriffen: Sie habe unter anderem EUR 35 Mio. auf einem Treuhandkonto bei der M Bank Plc zugunsten der Klägerin hinterlegt (Anlagen B&B 71 – 73) und angeboten, für die Patentfamilie, der das Klagepatent angehört, EUR 5 Mio. zum Zweck der gerichtlichen Hinterlegung vom Treuhandkonto abzurufen (Anlage B&B 44). Die mit diesem Escrow-Agreement vorgenommene Hinterlegung stelle ein der gerichtlichen Hinterlegung vergleichbares Erfüllungssurrogat dar. Insbesondere sei der zugrundegelegte Lizenzsatz in Höhe von 0,0375 %, abbezahlt nach fünf Jahren, ausreichend. Die Klägerin sei an diese zwischen der der Streithelferin zu 2) und J vereinbarte Standardrate gebunden. Im Übrigen sei diese Standardrate objektiv angemessen (vgl. Anlagen B&B 63 – 70). Die Treuhandvereinbarung sei wirksam abgeschlossen worden; die Zeichnungsberechtigung der Unterzeichner ergebe sich aus dem Handelsregisterauszug gemäß Anlage B&B 95. Die Hinterlegung von EUR 35 Mio. im Rahmen einer Treuhandlösung stelle bereits ein überobligatorisches Entgegenkommen der Streithelferin zu 2) dar. Die Streithelferin zu 2) habe ordnungsgemäß abgerechnet; hierzu verweisen die Beklagte und die Streithelferin zu 2) auf die Aufstellungen gemäß Anlagen B&B 78, 78b sowie B&B 97. Der in Anlage B&B 78 zugrunde gelegte Zeitraum bis Februar 2010 sei zutreffend, weil dies dem letzten Verhandlungsstand mit J entspreche und die Klägerin keinen anderen Fünfjahreszeitraum festgelegt habe. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Angaben zur Menge der hergestellten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse, der einzelnen Lieferungen und den Namen und Anschriften von Abnehmern, da es sich dabei um vertrauliche Geschäftsgeheimnisse der Streithelferin zu 2) handele; zudem sehe Ziffer 5 des Lizenzangebotes der Streithelferin zu 2) ein Auditrecht vor. Ferner habe die Klägerin – unstreitig – bereits die aus Anlage B&B 98 ersichtlichen Angaben zu Mengen, Herstellern, Lieferanten und Vorbesitzern erhalten. Die Hinterlegung von EUR 5 Mio. beim Amtsgericht München sei in jeder Hinsicht ausreichend und angemessen.
Die Klägerin verfolge eine missbräuchliche Gesamtstrategie, indem sie die Patente ihres Portfolios mit Hilfe einer Vielzahl von Teilanmeldungen kontinuierlich dem Standard annähere und Teilnehmer mit einer Prozesslawine aus diesem „Patentdickicht“ überziehe. Dies sei insbesondere hinsichtlich der Patentfamilie des Klagepatents der Fall (vgl. Anlage B&B 82). Dabei würden die Ansprüche immer wieder neu modifiziert. Zudem habe die J als Vorgängerin der Klägerin ihre Deklarierungspflichten gegenüber ETSI in einer Weise verletzt, die an die Situation eines „Patent Ambushs“ erinnere.
Der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs stehe der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen. Jedenfalls sei § 139 PatG teleologisch dahingehend auszulegen, dass im vorliegenden Fall keine Unterlassungsansprüche begründet seien. Im Übrigen verstoße dessen Geltendmachung gegen das Lauterkeitsrecht; es handele sich um eine gezielte Behinderung der Beklagten im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Das Unterlassungsbegehren der Klägerin müsse auch daran scheitern, dass sie eine rein formale Rechtsstellung ausnutze (§ 242 BGB).
Die Beklagte und die Streithelferinnen sind des Weiteren der Ansicht, Anspruch 1 des Klagepatents werde sich als nicht rechtsbeständig erweisen. Der Anspruch sei weder neu noch erfinderisch, zudem gehe sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Der Rechtsstreit sei deshalb jedenfalls bis zur Entscheidung des EPA im anhängigen Einspruchsverfahren auszusetzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist begründet. Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen Anspruch 1 des Klagepatents, so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Schadenersatzfeststellung zustehen. Die von den Beklagten und den Streithelferinnen erhobenen lizenzvertraglichen und kartellrechtlichen Einwendungen bleiben ohne Erfolg. Veranlassung, den Rechtsstreit auszusetzen, besteht nicht.

I.
Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag I. 1 auf Unterlassung wegen Patentverletzung ist hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Bei der Geltendmachung einer wortsinngemäßen Patentverletzung genügt es zur Konkretisierung der angegriffenen Ausführungsform, den Wortlaut des geltend gemachten Anspruchs in die Antragsfassung aufzunehmen.

II.
Das Klagepatent betrifft – in dem allein geltend gemachten Anspruch 1 – eine Mobilstation zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz, die dazu eingerichtet ist, auf einen wahlfreien Zugriffskanal zuzugreifen.

Wenn eine Mobilstation eine Verbindung zu einem Mobilfunknetz aufbauen will, muss sie, da für sie im Ruhemodus kein Funkkanal reserviert ist, über eine Basisstation einen Funkkanal anfordern. Dies geschieht üblicherweise über einen so genannten RACH (Random Access Channel), wobei die Kanalanforderung grundsätzlich zu jedem beliebigen Zeitpunkt erfolgen kann. Über den RACH können in der Regel zudem Nachrichten von mehreren Mobilstationen an die Basisstation gesendet werden, mit der Folge, dass Nachrichten verschiedener Mobilstationen miteinander kollidieren können (Anlage K 1, Abs. [0019]). Kommt es zu einer solchen Kollision, findet kein ordnungsgemäßer Empfang der Nachricht in der Basisstation statt, so dass die Basisstation auch keine Bestätigungsinformation an die entsprechende Mobilstation zurücksenden kann. Die Mobilstation sendet daher meist nach einer vorgegebenen Zeit, in der keine Bestätigungsinformation bei ihr eingegangen ist, eine erneute Nachricht zur Kanalanforderung. Auf diese Weise droht eine Überlastung des RACH (Anlage K 1, Abs. [0020]).

Diesem bekannten Problem der Überlastung eines Zugriffskanals widmet sich der Stand der Technik dem Klagepatent zufolge mit verschiedenen Verfahren zur Zugriffskontrolle:
Aus der DE 19838XXX.2 ist ein Verfahren zur Zugriffskontrolle auf einen Telekommunikationskanal eines Telekommunikationsnetzes für mindestens eine Teilnehmerstation des Telekommunikationsnetzes bekannt, wobei Informationssignale an die mindestens eine Teilnehmerstation übertragen werden.
Die US 4,707,XXX erläutert ein local area network (LAN), das einen gemeinsamen Steuerkanal benutzt, über den Steuermeldungen zwischen Modems für jeden der Benutzerknoten eines verteilten Netzwerkes ausgetauscht werden. Zusätzlich zu dem gemeinsamen Steuerkanal ist eine Vielzahl von Datenkanalpaaren vorhanden, um Vollduplex-Verbindungen zwischen beliebigen zwei Netzwerkknoten auszuführen. Weil alle Datenkanalzuteilungen von einem erfolgreichen Gebrauch des Steuerkanals abhängen, wird ein vorgegebenes Steuerkanalzugangschema verwendet, um den Gebrauch des Steuerkanals für alle Nutzer des Netzwerks zu optimieren. Gemäß diesem Schema muss jeder anfordernde Knoten zuerst eine akkumulierte Aktivitätsmessung mit einer Verkehrsdichtenschwelle vergleichen, welche kontinuierlich an die aktuelle Steuerkanalaktivität angepasst wird. Solange die akkumulierte Messung geringer als die Schwelle ist, wird dem anfordernden Benutzerknoten der Zugang zum Steuerkanal gesperrt.
Aus der WO 97/19XXX ist ein drahtloses Kommunikationssystem bekannt, bei dem nur eine begrenzte Anzahl von Kanälen für eine Funkzelle mit einer Basisstation zur Verfügung steht. Zur Regelung des Kanalzugangs wird vorgeschlagen, dass die Basisstation die Zahl der Zugriffsversuche ermittelt und Werte für die Zugriffswahrscheinlichkeiten an die einzelnen Teilnehmerstationen über einen gemeinsamen Broadcast Channel oder Steuerkanal überträgt. Die zugriffswillige Teilnehmerstation empfängt über diesen Kanal diese Zugriffswahrscheinlichkeitswerte, wählt aus diesen Werten einen ihrer Prioritätsklasse entsprechend aus und vergleicht ihn mit einer Zufallszahl, um festzustellen, ob der Zugriff auf einen Kommunikationskanal zulässig ist.
Gemäß der WO 98/23XXX wird die Steuerung des Überlastungsschutzes in einem zellularen Netzwerk mittels einer zweistufigen Adaption der Persistenz einer Mobilstation durch die Übertragung von Persistenzregeln P für die Langzeitadaption und durch die Übertragung von lastbezogenen Variablen p(i) für die kurzzeitige Adaption von der Basisstation zu der Mobilstation realisiert.
Die EP 0765XXX offenbart eine Zugriffsmethode für eine Mobilstation und eine Basisstation in einem CDMA-Mobilfunksystem, in dem ein gemeinsamer Rückkanal in einen Zugriffskanal und einen Signalisierungskanal aufgeteilt ist. Auf dem Zugriffskanal sendet die Mobilstation mit den zu übertragenden Daten ein Übertragungsanforderungssignal an die Basisstation; auf dem Signalisierungskanal überträgt die Basisstation ein Übertragungsbewilligungssignal an die Mobilstation. Das Übertragungsbewilligungssignal weist der Mobilstation, auf Basis des Auslastungszustandes des Signalisierungskanals und des Zustandes der Häufigkeit der Daten, eine Übertragungszeitsteuerung der Daten und einen für die Übertragung zu verwendenden Spreizcode zu. Die Mobilstation überträgt die Daten sodann in Übereinstimmung mit dem zugewiesenen Spreizcode und der Übertragungszeitsteuerung.
In Tdoc SMG2 UMTS-L23 XXX/98 ist schließlich ein Algorithmus mit dynamischer Persistenz zwecks Interferenzverwaltung und Minimierung der Verzögerung durch die Kontrolle des Zugriffs auf den RACH-Kanal des Systems vorgeschlagen. Das System verbreitet über einen gemeinsamen Downlink-Kanal einen Persistenzwert p, der vom geschätzten Backlog der Benutzer im System abhängig ist. Das User Equipment in einer aktiven Datensitzung liest zuerst den aktuellen Persistenzwert und überträgt ihn auf den nächst verfügbaren RACH-Slot mit einer Wahrscheinlichkeit p. Wird ein Stau auf dem RACH detektiert, wird der Persistenzwert reduziert, so dass die Anzahl der aktiven Benutzer auf dem RACH verringert wird. Während der inaktiven Zeitabschnitte wird der Persistenzwert hingegen erhöht, so dass die Zugriffsverzögerung verbessert wird.

Der Vorteilsangabe des Klagepatents ist implizit zu entnehmen, dass die im gewürdigten Stand der Technik bekannten Zugriffskontrollverfahren aus Sicht des Klagepatents mit dem Nachteil behaftet sind, zu hohe Übertragungskapazitäten durch Ermittlung und Übertragung unterschiedlicher Zugriffswahrscheinlichkeitswerte in Anspruch zu nehmen (Anlage K 1, [0009]). Kritik an bekannten Mobilstationen wird nicht erhoben. Die Vorteilsangabe gibt des Weiteren zu erkennen, dass es Aufgabe der Erfindung hinsichtlich des Vorrichtungsanspruchs ist, eine zufällige Verteilung der Zugangsberechtigung zu einem Telekommunikationskanal für eine oder mehrere Teilnehmerstationen mittels eines Zugriffsschwellwertes zu gewährleisten, kombiniert mit der Möglichkeit, für mindestens eine Teilnehmerstation, die einer vorgegebenen Nutzerklasse zugeordnet ist, den Zugriff auf einen Telekommunikationskanal in Abhängigkeit der Zugriffsklasseninformation für diese Nutzerklasse zu erteilen (Anlage K 1, [0009], [0010]).

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Anspruch 1 des Klagepatents die Kombination folgender Merkmale vor:

1. Mobilstation (5, 10, 15, 20) zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz,

a) in dem mehrere Nutzerklassen (35, 40) unterschieden werden.

2. Die Mobilstation (5, 10, 15, 20) ist dazu eingerichtet,

a) eine Nutzerklasse (35, 40) von einer SIM-Karte (75) zu lesen,

b) über einen Broadcast Control Channel (25) Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) und Zugriffsklasseninformationen (Z0, Z1, Z2, Z3) zu empfangen,

c) aus den Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) einen Zugriffsschwellwert (S) zu ermitteln,

d) anhand der für die Nutzerklasse (35, 40) relevanten Zugriffsklasseninformationen (Z0, Z1, Z2, Z3) zu ermitteln,

(i) ob die Mobilstation (5, 10, 15, 20) unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits (S3, S2, S1, S0) auf einen wahlfreien Zugriffskanal, zum Beispiel RACH, zugreifen darf,
(ii) oder ob die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal, zum Bespiel RACH, in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird.

III.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

1)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen Merkmal 1, welches eine Mobilstation zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz fordert.

a)
Anspruch 1 ist ein Vorrichtungsanspruch, der auf eine Mobilstation gerichtet ist. Diese muss, wie die Zweckangabe „zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz“ in Merkmal 1 verdeutlicht, nicht nur die im Anspruch 1 genannten räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein, dass sie für den im Anspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (BGH GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze). Die erfindungsgemäße Mobilstation muss mithin objektiv dazu geeignet sein, in einem UMTS-Mobilfunknetz verwendet zu werden, wobei auch die Geeignetheit zum Betrieb im aktuellen UMTS-Mobilfunknetz anspruchsgemäß ist.
Dem Anspruchswortlaut ist eine Einschränkung auf den im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents (08.03.1999) bekannten, im so genannten Release 1999 dokumentierten Standard-Entwurf nicht zu entnehmen. Bei der Zweckangabe ist allein vom Betrieb „in einem“ UMTS-Mobilfunknetz die Rede. Der Anspruch ist folglich offen formuliert. Es wird weder ein bestimmter Standard-Entwurf benannt noch in einer anderen Weise eine zeitliche Eingrenzung im Hinblick auf das UMTS-Mobilfunknetz aufgeführt.
Auch der Wortsinn des Merkmals 1 gebietet keine Begrenzung der genannten Art. Merkmal 1 dient dazu, die Mobilstation so einzurichten, dass sie in einem UMTS-Mobilfunknetz verwendet werden kann und hierbei die in den weiteren Merkmalen des Anspruchs beschriebene Zugriffskontrolle durchführen kann. Hierfür bedarf es, wie insbesondere die Merkmale 2b bis 2d zeigen, eines zellular aufgebauten UMTS-Mobilfunknetzes, in dem ein wahlfreier Zugriffskanal und ein Signalisierungskanal vorhanden sind. Dass der technische Sinn und Zweck des Merkmals 1 darüber hinaus weitere zwingende Anforderungen an das UMTS-Mobilfunknetz stellt, die über die sonstigen räumlich-körperlichen Vorgaben der weiteren Merkmale des Anspruchs hinausgehen, und die insbesondere auf den im Prioritätszeitpunkt des Klagepatentes bekannten Standard-Entwurf rekurrieren, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die von der Streithelferin zu 2) unwidersprochen aufgezeigten Unterschiede zwischen dem aktuellen UMTS-Mobilfunknetz und dem Standard-Entwurf im Release 1999 mögen zwar bestehen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, inwieweit hieraus mit Blick auf den technischen Sinn und Zweck des Merkmals 1 eine Einschränkung auf den im Prioritätszeitpunkt bekannten Standard-Entwurf folgen soll.
Der Fachmann – ein Ingenieur mit Hochschulabschluss in den Fachgebieten Elektrotechnik, Informatik oder Physik mit Schwerpunkt Mobilfunkkommunikation und mehrjähriger praktischer Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Mobilstationen und der Verwendung von Mobilfunkkommunikationsstandards – wird auch nicht bei zurate ziehen der Beschreibung und der Zeichnungen des Klagepatents zu dem Verständnis gelangen, es komme darauf an, dass die erfindungsgemäße Mobilstation zwingend (auch) in dem UMTS-Mobilfunknetz entsprechend dem Release 1999 betrieben werden kann. Er wird zunächst zur Kenntnis nehmen, dass auch in der Beschreibung des Klagepatents keine bestimmte Version des UMTS-Mobilfunknetzes beschrieben, geschweige denn hervorgehoben wird. Bei der Beschreibung der Ausführungsbeispiele wird zu Figur 1 vielmehr lediglich erläutert, dass ein Mobilfunknetz „normalerweise zellular aufgebaut ist, wobei jede Funkzelle des Mobilfunknetzes von einer Basisstation versorgt wird.“ (Anlage K 1, Abs. [0016]). Im Rahmen der weiteren Beschreibung der Ausführungsbeispiele wird sodann erklärt, dass die Mobilstationen Telekommunikationsdienste üblicherweise über den RACH, also einen wahlfreien Zugriffskanal, anfordern oder zugänglich machen (Anlage K 1, Abs. [0019] ff.), und dass die Basisstation Informationssignale über einen Signalisierungskanal, z. B. als BCCH, überträgt. Voraussetzungen des UMTS-Mobilfunknetzes, die sich nur in dem zum Prioritätszeitpunkt bekannten Entwurf des Standards fanden und auf die es zur Verwirklichung der technischen Lehre zwingend ankommen würde, werden hingegen an keiner Stelle der Beschreibung erwähnt. Auch die Beklagte und die Streithelferinnen vermögen insoweit keine Beschreibungspassagen zu benennen, die ihre Ansicht stützen können. Selbst der Privatgutachter der Streithelferin zu 2), Prof. L, gelangt zu dem Ergebnis, dass es nicht auf den UMTS-Standard-Entwurf gemäß Release 1999 ankommt (Anlage B&B 1).
Angesichts dessen wird der Fachmann der Zweckangabe nicht den Sinn beimessen, dass die Mobilstation auf jeden Fall (auch) in dem damals bekannten UMTS-Mobilfunknetz betrieben werden können muss. Er wird stattdessen auch den Betrieb in einem technisch fortentwickelten UMTS-Mobilfunknetz, das ihm in seinen Einzelheiten im Prioritätszeitpunkt noch nicht bekannt war, als erfindungsgemäß ansehen, zumal es zu seinem allgemeinem Fachwissen gehört, dass der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vollständige UMTS-Standard ständiger Weiter- und Fortentwicklung unterworfen ist und, damit er funktioniert, unterworfen werden musste.

b)
Bei den angegriffenen Ausführungsformen handelt es sich um Mobilstationen, die unstreitig UMTS-fähig und damit in einem, nämlich dem aktuellen UMTS-Mobilfunknetz betreibbar sind. Dies genügt aus den unter a) dargelegten Gründen.

2)
Gleichfalls verwirklicht ist Merkmal 1a, wonach es sich bei dem UMTS-Mobilfunknetz um ein solches handeln muss, in dem mehrere Nutzerklassen unterschieden werden. Die angegriffenen Ausführungsformen sind objektiv dazu geeignet, in einem solchen UMTS-Mobilfunknetz betrieben zu werden.

a)
Merkmal 1a konkretisiert das UMTS-Mobilfunknetz, in dem die erfindungsgemäße Mobilstation betrieben können werden muss. Das Mobilfunknetz muss mehrere Nutzerklassen unterscheiden.

Eine Nutzerklasse im Sinne des Klagepatents ist die Klassifizierung der Mobilstation im Hinblick auf die Nutzung des Zugriffskanals. Mit der Klassifizierung wird die Möglichkeit eröffnet, eine Unterscheidung zwischen Mobilstationen verschiedener Nutzerklassen zu treffen. Die Einteilung der Mobilstationen, d.h. der Nutzer des Netzes, in mehrere Klassen ist eine Voraussetzung dafür, dass bei konkreten Kanalanforderungen darüber entschieden werden kann, ob die anfragende Mobilstation allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nutzerklasse zum Zugriff berechtigt ist. Auf diesem Wege können bestimmte Gruppen von Nutzern, beispielsweise Mobilstationen von Notdiensten der Polizei oder Feuerwehr, beim Zugriff auf den Kanal unabhängig von der zufälligen Verteilung priorisiert werden (Anlage K 1, Abs. [0010], [0021] ff.). Ob eine vorgegebene Nutzerklasse beim Zugriff tatsächlich bevorzugt wird, entscheidet sich erst durch die, über den BCCH an die Mobilstation übermittelten, für die jeweilige Nutzerklasse geltenden Zugriffsklasseninformationen. In dem UMTS-Mobilfunknetz müssen angesichts dieser Zuordnung von Zugriffsklasseninformation zu einer Nutzerklasse mehrere Nutzerklassen unterschieden werden.

