4b O 169/09 – Reifenreparatursystem

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1805

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Januar 2012, Az. 4b O 169/09

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters DE 201 22 XXX U1 (Anlage K 1, im folgenden: Klagegebrauchsmuster), das am 13.02.2001 angemeldet wurde. Das Klagegebrauchsmuster wurde am 11.09.2008 eingetragen, am 16.10.2008 erfolgte die Veröffentlichung im Patentblatt. Auf einen Löschungsantrag der Beklagten hat das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) das Klagegebrauchsmuster in dem zuletzt mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Umfang aufrecht erhalten. Das Klagegebrauchsmuster ist am 28.02.2011 durch Ablauf der Schutzdauer erloschen. Es betrifft eine Vorrichtung zum Ausbringen von Reifendichtmittel.

Die Klägerin stützt ihre Klage auf die Kombination der Ansprüche 1, 3, 4 und 6, wobei sie gemäß der Entscheidung des DPMA den Anspruch 1 insoweit eingeschränkt hat, dass das dort ursprünglich vorgesehene Wort „zumindest“ vor den Worten „ein Ventil“ entfällt. Die in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1, 3, 4 und 6 lauten nunmehr wie folgt:

„Vorrichtung zum Ausbringen von Reifendichtmittel aus einem Behälter (1), welchem ein Entnahmeelement (2.1 bis 2.3) zum Ausbringen von Reifendichtmittel zugeordnet ist, dadurch gekennzeichnet dass das Entnahmeelement (2.1 bis 2.3) ein Ventil (12.1 bis 12.3) aufweist.“

(Anspruch 1)

„Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Ventil (12.1 bis 12.3) einen Einlass (3) und einen Auslass (4) aufweist, wobei an den Einlass (3) eine Luftquelle (6), insbesondere eine Luftdruckquelle und an den Auslass (4) eine Verbindungsleitung (8) zum Verbinden mit einem Reifen (9) anschließbar ist.“

(Unteranspruch 3)

„Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass in einer ersten Einstellung des Ventils (12.1 bis 12.3) über zumindest einen Bypass (16) Einlass (3) und Auslass (4) miteinander verbindbar sind.“

(Unteranspruch 4)

„Vorrichtung nach wenigstens einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass in einer zweiten Position des Ventils (12.1 bis 12.3) eine Verbindung zwischen Einlass (3) und Behälter (1) sowie Behälter (1) und Auslass (4) hergestellt ist.

(Unteranspruch 6)

Zur Veranschaulichung sind nachfolgend (verkleinert) die Figuren 1 und 3 der Klagegebrauchsmusterschrift eingeblendet. Figur 1 zeigt einen schematisch dargestellten Längsschnitt durch eine Vorrichtung zum Ausbringen von Reifendichtmittel auf einem Behälter mit einem Entnahmeelement, Figur 3 zeigt einen solchen Längsschnitt durch ein weiteres Ausführungsbeispiel der Vorrichtung.

Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „A“ ein Reifenreparatursystem (im folgenden: angegriffene Ausführungsform), dessen Aufbau der nachstehend (verkleinert) eingeblendeten Abbildung, die der Anlage K 6 entstammt, entnommen werden kann.

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagegebrauchsmusters Gebrauch. Das Klagegebrauchsmuster sei auch rechtsbeständig, da die ihm zugrunde liegende Erfindung zum Prioritätszeitpunkt neu gewesen sei und auf einem erfinderischen Schritt beruhe.

Die Klägerin hat ihren ursprünglich gestellten Antrag an den Wortlaut der Entscheidung des DPMA im Löschungsverfahren angepasst.

Im Hinblick auf den Ablauf der Schutzdauer des Klagegebrauchsmusters haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2011 den Rechtsstreit bezüglich des ursprünglich ebenfalls gestellten Unterlassungsantrages, der gerichtet war auf Unterlassung des Herstellens, Anbietens, In-Verkehr-Bringens, Gebrauchens oder des Einführens oder Besitzens zu den genannten Zwecken, übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

I. die Beklagte zu verurteilen,

1. ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) im Zeitraum vom 16.11.2008 bis zum 28.02.2011

Vorrichtungen zum Ausbringen von Reifendichtmittel aus einem Behälter, welchem ein Entnahmeelement zum Ausbringen von Reifendichtmittel zugeordnet ist, wobei das Entnahmeelement ein Ventil aufweist und das Ventil einen Einlass und einen Auslass aufweist, an den Einlass eine Luftdruckquelle und an den Auslass eine Verbindungsleitung zum Verbinden mit einem Reifen anschließbar ist und in einer ersten Einstellung des Ventils über zumindest einen Bypass Einlass und Auslass miteinander verbindbar sind und in einer zweiten Position des Ventils eine Verbindung zwischen Einlass und Behälter sowie Behälter und Auslass hergestellt ist,

in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in den Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen hat,

und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten (oder bei Fremdbezug: der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Besitzer und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer),