Das Klagepatent verlangt ein UMTS-Mobilfunknetz, in dem „mehrere“, d. h. mindestens zwei Nutzerklassen unterschieden werden. Auf eine genaue Anzahl legt es sich nicht fest. Dies ist angesichts der klagepatentgemäßen Funktion der Nutzerklassen auch nicht erforderlich. Eine unterschiedliche Behandlung von Mobilstationen ist bereits dann möglich, wenn mindestens zwei unterschiedliche Nutzerklassen vorhanden sind. Dementsprechend wird auch in der Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele ein UMTS-Mobilfunknetz beschrieben, in dem zwei verschiedene Nutzerklasse vorhanden sind (Anlage K 1, Figur 1, Abs. [0021] ff.)
Eine von der Unterscheidung der Nutzerklassen im UMTS-Mobilfunknetz zu trennende Frage ist, ob die Mobilstation einer Nutzerklasse und wenn ja, welcher und wie vielen angehört. Anspruch 1 des Klagepatents verlangt als auf die Mobilstation gerichteter Vorrichtungsanspruch mit seinem Merkmal 1a nur, dass die Mobilstation geeignet ist, in einem nutzerklassenunterscheidenden UMTS-Mobilfunknetz betrieben zu werden. Dies ist der Fall, wenn die Mobilstation dazu eingerichtet ist, von dem UMTS-Mobilfunknetz übermittelte Zugriffsklasseninformationen für eine Nutzerklasse zu empfangen und entsprechend der Merkmalsgruppe 2 zu verwenden. Für welche Nutzerklassen das UMTS-Mobilfunknetz im Zeitpunkt des konkreten Zugriffswunsches welche Zugriffsklasseninformationen sendet, und ob die anfragende Mobilstation überhaupt einer Nutzerklasse zugeordnet ist (Anlage K 1, Abs. [0031] f.), ist für die technische Lehre des Vorrichtungsanspruchs hingegen ohne Belang.

b)
Die angegriffenen Ausführungsformen sind UMTS-fähig; sie können mithin in dem aktuellen UMTS-Standard betrieben werden. Dieser unterscheidet zwischen mehreren Nutzerklassen im Sinne des Klagepatents, da nach Abschnitt 4.2. des Standards ETSI TS 122 XXX (Anlage K 9/9a) eine Zuweisung sämtlicher Mobilstationen in so genannte Access Classes, die von 0 bis 9 bzw. bis 15 reichen, erfolgt. Dies ist eine Klassifizierung der Nutzer des Mobilfunknetzes.

Welche Access Service Class diesen Access Classes im Zugriffszeitpunkt von dem UMTS-Mobilfunknetz der Beklagten zugeteilt ist, ist ebenso wie der Umstand, dass die Mobilstationen nach Abschnitt 4.2. des Standards ETSI TS 122 XXX (Anlage K 9/9a) mehreren Access Classes angehören können, für das hier in Rede stehende Merkmal aus den dargelegten Gründen unerheblich. Mit Blick auf den Einwand der Beklagten, die Zugehörigkeit zu mehreren Access Classes könnte bei dem erfindungsgemäßen Zugriffsklassentest dazu führen, dass zwei sich widersprechende Ergebnisse über ein etwaiges Zugriffsrecht ermittelt würden, ist zusätzlich auf Abschnitt 8.5.13 des Standards ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7/7a) hinzuweisen. Hiernach soll die Mobilstation, wenn sie Mitglied mehrerer Access Classes ist, die Access Service Class für die höchste Access Class Nummer wählen. Einander widersprechende Ergebnisse treten folglich nicht auf.

3)
Die angegriffenen Ausführungsformen machen ebenso Gebrauch von Merkmal 2a des Klagepatents, weil sie so eingerichtet sind, dass sie eine Nutzerklasse von einer SIM-Karte im Sinne des Klagepatents lesen können.

a)
Unter einer SIM-Karte versteht das Klagepatent jede Identifikationsmodul-Karte, von welcher die Nutzerklasse gelesen werden kann.

Die Beklagte und die Streithelferinnen verweisen zwar zu Recht auf den Wortlaut des Anspruchs, in dem von einer SIM-Karte und nicht nur von einer Zugangsberechtigungskarte die Rede ist, sowie auf den unwidersprochen gebliebenen Umstand, dass am 08.03.1999 physikalische SIM-Karten gemäß dem GSM-Standard zwecks Identifikation der Mobilstation bekannt waren und dass für das im Entwurf befindliche UMTS-Mobilfunknetz die Verwendung von UICC-Karten mit USIM- und SIM-Applikation geplant war. Darüber hinaus heben sie richtigerweise hervor, dass bei der Beschreibung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels eine SIM-Karte als Beispiel einer Zugriffsberechtigungskarte (Anlage K 1, Abs. [0024]) bezeichnet wird. Gleichwohl wird den Fachmann dies letztlich nicht zu dem Verständnis leiten, bei der Verwendung des Begriffs „einer SIM-Karte“ handele es sich um eine Festlegung oder eine Auswahlentscheidung verbunden mit einem Verzicht, die zwingend dazu führt, dass die erfindungsgemäße Mobilstation so eingerichtet sein muss, dass sie ausschließlich im Betrieb eines UMTS-Mobilfunknetzes von einer SIM-Karte nach dem GSM-Standard im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents die Nutzerklasse lesen können muss.

Einem in einem Patentanspruch verwendeten Begriff darf nicht unbesehen der gemeinhin gebräuchliche Inhalt beigemessen werden, weil die Möglichkeit in Rechnung zu stellen ist, dass das Patent den betreffenden Ausdruck nicht in seinem geläufigen, sondern in einem davon abweichenden Sinne verwendet. Merkmale eines Patentanspruchs müssen deshalb aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig; BGH GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Ein abweichendes Begriffsverständnis kommt nicht nur dann in Betracht, wenn der Beschreibungstext (z.B. durch eine Legaldefinition) explizit deutlich macht, dass ein bestimmter Begriff des Patentanspruchs in einem ganz bestimmten, vom Üblichen abweichenden Sinne verstanden wird. Die Divergenz zum Sprachgebrauch kann sich für den mit der Patentschrift befassten Fachmann auch aus dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis der Anspruchsmerkmale ergeben, wie es grundsätzlich angebracht ist, nämlich dadurch, dass Merkmale und Begriffe eines Patentanspruchs innerhalb des durch die gebrauchten Worte als solche gezogenen Rahmens so zu deuten sind, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist. Entscheidend ist der technische Sinngehalt, der dem Wortlaut des Patentanspruchs aus fachmännischer Sicht beizumessen ist (BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; BGH GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 27.10.2011, I-2 U 3 /11).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird der Fachmann zunächst verstehen, dass das Merkmal 2a die Fähigkeit der Mobilstation statuiert, eine Nutzerklasse lesen zu können. Dies ist erforderlich, weil in dem erfindungsgemäßen UMTS-Mobilfunknetz gemäß Merkmal 1a mehrere Nutzerklassen unterschieden werden, und für die Nutzerklassen unterschiedliche Zugriffsklasseninformationen übermittelt werden können, die – entsprechend dem Merkmal 2d – Auswirkungen für den Zugriff der Mobilstation haben können. Die erfindungsgemäße Mobilstation muss deshalb eingerichtet sein, lesen zu können, ob und wenn ja, welcher Nutzerklasse sie angehört, damit sie anhand der für ihre Nutzerklasse geltenden Zugriffsklasseninformationen die Zugriffsalternative ermitteln kann.
Hierzu bedarf es, wie der Fachmann weiterhin erkennt, eines „Ortes“, an dem sich die vorgegebene Nutzerklasse befindet und von der Mobilstation gelesen werden kann. Insoweit gibt der Anspruch „eine SIM-Karte“ an, die üblicherweise als das Identifikationsmodul einer Mobilstation dient, und schreibt dieser die Funktion zu, die Zugriffsberichtigungsdaten in Form der Nutzerklasse zwecks Lesen zur Verfügung zu stellen. Hierin erschöpft sich der technische Sinn und Zweck der SIM-Karte nach Merkmal 2a. Es wird vor allem weder konkret vorgeben, wie und wo die Nutzerklasse auf der SIM-Karte genau abgelegt sein muss, noch auf welche Art und Weise das Lesen der Nutzerklasse zu erfolgen hat. Dies spiegelt sich auch in der Beschreibung des Klagepatents wider, in welcher zu bevorzugten Ausführungsbeispielen – abgesehen von dem bereits erwähnten Absatz [0024] – nur von der „Zugangsberechtigungskarte 75“, und nicht von SIM-Karte, gesprochen wird (Anlage K 1, Abs. [0026], [0030], [0031], [0037]). Stets wird der dort erwähnten Zugangsberechtigungskarte allein die Funktion zugewiesen, die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse (oder Prioritätsklasse) bereit zu halten, ohne weitere Einzelheiten zu erläutern.
Dass es für das zur Verfügung Stellen und Lesen der Nutzerklassen zu dem genannten Zweck auf spezielle Eigenschaften und/oder auf eine spezielle Ausgestaltung einer SIM-Karte gemäß dem GSM-Standard im Prioritätszeitpunk des Klagepatents ankommt, ist dem Klagepatent nicht zu entnehmen. Derartige Eigenschaften werden nirgends thematisiert. Auch die Beklagte und die Streithelferinnen tragen dies nicht vor.
Ebenso wenig finden sich in dem Klagepatent Anhaltspunkte dafür, dass Fortentwicklungen und/oder die bekanntermaßen für das UMTS-Mobilfunknetz geplante UICC-Karte mit USIM- und GSM-Applikation, die dem Fachmann in ihrer im Prioritätszeitpunkt bekannten Ausgestaltung geläufig war, aus technischen Gründen gerade nicht als „Ort“ für das zur Verfügung Stellen und das Lesen der Nutzerklasse in Frage kommen. Die UICC-Karte mag zusätzliche Merkmale bereithalten, wie etwa weitere Zugangsberechtigungen für bestimmte Dienste, Identifier für weitere Dienste oder andere Speicherorte/Speicherformen. Dies nimmt ihr indes nicht die Eignung, den technischen Zweck des Merkmals 2a zu erfüllen und als Nutzerklassen bereithaltende Zugriffsberechtigungskarte zu fungieren. Die Beklagte und die Streithelferinnen haben im Hinblick auf den technischen Zweck auch nichts Gegenteiliges vorgetragen. Der Privatgutachter der Streithelferin zu 2), Prof. L, ist der Auffassung, dass dem Klagepatent keine Beschränkung auf eine SIM-Karte im Prioritätszeitpunkt zugrunde liegt (Anlage B&B 1).
Abrundend ist zu bemerken, dass bei Zugrundelegen des Verständnisses, dass es auf eine SIM-Karte gemäß dem GSM-Standard im Prioritätszeitpunkt zwingend ankommt, ein gewisser Widerspruch zu dem Erfordernis des Merkmals 1 auftreten würde, wonach die Mobilstation zum Betrieb in einem UMTS-Mobilfunknetz geeignet sein muss. Mit einer SIM-Karte gemäß dem GSM-Standard im Prioritätszeitpunkt ist dies nicht möglich, wie der Fachmann weiß. Er wird deshalb bemüht sein, die Merkmale des Anspruchs in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen und so zu verstehen, dass sie auch technisch Sinn ergeben.

b)
Ausgehend von dem dargelegten Verständnis ist Merkmal 2a bei den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
Da die Mobilstation nur dazu eingerichtet sein muss, eine Nutzerklasse von einer SIM-Karte zu lesen, steht es der Erfüllung des Merkmals nicht entgegen, dass die Streithelferinnen ihre jeweiligen angegriffenen Ausführungsformen ohne SIM-Karte vertreiben.
Es reicht aus, dass die angegriffenen Ausführungsformen dazu geeignet sind, eine SIM-Karte im Sinne des Klagepatents zu lesen. Dies ist der Fall. Die angegriffenen Ausführungsformen sind dazu eingerichtet, ihre Nutzerklasse im Betrieb des UMTS-Mobilfunknetzes von einer UICC-Karte mit einer USIM-Applikation zu entnehmen. Bei der UICC-Karte mit USIM-Applikation handelt es sich um ein Identifikationsmodul, das der oben genannten Funktion entspricht. Im Tatsächlichen ist unstreitig, dass von der USIM-Applikation die Nutzerklasse gelesen werden kann. Die Streithelferin zu 1) hat im Übrigen die UICC-Karte, u.a. in der mündlichen Verhandlung, auch als „anderes physikalisches Format einer SIM-Karte“ bezeichnet.
Nach Abschnitt 4.2. des Standards ETSI TS 122 XXX (Anlage K 9/9a) sind die Nutzerklassen, die Access Classes, „in der SIM/USIM“ gespeichert. Dies gilt für alle UMTS-fähigen Mobilstationen; auf die vorgetragene Unterscheidung von 2G/3G dual mode und 3G single mode Ausführungsformen kommt es folglich nicht an.

4)
Merkmal 2b, wonach die Mobilstation dazu eingerichtet sein muss, über einen BCCH Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen zu empfangen, wird von den angegriffenen Ausführungsformen ebenfalls verwirklicht.

a)
Die Einrichtung der Mobilstation zum Empfang der Zugriffsschwellwertbits und der Zugriffsklasseninformationen dient dazu, die Mobilstation dazu in die Lage zu versetzen, den Zugriff entsprechend dem Merkmal 2d ermitteln zu können. Die Zugriffsberechtigungsinformationen sind die notwendigen Voraussetzungen für die Ermittlung der erfindungsgemäßen Zugriffsalternative. Da das Klagepatent sowohl die Möglichkeit vorsieht, dass die Mobilstation ihre Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt (Merkmal 2d(ii)), als auch die Möglichkeit, dass der Zugriff unabhängig von übermittelten Zugriffsschwellwertbits infolge der Zugehörigkeit zu einer bevorzugten Nutzerklasse (Merkmal 2d (i)) zu ermitteln ist, muss die Mobilstation dazu geeignet sein, beide genannten, vom UMTS-Mobilfunknetz über den Signalisierungskanal übermittelten Zugriffsberechtigungsinformationen, zu empfangen.

Die Zugriffsklasseninformationen sind nach dem Klagepatent diejenigen Informationen, die den von der SIM-Karte zu lesenden Nutzerklassen zuzuordnen sind. Mit ihnen erfolgt die Information, welche Nutzerklasse welche Rechte zum Zugriff hat (Anlage K 1, Abs. [0010], [0021], [0027]), eventuell mit der Folge, dass einer Mobilstation einer vorgegebenen Nutzerklasse wegen der übermittelten Zugriffsklasseninformationen ein Zugriff unabhängig von den gesendeten Zugriffsschwellwertbits gewährt wird.
Unter einem Zugriffsschwellwertbit versteht das Klagepatent eine binär kodierte Information bzw. einen Bitwert, aus dem der Zugriffsschwellwert zu ermitteln ist (Merkmal 2c)), welcher sodann als Schwelle beim Zugriff der Mobilstation auf den Zugriffskanal fungiert (Anlage K 1, Abs. [0024] ff., [0033] f.).

In welcher konkreten Form – außer binärer Kodierung – die Zugriffsberechtigungsinformationen übertragen werden, ob sie zeitgleich und/oder in einem einzigen Datenstrom gemeinsam übertragen und empfangen werden, gibt der Anspruch nicht zwingend vor.
Der Anspruchswortlaut enthält lediglich die Verknüpfung „und“, wodurch klargestellt ist, dass die Mobilstation so eingerichtet sein muss, dass sie – aus den dargelegten Gründen – beide Zugriffsberechtigungsinformationen empfangen kann. Eine zeitliche Komponente ist in dieser Verknüpfung ebenso wenig enthalten wie eine gemeinsame Verortung in einem einzigen Informationselement. Im Anspruchswortlaut finden sich insbesondere auch keine Begriffe wie z. B. „zusammen“, „in einem Signal“, „gleichzeitig“, die dem Fachmann den Anhalt bieten könnten, ein zeitgleicher und gemeinsamer Empfang in einem Datenstrom / einer Nachricht sei zwingende Voraussetzung für die erfindungsgemäße Lehre.

Ein derartiges Verständnis wird der Fachmann auch nicht entwickeln, wenn er sich die technische Funktion des Merkmals 2b vor Augen führt. Es geht darum, dass die Mobilstation beide Zugriffsberechtigungsinformationen empfangen kann, um den Weg des Zugriffs – nach Merkmal 2d(i) oder 2d(ii) – bestimmen zu können. Diese – allein erforderliche – Eignung der Vorrichtung zum Empfang der Informationen ist unabhängig davon, ob und wenn ja, welche konkreten Daten vom UMTS-Mobilfunknetz tatsächlich übertragen werden.
Die Ermittlung der Zugriffsalternative gemäß Merkmal 2d ist in dem Zeitpunkt erforderlich, in dem ein Zugriffswunsch besteht und dementsprechend die Mobilstation den Zugriff auf den wahlfreien Zugriffskanal fordert. Anspruch 1 bezweckt demgegenüber nicht, die Mobilstation so einzurichten, dass sie in einer Ruhephase ohne konkreten Zugriffswunsch theoretische Zugriffsmöglichkeiten oder dass sie eine einmalige und stets gültig bleibende Zugriffsalternative ermitteln kann.
In dem Zeitpunkt, in dem die Zugriffsalternative zu ermitteln ist, ist es nicht von Bedeutung, ob die Zugriffsschwellwertbits und die Zugriffsklasseninformationen getrennt oder gemeinsam empfangen wurden und/oder wann der Empfang erfolgte. Zwar haben die Patentanwälte der Streithelferin zu 2) in der mündlichen Verhandlung zu Recht hervorgehoben, dass die erfindungsgemäße Mobilstation sowohl Zugriffsschwellwertbits als auch Zugriffsklasseninformationen empfangen haben soll, die eine Zugriffskontrolle auf den wahlfreien Zugriffskanal auf der Grundlage der tatsächlich vorhanden Situation gewährleisten. Dies gilt vor allem in Notsituationen, in denen das UMTS-Netz schnell reagieren muss und in denen gerade eine Überlastung des Zugriffskanals droht. Jedoch ist zunächst zu bedenken, dass eine aktuelle Situation auch dann berücksichtigt werden kann, wenn in einem kurzen zeitlichen Abstand die Informationen getrennt empfangen werden. Auch die Patentanwälte der Streithelferin zu 2) erklärten, dass insbesondere eine Notsituation berücksichtigt werden kann, wenn die Zugriffsklasseninformationen und die Zugriffschwellwertbits in unterschiedlichen Datensätzen mit einem zeitlichen Abstand von beispielsweise einer 1 Sekunde empfangen würden. Auch für diese Situation bedarf es zum ordnungsgemäßen Funktionieren mithin nicht zwingend des zeitgleichen Empfangs in einem Datensatz. Soweit die Vertreter der Streithelferin zu 2) eine zeitliche Differenz von ca. 1 Sekunde noch als „zeitgleich“ bewerteten, vermag die Kammer dies nicht zu teilen. Auch innerhalb eines kurzen Zeitraumes empfangene getrennte Datensätze werden nicht zeitgleich und gemeinsam empfangen. Auch bei diesen könnte, worauf die Streithelferin zu 2) des Weiteren hingewiesen hat, die getrennte Übermittlung dazu führen, dass einer der Datensätze nicht ankommt bzw. noch nicht angekommen ist, wenn die Mobilstation den Zugriff fordert. Zu einer bestimmen Zeitspanne bzw. zeitlichen Differenz, die gleichwohl noch als zeitgleich angesehen werden könnte, verhält sich das Klagepatent überdies nicht. Die anspruchsgemäße Lehre ist auch nicht nur auf etwaige Notsituationen beschränkt, sondern erfasst jede Situation, die bei einem Zugriffswunsch vorliegt. Die Mobilstation ermittelt zu diesem Zeitpunkt anhand der empfangenen Zugriffsberechtigungsinformationen die Zugriffsalternative, unabhängig davon, wann und wie sie empfangen wurden. Darüber hinaus kann auch hier nicht außer Acht gelassen werden, dass Anspruch 1 die Einrichtung der Mobilstationen betrifft und Merkmal 2b lediglich den Empfang der genannten Informationen. Wie das UMTS-Mobilfunknetz wann welche Zugriffsberechtigungsinformationen tatsächlich überträgt und ob mangels nicht oder nicht zeitnah übermittelter Daten der tatsächlichen Zugriffssituation des Zugriffskanals keine Rechnung getragen werden kann, ist demgegenüber nicht Gegenstand des Anspruchs 1. Eine andere Sichtweise gebietet auch nicht Absatz [0009] des Klagepatents, in dem es heißt: „Die Zugriffskontrolle nimmt ein Minimum an Übertragungskapazitäten für die Übertragung der Informationssignale in Anspruch, da lediglich die Übertragung des Zugriffsschwellwertes bewirkt wird.“ Diese Aussage betrifft das Verfahren der Zugriffskontrolle, nicht den Vorrichtungsanspruch.

Ein zwingendes Erfordernis des zeitgleichen und gemeinsamen Empfangs erwächst schließlich nicht aus Figur 3c.
Die Figur 3c zeigt, wie Absatz [0034] des Klagepatents am Anfang klarstellt, ein „zweites“ Ausführungsbeispiel, dem die in den Ansprüchen definierte Erfindung zugrunde liegt, und das ein „drittes“ Bitmuster ist. Dieses Bitmuster hat eine Länge von 13 Bit und umfasst sowohl Zugriffsschwellwertbits als auch Zugriffsklassenbits. Wird dieses Bitmuster vom UMTS-Mobilfunknetz übertragen, so empfängt die Mobilstation beide Zugriffsberechtigungsinformationen in einem Datensatz, mithin (auch) zeitgleich.
Selbst dann, wenn es sich bei der Figur 3c um das in der Klagepatentschrift einzige beschriebene Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäß empfangenen Bitmusters handeln sollte, könnte dieses nur dann den Sinngehalt des Anspruchs 1 beschränken, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Ausführungsform ausnahmsweise den Schutzbereich des Anspruchs begrenzt, weil dessen technische Lehre das Einhalten der Vorgaben des Ausführungsbeispiels zwingend voraussetzt (BGH GRUR 2007, 309 – Schussfädentransport; BGH GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Wie bereits ausgeführt kann die technische Wirkung von Merkmal 2b auch dann erzielt werden, wenn ein getrennter Empfang der beiden Zugriffsberechtigungsinformationen erfolgt. Ferner wird in Absatz [0036] des Klagepatents zunächst darauf hingewiesen, dass (auch) im dritten Bittmuster die verwendeten Anzahlen von Bits für den Zugriffsschwellwert S, die Zugriffsklasseninformation Z0, Z1, Z2, Z3, den Prioritätsschwellwert P und die Teilnehmerdiensteinformation D0, D1, D2 lediglich beispielhaft zu verstehen sind und beispielsweise zum umfangreicheren Signalisieren erhöht und zur Bandbreitenreduktion verringert werden können. In diesem Fall ändere sich gegebenenfalls auch die Gesamtlänge. An diese Aussage schließt sich der Satz an: „Gegebenenfalls können einzelne der Informationskomponenten auch gänzlich ausgelassen werden.“. Diese Angabe macht den Fachmann mithin darauf aufmerksam, dass auch das in Figur 3c dargestellte Bitmuster bezüglich seiner Informationskomponenten nicht zwingend ist; es kann auch eine Informationskomponente weggelassen werden. Dass unter einer solch wegzulassenden Informationskomponente nur der Prioritätsschwellwert P und/oder die Teilnehmerdiensteinformation D0, D1, D2 zu verstehen ist, ist nicht ersichtlich. Absatz [0036] stützt demnach das aufgrund des Wortlautes und der technischen Funktion gewonnene Verständnis von Merkmal 2b.

Soweit unter Bezugnahme auf Absatz [0009] ausgeführt wurde, über den BCCH würde(n) an alle Mobilstation nur ein Schwellwert bzw. einen Schwellwert repräsentierende Zugriffschwellwertbits übermittelt, daneben sei die Übermittlung von Zugriffsklasseninformationen vorgesehen, die sich je nach Nutzerklassen unterscheiden, erschließt sich nicht, weshalb daraus eine Einschränkung des Merkmals 2b hergeleitet werden sollte. Anspruch 1 ist ein Vorrichtungsanspruch. Die erfindungsgemäße Mobilstation muss nur dazu eingerichtet sein, beide übermittelten Zugriffsberechtigungsinformationen empfangen zu können und die erfindungsgemäße Zugriffskontrolle durchzuführen. Eine irgendwie geartete Beschränkung dahingehend, dass die Mobilstation nur geeignet sein darf, ein bestimmtes Bitmuster, mit einer bestimmten Anzahl an Bits und/oder einem bestimmten Verhältnis von Zugriffschwellwertbits zu Zugriffsklassenbits zu empfangen und für die Zugriffskontrolle zu verwenden, ist nicht ersichtlich. Das Klagepatent bietet dafür keinerlei Anhalt. Im Anspruch findet sich von all dem nichts. Der Verweis auf Ausführungsbeispiele und Bezugszeichen bleibt ohne Erfolg. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargetan, dass die technische Lehre des Klagepatents aus technischen Gründen zwingend die Einhaltung der Vorgaben der Ausführungsbeispiele – die überdies nur das übermittelte und empfangene Bitmuster betreffen – voraussetzt.

b)
Die angegriffenen Ausführungsformen sind im UMTS-Mobilfunknetz betreibbar. Sie sind infolge dessen dazu eingerichtet, über einen BCCH übermittelte Zugriffsschwellwertbits und Zugriffsklasseninformationen zu empfangen.

aa)
Im Standard ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7/7a) ist in Abschnitt 8.5.13 das so genannte „Mapping der Access Classes zu Access Service Classes“ (nachfolgend: „AC to ASC mapping“) beschrieben. Hiernach wird jeder Access Class eine Access Service Class zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt aufgrund des Informationselements „AC to ASC mapping“, welches in dem so genannten System Information Block (nachfolgend: SIB) Type 5 oder 5bis gesendet wird. In dem SIB sind Systeminformationen zusammengefasst, die das Netzwerk über die Basisstation auf dem BCCH an alle Mobilstationen übermittelt. Der nachfolgend eingeblendeten Tabelle des Abschnitts 8.5.13 kann entnommen werden, wie die Zuordnung der Access Service Classes zu den Access Classes erfolgt:

In der Tabelle bezeichnet „n.IE“ eine Access Service Class Zahl i in dem Bereich 0 bis 7 zur Access Class. So kann bspw. die Access Class 12 durch das vierte Informationselement IE einer von acht Access Service Classes 0 bis 7 zugeordnet werden, wobei die Access Classes 0 bis 9 in einer Gruppe zusammengefasst sind und damit gemeinsam einer der acht Access Service Classes von 0 bis 7 zugeordnet werden.

Bei den Access Service Classes handelt es sich um Zugriffsklasseninformationen im Sinne des Klagepatents, weil sie den vorgegebenen, von der SIM-Karte zu lesenden Nutzerklassen (Access Classes) zugeordnet sind, und Informationen für das Zugriffsrecht der jeweiligen Nutzerklasse enthalten.

bb)
Nach Abschnitt 8.5.12 des Standards ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7/7a), der die „Einrichtung der Access Service Classes“ betrifft, sendet das UMTS-Netzwerk in dem SIB 7 ein so genanntes dynamisches Persistenzniveau N mit den Werten 1 bis 8. Aus dem übermittelten dynamischen Persistenzniveau N werden (von der Mobilstation) die so genannten Persistenzwerte Pi der Access Service Classes abgeleitet. Dies erfolgt nach der feststehenden Formel P(N) = 2 –(N-1) und ist in der nachfolgend eingeblendeten Tabelle zusammengefasst:

Das von der Mobilstation empfangene dynamische Persistenzniveau N stellt sich demnach als Zugriffsschwellwertbit im Sinne des Klagepatents dar, weil aus ihm, wie später noch erläutert wird, der Zugriffsschwellwert Pi ermittelt wird.

cc)
Bei dem hier zugrunde gelegten Verständnis bleiben die Einwände der Beklagten und der Streithelferinnen im Zusammenhang mit Merkmal 2b ohne Erfolg.
Die angegriffenen Ausführungsformen sind dazu eingerichtet, die im SIB 5 und SIB 7 übermittelten Access Service Classes und das dynamische Persistenzniveau N zu empfangen. Ob das UMTS-Mobilfunknetz die Zugriffsberechtigungsinformationen tatsächlich sendet und wenn ja, wie oft, in welchem Block und wann und mit welchem Wert, ist, wie ausgeführt, für das in Rede stehende Merkmal ohne Belang. Die räumliche und zeitliche Separierung der Parameter in unterschiedliche SIBs ändert an der Eignung der angegriffenen Ausführungsformen ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Tabelle „AC to ASC mapping“ des SIB 5 nur im Rahmen des Einloggens und sodann erst wieder nach max. 6 Stunden empfängt. Ebenso ohne Relevanz ist es, wie die Beklagte und die Streithelferinnen – überwiegend in anderem Zusammenhang – vorbringen, dass in dem Mobilfunknetz der Beklagten im SIB 7 stets der „fixe“ Wert 1 als dynamisches Persistenzniveau N übertragen werde und für alle Access Classes das Mapping auf die Access Service Class # 0 erfolge. Selbst wenn dies zuträfe, würde dies nichts an der – allein erforderlichen – Fähigkeit der angegriffenen Ausführungsformen ändern, die unstreitig übermittelten Informationen in SIB 5 und SIB 7 empfangen zu können. Schließlich ist auch dann von einem merkmalsgemäßen Empfang der Zugriffsberechtigungsinformationen durch die angegriffenen Ausführungsformen auszugehen, wenn eine Zugriffsklasseninformation bei der Zugriffskontrolle auch Bedeutung für den Zugriffsschwellwert erlangt.
Das Privatgutachten von Prof. L (Anlage B&B 1) führt die Kammer nicht zu einer anderen Überzeugung. Der Privatgutachter vertritt zwar die Ansicht, bei dem Standard ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7/7a) handele es sich um ein zum Klagepatent gegensätzliches Verfahren. Diese Ansicht fußt indes nicht auf einer anderen Bewertung des Tatsachenvortrages hinsichtlich der streitgegenständlichen Vorrichtung, sondern resultiert aus einer nach Auffassung der Kammer patentrechtlich unzutreffenden Auslegung des Merkmals 2b.

5)
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen ferner Merkmal 2c, wonach die Mobilstation dazu eingerichtet sein muss, aus den Zugriffsschwellwertbits einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln.

a)
Die Mobilstation muss dazu geeignet und in der Lage sein, einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln, weil dieser für die Zugriffskontrolle gemäß Merkmal 2d(ii) benötigt wird. Da es sich bei den empfangenen Zugriffsschwellwertbits um binär kodierte Informationen handelt, der Zugriffsschwellwert indes als ein Dezimalwert verstanden wird, der einer Auswertung zuzuführen ist, muss der Zugriffsschwellwert ermittelt werden.
Diese Ermittlung muss, worauf die Beklagte und die Streithelferinnen zu Recht hinweisen, nach dem Anspruchswortlaut „aus den Zugriffschwellwertbits“ erfolgen. Sie müssen mithin auf jeden Fall die Grundlage der Ermittlung bilden. Die Kammer kann dem Schluss, schon der Wortlaut („aus“) verbiete die Berücksichtigung anderer Parameter oder Faktoren bei der Ermittlung des Zugriffsschwellwerts, allerdings nicht beitreten. Auch wenn der Anspruch keine weiteren Parameter oder Faktoren benennt, die bei der Ermittlung einfließen, so bedeutet dieses Schweigen nicht automatisch ein zwingendes Gebot dahingehend, ausschließlich und unmittelbar nur die genannten Zugriffsschwellwertbits bei der Ermittlung verwenden zu dürfen. Der Anspruchswortlaut eröffnet vielmehr grundsätzlich die Möglichkeit zusätzliche Faktoren/Parameter zu berücksichtigen, zumal lediglich von einem „ermitteln“ die Rede ist und nicht von einem „umwandeln“ oder „umrechnen“. Wie bzw. mit/in welchen (rechnerischen) Schritten die Ermittlung zu erfolgen hat, wird nicht konkretisiert. Die Art und Weise der Rechenimplementierung steht mithin im Belieben des Fachmanns.

Der technische Sinn der Ermittlung des Zugriffsschwellwerts aus den Zugriffsschwellwertbits gemäß Merkmal 2c schließt die Berücksichtigung anderer Faktoren, insbesondere so genannter Skalierungsfaktoren, die für unterschiedliche Mobilstationen zu unterschiedlichen Zugriffsschwellwerten führen können, desgleichen nicht aus. Merkmal 2c ist Voraussetzung für die Zugriffskontrolle gemäß Merkmal 2d(ii). Bei dieser Zugriffsalternative muss ein Zugriffsschwellwert zur Verfügung stehen, der einer Auswertung, einem Zufallsvergleich zugeführt werden kann. Diese Funktion erfüllt die Ermittlung des Zugriffsschwellwerts unabhängig davon, ob ausschließlich die Zugriffsschwellwertbits oder auch noch weitere Faktoren/Parameter eingeflossen sind. Es werden auch in beiden Konstellationen die vom Klagepatent in Absatz [0009] genannten Vorteile erzielt. Eine zufällige Verteilung der Zugangsberechtigung zu einem Mobilfunkkanal für eine oder mehrere Teilnehmerstationen wird jeweils erreicht. Soweit das Minimum an Übertragungskapazität als Vorteil beschrieben wird, ist erneut darauf hinzuweisen, dass Anspruch 1 auf die Mobilstation und nicht auf die Datenübertragung im UMTS-Mobilfunknetz gerichtet ist. Abgesehen davon soll nach dem genannten Absatz das Minimum an Übertragungskapazitäten erreicht werden, weil die Zugriffskontrolle „lediglich durch Übertragung des Zugriffsschwellwerts bewirkt wird.“ Es wird folglich auf den Zugriffsschwellwert abgestellt, nicht darauf, dass nur Zugriffsschwellwertbits übertragen werden dürften. Einen klaren Hinweis für das Verständnis, dass Zugriffschwellwert und Zugriffsschwellwertbits stets nur eine unmittelbare, ausschließliche identische Abbildung voneinander sein dürften, bietet die Vorteilsangabe dem Fachmann folglich nicht.

Der Fachmann wird auch nicht deshalb zu dem Verständnis gelangen, die Berücksichtigung anderer Parameter/Faktoren führe aus dem Schutzbereich des Anspruchs heraus, weil bei den im Klagepatent beschriebenen bevorzugten Ausführungsbeispielen stets nur die Zugriffsschwellwertbits zur Ermittlung des Zugriffsschwellwerts herangezogen werden (Anlage K 1, Abs. [0024] f.) oder auch ausgeführt wird: „durch die Zugriffsschwellwert-Bits S3, S2, S1, S0 wird der Zugriffschwellwert binär kodiert.“ (Anlage K 1, Abs. [0033]). Es handelt sich lediglich um bevorzugte Ausführungsbeispiele, die den offener gehaltenen Anspruch nicht einschränken. Sinn und Zweck gebieten kein eingeengtes Verständnis unter dem Wortsinn.

Dies gilt auch soweit die Streithelferin zu 2) ein „Egalitätsprinzip“ postuliert. Dass Anspruch 1 der zwingende Gedanke zugrunde liegt, der empfangene Schwellwert solle für alle Mobilstationen gleich gelten, so dass alle Mobilstationen die gleichen „Gewinnchancen“ bei der „Zugriffslotterie“ hätten, ist nicht zu erkennen. Zwar finden sich sowohl in Absatz [0023] als auch in Absatz [0024] des Klagepatents Beschreibungspassagen, die für eine Gleichbehandlung sprechen könnten, wenn es dort heißt, dass „alle Mobilstationen die gleichen Informationen zur gleichen Zeit erhalten“ und „Wird die Zufalls- oder Pseudozufallszahl R mittels einer gleich verteilten Zufallsfunktion aus dem entsprechenden Intervall … gezogen, so ist die Wahrscheinlichkeit zum Zugriff auf den RACH 30 für alle Mobilstationen …. gleich“. Diese konkreten Vorgaben haben jedoch keinen zwingenden Niederschlag im Anspruch 1 gefunden. Der Anspruch ist auf die Mobilstation gerichtet, die eine bestimmte Eignung aufweisen muss. Die Übertragung der Daten ist demgegenüber nicht Gegenstand des Anspruchs. Wann die Mobilstation die Zugriffsschwellwerte empfängt, ist zeitlich nicht zwingend festgelegt. Sie muss allein zur Ermittlung des Zugriffsschwellwertes in dem Zeitpunkt eingerichtet sein, in dem ein Zugriffswunsch besteht und die Zugriffsalternative ermittelt werden muss. Welche Zugriffsschwellwerte empfangen werden, ist nicht festgelegt. Dass alle Mobilstationen stets nur dieselben Daten empfangen können sollen, mit denen dann jede Mobilstation nur denselben Zugriffsschwellwert ermitteln können soll, steht gleichfalls nicht im Anspruch. Schließlich verhält sich der Anspruch nicht dazu, wie eine Zufallsvergleichszahl gewonnen wird.

Das Gutachten des Privatsachverständigen Prof. L (Anlage B&B 1) veranlasst die Kammer nicht zu einer anderen Sichtweise. In Hinsicht auf das Verständnis von Merkmal 2c setzt der Privatgutachter nicht den zutreffenden patentrechtlichen Maßstab an. Das Verständnis des Fachmanns zur Bedeutung eines Vorrichtungsanspruchs bildet sich insbesondere nicht nur aus Ausführungsbeispielen und auch nicht aus einem (beispielhaft) beschriebenen Verfahren.

b)
Die angegriffenen Ausführungsformen sind dazu eingerichtet, im UMTS-Mobilfunknetz betrieben werden zu können. Sie sind damit auf der Grundlage des vorgenannten Verständnisses geeignet, aus empfangenen Zugriffschwellwertbits einen Zugriffsschwellwert zu ermitteln.

In dem bereits erwähnten Abschnitt 8.5.12 „Einrichtung der Access Service Classes“ des Standards ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7/7a) ist niedergelegt, dass in der Mobilstation aus dem dynamischen Persistenzniveau N für die Access Service Classes 1 bis 7 nach der feststehenden Formel P(N) = 2 –(N-1) ein Persistenzwert Pi abgeleitet wird. Der Access Service Class 0 wird der Persistenzwert Pi 1 zugeordnet.
Das dynamische Persistenzniveau N (Zugriffsschwellwertbits im Sinne des Klagepatents) ist demnach die Grundlage für die Ermittlung des Persistenzwertes Pi. Dieser Wert regelt die Zugriffswahrscheinlichkeit und wird – wie im Folgenden noch erläutert wird – in einer Zugriffsschwellwertauswertung in der Mobilstation mit einer Zufallszahl verglichen. Er bildet die Schwelle für den Zugriff. Der Persistenzwert Pi ist deshalb als erfindungsgemäßer Zugriffsschwellwert anzusehen.
Dass der Persistenzwert Pi für die Access Service Classes 1 bis 7 mittels einer mathematischen Berechnungsnorm ermittelt wird, ist aus den dargelegten Erwägungen für die Verwirklichung des Anspruchs 1 ebenso unerheblich, wie der Umstand, dass das „AC to ASC Mapping“ Berücksichtigung findet und bei den Access Service Classes 2 bis 7 noch der Skalierungsfaktor si berücksichtigt werden kann, wobei hier hinzutritt, dass der Skalierungsfaktor si nicht stets, sondern nur optional übermittelt wird (Abschnitt 8.5.12., Absatz 5). Desgleichen ohne Relevanz ist, dass im Fall der Access Service Class 0 der Persistenzwert Pi stets auf 1 gesetzt wird. Auch insoweit verlieren die angegriffenen Ausführungsformen nicht die – allein erforderliche – Eignung und Fähigkeit, das in SIB 7 übermittelte dynamische Persistenzniveau N als Grundlage für die Ermittlung des Persistenzwertes Pi zu nehmen. Auf den konkret übermittelten Wert kommt es nicht; für den Fall, dass der Zugriff von einer Zugriffsschwellwertauswertung abhängt, wird der Zugriffsschwellwert nach wie vor ermittelt.

Gegen die Verwirklichung des Merkmals 2c spricht auch nicht der Vortrag der Beklagten und der Streithelferinnen, in dem UMTS-Mobilfunknetz der Beklagten würde im SIB 7 immer der feste Wert „1“ gesendet und alle Access Classes seien einheitlich auf die Access Service Class „0“ gesetzt. Selbst wenn dies zuträfe, was seitens der Klägerin bestritten wird, würde dies nicht zu einer erfolgreichen Verteidigung führen. Maßgeblich ist allein die Ausgestaltung und Geeignetheit der angegriffenen Ausführungsformen. Sie haben keinen Einfluss auf den Inhalt der vom UMTS-Mobilfunknetz übermittelten Zugriffsberechtigungsinformationen; sie differenzieren ihre Tätigkeit auch nicht danach. Ihre unstreitige Eignung, in dem UMTS-Standard betrieben werden zu können, orientiert sich nicht an den einzelnen übermittelten Werten oder daran, ob der einzelne Mobilfunkbetreiber von allen Möglichkeiten des Standards in jeder konkreten Situation Gebrauch macht. Für den Fall, dass ein Mobilfunknetzbetreiber die übermittelten Werte ändert, müssen die angegriffenen Ausführungsformen weiterhin entsprechend eingerichtet sein.

6)
Nach Merkmal 2d ist die Mobilstation erfindungsgemäß dazu eingerichtet, anhand der für die Nutzerklassen relevanten Zugriffsklasseninformationen zu ermitteln, ob sie (i) unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits auf einen wahlfreien Zugriffskanal zugreifen darf, oder ob (ii) die Zugriffsberechtigung auf den wahlfreien Zugriffskanal in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird. Auch dieses Merkmal verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen.

a)
Die erfindungsgemäße Mobilstation muss (nur) die Fähigkeit und die Eignung aufweisen, anhand der vom UMTS-Mobilfunknetz übertragenen Zugriffsklasseninformationen, die der jeweiligen Nutzerklasse der Mobilstation zugeordnet werden können müssen, bestimmen zu können, ob der Zugriff auf einen wahlfreien Zugriffskanal gemäß der Alternative 2d(i) oder der Alternative 2d(ii) erfolgt.

Merkmal 2d betrifft den Zugriff auf einen wahlfreien Zugriffskanal, der beispielsweise der RACH sein kann. Bei diesem Zugriff konkurriert die Mobilstation mit anderen Mobilstationen und es kann, wie das Klagepatent bei der Erläuterung des Standes der Technik (bspw. Abs. [0004] ff., [0009]) sowie im Rahmen bevorzugter Ausführungsbeispiele (bspw. Abs. [0020] f.) hervorhebt, zu einer Überlastung des Zugriffskanals kommen. Zur Regelung des Zugriffs ist die erfindungsgemäße Zugriffskontrolle vorgesehen, zu deren Durchführung die Mobilstation eingerichtet sein muss.
Entscheidend ist die Situation, in der die Mobilstation auf den wahlfreien Zugriffskanal zugreifen will. Es geht nicht darum, in einer Ruhephase theoretische Zugriffsmöglichkeiten zu eruieren. Ebenso wenig steht eine einmalige und stets gültig bleibende Zugriffsberechtigung im Raum. Die Kanalaus- oder belastung und die damit verbundenen Zugriffsmöglichkeiten sind für eine Mobilstation nur insoweit von Interesse, als dass die Mobilstation einen Kanal anfordert. Eine Regulierung des Zugriffs und die Bestimmung, ob der Zugriff nach der Alternative 2d(i) oder 2d(ii) zu erfolgen hat, ist deshalb allein für diesen Zeitpunkt von Bedeutung. Dies gilt vor allem deshalb, weil sich die Auslastung des UMTS-Mobilfunknetzes ständig verändert und die übertragenen Informationssignale dies berücksichtigen. Zu unterschiedlichen Zeiten können unterschiedliche Informationssignale übertragen werden, worauf auch Absatz [0038] des Klagepatents ausdrücklich hinweist. Etwaige Zugriffskontrollen, die vor oder nach dem konkreten Zugriffswunsch zusätzlich möglich sind oder durchgeführt werden, sind demnach für die technische Lehre des Anspruchs 1 ohne Relevanz.