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Schaltungszeiträume, der Internet-adressen sowie der Zugriffszahlen,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;

2. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

3. die vorstehend zu I.1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, darüber schriftlich informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters DE 201 22 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises beziehungsweise eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- beziehungsweise Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, sowie die Erzeugnisse aus den Vertriebswegen endgültig zu entfernen, indem die Beklagte die Erzeugnisse entweder wieder an sich nimmt oder deren Vernichtung bei dem jeweiligen Besitzer veranlasst;

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,

der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, im Zeitraum vom 16.11.2008 bis zum 28.02.2011 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorwurf der Verletzung nicht entgegen. Sie meint, das Klagegebrauchsmuster sei nicht schutzfähig. Die dem Klagegebrauchsmuster zugrundeliegende Erfindung sei weder neu noch beruhe sie auf einem erfinderischen Schritt. Insbesondere nähmen die WO 1999/14XXX A1 (Anlage B 2-E 3) sowie die US 4,765,XXX (Anlage B 2-E 1) die Erfindung des Klagegebrauchsmusters neuheitsschädlich vorweg. Die Erfindung des Klagegebrauchsmusters hebe sich auch nicht durch einen erfinderischen Schritt von der letztgenannten Druckschrift ab. Dasselbe gelte auch für die DE 198 46 XXX A1 (Anlage B 2-E 2) sowie für die Kombination der beiden Druckschriften. Zudem ist die Beklagte der Auffassung, sie habe ein Vorbenutzungsrecht an der Erfindung. Sie habe in Zusammenarbeit mit der C die angegriffene Ausführungsform vor dem Prioritätszeitpunkt entwickelt. Dies ergebe der Entwicklungsvertrag (Anlage B 7), der am 29.09.2000 zwischen ihr und der C geschlossen worden sei. Sie behauptet, im Rahmen dieser Zusammenarbeit habe die C bereits im November 2000 Konstruktionszeichnungen (Anlage B 8) an sie (die Beklagte) geleitet (Zeichnungen 7 und 13 der Anlage B 8). Sie meint, diese zeigten das von ihr entwickelte Pannenset bereits vollständig. Darüber hinaus behauptet die Beklagte, die C habe Herrn D, dem zuständigen Mitarbeiter bei der Beklagten, am 12.01.2001 eine Mail (Anlage B 9) mit weiteren Zeichnungen (Anlage B 10) gesendet. Auch diese – so meint die Beklagte – würden den Aufbau des Pannensets zeigen. Weiter behauptet sie, funktionsfähige Prototypen des Pannensets seien am 01.02.2001 im Rahmen einer Präsentation E vorgestellt und ihre serienmäßige Lieferung angeboten worden. Zuvor habe es schon ein schriftliches Angebot gegeben. Sie ist der Ansicht, auch die Patentanmeldung EP 1 372 XXX A1, die eine dänische Priorität in Anspruch nehme, die nur drei Tage nach der Anmeldung des Klagegebrauchsmusters liege, lasse den Erfindungsbesitz erkennen. Der Erfindungsbesitz sei durch eine Vermarktungsentscheidung vom 12.09.2000 bereits betätigt worden. Dies lasse sich auch aus dem Bau von Prototypen vor dem 25.01.2001 und deren Verfügbarkeit seit spätestens dem 25.01.2001 und dem Angebot an E vom 01.02.2001 erkennen.

Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte zum Prioritätszeitpunkt im Besitz der Erfindung gewesen sei bzw. einen solchen Erfindungsbesitz bestätigt habe. Sie hat jedenfalls vor der Beweisaufnahme vom 06.09.2011 behauptet, am 01.02.2001 hätten der Beklagten noch keine funktionsfähigen Prototypen vorgelegen. Die Firma C (unstreitig Hersteller der Prototypen) habe Prototypen in insgesamt drei Lieferungen an die Beklagte geliefert. Die erste Lieferung habe handgefertigte, nicht funktionsfähige Prototypen zum Gegenstand gehabt und sei bis 22.01.2001 erfolgt; drei weitere (handgefertigte) Prototypen hätten bis zum 05.02.2001 geliefert werden sollen und zehn weitere, in einer Form hergestellte Prototypen, hätten im Februar 2001 geliefert werden sollen; erst als etwa Mitte Februar die Erfindung tatsächlich fertig und serienreif gewesen sei, habe die C ein Patent angemeldet.

Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, selbst wenn bei der Präsentation bei E am 01.02.2001 Prototypen gezeigt worden sein sollten, habe es sich dabei um nicht verkäufliche gehandelt; deren einmalige Anfertigung stelle keine Benutzung eines eventuellen Erfindungsbesitzes dar.

Zudem erhebt die Klägerin die Einrede der widerrechtlichen Entnahme, da die Beklagte zumindest unredlich an den Besitz der Erfindung gelangt sei.

Die Kammer hat durch die beauftragte Richterin Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 23.09.2010 (Bl. 110 GA) und vom 06.06.2011 (Bl. 216 f. GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 07.12.2010 (Bl. 131b ff. GA) und vom 06.09.2011 (Bl. 261 ff. GA) verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagegebrauchsmusters zwar wortsinngemäßen Gebrauch. Die Benutzung ist aber nicht rechtswidrig, da der Beklagten bezüglich der angegriffenen Ausführungsform ein Vorbenutzungsrecht zusteht.

I.
Das Klagegebrauchsmuster betrifft eine Vorrichtung zum Ausbringen von Reifendichtmittel aus einem Behälter, welchem ein Entnahmeelement zum Ausbringen von Reifendichtmittel zugeordnet ist.

Derartige Vorrichtungen sind aus dem Stand der Technik bekannt. Die Klagegebrauchsmusterschrift verweist insoweit auf die DE 199 48 XXX.5, die eine ähnliche entsprechende Vorrichtung beschreibt (Klagegebrauchsmuster Absatz [0002]). Ferner sind Vorrichtungen zum Ausbringen von Reifendichtmittel im Markt bekannt, die sehr große aufwendige apparative Elemente enthalten, um beispielsweise einen Behälter mit Reifendichtmittel aufzunehmen und zu entleeren (Klagegebrauchsmuster Absatz [0003]).

Das Klagegebrauchsmuster kritisiert als nachteilig bei derartigen Vorrichtungen, dass sie sehr viel Raum, beispielsweise in einem Kofferraum eines Autos einnähmen und sehr hohes Gewicht aufwiesen, was unerwünscht sei. Diese seien zudem teuer in der Herstellung und insbesondere aufwendig zu warten, was insbesondere das Austauschen der Behälter mit Reifendichtmittel betreffe. Zudem seien diese umständlich zu bedienen, da beispielsweise sämtliche Verbindungsleitungen zum Kompressor zur Entnahmevorrichtung aufwendig geschlossen werden müssten. Ferner müsse dann beispielsweise der Behälter mit Reifendichtmittel geöffnet werden und mit der Entnahmevorrichtung verbunden werden (Klagegebrauchsmuster Absatz [0003]).

Ausgehend von diesem Stand der Technik stellt sich das Klagegebrauchsmuster die Aufgabe (Absatz [0004]), eine Vorrichtung der eingangs genannten Art zu schaffen, welche die genannten Nachteile beseitigt, mit welcher eine sehr kostengünstige komfortable Bedienung möglich ist. Zudem soll die Vorrichtung kostengünstig herzustellen, leicht zu bedienen und bei geringstem Einbauraum in jedem beliebigem Fahrzeug unterbringbar sein.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster in der von der Klägerin geltend gemachten Kombination des eingeschränkten Anspruchs 1 mit den Ansprüchen 3, 4 und 6 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:

1. Vorrichtung zum Ausbringen von Reifendichtmittel aus einem Behälter (1).

2. Dem Behälter (1) ist ein Entnahmeelement (2.1 bis 2.3) zum Ausbringen von Reifendichtmittel zugeordnet.

3. Das Entnahmeelement (2.1 bis 2.3) weist ein Ventil (12.1 bis 12.3) auf.

3.1 Das Ventil (12.1 bis 12.3) hat einen Einlass (3) und einen Auslass (4).

3.1.1 An den Einlass (3) ist eine Luftquelle (6) und

3.1.2 an den Auslass (4) eine Verbindungsleitung (8) zum Verbinden mit einem Reifen (9) anschließbar.

3.2 In einer ersten Einstellung des Ventils (12.1 bis 12.3) sind über einen Bypass Einlass (3) und Auslass (4) miteinander verbindbar und

3.3 in einer zweiten Einstellung des Ventils (12.1 bis 12.3) ist eine Verbindung zwischen Einlass (3) und Behälter (1) sowie Behälter (1) und Auslass (4) hergestellt.