Merkmal 2d(i) und Merkmal 2d(ii) stehen in einem Alternativverhältnis, wie bereits der Wortlaut des Anspruchs („oder“) zu erkennen gibt. Der Zugriff soll entweder unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits möglich sein oder in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt werden. Die erste Alternative, Merkmal 2d(i), stellt, wie der Fachmann unschwer erkennt, den vom Klagepatent bezweckten Vorteil, dass vorgegebene einzelne Nutzerklassen bevorzugt werden können, sicher (Anlage K 1, Abs. [0010]). Anhand der für die Nutzerklasse relevanten Zugriffsklasseninformationen soll die betreffende Mobilstation unabhängig von der zufälligen Verteilung durch entsprechende Zugriffsschwellwertinformationen priorisiert auf den Kanal zugreifen können (Anlage K1, Abs. [0010], [0037]). Wenn die Mobilstation nicht einer Nutzerklasse angehört, die bevorzugt werden soll, erhält sie nach der technischen Lehre den Zugriff nur in Abhängigkeit der Zugriffsschwellwertauswertung. Dies stellt die zweite Alternative, Merkmal 2d(ii), sicher.

Merkmal 2d gibt damit keine Verfahrensreihenfolge und insbesondere keine zeitliche Reihenfolge in dem Sinne vor, dass zuerst ein Schwellwerttest und dann ein Zugriffsklassentest durchgeführt werden müsste. Der Anspruch 1 ist allein auf eine Vorrichtung gerichtet, die dazu eingerichtet sein muss, anhand empfangener Zugriffsklasseninformationen die richtige Zugriffsalternative zu ermitteln. Die objektive Eignung genügt. Irgendwelche zeitlichen Einschränkungen sind dem Anspruch nicht zu entnehmen. Derartiges folgt auch nicht aus den Figuren 4a bis 4c bzw. der dazugehörigen Beschreibung in Absatz [0037] des Klagepatents. Die Beschreibung betrifft bevorzugte Ausführungsbeispiele, deren konkreten Vorgaben gerade keinen Eingang in den Anspruch gefunden haben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ermittlung des Zugriffs in erfindungsgemäßer Weise nur dann funktioniert, wenn die einzelnen Vorgaben der Ausführungsbeispiele eingehalten werden. Ebenso wenig lässt sich ein zweistufiges Verfahren im angesprochenen Sinne mit dem Stammpatent begründen, wobei dahin stehen kann, ob das Stammpatent ein solches Verfahren überhaupt beinhaltet. Für die Auslegung des hier in Rede stehenden Anspruchs 1 ist allein das Klagepatent maßgeblich; ein Rückgriff auf das davon zu unterscheidende Stammpatent verbietet sich.

Aus der Gesamtbetrachtung der beiden Alternativen entnimmt der Fachmann des Weiteren, dass der Zugriffsschwellwert gemäß Merkmal 2c zwingend nur für das Merkmal 2d(ii) benötigt wird. Bei dieser Alternative soll der Zugriff „in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt“ werden, d. h. hier ist der Zugriffsschwellwert notwendige Voraussetzung. Demgegenüber ist der Zugriffsschwellwert bei der ersten Alternative, Merkmal 2d(i), letztlich nicht von Interesse. Hier entscheidet die Zugehörigkeit zu einer Nutzerklasse. Dies bringt auch der Wortlaut des Anspruchs zum Ausdruck. Bei der Alternative 2d(i) werden nämlich allein die Zugriffschwellwertbits, folglich (nur) die Grundlage des Zugriffsschwellwerts, genannt.
Der Fachmann wird im Anschluss hieran allerdings nicht zu dem Verständnis gelangen, bei einem Zugriff nach Merkmal 2d(i) sei eine Auswertung von Zugriffsschwellwertinformationen, Zugriffsschwellwert und/oder Zufallszahl verboten. Auch wenn der Zugriffsschwellwert bei dieser Alternative letztlich nicht von Interesse ist, lässt sich daraus kein zwingendes Gebot der „kumulativen Nichtauswertung“ folgern. Der Fachmann nimmt zur Kenntnis, dass der Anspruch 1 nur davon spricht, dass der Zugriff von der Mobilstation „unabhängig“ von empfangenen Zugriffschwellwertbits ermittelt werden soll. Es wird folglich das Ergebnis normiert. Wie diese „Unabhängigkeit“ umgesetzt werden soll, schreibt der Anspruch demgegenüber nicht vor. Im Wortlaut findet sich insbesondere keine „Nichtauswertung“. Eine darauf gerichtete zwingende Voraussetzung erwächst auch nicht aus dem Wortsinn des Anspruchs. Merkmal 2d(i) dient dazu sicher zu stellen, dass Mobilstationen, die einer bevorzugten Nutzerklasse angehören, den Zugriff auf den Kanal erhalten, auch wenn sie aufgrund der zufälligen Verteilung mittels Zugriffsschwellwert nicht zum Zugriff berechtigt wären (Anlage K 1, Abs. [0010]). Zum Erreichen dieses Zwecks ist die „kumulative Nichtauswertung“ nicht zwingend erforderlich. Er ist auch dann gewahrt, wenn eine Zugriffsschwellwertauswertung zwar stattfindet, diese jedoch vorhersehbar und gewollt keine Konsequenzen entfacht, weil der Zugriff gleichwohl von der Nutzerklasse abhängt. Wenn sich die durchgeführte Zugriffsschwellwertauswertung nicht durchsetzen kann, sondern vorhersehbar und gewollt letztlich ohne Belang ist, mag sie zwar überflüssig sein, sie ist jedoch nicht schädlich oder verboten. Ein dahingehendes Verbot folgt auch nicht aus dem in Absatz [0009] des Klagepatents aufgeführten Vorteil, die Zugriffskontrolle nehme ein Minimum an Übertragungskapazität für die Übertragung der Informationssignale in Anspruch. Insoweit kann auf die bisherigen Ausführungen verwiesen werden. Diese Vorteilsangabe betrifft nicht den Vorrichtungsanspruch, welcher sich allein mit der Einrichtung der Mobilstation befasst, nicht jedoch mit der Übertragung der Daten bzw. den Übertragungskapazitäten im UMTS-Mobilfunknetz.

Merkmal 2d(ii) gibt keine konkrete Art und Weise der Zugriffsschwellwertauswertung vor. Es ist allein die Eignung der Mobilstation gefordert, in Abhängigkeit von der Zugriffsschwellwertauswertung die Zugriffsberechtigung zu ermitteln, ohne dass im Einzelnen festgelegt wäre, wie die Auswertung mit welchen Schritten vorzunehmen ist. Anspruch 1 ist kein Verfahrensanspruch. Daran ändern auch die Ausführungsbeispiele bspw. in den Absätzen [0024] f., [0034] des Klagepatents nichts. Soweit in den Ausführungsbeispielen die Tätigkeit der Auswerteeinheit weiter beschrieben wird, insbesondere das Ziehen einer Zufalls- oder Pseudozufallszahl R, hat dies keine Aufnahme in den weiter gefassten Anspruch gefunden.

Schließlich kann auch im Zusammenhang mit Merkmal 2d dem Klagepatent kein Egalitätsprinzip oder Skalierungsverbot entnommen werden. Es kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden.

Das Gutachten des Privatgutachters Prof. L (Anlage B&B 1) veranlasst die Kammer nicht zu einer anderen Sichtweise, da in diesem nach Ansicht der Kammer nicht die zutreffenden patentrechtlichen Maßstäbe angesetzt werden.

b)
Ausgehend von diesem Verständnis ist eine Verwirklichung des Merkmals 2d durch die UMTS-fähigen angegriffenen Ausführungsformen anzunehmen.

aa)
Im Standard ETSI TS 125 XXX (Anlage K 7/7a) ist, wie bereits erläutert, in Abschnitt 8.5.13 das über den SIB 5 gesendete „AC to ASC mapping“ beschrieben, wonach jeder Access Class eine Access Service Class zugeordnet wird. Mit jeder Access Service Class werden gemäß Abschnitt 8.5.12 des genannten Standards Persistenzwerte Pi verbunden, die aus dem in dem SIB 7 gesendeten dynamischen Persistenzniveau N gemäß der oben genannten Berechnungsformel abgeleitet werden. Wie gleichsam bereits dargetan sind die Access Classes die Nutzerklassen im Sinne des Anspruchs 1, das „AC to ASC mapping“ die Zugriffsklasseninformationen, das dynamische Persistenzniveau N die Zugriffsschwellwertbits und der Persistenzwert Pi der Zugriffsschwellwert im Sinne des Anspruchs 1.

Die Einrichtung der Access Service Classes erfolgt standardgemäß entsprechend der bereits oben gezeigten Tabelle des Abschnitts 8.5.12. Hieraus wird ersichtlich, dass zwischen der Access Service Class 0 und den übrigen Access Service Classes unterschieden wird. Während für die Access Service Class 0 unabhängig von dem dynamischen Persistenzniveau N der Persistenzwert Pi von der Mobilstation stets auf 1 gesetzt wird, wird für die Access Service Classes 1 bis 7 der Persistenzwert Pi auf der Grundlage des dynamischen Persistenzniveaus N ermittelt. Aufgrund der für N mitgeteilten Werte 1 bis 8 ergeben sich mittels der Berechnungsformel für P(N) Zahlen zwischen 1/128 und 1.

In Abschnitt 11.2.2 des Standards ETSI 125 XXX (Anlage K 8/8a) wird die „Steuerung der RACH-Übertragungen für den FDD-Modus“ beschrieben. Im zweiten Absatz dieses Abschnittes wird der Persistenzwert Pi als „Übertragungswahrscheinlichkeit“ bezeichnet und im vierten Absatz des Abschnittes wird erläutert, dass die Entscheidung, ob der Übertragungsprozess in dem vorliegenden Übertragungsintervall gestartet wird oder nicht, auf dem Persistenzwert Pi basiert. Der Zugriff ist mithin von dem Persistenzwert Pi abhängig. Mit Blick auf die Access Service Classes wird in Abschnitt 11.2.1 des genannten Standards angegeben, dass deren Nummerierung der Prioritätenfolge entspricht, wobei die Access Service Class 0 die höchste und die Access Service Class 7 die niedrigste Priorität genießt. Die Access Service Class 0 wird beim Notruf oder aus Gründen gleicher Priorität verwendet.

Der Persistenzwert Pi wird von der Mobilstation mit einer willkürlichen Zufallszahl R verglichen, wie es in der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung 11.2.2.1 des Standards ETSI 125 XXX gezeigt ist:

Der in der Abbildung 11.2.2.1 beschriebene Ablauf des Zugriffskontrollverfahrens ist nach dem Standard zwingend. Dies stellt der erste Satz des ersten Absatzes des – insoweit unstreitig zwingenden – Abschnittes 11.2.2 klar, indem dort angeführt ist: „The RACH transmissions are controlled by the UE MAC sub layer als outlined in figur 11.2.2.1“ (in der deutschen Fassung: „Die RACH-Übertragungen werden durch die UE-MAC-Unterschicht gesteuert, wie in Abbildung 11.2.2.1 dargelegt.“). Sodann heißt es: „Note: The figure shall illustrate the operation of the transmission control procedure as specified below.“ (in der deutschen Fassung: „Anmerkung: Die Abbildung zeigt den Vorgang des Übertragungssteuerungsprozesses, wie nachstehend aufgeführt.”). Soweit sich daran der Satz anschließt: “It shall not impose restrictions on implementation.” (in der deutschen Fassung: „Sie auferlegen keine Implementierungsbeschränkungen“), wird damit keine Unverbindlichkeit des abgebildeten Verfahrens postuliert. Es wird vielmehr nur klargestellt, dass die konkrete Implementierung des Zugriffskontrollverfahrens bzw. die konkrete Programmierung der einzelnen Schritte nicht zwingend vorgeschrieben sind.

Dies berücksichtigend führt die standardgemäße Mobilstation mithin einen Persistenztest durch, in welchem sie den Persistenzwert Pi mit der Zufallszahl R (Random Number) vergleicht. Wenn die Zufallszahl kleiner oder gleich Pi ist, ist ein Zugriff möglich. Ist sie größer, erfolgt kein Zugriff. Da bei der Access Service Class 0 der Persistenzwert Pi 1 ist, die Zufallszahl R indes zwischen 1/128 und 1 liegt, wird der Access Service Class 0 stets vorhersehbar und gewollt der Zugriff gewährt. Bei den übrigen Access Service Classes ist das Ergebnis des Persistenztestes hingegen offen.
Für die Access Service Classes 1 bis 7 erfolgt der Zugriff auf den Kanal deshalb in Abhängigkeit von der Zugriffsschwellwertauswertung gemäß Merkmal 2d(ii). Die Access Service Class 0 darf demgegenüber im Sinne des Merkmals 2d(i) unabhängig von den empfangenen Zugriffschwellwertbits auf den wahlfreien Zugriffskanal zugreifen. Dem steht nicht entgegen, dass auch hier der Persistenzwert Pi dem Vergleich mit der Zufallszahl zugeführt wird. Dies ist nach der technischen Lehre des Anspruchs 1 unschädlich. Maßgeblich ist, dass trotz dieses Schrittes wegen des gesetzten Persistenzwertes Pi von vornherein feststeht, dass der Persistenzwert Pi sich gegen die Zufallszahl R durchsetzen wird. Damit entscheidet nicht der Vergleich über den Zugriff, sondern der Umstand, dass die Mobilstation anhand der für ihre Nutzerklasse relevanten Zugriffsklasseninformationen ermittelt hat, dass sie zugreifen darf. Das „AC to ASC mapping“ wird durch dieses Verfahren im Übrigen nicht zu einem Zugriffsschwellwert; aufgrund seiner Funktion verbleibt es bei der Einordnung als Zugriffsklasseninformation.

bb)
Der von der Streithelferin zu 2) vorgebrachte Einwand, bei dem UMTS-Mobilfunkstandard stehe nicht die Frage, ob ein Zugriff erfolge, zur Debatte, sondern nur die Frage, wann die Mobilstation zugreifen darf, bleibt ohne Erfolg. Anspruchsgemäß ist der Zeitpunkt des konkreten Zugriffs auf den wahlfreien Zugriffskanal maßgeblich. In diesem Zeitpunkt sind die standardgemäßen Mobilstationen dazu in der Lage, die Zugriffskontrolle durchzuführen. Sie müssen dies auch tun, und zwar auch dann, wenn sie sich in der von der Streithelferin zu 2) beschriebenen Warteschleife befinden. In Anbetracht des maßgeblichen Zeitpunktes sowie des Umstandes, dass Anspruch 1 lediglich die Einrichtung der Mobilstation zur erfindungsgemäßen Zugriffskontrolle verlangt, verfangen auch die Hinweise auf das im UMTS-Mobilfunknetz so genannte Access Class Barring nicht. Ob eine Mobilstation hiernach (in einer konkreten Situation) ausgesperrt ist, lässt nicht ihre grundsätzlich vorhandene Fähigkeit entschwinden, standardgemäß zu arbeiten. Vor- oder nachgelagerte weitere Zugriffskontrollen schließt Anspruch 1 nicht aus.

Ebenso wenig steht der Verwirklichung von Merkmal 2d der erste Satz des ersten Absatzes des Abschnitts 8.5.12 des ETSI TS Standards 125 XXX (Anlage K 7/7a) entgegen, in dem geschrieben steht: „Die PRACH-Ressourcen (…) können zwischen verschiedenen Zugangs-Dienst-Klassen unterschieden werden, um unterschiedliche Vorzugsrechte für die RACH-Nutzung bereitzustellen.“ Soweit die Beklagte vorbringt, hieraus ergebe sich, dass der Standard ein grundlegend anderes Ordnungsprinzip als das Klagepatent verwende und die Mobilstationen würden nicht in Abhängigkeit ihrer Nutzerklasse auf der allen Mobilstationen zur Verfügung stehenden einen Ressource priorisiert, sondern es würde für jeden verfügbaren Dienst oder Service eine eigene Ressource auf dem PRACH bereitgestellt, wobei es beim Zugriff auf den PRACH die klagepatentgemäß vorgesehene Kombination aus Zugriffsklassentest und Zugriffsschwellwert nicht gebe, vermag sich die Kammer dieser Sichtweise nicht anzuschließen.
Auch wenn Anspruch 1 eine Zugriffskontrolle mit Blick auf einen wahlfreien Zugriffskanal, um den mehrere Mobilstationen konkurrieren können, enthält, ist ein (bestimmtes) „Ordnungsprinzip“ nicht Gegenstand des Merkmals 2d. In welcher Art und Weise der Zugriffskanal geordnet und/oder organisiert ist, ist nicht zwingend vorgegeben. Absatz 1 des Abschnitts 8.5.12 des ETSI TS Standards 125 XXX ist zudem nur eine mögliche Aufteilung des RACH auf verschiedene Access Service Classes zu entnehmen, da im ersten Satz nur von „können“ die Rede ist und im sich daran anschließenden Satz ausgeführt wird, dass mehr als eine Access Service Class oder alle Access Service Classes dem gleichen Zugangsslot/dem Platz für Signaturen im FDD oder den Rahmenzuweisungs-/Kanalisierungscodes in 3.84 Mcps TDD oder Rahmenzuweisungs-/SYNC-UL-Codes in 1.28 Mcps TDDD zugewiesen werden können. Es wird mithin jeder einer Access Service Class zugeordneten Nutzerklasse eine jeweilige PRACH-Ressource zugewiesen. Diese Ressourcen können einander überlappen oder zusammenfallen. Es gibt demnach einen allgemeinen RACH. Entsprechendes ist Abschnitt 11.2.1 des ETSI TS Standards 125 XXX (Anlage K 8/8a) geregelt. Der dortige Absatz 1 gibt an, dass die physikalischen Ressourcen (d.h. Zugangsslots etc.) zwischen verschiedenen Access Service Classes aufgeteilt werden, um verschiedene Prioritäten der RACH-Verwendung zu ermöglichen, wobei es möglich ist, dass mehr als eine Access Service Class oder sämtliche Access Service Classes dem gleichen Zugangsslot/dem Platz für die Signaturen oder dem SYNCI-Code zugewiesen sind.
Da es sich bei der Unterscheidung der PRACH-Ressourcen für einzelne Access Service Classes mithin nur um eine Möglichkeit nach dem Standard handelt und standardgemäße Mobilstationen auch auf einem gemeinsamen RACH konkurrieren können, und für den Vorrichtungsanspruch 1 das Eingerichtet-Sein der Mobilstation genügt, spricht Absatz 1 des Abschnitts 8.5.12 des ETSI TS Standards 125 XXX nicht gegen eine Verwirklichung von Merkmal 2d.

cc)
Auch die von der Streithelferin zu 2) – jedenfalls ab Erteilung des Klagepatents – vertriebenen, als „A2“ bezeichneten Ausführungsformen sind dazu eingerichtet, den Zugriff gemäß Merkmal 2d zu bestimmen.

Die angegriffenen Ausführungsformen „A2“ gemäß Anlage B&B 9 beinhalten eine Verzögerungsberechnungsmethode, um zu bestimmen, wann mit dem PRACH Übertragungsvorgang begonnen werden soll. Dabei wird eine Wartezeit „n“ gemäß der nachfolgend eingeblendeten Gleichung berechnet:

R ist eine Zufallszahl, die von der Mobilstation gezogen wird. Pi ist der Persistenzwert.
Nach n x 10 ms wird, sofern sich während der Wartezeit die Sendeparameter nicht verändern, die L1-PRACH-Übertragungsprozedur eingeleitet. Wenn n = 0 ist, ist der sofortige Zugriff erlaubt. Gleiches gilt, wenn n < 1, da die Brüche immer abgerundet werden. Die Bedingung n < 1 ist immer dann erfüllt, wenn der Betrag des Nenners größer ist als der Betrag des Zählers. Dies ist rechnerisch immer der Fall, wenn Pi > R ist. Wenn n > 0, erfolgt der Zugriff erst nach einer Wartezeit. Die Wartezeit beträgt maximal eine Zehntelsekunde.

Auch eine Mobilstation, die dazu eingerichtet ist, anhand dieses Ablaufs den Zugriff zu ermitteln, ist erfindungsgemäß. Das Merkmal 2d bestimmt lediglich, dass die Mobilstation dazu eingerichtet sein muss, dass der Zugriff bei der Alternative 2d(i) unabhängig von den Zugriffsschwellwertbits und bei der Alternative 2d(ii) in Abhängigkeit von einer Zugriffsschwellwertauswertung ermittelt wird. Wie diese „Unabhängigkeit“ oder „Abhängigkeit“ im Einzelnen ermittelt wird, lässt der Anspruch offen. Er schließt insbesondere nicht das Vorsehen einer Wartezeit aus, auch nicht, wenn auf den aktuellen Zugriffswunsch abzustellen ist. Wie der Zugriffskanal „strukturiert“ ist, ist ebenso wenig vorgegeben wie der Zugriff auf einen (bestimmten) Slot. Gleichfalls wird keine konkrete Formel und/oder eine bestimmte Art und Weise eines Zugriffsschwellwertauswertungsvergleichs als zwingend normiert. Dass eine Wartezeit bzw. eine Verzögerungszeit nach der in der Anlage B&B 9 genannten Formel bestimmt wird, führt mithin nicht per se aus dem Schutzbereich des Anspruchs 1 heraus.
Des Weiteren ist zu bemerken, dass die Formel zur Berechnung der Wartezeit nur zwei Variablen aufweist, nämlich R (Zufallszahl) und Pi (Persistenzwert). Diese beiden werden mittels der Gleichung zueinander in Verhältnis gesetzt. Es findet also auch hier ein Vergleich von R und Pi statt, der über den Zugriff entscheidet. Dass dieser Vergleich ein indirekter ist, ist ohne Bedeutung. Der Anspruch macht zu der Art und Weise eines vorzunehmenden Vergleichs keine zwingenden Angaben.
Wenn der Mobilstation die Access Service Class 0 zugeordnet ist, darf sie beim Ablauf nach Anlage B&B 9 unabhängig von dem dynamischen Persistenzniveau N auf den Zugriffskanal zugreifen. Für die Access Service Class 0 ist Pi gemäß der Tabelle in Abschnitt 8.5.12 des Standards ETSI 125 XXX auf 1 gesetzt, danach erfolgt – nach dem unwidersprochenen Klägervortrag, der zudem mit Ziffer 7 der Anlage B&B 9 in Einklang steht – eine Multiplikation mit 32768. Bei Pi > R ist n nach der genannten Formel kleiner als 1 und wird damit auf 0 abgerundet. Der sofortige Zugriff ist möglich; das dynamische Persistenzniveau N hat keine Konsequenz für den Zugriff. Die Alternative 2d(i) ist damit gegeben.
Wenn der Mobilstation eine Access Service Class von 1 bis 7 zugeordnet ist, wird die Zugriffsberechtigung bei dem Ablauf nach Anlage B&B 9 in Abhängigkeit einer Zugriffsschwellauswertung ermittelt. Pi wird mittels der im Standard genannten Formel P(N) = 2-(N-1) errechnet; das dynamische Persistenzniveau N ist demnach auch hier Grundlage. Pi wird sodann gemäß Anlage B&B 9 auf Werte zwischen 1 und 32768 umgerechnet. Nur wenn Pi größer R ist, darf die Mobilstation sofort zugreifen, wenn Pi kleiner ist, verliert sie den Vergleich mit der Zufallszahl R und ein Zugriff ist erst später möglich. Der Zugriff basiert hier auf dem Vergleich. Die Alternative 2d(ii) ist damit gegeben.

dd)
Die Klägerin wendet sich, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat, mit der Klage auch gegen den Vertrieb der von der Streithelferin zu 2) stammenden Mobilstationen, in denen die als „C2“ bezeichnete Alternativlösung umgesetzt worden sein soll. Auf der Grundlage des hierzu vorgetragenen Sach- und Streitstandes ist davon auszugehen, dass auch diese angegriffenen Ausführungsformen Merkmal 2d erfüllen.

Dem Vortrag der Streithelferin zu 2) zufolge wird in den angegriffenen Ausführungsformen „C2“ eine Alternativlösung realisiert, die auf der Ausgestaltung „A2“ beruht und bei welcher die Tabelle des Abschnitts 8.5.12 des ETSI TS Standards 125 XXX (Anlage K 7/7a) durch die nachfolgend eingeblendete Tabelle ersetzt worden ist:

Nach dieser Tabelle wird anders als in der Tabelle im ETSI TS Standard ´XXX für die Access Service Class 0 der Persistenzwert Pi nicht auf 1 gesetzt, sondern durch P(N) ersetzt. Auch für die Access Service Class 0 ist demnach die Zugriffsschwellwertauswertung maßgeblich, wobei das Ergebnis dieses Vergleiches offen ist. Der Persistenzwert Pi ist stets abhängig von dem dynamischen Persistenzniveau N, so dass es keine Situation gibt, in der die Erlaubnis für den Zugriff auf den RACH unabhängig von den empfangenen Zugriffsschwellwertbits erfolgt. Eine Mobilstation, die Daten gemäß der geänderten Tabelle empfängt bzw. verarbeitet, ermittelt den Zugriff folglich nicht nach Merkmal 2d(i).

Gleichwohl muss eine Verletzung konstatiert werden. Zwar finden sich keine belastbaren tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Streithelferin zu 2) im hiesigen Verfahren die geänderte Tabelle unvollständig bezüglich einer etwaigen Skalierung dargestellt hat. Auch hat die Streithelferin zu 2) vorgetragen, in sämtlichen Mobilstationen sei seit dem 18.02.2011 die Alternativlösung „C2“ umgesetzt und die Mobilstationen seien nicht mehr in der Lage, die vormalige technische Lösung umzusetzen. Dies verfängt im Ergebnis jedoch nicht. Abgesehen davon, dass Anspruch 1 allein erfordert, dass die Mobilstation dazu eingerichtet ist, die erfindungsgemäßen Zugriffsalternativen zu ermitteln, so dass die objektive Eignung hierfür genügt und es nicht entscheidend ist, dass die Mobilstation tatsächlich dementsprechend arbeitet, setzt sich die Streithelferin zu 2) mit ihrem Vortrag zur Eignung zum Teil in Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen hinsichtlich der UMTS-Fähigkeit der angegriffenen Ausführungsformen. Die Klägerin hat vorgetragen, dass auch diese angegriffenen Ausführungsformen im UMTS-Netz betreibbar sind. Entsprechendes geht auch aus der als Anlage K 25 vorgelegten Übersicht hervor. Die Streithelferin zu 2) ist diesem Vorbringen auch nicht entgegen getreten, sie bringt selbst vor, dass die angegriffenen Ausführungsformen „C2“ einwandfrei in UMTS funktionieren. Folglich sind auch diese angegriffenen Ausführungsformen unstreitig so eingerichtet, dass sie im UMTS-Mobilfunknetz betrieben werden können. Wenn dem so ist, dann müssen die angegriffenen Ausführungsformen aber auch so eingerichtet sein, dass sie von den zwingenden Vorgaben des ETSI TS Standards Gebrauch machen können. Zu den zwingenden Vorgaben gehören unstreitig die Abschnitte 8.5.12. und 8.5.13 des ETSI TS Standards 125 XXX (Anlage K 7/7a) und Abschnitt 11.2.2 des ETSI TS Standards 125 XXX (Anlage K 8/8a). Ferner ist auch die Abbildung 11.2.2.1 des letztgenannten Standards als zwingend anzusehen. Aus diesen Vorgaben folgt indes, wie festgestellt, eine klagepatentgemäße Zugriffskontrolle. Die – allein erforderliche – Fähigkeit diese auch durchführen zu können, muss demnach bei der auch von der Streithelferin zu 2) vorgetragenen „UMTS-Fähigkeit“ gegeben sein. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass in dem englischen Verfahren seitens der Streithelferin zu 2) eine Produkt- und Verfahrensbeschreibung der Ausführungsform „C2“ eingereicht wurde, die hier als Anlage K 29 eingeführt wurde, in welcher es unter Ziffer 71 heißt: „A Pi value of 1 is used in case of Emergency Call“. Auch wenn nach dem Klagepatent Notruf und Nutzerklasse keine Synonyme sind, und die Bevorzugung eines Notrufs technisch auch allein über das Erkennen der Rufnummer möglich sein kann, so ist der Anlage K 29 für den Fall des Notrufs trotzdem gerade unter Bezugnahme auf das „AC to ASC mapping“, der klagepatentgemäßen Zugriffsklasseninformation, zu entnehmen, dass ein Zugriffsschwellwert vorgegeben wird, der auf jeden Fall die Zugriffsschwellauswertung gewinnt. Der Zugriff wird folglich unabhängig von dieser gewährt. Schließlich ist zu bemerken, dass nicht ersichtlich ist, dass die Mobilstationen der Streithelferin zu 2) für den Gebrauch in verschiedenen Ländern unterschiedlich ausgestaltet sind. Beim UMTS-Standard handelt es sich um einen international gültigen Industriestandard, der international Einsatzfähigkeit gewährleistet.

ee)
Für die von der Streithelferin zu 2) als Lösung „B1“ bezeichneten angegriffenen Ausführungsformen, bei welchen dieselbe Tabelle wie bei der Lösung „C2“ zur Anwendung kommen soll, gilt das zu dd) Gesagte entsprechend.

ff)
Aus den unter dd) dargelegten Gründen ist ebenso eine Verwirklichung des Merkmals 2d durch die angegriffenen, von der Streithelferin zu 1) stammenden Ausführungsformen gemäß Anlage HL 33 anzunehmen. Selbst wenn, wie die Streithelferin zu 1) dies vorgetragen hat, sämtliche ihrer Mobilstationen auf dem deutschen Markt seit dem 1.12.2011 dazu eingerichtet sind, gemäß der Anlage HL 33 zu verfahren, sind diese angegriffenen Ausführungsformen wegen ihrer unstreitigen UMTS-Fähigkeit als klagepatentverletzend anzusehen.

7)
Nach alledem geht die Kammer von einer Verwirklichung des geltend gemachten Anspruchs durch die angegriffenen Ausführungsformen aus. Die Überzeugung der Kammer steht in Einklang mit den als sachverständige Äußerungen zu berücksichtigenden Entscheidungen des Landgerichts Mannheims (Anlage K 11) und des High Court of Justice London (Anlage K 23), auch wenn letzterer für die angegriffenen Ausführungsformen „C2“ im Ergebnis einen anderen (rechtlichen) Schluss gezogen hat.

IV.
Ohne Erfolg machen die Beklagte und die Streithelferinnen Lizenzeinwände auf vertraglicher Basis geltend.

1)
Zunächst steht der Beklagten kein vertraglich begründetes Nutzungsrecht aufgrund der von J gemäß Anlagenkonvolut S&S 8 abgegebenen Lizenzerklärungen (nachfolgend auch: „ETSI-FRAND-Erklärungen“) zu.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die ETSI-FRAND-Erklärungen Js im Hinblick darauf, dass die Klägerin, welche nicht ETSI-Mitglied ist, selbst originäre Inhaberin des Klagepatents – einer Teilanmeldung aus dem Stammpatent – wurde, überhaupt das Klagepatent erfasst. Denn unabhängig von dieser Rechtsfrage lässt sich eine entsprechende Nutzungsberechtigung auf vertraglicher Grundlage nicht feststellen.

a)
Die rechtliche Qualifikation der ETSI-FRAND-Erklärungen Js unterliegt unter keinem Gesichtspunkt französischem Recht. Vielmehr ist bei der Beantwortung dieser Frage deutsches Recht anzuwenden.

aa)
Hinsichtlich der Frage, ob den ETSI-FRAND-Erklärungen dingliche Wirkung zukommen kann, folgt die zwingende Anwendung deutschen Rechts aus dem Grundsatz der lex loci fori (Schutzlandprinzip).

Der Kollisionsgrundsatz des Schutzlandprinzips wird aus dem Territorialitätsgrundsatz abgeleitet. Danach kommt bei Patent- und Gebrauchsmusterrechten, wie allgemein bei Immaterialgüterrechten als Schutzstatut das Recht des Staates zur Anwendung, für dessen Territorium der Schutz beansprucht wird (Staudinger/Fezer/Koos, EGBGB/IPR, Neubearbeitung 2010, Rn 1041; LG Mannheim, InstGE 11, 215, Leitsatz Nr. 1; InstGE 13, 65, 71 f. – UMTS-fähiges Mobiltelefon II). Das Recht jedes Staates entscheidet selbst über die Reichweite seines Schutzrechts sowie darüber, ob und mit welchem Inhalt es ein Schutzrecht anerkennt; Gleiches gilt für die Frage, welche Handlungen es als Verletzung des eigenen nationalen Schutzrechts anerkennt. Das Schutzlandprinzip, welches nunmehr in Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II-VO“) für Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen aus der Zeit nach dem 11.1.2009 kodifiziert ist (vgl. Artt. 31 f. Rom II-VO) und schon zuvor der ganz herrschenden Meinung entsprach, besagt, dass die Schutzwirkungen eines Patents dem Schutzrechtsstatut unterliegen, sich also die Rechtswirkungen eines Lizenzrechts notwendigerweise nach dem Recht des Schutzlandes des lizensierten Rechts richten (BGH; GRUR 1992, 697 f. – ALF; BGHZ 126, 252, 255 – Folgerecht bei Auslandsbezug; BGHZ 136, 380, 386 ff. – Spielbankaffäre; Benkard/Ullmann, PatG, 10. Auflage, § 15 Rn 225 m.w.N.). Die anzuwendende Rechtsordnung steht nicht zur Disposition der Parteien, insbesondere nicht in Bezug auf die Lizenzierbarkeit des Schutzrechts. Für den deutschen Teil des Klagepatents bedeutet dies vorliegend, dass zwingend die Anwendung deutschen Rechts geboten ist. Dies steht auch im Einklang mit Art. 64 EPÜ, wonach für den Vertragsstaat Deutschland dessen nationales Patentrecht Anwendung zu finden hat.
Im Übrigen handelt es sich bei ETSI um eine rein privatrechtliche Organisation, der keine hoheitlichen Kompetenzen zukommen (vgl. auch Fröhlich, GRUR 2008, 202, 206). Es steht daher insbesondere nicht zur Disposition der ETSI und ihrer Mitglieder, den deutschen Teil eines Europäischen Patents (dinglich) in der Weise einzuschränken, dass aus dem Patent von vornherein keine Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden könnten. Insofern ist der Hinweis der Beklagten und der Streithelferinnen darauf, dass durch die Wahl einer einheitlichen Rechtsordnung die einheitliche Rechtswirkung der ETSI-Lizenzerklärungen erreicht werden solle, unerheblich. Daran ändert nichts, dass ETSI aufgrund Art. 81 EG (Art. 101 AEUV) zur Verhinderung eines Missbrauchs verpflichtet war und sich nicht auf eine ex-post-Regulierung auf der Grundlage von Art. 102 AEUV habe verlassen wollen.
Nach alledem kann sich eine dingliche Verzichtserklärung aus den ETSI-FRAND-Erklärungen jedenfalls nicht aus einer Anwendung französischen Rechts ergeben, da zwingend die Anwendung deutschen Rechts geboten ist.
Mit Ausnahme der – zudem gegenüber dem Patentamt abzugebenden – generellen Verzichtsmöglichkeit in § 23 PatG kennt das deutsche Recht keine dingliche Rechtsfigur, wodurch die Geltendmachung von aus einer Patentverletzung resultierenden Ansprüchen, insbesondere derjenigen auf Unterlassung, dinglich ausgeschlossen werden könnten (so auch LG Mannheim InstGE 11, 9, 12 – UMTS-fähiges Mobiltelefon; InstGE 13, 65, 73 f. – UMTS-fähiges Mobiltelefon II), so dass sich aus den ETSI-FRAND-Erklärungen Js insgesamt kein dingliches Nutzungsrecht herleiten lässt. Der für Verfügungen nach dem BGB maßgebliche Bestimmtheitsgrundsatz verbietet hier deshalb die Annahme eines dinglichen Nutzungsrechts in Gestalt eines Vertrages zugunsten Dritter. Dieser Grundsatz darf nicht unter Hinweis darauf außer Acht gelassen werden, dass der Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes allein darin bestehe, eine eindeutige und für den Rechtsverkehr klare Zuordnung von Rechten zu ermöglichen, und in der vorliegenden Situation nicht greife. Der Umstand, dass eine FRAND-Erklärung einen effektiven und dauernden Zugang zu einem Standard gewährleisten soll, rechtfertigt keine Ausnahme zum Bestimmtheitsgrundsatz. Angesichts des ohnehin bestehenden Schutzes auf kartellgesetzlicher Grundlage ist dafür auch kein Bedürfnis ersichtlich.

bb)
Soweit man trotz des vorgenannten Umstandes, dass die Lizenzierbarkeit eines Patents nach dem Schutzlandprinzip der Dispositionsbefugnis der Parteien entzogen ist, zumindest für schuldrechtliche (Lizenz-)Vereinbarungen die Möglichkeit einer Rechtswahl nach dem Vertragsstatut in Betracht zu ziehen haben sollte, würde auch dies vorliegend zur Anwendung deutschen Rechts führen. Insoweit ist nicht auf die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht abzustellen, weil diese gemäß ihrem Art. 28 nur auf Verträge anzuwenden ist, die seit dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, vorliegend indes ein Vertragsschluss bereits im Jahr 2005 im Raum steht.
Erklärt der an einem technischen Standard beteiligte Schutzrechtsinhaber gegenüber der Standardorganisation seine Bereitschaft, jedem Interessierten zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen eine Lizenz an einem in den Standard aufgenommenen Patent zu erteilen, unterliegt eine solche FRAND-Erklärung – soweit die aus ihr folgenden Rechtswirkungen betroffen sind – auch nach dem Vertragsstatut dem Recht des Schutzlandstaates, hier also Deutschland (LG Mannheim, InstGE 13, 65, 72 – UMTS-fähiges Mobiltelefon II; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn 1298; a.A.: Straus, GRUR Int. 2011, 469, 475 f. m.w.N.)).
Gemäß Art. 31 Abs. 1 EGBGB richtet sich unter anderem die Frage nach dem Zustandekommen eines Vertrages nach dem Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre.

aaa)
Vorweg ist festzuhalten, dass die Anwendbarkeit der Art. 27 ff. EGBGB nicht etwa nach Art. 37 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ausgeschlossen ist. Die Auslegung der ETSI-FRAND-Erklärungen betrifft keine Fragen zum Gesellschaftsrecht im Sinne dieser Norm. Die Kammer vermag sich der Ansicht, durch die Abgabe von FRAND-Verpflichtungserklärungen der ETSI-Mitglieder werde in die innere Struktur von ETSI und damit in die „innere Verfassung“ eingegriffen, nicht anzuschließen. Solches lässt sich insbesondere nicht aufgrund der großen Bedeutung der Horizontalleitlinien der Europäischen Kommission im Zusammenhang mit Standardisierungen (Anlage S&S 1, insbesondere Rn. 285) ableiten. Dass eine FRAND-Erklärung überhaupt erst eine kartellrechtskonforme Normungsarbeit gewährleistet, vermag nichts daran zu ändern, dass sie letztlich allein das Verhalten der ETSI-Mitglieder zu Dritten betrifft. Dieser Aspekt kann nicht überzeugend mit dem Argument außer Acht gelassen werden, dass das sogenannte Personalstatut sämtliche Regelungen des inneren Organisationsrechts betrifft (vgl. Palandt, BGB, 70. Auflage, 2011, Anhang zu Art. 12, Rn. 10). Soweit darunter auch Rechte und Pflichten der Mitglieder fallen können, ist dies vorliegend unerheblich, weil die ETSI-FRAND-Erklärungen Pflichten im Außenverhältnis zu Dritten betreffen.

bbb)
Für das Lizenzvertragsverhältnis zwischen J und Lizenzsuchern fehlt es an einer ausdrücklichen oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen ergebenden Rechtswahl gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB.
Eine solche ist namentlich nicht aus Art. 12 der ETSI IPR Policy abzuleiten. Aus dem Umstand, dass J in seinen ETSI-FRAND-Erklärungen gemäß Anlagenkonvolut S&S 8 „hiermit seine Bindung an die ETSI IPR Policy bestätigt“ ist nicht zu folgern, dass dadurch die Rechtswahl gemäß Art. 12 ETSI IPR Policy in die betreffende ETSI-FRAND-Erklärungen inkorporiert wurde. Das lässt sich insbesondere nicht mit der Erwägung begründen, dass FRAND-Erklärungen „die tragende Säule der ETSI IPR Policy“ sind. Soweit im Formblatt von Oktober 1997 (Anlage S&S 5) französisches Recht für die FRAND-Verpflichtungserklärung als maßgeblich erklärt wird, kann dem allenfalls indizielle Bedeutung zugemessen werden. Für die Annahme einer Rechtswahl genügt es nicht, dass sämtliche Folgen aus der FRAND-Erklärung eines Mitgliedes im Verhältnis zu Dritten französischem Recht unterfallen sollten (vgl. LG Mannheim, InstGE 11, 215, 216 – UMTS-fähige Mobilstation; a.A.: Straus, GRUR Int. 2011, 469, 476 ff. m.w.N.). Der Beklagten und den Streithelferinnen kann nicht darin gefolgt werden, dass Ziffer 12 des Annexes 6 der ETSI IPR Policy („The Policy shall be governed by the laws of France“) aufgrund eines unmittelbaren Zusammenhangs mit den ETSI-FRAND-Erklärungen auch auf letztere durchschlüge. Das gilt trotz des Umstandes, dass dem Annex 6 als Appendix A Entwürfe zu Lizenzerklärungen beiliegen (vgl. Seiten 41 f. der Anlage S&S 4) und – ebenso wie das Schreiben der ETSI vom 10.10.1997 an ihre Mitglieder – die Anwendung französischen Rechts auf die Auslegung, Validität und Erfüllung der IPR-Lizenzerklärungen vorsehen (vgl. Anlage S&S 6). Soweit die Beklagte und die Streithelferinnen in diesem Kontext geltend machen, das Verhältnis eines ETSI-Mitgliedes zu ETSI nach der FRAND-Erklärung sei ein Vertrag zugunsten nutzungswilliger Dritter, wobei die Rechtswahl im Deckungsverhältnis auf das Verhältnis zu potentiellen Lizenzsuchern durchschlage, überzeugt dies nicht. Ein derartiger Grundsatz lässt sich namentlich nicht der von ihnen zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf entnehmen (FamRZ 2001, 1102), da diese ein mögliches Durchschlagen einer Rechtswahl im Deckungsverhältnis auf das Valutaverhältnis betrifft, während es hier um das Verhältnis von Berechtigtem und Versprechendem geht. Zuzustimmen ist der Klägerin darin, dass angesichts des bestehenden kartellgesetzlichen Schutzes der Lizenzsucher kein zwingendes Bedürfnis für eine einheitliche Lizenzrechtsauswahl erkennbar ist.

ccc)
Da es an einer ausdrücklichen Rechtswahl nach Art. 27 EGBGB fehlt, ist die Frage nach der Bedeutung der ETSI-FRAND-Erklärungen nach dem Recht des Staates zu klären, zu dem die engste Verbindung besteht (Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBG). Gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 EGBGB wird vermutet, dass die engsten Verbindungen mit dem Staat bestehen, in dem diejenige Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihre Hauptverwaltung hat.
In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 10/503, S. 78) heißt es, dass „bei Verträgen auf Gebrauchsüberlassung“ die Leistung des Überlassenden „charakteristisch“ sei. In Anwendung auf einen Lizenzvertrag bedeutet das, dass der Sitz des Lizenzgebers maßgeblich ist. Selbst wenn man gleichwohl Raum für differenzierende Betrachtungen sehen wollte, gilt jedenfalls für einen multinationalen Lizenzvertrag, in welchem die Lizenz zur Nutzung eines europäischen Bündelpatents in mehreren Vertragsstaaten erteilt wird, dass der Sitz des Lizenzgebers über die einschlägige Rechtsordnung entscheidet (vgl. Benkard/Ullmann, PatG, 10. Auflage, § 15 Rn 229 m.w.N.). Da der Sitz Js in Deutschland liegt, streitet die vorgenannte Vermutung für die Anwendung deutschen Rechts.
Die Anwendung der Vermutungsregelung des Art. 28 Abs. 2 EGBGB wird nicht durch die Ausnahmevorschrift des Art. 28 Abs. 5 EGBGB ausgeschlossen. Die demnach maßgebliche engste Verbindung der Vereinbarung besteht nicht zu Frankreich, sondern zur Bundesrepublik Deutschland. Gegenteiliges lässt sich nicht aus Art. 12 ETSI IPR Policy herleiten. Insoweit gilt das zu Art. 27 EGBGB Ausgeführte entsprechend. Auch Überlegungen zur „kartellrechtlichen Effektivität“ vermögen in diesem Zusammenhang die einheitliche Anwendung französischen Rechts nicht zu begründen. Derartige Überlegungen verbieten sich bereits im Ansatz, da ein derartiger Grundsatz dem Internationalen Privatrecht fremd ist. Etwas Anderes folgt auch nicht aus der Überlegung, dass die Verpflichtung von Inhabern standardessentieller Patente, eine Lizenzerklärung abzugeben, nicht nur Ausfluss der ETSI-Regelungen ist, sondern letztlich vor dem Hintergrund des Kartellverbots nach Art. 81 EG (Art. 101 AEUV) zwingend sei (vgl. dazu Barthelmeß/Gauß, WuW 2010, 626, 629). Richtig ist zwar, dass es sich bei Art. 101 AEUV um eine europäische Regelung handelt, die in allen Mitgliedsstaaten gleich anzuwenden ist. Derartiges wird jedoch nicht ausgeschlossen, wenn man die Bedeutung der ETSI-FRAND-Erklärung nach dem jeweils einschlägigen Recht des Schutzstaates beantwortet. Jedem Lizenzsucher, der in einer bestimmten Auslegung der ETSI-FRAND-Erklärung nach nationalem Recht eine Verletzung des Art. 101 AEUV sieht, steht es frei, diese notfalls nach Art. 267 AEUV durch den EuGH überprüfen zu lassen.

ddd)
Infolge dessen kann den Streithelferinnen bzw. der Beklagten a priori schon mangels Anwendbarkeit französischen Rechts kein positives Nutzungsrecht zustehen, welches ggf. auch der Klägerin mit Erfolg entgegen gehalten werde könnte. Deshalb kann offen bleiben, wie sich die Rechtslage nach materiellem französischem Recht darstellen würde.

eee)
In Anwendung des nach alledem einschlägigen deutschen Rechts ergibt sich aus den ETSI-FRAND-Erklärungen Js kein vertraglicher Einwand, den die Streithelferinnen bzw. die Beklagte den geltend gemachten Ansprüchen mit Erfolg entgegenhalten könnten.

(1)
Zunächst lässt sich aus ihnen kein positives Nutzungsrecht der Beklagten bzw. der Streithelfer ableiten. Ein solcher Bedeutungsgehalt kann den Erklärungen bei verständiger Würdigung nach einem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) nicht beigemessen werden. Für die Annahme, dass der Patentinhaber sich gegenüber einer unbekannten Vielzahl von Dritten ohne Sicherung seines Lizenzgebührenanspruchs ein Nutzungsrecht erteilen und die positiven Pflichten eines Lizenzgebers übernehmen wollte, besteht unter Berücksichtigung der Interessenlage kein Anlass. Der Wortlaut der Erklärungen (vgl. die auszugsweise deutsche Übersetzung auf Seite 20 der Klageerwiderung der Streithelferin zu 1), Blatt 377 GA) bietet dafür keine Grundlage, weil der Patentinhaber sich nur erbietet, die Ausschließlichkeitsrechte aus dem Patent durch Abschluss eines noch zu vereinbarenden Lizenzvertrages, also gerade nicht bedingungslos, zu Fall bringen zu lassen.

(2)
Aber auch ein sog. „Stillhalteabkommen“ mit dem Inhalt eines Verbotsverzichts bis zum Abschluss eines Hauptlizenzvertrages mit dem jeweiligen Dritten ist in den Erklärungen nicht zu erblicken. Die kartellrechtliche Gesetzeslage zwingt nicht zu einem solchen Schritt, weil der marktbeherrschende Patentinhaber allein gehalten ist, Lizenzen zu FRAND-Bedingungen einzuräumen (Kühnen, a.a.O., Rn 1298). Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Patentinhaber auch bei Annahme eines Stillhalteabkommens jedem unredlichen Lizenznehmer ausgeliefert wäre (Kühnen, a.a.O., Rn 1298): Zwar könnte er im Falle von Vertragsverletzungen ggf. den Lizenzvertrag kündigen, hätte jedoch – anders als „gewöhnliche“ Lizenzgeber – kein Instrument (sprich: einen Unterlassungsanspruch) in der Hand, um nachfolgende Benutzungshandlungen zu unterbinden. Vor diesem Hintergrund beinhaltet eine Lizenzbereitschaftserklärung lediglich eine deklaratorische Konkretisierung eines kraft Kartellrechts (Art. 102 AEUV, §§ 19 f. GWB) ohnehin bestehenden Abschlusszwanges (vgl. zu § 11 UrhG BGH, GRUR 2009, 1052 – Seeing is Believing; Kühnen, a.a.O., Rn 1298). Soweit in der Entscheidung BGH, GRUR 2009, 1052 teilweise von einer „Verstärkung“ die Rede ist, ändert dies nichts daran, dass aus einer Lizenzbereitschaftserklärung grundsätzlich keine über das gesetzliche Kartellrecht hinausgehenden Verpflichtungen des Rechteinhabers resultieren. Auch aus den ETSI-Statuten lässt sich nicht herleiten, dass ETSI-FRAND-Erklärungen mehr als bloße Absichtserklärungen darstellen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich Ziffer 1.4 des ETSI Guides on IPR gerade mit der Wirkung der FRAND-Erklärungen befasste; insofern ist die betreffende Regelung als Wiedergabe dessen zu verstehen, was ohnehin nach gesetzlichen Kartellrecht zu gelten hat.
Der hier befürworteten rechtlichen Einordnung kann auch nicht überzeugend entgegen gehalten werden, dass einer Lizenzbereitschaftserklärung damit jegliche Bedeutung aberkannt werde. Denn die Lizenzbereitschaftserklärung ist jedenfalls in der Weise von Relevanz, dass sie die Prüfung entbehrlich macht, ob der betreffende Patentinhaber überhaupt Normadressat des Art. 102 AEUV, §§ 19 f. GWB ist, das heißt über eine marktbeherrschende Stellung verfügt; auch wenn dies in Fällen der Standardbildung regelmäßig zutreffen wird, handelt es sich nicht um eine bloße Selbstverständlichkeit (Kühnen, a.a.O., Rn 1299). Auf die Frage, ob sich zudem aus der Fragen- und Antwortliste gemäß Anlage K 21 (ETSI IPR policy FAQs, vgl. Fragen 6 und 7) ergibt, dass die ETSI-FRAND-Erklärungen unverbindlich seien, kommt es demnach nicht streitentscheidend an.

(3)
Mangels eines Verbotsverzichts und eines Stillhalteabkommens stellt sich die Frage nach einem Sukzessionsschutz über § 15 Abs. 3 PatG bzw. eines Schutzes des Lizenzsuchers auch gegenüber dem Erwerber des Patents nach §§ 413, 404 BGB nicht (verneinend jeweils LG Mannheim, InstGE 11, 9, 13 – UMTS-fähiges Mobiltelefon). Ebenso wenig besteht ein Anlass, die Vorlage des Patentübertragungsvertrages nach § 142 ZPO anzuordnen, um zu klären, ob die Klägerin „Verpflichtungen“ Js aus dessen ETSI-FRAND-Erklärungen übernahm.

2)
Auch aus Ziffern 4 und 5 der eigenen FRAND-Erklärung der Klägerin (Anlage S&S 24) ergibt sich keine Lizenzerteilung oder sonstige Berechtigung, welche die Beklagte bzw. die Streithelferinnen mit Erfolg einwenden könnten.
Auch diese Erklärung hat keinen eigenständigen, über den kartellrechtlichen Lizenzierungsanspruch aus Art. 102 AEUV hinausgehenden Charakter, sondern stellt ihrerseits eine bloße invitatio ad offerendum dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Europäische Kommission auf die Abgabe einer solchen Erklärung drängte und in der Presseerklärung gemäß Anlage S&S 27 begrüßte. Das betreffende Interesse der Kommission mag seinen Grund darin gehabt haben, dass die Klägerin selbst nicht ETSI-Mitglied ist.
Im Übrigen ist zu beachten, dass die Klägerin unter Ziffer 6 Ihrer FRAND-Erklärung gemäß Anlage S&S 24 ausdrücklich festhielt, dass „diese Erklärungen, ohne die Reichweite der obigen Erklärungen von IPCom nach Ziffer 4 und 5 einzuschränken, nicht als Verzicht auf irgendeines ihrer Rechte … ausgelegt und nicht als Lizenz oder als vorvertragliche Verpflichtung zum Abschluss eines bestimmten Lizenzvertrages dienen…“. Die Europäische Kommission begrüßte die Erklärung der Klägerin ohne jede Einschränkung, mithin auch im Hinblick auf deren Ziffer 6 (Vgl. Anlage S&S 27). Insofern geht es nicht an, den Inhalt der Ziffer 6 der klägerischen FRAND-Erklärung unter Hinweis auf Rnn. 285, 287 der EU-Horizontalleitlinien einen anderen Bedeutungsgehalt zuzumessen.
Soweit geltend gemacht wird, aus der Erklärung der Klägerin ergebe sich, dass sie sich an Js Erklärung gebunden fühle, lässt sich auch daraus gerade nichts zugunsten der Beklagten bzw. der Streithelferinnen herleiten. Diesbezüglich ist wiederum auf die unter 1) näher begründete deklaratorische Bedeutung der ETSI-FRAND-Erklärung Js zu verweisen. Vor diesem Hintergrund ist auch unerheblich, dass die Klägerin am 9. Februar 2011 vor dem OLG Karlsruhe im dortigen Parallelverfahren ihre Bindung an Js Erklärung ausdrücklich bestätigt haben soll.
Aus entsprechenden Überlegungen kann dahinstehen, ob die Klägerin im Rahmen des Patentübertragungsvertrages betreffend das Stammpatent vermeintliche Verpflichtungen aus Js Erklärungen übernahm. Da die betreffende Tatsachenbehauptung der Beklagten und der Streithelferinnen dementsprechend unerheblich ist, besteht keine Grundlage für die Anordnung der Vorlage des Patent Purchase Agreements.

V.

Sämtliche kartellgesetzlichen Einwendungen der Beklagten und ihrer Streithelferinnen verfangen nicht.

1)
Ohne Erfolg wenden die Beklagte und die Streithelferinnen ein, es fehle an der Aktivlegitimation der Klägerin, da die Übertragung des Klagepatents gemäß Art. 101 Abs. 2 AEUV bzw. § 134 BGB i.V.m. § 1 GWB nichtig sei, soweit die Klägerin Js vermeintliche Verpflichtungen aus der ETSI-FRAND-Erklärung nicht im Patentübertragungsvertrag übernommen haben sollte.

a)
Dieser Einwand verfängt bereits deshalb nicht, weil die Klägerin als eingetragene Inhaberin des Klagepatents ohne Weiteres zur Durchsetzung aller mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn 694 ff.).

b)
Davon abgesehen wäre der Übertragungsvertrag selbst dann nicht unwirksam, wenn die Klägerin die „Verpflichtungen“ Js aus dessen ETSI-FRAND-Erklärungen nicht übernommen haben sollte.
Da die ETSI-FRAND-Erklärungen – wie oben näher ausgeführt – lediglich deklaratorischer Natur sind, stellen sie gegenüber den ohnehin bestehenden kartellrechtlichen Pflichten kein maius dar, so dass für den Fall, dass die entsprechenden „Verpflichtungen“ aus den ETSI-FRAND-Erklärungen nicht von der Klägerin übernommen worden sein sollten, a priori keine Grundlage für eine entsprechende Nichtigkeit besteht.
Vor diesem Hintergrund fehlt es bereits an der für eine Nichtigkeit unter anderem bestehenden Voraussetzung, dass eine Beschränkung des Wettbewerbs bewirkt wurde bzw. bezweckt war (vgl. im Ergebnis auch LG Mannheim InstGE 11, 9, Leitsatz Nr. 3b – UMTS-fähiges Mobiltelefon I, dort zu Art. 81 Abs. 1 EG). Der Streithelferin zu 1) mag darin zuzustimmen sein, dass der Begriff der Wettbewerbsbeschränkung weit auszulegen und bei Auswirkungen auf den Wettbewerb regelmäßig gegeben ist (vgl. Gericht Erster Instanz vom 27.9.2006, Rs. T-168/01 – GlaxoSmithKline, Slg. 2006, S. II-2969, Rn 171). Jedoch wird das von Art. 101 AEUV verfolgte Ziel des Verbraucherschutzes letztlich nicht dadurch beeinträchtigt, dass nicht auch die Klägerin selbst an die ETSI-FRAND-Erklärungen Js vertraglich gebunden wird. Denn die betroffene Industrie und der Verbraucher ist unabhängig davon durch das gesetzliche Kartellrecht hinreichend geschützt und vor diesem Hintergrund ist eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs allein durch die Patentübertragung nicht erkennbar. Insofern ist nicht ersichtlich, dass die Vereinbarung über die Patentübertragung die Wettbewerbssituation – wie sie ohne selbige bestehen würde – nach einer Beurteilung des gesamten rechtlichen und wirtschaftlichen Kontextes nachteilig verändert hätte (vgl. zu diese Prüfungsmaßstab Rn 27 der Horizontalbekanntmachung, Anlage S&S 1). Die ETSI-FRAND-Erklärungen begründen im Vergleich zur kartellgesetzlichen Rechtslage keine Verbesserung für Dritte. Hier wie dort ist im jeweiligen Einzelfall erst noch zu klären, was letztlich „FRAND“ bedeutet. Es mag sein, dass das dem Klagepatent zugrundeliegende Stammpatent ohne die betreffenden Erklärungen Js nicht Teil des Standards geworden wäre. Indes ändert dieser Gesichtspunkt nichts daran, dass die Kartellrechtslage durch die Übertragung ohne eine Übernahme von „Verpflichtungen“ aus den ETSI-FRAND-Erklärungen unberührt bleibt.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die EU-Kommission in ihrer Horizontalbekanntmachung ausdrücklich forderte, im Falle einer Übertragung von Rechten an geistigem Eigentum die Erwerber an FRAND-Selbstverpflichtungen der vormaligen Inhaber zu binden (Rn 286, Anlage S&S 1). Die Forderung der EU-Kommission ist nicht als Begehren einer über den gesetzlichen Schutz hinausgehenden Manifestation zu verstehen. Wie oben bereits ausgeführt, verliert eine Lizenzbereitschaftserklärung durch die hier vorgenommene Auslegung auch nicht jegliche kartellrechtliche Relevanz.
Der Streithelferin zu 1) kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Vereinbarung über die Übertragung des Klagepatents unter Berücksichtigung der gebotenen objektiven wirtschaftlichen Beurteilung eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecke. Wiederum bleibt im Rahmen dieser Argumentation unberücksichtigt, dass die Ausgestaltung des Übertragungsvertrages für die kartellgesetzlichen Bindungen der Klägerin a priori neutral ist. Weder für Wettbewerber noch für die Verbraucher ergeben sich irgendwelche Nachteile dadurch, dass die ETSI-FRAND-Erklärungen nicht zum Gegenstand der Übertragungsvereinbarung gemacht wurden. Diese kartellrechtliche Neutralität der Übertragungserklärung lässt die Streithelferin zu 1) außer Acht, wenn sie aus den auf Seite 59 unten f. ihrer Klageerwiderung (Blatt 416 f. GA) genannten Umständen, insbesondere dem sog. „lock-in“-Effekt, einen wettbewerbswidrigen Zweck abzuleiten sucht. Aufgrund der gesetzlichen Bindungen der Klägerin als Inhaberin eines standardessentiellen Patentes ist sie ohnehin an einer willkürlichen Blockade des Zugangs zum Standard gehindert.
Dass sich die Klägerin kartellrechtskonform verhalten möchte, wird durch deren eigene – auch wenn diese von deklaratorischer Natur ist – FRAND-Erklärung (Anlage S&S 24) vom 10.12.2009 belegt. Diese steht der Annahme einer „Unterlaufungs- und Befreiungsabsicht“ der Klägerin entgegen.
Da es nach alledem nicht darauf ankommt, ob die Klägerin „Verpflichtungen“ Js aufgrund der ETSI-FRAND-Erklärungen im Patentübertagungsvertrag übernahm, besteht auch insoweit kein Anlass zur Anordnung der Vorlage desselben nach § 142 ZPO.
Für die Vorlage der Frage an den EUGH, ob Art. 101 AEUV dahingehend auszulegen ist, dass diese Vorschrift der Übertragung eines standardessenziellen Patentes ohne Übertragung der Lizenzerklärung durch den vormaligen Inhaber des standardessentiellen Patentes, den dieser gegenüber einer Standardorganisation abgegeben hat, entgegensteht, sieht die Kammer in Ausübung des ihr nach Art. 267 Abs. 3 AEUV eingeräumten Ermessens keine Veranlassung.

2)
Den Streithelferinnen bzw. der Beklagten stehen auch keine Einwendungen wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gegenüber den klägerischen Ansprüchen zu.
Soweit die Beklagte und die Streithelferinnen einen Missbrauch nach Art. 102 AEUV bzw. §§ 19 f. GWB darin sehen, dass die Klägerin ihnen nicht von sich aus eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen angeboten hat, ist dem zu widersprechen. Die Rechtsauffassung der Beklagten ist mit den Grundsätzen der BGH-Entscheidung „Orange-Book“ (BGH GRUR 2009, 694) nicht in Einklang zu bringen, wonach für das Rechtsverhältnis zwischen dem Inhaber eines standardessentiellen Patents und Lizenzsuchenden Folgendes gilt:

a)
Diskriminiert ein marktbeherrschendes Unternehmen mit der Weigerung, einen ihm angebotenen Patentlizenzvertrag abzuschließen, das um die Lizenz nachsuchende Unternehmen in einem gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglichen Geschäftsverkehr oder behindert es den Lizenzsucher damit unbillig, stellt auch die Durchsetzung des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung dar. Denn das marktbeherrschende Unternehmen hindert damit das andere Unternehmen an dem Marktzutritt, den es durch den Abschluss des Lizenzvertrags zu eröffnen verpflichtet ist. Die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs ist damit ebenso verboten wie die Weigerung, den Lizenzvertrag abzuschließen, der den Unterlassungsanspruch erlöschen ließe. Ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten darf jedoch nicht von den staatlichen Gerichten angeordnet werden.

Der Patentinhaber, der den Unterlassungsanspruch aus seinem Patent geltend macht, obwohl dem Beklagten ein Anspruch auf Einräumung einer Lizenz am Klagepatent zusteht, missbraucht jedoch nur dann seine marktbeherrschende Stellung und handelt nur dann treuwidrig, wenn insbesondere die folgende Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Lizenzsucher muss ein unbedingtes Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrags gemacht haben, das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, ohne den Lizenzsucher unbillig zu behindern oder gegen das Diskriminierungsverbot zu verstoßen, und sich an dieses Angebot gebunden halten. Auch der marktbeherrschende Patentinhaber ist nicht verpflichtet, selbst die Gestattung der Benutzung der Erfindung anzubieten; nur wenn er ein Angebot zum Vertragsabschluss zu nicht behindernden oder diskriminierenden Bedingungen ablehnt, missbraucht er seine marktbeherrschende Stellung. Die Benutzung seines Patents durch ein Unternehmen, das nicht bereit ist, einen Lizenzvertrag zu solchen Bedingungen abzuschließen, muss er nicht dulden.

Das annahmefähige unbedingte Vertragsangebot reicht allerdings allein nicht aus, um den „Zwangslizenzeinwand” gegenüber dem Unterlassungsbegehren des Patentinhabers durchgreifen zu lassen. Die Einräumung einer jeden Lizenz wirkt grundsätzlich nur in die Zukunft. Erst wenn ihm die Lizenz erteilt ist, ist der Lizenznehmer berechtigt, den Gegenstand des Lizenzvertrags zu benutzen; zugleich entsteht mit jedem Benutzungstatbestand (sofern und soweit keine benutzungsunabhängige Gegenleistung vereinbart ist) der Anspruch des Lizenzgebers auf die vertragliche Gegenleistung, typischerweise in Gestalt einer Stück- oder umsatzbezogenen Lizenzgebühr. Der Lizenzsucher, der im Vorgriff auf die ihm zu erteilende Lizenz die Benutzung des Klagepatents aufnimmt, darf nicht nur seinen vertraglichen Rechten, sondern muss auch seinen vertraglichen Pflichten „vorgreifen”. Er kann dem Unterlassungsbegehren nur dann den dolo-petit-Einwand entgegenhalten, wenn er dem Patentinhaber nicht nur ein Angebot gemacht hat, das der Patentinhaber nicht ablehnen darf, sondern sich auch so verhält, als ob der Patentinhaber sein Angebot bereits angenommen hätte. In diesem Fall wäre er nicht nur berechtigt, den Gegenstand des Patents zu benutzen, sondern insbesondere auch verpflichtet, über die Benutzung regelmäßig abzurechnen und an den Patentinhaber die sich aus der Abrechnung ergebenden Lizenzgebühren zu zahlen. Auf der anderen Seite handelt der Patentinhaber weder missbräuchlich noch treuwidrig, wenn er Ansprüche aus dem Patent gegenüber demjenigen geltend macht, der zwar die Benutzungsbefugnis eines Lizenznehmers für sich in Anspruch nimmt, aber die Gegenleistung nicht erbringt, die der Lizenznehmer nach einem nicht diskriminierenden oder behindernden Lizenzvertrag zu erbringen verpflichtet wäre.

Ebenso wenig wie es dem Lizenzsucher versagt werden könnte, sich in erster Linie gegen den Verletzungsvorwurf zu verteidigen mit der Folge, dass die Klage in vollem Umfang abzuweisen ist, wenn sich der Verletzungsvorwurf nicht bestätigt, kann es dem Patentinhaber versagt werden, in erster Linie den Unterlassungsanspruch aus dem Patent geltend zu machen mit der Folge, dass dieser Anspruch zuzusprechen ist, wenn sich der Verletzungsvorwurf bestätigt und das Gericht eine marktbeherrschende Stellung oder einen Missbrauch derselben verneint. Dann rechtfertigt aber der bloße Umstand, dass der Patentinhaber den Abschluss des ihm angebotenen Lizenzvertrags verweigert, weil er sich hierzu berechtigt glaubt, es nicht, den Lizenzsucher gegenüber dem Lizenznehmer dadurch zu privilegieren, dass jener im Ergebnis von der Beachtung des Gegenseitigkeitsverhältnisses von vertraglicher Leistung und Gegenleistung dispensiert wird. Ebenso wie sich der Patentinhaber so behandeln lassen muss, als habe er die geschuldete Lizenz erteilt, muss sich auch der Lizenzsucher so verhalten, als sei ihm die Lizenz eingeräumt.

Dies bedeutet zum einen, dass der Lizenzsucher zu den Bedingungen eines nicht diskriminierenden Vertrags über den Umfang seiner Benutzungshandlungen abzurechnen hat, zum anderen, dass er seinen sich aus der Abrechnung ergebenden Zahlungspflichten nachkommen muss. Dabei muss der Lizenzsucher allerdings nicht an den Patentinhaber zahlen, sondern kann nach § 372 S. 1 BGB die Lizenzgebühren unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegen. Denn die Weigerung des Patentinhabers, den Lizenzvertrag abzuschließen, rechtfertigt die entsprechende Heranziehung der Vorschriften über den Gläubigerverzug, sei es, weil der Patentinhaber auch die angebotene Zahlung nicht anzunehmen bereit ist (§ 293 BGB), sei es, weil er zwar die Zahlung anzunehmen willens, jedoch nicht bereit ist, die Gegenleistung in Gestalt der Lizenzgewährung zu erbringen (§ 298 BGB). Damit wird dem Interesse des Lizenzsuchers Rechnung getragen, seinen Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Lizenzgebühren für den Fall zu sichern, dass die Klage mangels Verletzung abgewiesen wird.

Der Höhe nach sind die Lizenzgebühr und damit auch die Leistungsverpflichtung des Lizenzsuchers auf denjenigen Betrag begrenzt, der sich aus den Bedingungen eines kartellrechtlich unbedenklichen Vertrags ergibt. Dass dieser Betrag auch für den Lizenzsucher nicht ohne Weiteres feststellbar ist, belastet ihn nicht unbillig, denn ihn trifft für die Voraussetzungen des Lizenzierungsanspruchs grundsätzlich ohnehin die Darlegungs- und Beweislast. Wenn der Lizenzsucher die Lizenzgebührenforderung des Patentinhabers für missbräuchlich überhöht hält oder der Patentinhaber es ablehnt, die Lizenzgebühr zu beziffern, etwa weil er sich für berechtigt hält, die Lizenzierung des Klagepatents in jedem Fall zu verweigern, ist dem Lizenzsucher allerdings das Recht zuzubilligen, das Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags hinsichtlich des Entgelts nicht auf die Vereinbarung eines bestimmten Lizenzgebührensatzes, sondern auf eine vom Patentinhaber nach billigem Ermessen zu bestimmende Lizenzgebühr zu richten. Andernfalls könnte die Hinterlegung eines höheren als des vom Lizenzsucher selbst für angemessen gehaltenen Betrags seine Verurteilung nicht hindern, wenn sie nicht von einem Lizenzangebot in gleicher Höhe begleitet wäre. Ein „sicherheitshalber” erhöhtes Angebot würde dem Patentinhaber indessen die Möglichkeit verschaffen, sich durch Annahme dieses Angebots gegebenenfalls auch eine überhöhte Lizenzgebühr zu sichern. Dies wäre nicht nur unbillig, sondern belastete den Patentverletzungsprozess auch in einem vermeidbaren Umfang mit der Aufgabe, die genaue Höhe einer nicht behindernden oder diskriminierenden Lizenzgebühr festzustellen. Denn der Lizenzsucher wird eher bereit sein, eine höhere, über dem aus seiner Sicht kartellrechtlich angemessenen Betrag liegende Summe zu hinterlegen, wenn ihm der – grundsätzlich weiterhin zu seiner Darlegungs- und Beweislast stehende – Einwand nicht abgeschnitten ist, eine Bestimmung der Lizenzgebühr durch den Patentinhaber in dieser Höhe sei unbillig. Der Patentinhaber bleibt auf der anderen Seite bei der Bestimmung der Lizenzgebühr vollständig frei; seine Bestimmung ist nur dann unbillig, wenn sie sich nicht an die ihm kartellrechtlich ohnehin gesetzten Schranken hält und den Lizenznehmer unbillig behindert oder gegenüber anderen Lizenznehmern diskriminiert.

b)
Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Streithelferinnen sind die in der Orange-Book-Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen verallgemeinerungsfähig und sie können durchaus auf die vorliegende Fallkonstellation erstreckt werden. Dem steht nicht entgegen, dass es im Einzelfall zu bestimmen gilt, ob die Voraussetzungen des Art. 102 AEUV erfüllt sind (vgl. EuGH, Urteil vom 21.2.1973, Slg. 1973, 215, Rn 22 – Continental Can; vgl. Temple Lang, Competition Law Insight, 30.6.2009, S. 3 f., vorgelegt als Anlage S&S 28).
Soweit sie meinen, der BGH habe in seiner Entscheidung europarechtliche Aspekte offengelassen bzw. missachtet (vgl. zur Kritik an der Orange-Book-Entscheidung in der Literatur: de Bronett, WuW 2009, 899 ff; Heimann, LMK 2009, 286659; Höppner, ZWeR 2010, 395 ff; Maume/Tapia, GRUR Int. 2010, 923 ff; Reimann/Hahn, Festschrift für Meibom, 2010, S. 373 ff; Ullrich, IIC 2010, 337 ff.; Wirtz, WRP 2011, 1392, 1404; vgl. Court the Hague, Az. 400367/ HA ZA 11-2212 u.a., Entscheidung vom 14. März 2012, Anlage B&B 102), vermag die Kammer sich dem nicht anzuschließen. Zunächst ist festzuhalten, dass der BGH in der Wiedergabe der entscheidungserheblichen Rechtsvorschriften ausdrücklich den Art. 82 EG (Art. 102 AEUV) nannte. Zudem ist das vom BGH entwickelte Hinterlegungsmodell nach Auffassung der Kammer durchaus mit dem vom EUGH entwickelten Effektivitätsgrundsatz (vgl. EUGH, Slg. 2006, I-6641 – Manfredi) vereinbar, da der BGH den Lizenzsuchenden sogar letztlich privilegiert, indem er diesem nicht die vorherige Erfüllung i.S.v. § 362 BGB aufbürdet, sondern auch eine seinen Interessen entgegen kommende Hinterlegung erlaubt. Insoweit missachtet die BGH-Entscheidung nicht den Vorrang des Gemeinschaftsrechts; es ist gewährleistet, dass interessierte Dritte eine Lizenz zu FRAND-Bedingungen erhalten können. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer – zumindest in dieser Instanz – auch keinen Anlass für eine entsprechende Vorlage an den EUGH nach Art. 267 AEUV.
Die vorliegende Fallkonstellation weist im Ergebnis auch keine Unterscheide von solcher Qualität zum Orange-Book-Fall auf, dass eine differenzierte Handhabung geboten wäre:

aa)
Dass die Klägerin bislang keinen Standardlizenzvertrag vorgelegt hat bzw. ihre Lizenzierungsbedingungen, vor allem zur Höhe der geforderten Lizenzen, nicht transparent gemacht habe, und dass vorliegend nicht die Lizenzierung eines bestimmten Patentes, sondern eines Portfolios in Rede stehe, wobei der Lizenzsucher noch nicht einmal wisse, in Bezug auf was – weltweites Portfolio, eine Patentfamilie oder das in Rede stehende Patent – ein Angebot abzugeben sei, ist unerheblich. Die betreffenden Praktikabilitätsüberlegungen verfangen nicht: Die Beklagte und die Streithelferinnen als „Kenner des Marktes“ sind in der Lage, ein solches Angebot zu machen, das die Klägerin bei rechtstreuem Verhalten nicht ablehnen dürfte. In diesem Zusammenhang ist wiederum zu beachten, dass der Lizenzsucher nach den Orange-Book-Kriterien gerade nicht zur Vorleistung durch Erfüllung gemäß § 362 BGB gezwungen ist, sondern nach § 372 BGB hinterlegen darf. Es steht ihm daher frei, einen Betrag zu hinterlegen, der in jedem Falle FRAND ist, so dass er später den etwaig überschießenden Teil kondizieren kann. Es ist dem Lizenzsucher, welcher den Patentinhaber kennt, auch eher zumutbar, das Risiko der Entreicherung und/oder der Insolvenz zu tragen. Jedenfalls wäre es für den Patentinhaber – würde man ihn als vorleistungspflichtig erachten – angesichts der Vielzahl potentieller Lizenzsucher schwieriger zu beurteilen, welche Unternehmen an Lizenzen interessiert sind, und deren Insolvenzrisiken einzuschätzen.

bb)
Auch der Umstand, dass im Orange-Book-Fall – anders als hier – keine allgemeine Lizenzerklärung erfolgt war, gebietet keine unterschiedliche rechtliche Handhabung. Wie oben bereits ausgeführt, hat eine allgemeine Lizenzerklärung keine Bedeutung, die über die kartellgesetzlich sich ergebende Rechtslage hinausginge. Insbesondere gebietet eine derartige allgemeine Lizenzerklärung es nicht, dass der Patentinhaber den ersten Schritt macht und von sich aus Lizenzsuchenden ein aus seiner Sicht FRAND-Bedingungen genügendes Lizenzangebot unterbreitet. Im Übrigen ist festzuhalten, dass sich der Orange-Book-Entscheidung des BGH jedenfalls keine Differenzierung zwischen einem auf Vertrag und auf Kartellrecht basierenden Lizenzeinwand entnehmen lässt; er hat vielmehr grundsätzlich, d.h. ohne auf seine „Quelle“ abzustellen, geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Zwangslizenzanspruch entgegengehalten werden kann. Die oben wiedergegebene Interessenlage betreffend die Situation beim kartellgesetzlichen Zwangslizenzeinwand entspricht derjenigen beim vertraglichen Lizenzeinwand. Nimmt der Verletzer ohne vorherige Einholung einer Lizenz – egal ob kartellrechtlichen oder vertraglichen Ursprungs – Benutzungshandlungen auf, kann er sich nur dann im Verletzungsprozess mit Erfolg auf den Kartellrechtseinwand berufen, wenn er sich wie ein redlicher Lizenznehmer verhält und den entsprechenden Pflichten eines solchen nachkommt. Angesichts dieser Interessenlage darf das Erfordernis eines Angebotes durch den Lizenzsuchenden auch nicht auf die Funktion, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nachzuweisen, beschränkt werden; insofern ist das Argument der Beklagten bzw. der Streithelferinnen, ein Missbrauch könne auch anderweitig belegt werden, unerheblich. Soweit eingewandt wird, dass astronomische Lizenzforderungen der Klägerin die Einhaltung der Orange-Book-Anforderungen unzumutbar machten, ist dies nicht verständlich. Sollten die Beklagte bzw. die Streithelferinnen den betreffenden Anforderungen genügen, wäre ein darüber hinausgehendes Begehren der Klägerin unbeachtlich.

cc)
Für die Interessenabwägung ist es unerheblich, wer Inhaber des standardgebundenen Schutzrechtes ist. Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 9 S. 2, 139 Abs. 1 PatG unterscheiden nicht nach der Person des Rechtsträgers. Dies gilt auch in Bezug auf Patentverwertungsgesellschaften. Eine Abweichung erscheint der Kammer auch nicht aufgrund des Umstandes geboten, dass die Klägerin als eine sog. non-practicing entity im Markt auftritt. Auch einem selbst nicht produzierenden/vertreibenden/forschenden Unternehmen muss die Möglichkeit verbleiben, nicht zur Zahlung von FRAND-Lizenzen bereite Dritte auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Ansonsten müsste der Inhaber eines standardessenziellen Patents, der auf die bloße Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen verwiesen würde, das Insolvenzrisiko derselben tragen. Deshalb geht es nicht an, ihm das Druckmittel einer Unterlassungsklage a priori zu versagen, auch wenn das eigentliche Ziel in einer monetären Kompensation für die Benutzung des Standards liegen mag. Insoweit verkennt die Kammer nicht, dass eine non-practicing entity nicht denselben (wirtschaftlichen) Risiken unterliegt wie ein selbst herstellender/forschender Patentinhaber. Gleichwohl ist eine unterschiedliche Behandlung einer non-practicing entity im Vergleich zu herkömmlichen Patentverwertungsgesellschaften aufgrund der vorbeschriebenen Interessenlage nicht geboten. Der Gefahr, dass eine non-practicing entity unter Ausnutzung der Notwendigkeit der Nutzung bestimmter technischer Lösungen überhöhte Lizenzgebühren durchsetzt, wird durch die in der Orange-Book-Entscheidung aufgestellten Grundsätze auch in diesem Falle wirksam begegnet.

dd)
Eine unterschiedliche rechtliche Handhabung ist auch nicht vor dem Hintergrund geboten, dass im Orange-Book-Fall lediglich ein bloßer de facto-Standard zugrunde gelegen habe, während es hier um einen branchenweiten, durch die Marktteilnehmer einvernehmlich gesetzten Industriestandard geht (vgl. LG Mannheim, InstGE 13, 65, 75 f. – UMTS-fähiges Mobiltelefon II). Damit ist keine Änderung der Interessenlage verbunden. Ebenso zeichnete sich nämlich der MPEG-2-Video-Standard, zu dem zahlreiche Urteile der Kammer bis zur BGH-Entscheidung „Orange-Book“ ergangen waren, dadurch aus, dass ihm eine Vielzahl von Patenten angehörte. Die grundsätzlichen Erwägungen des BGH treffen auch auf einen Industrie-Standard zu. Wiederum ist zu beachten, dass der Lizenzsucher, der vom (Industrie)Standard Gebrauch macht, nicht nur die entsprechenden Vorteile ziehen darf, sondern auch seinen Pflichten als Lizenznehmer nachkommen muss.

ee)
Unerheblich ist auch der Hinweis darauf, dass im Orange-Book-Fall bereits rechtskräftig über die Rechtsbeständigkeit des Patents entschieden gewesen sei. Der BGH stellte im Rahmen seiner Überlegungen nicht ausdrücklich darauf ab, dass der Rechtsbestand des dort betroffenen standardessenziellen Patentes rechtskräftig bestätigt sei. Vielmehr hob der BGH in allgemeiner Weise hervor, dass der Patentinhaber sich nicht auf ein bedingtes Angebot des Lizenzsuchers einlassen müsse (BGH, GRUR 2009, 694, 696 – Orange-Book). Eine Einschränkung in Bezug auf den Vorbehalt der Rechtsbeständigkeit des Patentes nimmt der BGH nicht vor. Abgesehen davon vermag dieser Unterschied zum Orange-Book-Fall die dort aufgestellten Grundsätze nicht in toto in Frage zu stellen. Allenfalls wäre die Frage aufzuwerfen, ob dem Patentinhaber im Falle des Angriffes auf die Rechtsbeständigkeit des Patentes zumindest ein Kündigungsrecht im Lizenzvertrag einzuräumen ist (bejahend OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. Januar 2012, Az.: 6 U 136/11). Dies kann vorliegend offen bleiben, weil hier den Orange-Book-Anforderungen aus anderen Gründen nicht genügt ist, wie unten näher ausgeführt wird.

ff)
Schließlich verfängt das Argument, das vorliegende Verfahren sei Teil einer Gesamtstrategie, mit der die Klägerin exzessiv überhöhte Lizenzforderungen durchzusetzen suche, nicht. Dass die Klägerin gleichzeitig in zahlreichen weiteren Verfahren gegen die Streithelferinnen vorgeht, entbindet diese nicht von ihren Obliegenheiten. Sie haben es selbst in der Hand, durch Beachtung der Orange-Book-Kriterien dieser vermeintlichen Strategie die Grundlage zu entziehen und so der vermeintlichen Forderung exzessiver Lizenzgebühren entgegen zu treten.

c)
Unstreitig hinterlegte die Beklagte selbst keine ihrer Ansicht nach angemessene Lizenzgebühr, so dass ihr allenfalls in ihrer Eigenschaft als Abnehmerin der Streithelferinnen zu 1) und 2) Missbrauchseinwände zustehen können. Ob der Ansicht der Klägerin, wonach der FRAND-Einwand aufgrund eines höchstpersönlichen Charakters nur im jeweiligen Schuldverhältnis und daher a priori allenfalls den Streithelferinnen zu 1) und 2) zustehen könne, zutrifft, bedarf keiner Entscheidung. Denn weder die Streithelferin zu 1) noch die Streithelferin zu 2) haben den Anforderungen gemäß der Orange-Book-Entscheidung ihrerseits Genüge getan.

aa)
Ob die Klägerin von der Streithelferin zu 1) unter Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung exzessive Lizenzgebühren begehrte und/oder Lizenzgebühren verlangte, die konstruktiv einer Lizenzverweigerung gleichkommen, und/oder in diskriminierender Weise höhere Lizenzgebühren als von Dritten verlangte, bedarf keiner Vertiefung. Denn die Streithelferin zu 1) kann all dies entsprechend den oben erörterten Orange-Book-Grundsätzen jedenfalls deshalb nicht mit Erfolg einwenden, weil sie – auch nach entsprechendem richterlichen Hinweis zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2012 – ihrerseits weder Rechnung über Benutzungshandlungen in der Vergangenheit legte, noch einen sich in Anwendung von FRAND-Kriterien ergebenden Lizenzbetrag gemäß §§ 372 ff. BGB hinterlegte. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob die von der Streithelferin zu 1) getätigten Angebote (vgl. Anlagenkonvolut S&S 17, S&S 18, S&S 20, S&S 21) „FRAND“ waren. Denn die Streithelferin zu 1) verhielt sich zumindest im Übrigen gerade nicht so, als sei ein entsprechender Lizenzvertrag mit der Klägerin bereits zustande gekommen: Die zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erbrachte Sicherheitsleistung in Höhe von 7,5 Mio. EUR (siehe Anlage S&S 22) – die sich überdies auf die Verfahren LG Mannheim 7 O 94/08 bzw. OLG Karlsruhe 6 U 38/09 bezieht – ist einer Hinterlegung gemäß §§ 372 ff. BGB nicht gleichzusetzen. Es handelt sich nämlich nicht um ein sog. Erfüllungssurrogat.
Mangels Rechnungslegung ist es weder für die Klägerin noch für die Kammer ansatzweise nachvollziehbar, wie die Streithelferin zu 1) die Beträge von 10.000.000 $ für eine Pauschallizenz bzw. 300.000 $ für eine Einzellizenz berechnete.
Soweit die Streithelferin zu 1) darauf verwiest, dass die Klägerin keinen Standardlizenzvertrag vorgelegt habe oder auch nur ansatzweise nachvollziehbare Konditionen aufgestellt/gefordert habe, verfängt dies aus den oben genannten Gründen nicht. Es oblag der Streithelferin zu 1), ihrerseits ein FRAND-Angebot zu unterbreiten und ihren betreffenden Pflichten durch eine Hinterlegung vorzugreifen.
Vor diesem Hintergrund bedarf es a priori keiner Anordnung der Kammer gemäß § 142 ZPO, J aufzugeben, den K-Lizenzvertrag gemäß § 142 ZPO vorzulegen. Ebenso wenig ist aufgrund des Vorstehenden eine missbräuchliche Rechtsausübung der Klägerin darin zusehen, dass sie durch Erhebung der vorliegenden Klage ihr Patent durchzusetzen sucht. Insbesondere ist der Übertragungsvertrag nicht wegen Nichtübernahme der Verpflichtungen aus den ETSI-FRAND-Erklärungen nichtig. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Aktivlegitimation verwiesen werden.

bb)
Auch die Streithelferin zu 2) genügte – ungeachtet der Hinterlegung von EUR 5 Millionen beim AG München und der behaupteten Hinterlegung weiterer EUR 35 Mio. bei der M Bank Plc – nicht den einschlägigen Anforderungen gemäß der BGH-Entscheidung „Orange-Book“. Dies gilt jedenfalls deshalb, weil die Streithelferin zu 2) nicht ordnungsgemäß abrechnete. Die Rechnungslegung gemäß Anlagen B&B 78, 78b sowie B&B 97 ist jedenfalls aus folgenden Gründen unzureichend:

aaa)
Zunächst ist festzuhalten, dass es unstreitig an einer Rechnungslegung für den Zeitraum ab September 2011 bis zur mündlichen Verhandlung am 22. März 2012 fehlt, worauf die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.2.2012 hinwies. Ihre Ankündigung, eine Lizenzgebührenaufstellung mit den jüngsten Lizenzumsätzen mit UMTS-fähigen Mobiltelefonen nachzureichen (vgl. Schriftsatz vom 15. März 2012, S. 25 unten), setzte die Streithelferin zu 2) nicht in die Tat um. Der betreffende Zeitraum von fast einem halben Jahr, für den jegliche Angaben fehlen, ist derart erheblich, dass die Rechnungslegung bereits deshalb nicht als ordnungsgemäß einzustufen ist: In der Praxis wird nämlich üblicherweise quartalsweise abgerechnet (vgl. Osterrieth, in: Pfaff, Lizenzverträge, 1999, Rn. 97). Insofern hätte die Streithelferin zu 2) zumindest für das 4. Quartal 2011 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung abrechnen müssen.
Ohne Erfolg macht die Streithelferin zu 2) geltend, dass die Maßgeblichkeit des Zeitraumes von fünf Jahren bis Februar 2010 „dem letzten Stand der Verhandlungen mit J entsprochen habe“. Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Zeitraum abschließend mit J vereinbart worden sei, so dass dahinstehen kann, ob die Klägerin daran gebunden wäre.

bbb)
Ferner hat die Abrechnung nach § 259 BGB wie bei einer Rechnungslegung für den Schadenersatz nach Lizenzanalogie zu erfolgen. Erforderlich sind daher Angaben zur Menge der hergestellten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse, der einzelnen Lieferungen (aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie Typenbezeichnungen) sowie grundsätzlich auch die Angabe der Namen und Anschriften der Abnehmer.
Diesen Anforderungen genügt die Rechnungslegung der Streithelferin zu 2) auch unter Berücksichtigung ihrer ergänzenden Angaben im Schriftsatz vom 15.3.2012 (ab Rn. 63) nicht. Jedenfalls ist ihr darin zu widersprechen, dass die Nennung der Abnehmer entbehrlich sei, da ein Auditrecht (vgl. Buchprüfervorbehalt gemäß Ziffer 5. der Anlagen B&B 42, 43) insoweit ausreichend sei. Da die Klägerin unstreitig nicht selbst herstellt und vertreibt, steht nicht zu befürchten, dass sie entsprechende Angaben zu Konkurrenzzwecken ausnutzen würde. Vor diesem Hintergrund ist die Streithelferin zu 2) zur Nennung der Abnehmer verpflichtet (vgl. Groß/Rohrer, Lizenzgebühren, 3. Auflage, 2012, Teil A, 15.1., S. 38).
Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob die Klägerin sich überhaupt mit einer „mosaikartigen“ Rechnungslegung die in verschiedensten Dokumenten (u.a. Schriftsatz gemäß Anlage B&B 98) enthalten ist, begnügen müsste (vgl. dazu Kühnen, a.a.O., Rn 1866).

3)
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand eines Verstoßes gegen Art. 101 AEUV i.V.m. § 33 GWB.
Zwar trifft es zu, dass die Vereinbarung branchenweiter Standards unter dem Aspekt des Art. 101 AEUV nur dann zulässig ist, wenn der Zugang zu dem Standard zu FRAND-Bedingungen gewährleistet ist. Auch mag sich die Wirkung des Art. 101 AEUV nicht nur auf eine Standardorganisation selbst, sondern auf jeden einzelnen Teilnehmer an dem Standardisierungsverfahren, der auch Beteiligter an der (potentiell) wettbewerbsbeschränkenden Festlegung des Standards ist, beziehen (vgl. Barthelmeß/Gauß, WuW 2010, 626, 629).
Die Kammer vermag sich indes nicht der Auffassung (vgl. Barthelmeß/Gauß, WUW 2010, 626, 629 ff.) anzuschließen, dass für die Berufung auf diesen Einwand gegenüber den sich aus dem Klagepatent ergebenden Ansprüchen andere Voraussetzungen als jene nach der oben im Einzelnen bereits angeführten BGH-Entscheidung „Orange-Book“ bestünden. Auf die im Rahmen der Ausführungen zu Art. 102 AEUV beschriebenen Interessenlage wird insoweit Bezug genommen. Diese ändert sich auch nicht vor dem Hintergrund der Horizontalleitlinien der Europäischen Kommission (Anlage S&S 1), wonach die Klägerin Lizenzen zu FRAND-Bedingungen einräumen muss. Auch insoweit hätte es daher der Beklagten bzw. den Streithelferinnen oblegen, ihrerseits ein FRAND-Angebot zu machen sowie ihren Verpflichtungen als Lizenznehmer nachzukommen.
Die Kammer sieht im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens keine Veranlassung, dem EUGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV die Frage, ob sich aus Art. 101 AEUV ein Einwand eines möglichen Patentverletzers gegenüber dem Inhaber eines standardessentiellen Patents aus Art. 101 AEUV ergibt, wenn der Patentinhaber kein Lizenzangebot nach FRAND-Bedingungen unterbreitet, zur Vorabentscheidung vorzulegen.

VI.

Weder aus § 33 GWB, Art. 102 AEUV noch aus § 826 BGB noch aus §§ 3, 4 Nr. 10, 9 UWG steht der Beklagten bzw. den Streithelferinnen unter dem Gesichtspunkt eines sog. „Patent-Ambushs“ (vgl. zum Begriff Fischmann, in: GRUR Int. 2010, 185 f.) ein Anspruch auf lizenzfreie Nutzung der technischen Lehre des Klagepatents zu. Insoweit kann unterstellt werden, dass die Klägerin, die selbst kein ETSI-Mitglied ist, das Klagepatent unter Angabe der Anmeldenummer hätte offenlegen müssen, dies jedoch vorsätzlich unterlassen habe. Offen gelassen werden kann auch, ob eine vermeintlich notwendige patentspezifische Offenlegung auch durch eine allgemeine FRAND-Verpflichtungserklärung ersetzt werden kann (vgl. Fröhlich, GRUR 2008, 205, 208 f.).
Die Verwerflichkeit eines derartigen Patenthinterhaltes ist darin begründet, dass der Patentinhaber durch die verspätete Offenlegung in der Lage ist, eine Monopolmacht zu begründen, die es ihm ermöglicht, eine Wertschöpfung an sich zu reißen, die sich nicht (schon) aus der der Erfindung zu Grunde liegenden schöpferischen Leistung ergibt, sondern die eben erst durch die Schaffung des Standards erzielt wird. Dazu kommt es, wenn wesentliche Patente gar nicht oder verspätet zu einem Zeitpunkt offengelegt werden, an dem der Standard bereits eingeführt und von der Industrie verwendet wird. Soweit die Problematik in der Literatur erörtert wird, findet sich der überzeugende Lösungsvorschlag, Rechtsfolge eines Patent-Ambush solle eine Lizenzierungsverpflichtung des Schutzrechtsinhabers sein (vgl. Fischmann, GRUR Int. 2010, 185, 194; vgl. Schnelle, in: GRUR-Prax 2010, 169 unter 4. „Patenthinterhalt“). Dieser Ansicht gebührt insbesondere deshalb der Vorzug, weil auf eine Lizenz am Patent angewiesene Dritte so gestellt werden sollen, als habe die Schutzrechtsinhaberin ihre Verpflichtung zur Offenlegung ordnungsgemäß erfüllt. Dann aber wäre die Rechtsstellung der Beklagten bzw. der Streithelferinnen so, dass sie zur Benutzung der technischen Lehre des Klagepatents auch nur zu FRAND-Bedingungen berechtigt wären, wobei auch insoweit die entsprechenden „Orange-Book-Grundsätze“ einschlägig wären. Demgegenüber kann nicht überzeugend eingewandt werden, ein Patentinhaber habe bei dieser Lösung keinen Anlass mehr, Patente gegenüber der Standardisierungsorganisation offenzulegen, wenn er auch ohne Offenlegung ohnehin eine FRAND-Lizenz beanspruchen könne: Zum einen kennt das deutsche Schadensersatzrecht keine Straffunktion des Schadensersatzes, sondern es ist nach den Grundsätzen der Naturalrestitution der gleiche wirtschaftliche Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Zum anderen ist zu beachten, dass einem einen Patenthinterhalt begehenden Schutzrechtsinhaber kartellrechtliche Sanktionen drohen, was sowohl spezial- als auch generalpräventive Wirkung hat.

VII.

Aus der Verletzung des Klagepatents ergeben sich folgende Rechtsfolgen, zu deren Geltendmachung die Klägerin aufgrund ihrer Eintragung als Patentinhaberin aktiv legitimiert ist:

1)
Da die Beklagte den Gegenstand des Klagepatents unberechtigt benutzt hat, ist sie der Klägerin gegenüber gemäß §§ 139 Abs. 1, 9 Nr. 1 PatG verpflichtet, es zu unterlassen, die angegriffenen Ausführungsformen anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

a)
Der Zuerkennung des Unterlassungsanspruchs steht nicht der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entgegen.
Richtig ist zwar, dass bei der Anwendung des § 139 PatG – soweit das Gemeinschaftsrecht reicht – der europarechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen ist (vgl. EuGH, GRUR 2009, 579 ff.; GRUR 2009, 599 ff; vgl. Heusch, in: Festschrift Meibom 2010, S. 135 ff.; vgl. Art. 3 Abs. 2und Erwägungsgrund 17 der Enforcement-Richtlinie (RL 2004/48/EG)).
Die demnach gebotene Prüfung, ob die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung dem europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspräche, führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass unter Abwägung der widerstreitenden Interessen unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Einzelfalls eine Einschränkung des Unterlassungsanspruchs nicht geboten ist. Insofern ist die Kammer weder in direkter Weise an der Anwendung des § 139 PatG gehindert noch ist eine Verurteilung zur Unterlassung über die Generalklausel des § 242 BGB als „Einfallstor“ für den europarechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen.

Auszugehen ist von folgendem Grundsatz (vgl. LG Mannheim, InstGE 11, 9 – UMTS-fähiges Mobiltelefon, Leitsatz Nr. 2): Auch einer reinen Patentverwertungsgesellschaft steht grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Setzt sie diesen durch, um Verletzer zur Lizenznahme zu bewegen, ist das grundsätzlich weder schikanös noch rechtsmissbräuchlich. Vielmehr liegt darin ein der geltenden Rechts- und Wirtschaftsordnung immanentes, erlaubtes Verhalten begründet. Soweit die Beklagte bzw. die Streithelferinnen auch diesbezüglich anführen, die Klägerin als reine Patentverwertungsgesellschaft habe an der Durchsetzung ihres angeblichen Unterlassungsanspruchs kein Interesse, gilt das zum vermeintlichen kartellrechtlichen Missbrauch Ausgeführte entsprechend. Insoweit verkennt die Kammer nicht den Umstand, dass die Beklagte bzw. die Streithelferinnen auf die Benutzung des standardessenziellen Klagepatents angewiesen sind, sowie den sogenannten lock-in-Effekt im Hinblick auf ihr Vertrauen, eine Lizenz zu erhalten. Solange sie nämlich den Orange-Book-Anforderungen nicht genügen, sind sie nicht schutzbedürftig. Im Hinblick auf die genannte Interessenlage kann die Beklagte die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs auch nicht durch Sicherheitsleistung abwenden.
Aus entsprechenden Gründen scheitert die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs vorliegend nicht im Wege einer teleologischen Reduktion des § 139 PatG.
In Ausübung des ihr zustehenden Ermessens sieht die Kammer davon ab, dem EuGH die Frage zu Ziffer (IV) des Schriftsatzes der Streithelferin vom 21.2.2011 (Blatt 361 GA) vorzulegen.

b)
Schließlich ist die Klägerin an der Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs auch nicht unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten gehindert. Eine gezielte Behinderung der Beklagten im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 10 UWG ist nicht ersichtlich.

Eine „gezielte Behinderung“ im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 10 UWG meint regelmäßig eine zielgerichtete Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten eines Mitbewerbers (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Auflage, 2012, § 4 Rn 10.6).
Keiner der insoweit von der Beklagten bzw. den Streithelferinnen vorgebrachten Aspekte greift durch:

An einer Beteiligung der Klägerin an einem vermeintlichen Vertragsbruch Js fehlt es schon aus grundsätzlichen Erwägungen. Wie oben näher ausgeführt, stellen die ETSI-FRAND-Erklärungen Js bloße deklaratorische Äußerungen dar. Damit fehlt es schon an vertraglichen Beziehungen zu Dritten, die gebrochen werden könnten.

Aufgrund entsprechender Erwägungen lässt sich auch nicht feststellen, dass die Klägerin in unlauterer Weise versuche, einen etwaigen Vertragsbruch Js in unlauterer Weise auszunutzen, indem sie ihre standardessenziellen Patente ausschließlich als Druckmittel zum Abschluss eines Lizenzvertrages zu überhöhten Lizenzgebühren einsetze. Die Klägerin umgeht keine vertraglichen Verpflichtungen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Klägerin den Unterlassungsanspruch durchsetzt, um die Beklagte bzw. die Streithelferinnen zur Zahlung von Lizenzgebühren zu FRAND-Bedingungen anzuhalten. Insoweit kann auf die Ausführungen zu Art. 102 AEUV sowie zur Verhältnismäßigkeit verwiesen werden.

c)
Soweit die Beklagte bzw. die Streithelferinnen teilweise schon anderenorts (wiederholt) vorgebrachte Argumente zusätzlich unter das allgemeine bürgerlich-rechtliche Verbot missbräuchlichen Verhaltens fassen möchten (§ 242 BGB, „missbräuchliche Gesamtstrategie“), scheitert dies in entsprechender Weise aus den jeweils andernorts genannten Gründen. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass die Durchführung von Teilanmeldungen gesetzlich ausdrücklich zulässig ist. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin insoweit eine formale Rechtsstellung missbräuchlich ausnutze. Insbesondere ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass eine Patentfamilie, die aus vier erteilten Schutzrechten sowie zwei Anmeldungen besteht, vergleichsweise klein ist. Auch der Vorwurf fehlender Transparenz ist nicht begründet: Die Beklagte und die Streithelferinnen kennen den Schutzumfang der Ursprungsanmeldung und können sich insofern darauf einstellen, welche Ansprüche nach Einschränkungen des Schutzbereichs virulent werden können. Ebenso wenig rechtfertigt der Umstand, dass die Klägerin in mehreren Staaten gegen Benutzungshandlungen vorgeht und insoweit beispielsweise von einer Beschlagnahme Gebrauch macht, einen Missbrauchsvorwurf. Eine Vergleichbarkeit mit der Fallkonstellation im zum Markenrecht ergangenen Urteil „Classe E“ (BGH, NJW-RR 2001, 975) vermag die Kammer nicht zu erkennen; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin Dritten die Benutzung der technische Lehre des Klagepatents überhaupt nicht ermöglichen wolle.

2)
Die Beklagte hat der Klägerin darüber hinaus Schadensersatz gem. § 139 Abs. 2 PatG zu leisten. Denn als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Überdies ist es hinreichend wahrscheinlich, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist, der von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt. Ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung ist demnach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3)
Damit die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch beziffern kann, ist die Beklagte ihr gegenüber zur Rechnungslegung verpflichtet, §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagte hat zudem über den Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen, § 140b PatG. Die danach geschuldeten Angaben sind in der Urteilsformel zu I. 2 mit den Angaben zusammengefasst, die zum Zwecke der Rechnungslegung vorzunehmen sind.

4)
Der Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen folgt aus § 140a Abs. 1 PatG, der Anspruch auf Rückruf aus § 140a Abs. 3 PatG.

Der Vernichtungsanspruch ist nicht nach § 140a Abs. 4 PatG wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen.
Unverhältnismäßig kann eine (vollständige) Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen sein, wenn eine Teilvernichtung ausreicht oder eine objektive Abwägung der Interessen des Patentinhabers und des Verletzers dies ergibt, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn der Verletzer schuldlos handelte oder nur mit einem geringen Grad an Schuld, der Eingriff in das Klagepatent nicht allzu schwer wiegt, die Kosten der Vernichtung außer Verhältnis zum Nutzen der Vernichtung stehen, bei dem Verletzer durch die Vernichtung ein erheblicher Schaden eintritt, der außer Verhältnis zu dem durch die Verletzung eingetretenen wirtschaftlichen Schaden steht oder wenn von einer unzulässigen Rechtsausübung auszugehen ist. Da die Vernichtung bei einer Patentverletzung der gesetzlich vorgesehene Regelfall ist und der Vernichtungsanspruch zudem auch generalpräventive Zwecke verfolgt, ist der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung eng. Die Darlegungs- und Beweislast für eine Unverhältnismäßigkeit trägt der Beklagte (OLG Düsseldorf, InstGE 7, 139 – Thermocycler).
Die Beklagte hat keine konkreten Tatsachen vorgebracht, die eine der genannten Ausnahmesituationen stützen könnten. Sie beschränkt sich auf den Hinweis, dass die Klägerin ein nichtproduzierendes Rechteverwertungsunternehmen ist. Dies begründet für sich genommen keine Unverhältnismäßigkeit. § 140a Abs. 1 PatG steht jedem eingetragenen Patentinhaber zu Seite; es findet sich im Gesetz nicht die zusätzliche Anforderung, dass die Vernichtung nur von auf dem Markt selbst tätigen Wettbewerbern begehrt werden dürfte. Der Gesetzgeber hat vielmehr eine Prüfung im jeweiligen Einzelfall vorgesehen, was bedeutet, dass besondere Umstände vorzutragen sind. An solchen fehlt es.

VIII.
1)
Eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO ist nicht geboten. Insoweit handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, für die nach der Rechtsprechung der Kammer die zu prognostizierende Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsbestandsangriffs eine wesentliche Rolle spielt.

Auf der Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes ist nicht von einer überwiegenden Erfolgswahrscheinlichkeit des Einspruchs gegen das Klagepatent auszugehen. Mit Bescheid vom 8.11.2011 (Anlage K 24) hat das EPA seine vorläufige Ansicht zum Einspruch mitgeteilt. Der vorläufigen Einschätzung, die auf allen von den Einsprechenden angeführten Entgegenhaltungen basiert, kann nicht entnommen werden, dass der Widerruf des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich ist. Das EPA hat vielmehr erwähnt, dass es weder von einer unzulässigen Erweiterung noch von einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme – insbesondere nicht mit Blick auf den TETRA-Standard – ausgeht. Der Bescheid spricht in diesen Punkten somit ausdrücklich gegen eine überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit des Einspruchs. Soweit es in dem Bescheid heißt, dass das EPA beabsichtige den Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit mit Blick auf bestimmte Kombinationen zu prüfen, sind die Erfolgswahrscheinlichkeiten offen. Welche vorläufige Einschätzung das EPA zur erfinderischen Tätigkeit hat und dass diese zu einem Widerruf führen wird, ist nicht ersichtlich.
Dass die vorläufige Einschätzung des EPA offenkundig fehlerhaft ist und keinen Bestand haben kann, und sich für die erfinderische Tätigkeit keinerlei vernünftiges Argument mehr finden lässt, ist für die mit technischen Laien besetzte Kammer auf dem hier in Rede stehenden Technikgebiet nicht ersichtlich.

2)
Auch eine Aussetzung nach Art. 16 Abs. 1 VO 1/2003 im Hinblick auf ein kürzlich gegen K eingeleitetes Kartellverfahren betreffend die Durchsetzung standardessentieller Patente, für die eine ETSI-FRAND-Erklärung abgegeben wurde (vgl. die Presseerklärung gemäß Anlage B&B 99), ist nicht veranlasst. Es ist – auch unter Berücksichtigung der weiteren Presseerklärung gemäß Anlage B&B 100 – derzeit nicht ersichtlich, dass die Europäische Kommission eine Entscheidung zu erlassen beabsichtigt, mit der das vorliegende Urteil nicht in Einklang zu bringen sein wird.

IX.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, § 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.

Die (Hilfs-)Anträge der Beklagten und der Streithelferinnen auf Vollstreckungsschutz bleiben ohne Erfolg.
Voraussetzung für den Erfolg eines Antrages nach § 712 ZPO wäre, dass der Beklagten und/oder den Streithelferinnen durch die Vollstreckung des Urteils ein nicht zu ersetzender Nachteil entsteht. Ein solcher kann allenfalls in Bezug auf das Unterlassungs- und das Rückrufgebot in Betracht kommen, da ein (Schadenersatz-)Feststellungsanspruch keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat und im Rahmen der Auskunft und Rechnungslegung ein Wirtschaftsprüfervorbehalt eingeräumt wurde (OLG Düsseldorf, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe; OLG Düsseldorf GRUR 1979, 188). Ausreichenden Schutz gegenüber der Vollstreckung aus der Kostengrundentscheidung bietet § 717 Abs. 3 S. 2 ZPO. Hinsichtlich des Unterlassungstitels gilt jedoch, dass im Rahmen der nach § 712 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel von einem überwiegenden Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines zeitlich begrenzten Anspruchs auszugehen ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.07.2009 – I-2 U 23/08, BeckRS 2010, 21820; OLG Düsseldorf, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Grundsätzlich ist deshalb ein erweiterter Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO in Patentsachen zu verweigern. Er kann nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, die im Einzelnen vorzutragen und gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind. Der Vortrag der Beklagten und der Streithelferinnen reicht hierzu nicht aus. Sie beschränken sich darauf vorzutragen, es handele sich bei der technischen Lehre des verletzten Anspruchs 1 um einen nur theoretischen Anwendungsbereich, da die beanspruchte Zugriffsschwellwertauswertung bei den angegriffenen Ausführungsformen wegen der vom UMTS-Netz der Beklagten, N sowie von O und P übermittelten Werte niemals tatsächlich zur Anwendung komme. Damit wenden sich die Beklagte und die Streithelferinnen im Grunde nur gegen die Feststellung der Verletzung; ein substantiierter Vortrag zu etwaigen, bei ihnen eintretenden Nachteilen ist dies nicht. Dem Vorbringen ist ebenso wenig zu entnehmen, dass es sich bei den etwaigen Nachteilen um solche handeln würde, die über die üblichen Folgen eines Unterlassungs- und/oder Rückrufgebotes hinausgehen und nicht wieder gut zu machen wären. Es ist insbesondere nicht dargetan und glaubhaft gemacht, dass bei einem Verbot des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen eine Insolvenz droht.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 30.000.000,00 € festgesetzt, §§ 63 Abs. 2 S. 1, 48, 39 Abs. 2 GKG.