II.
Das Klagegebrauchsmuster ist im geltend gemachten Umfang rechtsbeständig, da es neu ist und auf einem erfinderischen Schritt beruht (§ 1 Abs. 1 GebrMG). Dafür spricht schon die als Anlage K 16 vorgelegte Entscheidung des DPMA, mit der dieses das Klagegebrauchsmuster insoweit aufrecht erhalten hat.

1.
Die WO 1999/14XXX A1 (Anlage B 2-E 3) nimmt das Klagegebrauchsmuster nicht neuheitsschädlich vorweg.

Das Merkmal 3.1, wonach das Ventil (12.1 – 12.3) einen Einlass (3) und einen Auslass (4) aufweisen muss, wird durch die WO 1999/14XXX A1 nicht offenbart. Entgegen der Auffassung der Beklagten gibt das Klagegebrauchsmuster zwingend vor, dass ein einziges Ventil sowohl einen Einlass als auch einen Auslass haben muss. Dies ergibt sich bereits aus der vorgenommenen Einschränkung, wonach das Wort „zumindest“ vor den Worten „ein Ventil“ entfällt. Merkmal 3.1 präzisiert die Ausgestaltung dieses Ventils. Ferner gebietet die technische Funktion, die durch das Ventil erreicht wird, diese Auslegung. Das Klagegebrauchsmuster lehrt, dass das erfindungsgemäße Ventil unterschiedliche Positionen schalten kann. Zum einen ist ein vollständiges Verschließen von Einlass und Auslass zum Behälter möglich ([Klagegebrauchsmuster Absatz [0006]). In einer zweiten Position werden Verbindungskanäle und Kanäle zum Behälterinneren zum Ausbringen von Reifendichtmittel freigeschaltet, während eine weitere Position ein reines Durchschalten von Einlass und Auslass, ohne dass Luft durch den Behälter strömt, ermöglicht. Hiermit kann der Reifen mit Luft aufgepumpt werden oder der Verbindungsschlauch gereinigt werden (Klagegebrauchsmuster Absatz [0007]). Letztere Funktionsmöglichkeit kann nur durch ein Ventil erreicht werden, welches sowohl den Einlass als auch den Auslass aufweist. Anderenfalls müsste zwangsläufig Luft durch den Behälter strömen. Dass dies auch bei der WO 1999/14XXX A1 möglich wäre, ist nicht ersichtlich. Zwar können die Verschlussstellen (60, 62) als Ventil ausgestaltet sein (S. 8, Z. 35-37 der WO 1999/14XXX A1; Anlage B 2-E 3). Ihre Funktion ist allein, beim Öffnen der ersten Verschlussstelle mittels Drucks die Flickflüssigkeit in den Reifen zu lassen und beim Öffnen der zweiten Verschlussstelle Druckgas in den Reifen zu bringen (S. 3, Sp. 28 – S. 4, Sp. 7 der WO 1999/14XXX A1, Anlage B 2-E 3). Weitere Positionen und damit verbundene weitere Funktionen sind durch diese Lösung technisch ausgeschlossen.

Auch ist Merkmal 3.3 nicht durch die WO 1999/14XXX A1 vorveröffentlicht, da eine Verbindung zwischen Einlass und Behälter hier nicht vorgesehen ist. Ausweislich des Wortlauts von Merkmal 3.3 bedarf es einer direkten Verbindung zwischen dem Behälter, der das Flickmittel enthält, und dem Einlass. Dies ist bei der Entgegenhaltung nicht gegeben. Nach der WO 1999/14XXX A1 wird die Flasche (50), die die Flickflüssigkeit enthält und in einem Druckbehälter (56) angeordnet ist, von außen mit Druck beaufschlagt. Hierdurch wird der Kompressionsraum (54) vergrößert und damit die Flasche zusammengedrückt. Dann wird die erste Verschlussstelle geöffnet und das Reifendichtmittel in den Reifen befördert. Dies bedeutet, dass gerade keine direkte Verbindung zwischen Einlass und Behälter gegeben ist, da das Druckgas nicht in die Flasche eingelassen wird, sondern in den Druckbehälter und dort auf die Flasche einwirkt.

2.
Das Klagegebrauchsmuster ist auch gegenüber der US 4,765,XXX und der DE 198 46 XXX A1 neu und erfinderisch.

a.
Das Klagegebrauchsmuster ist gegenüber der US 4,765,XXX und der DE 198 46 XXX A1 neu.

In keiner der beiden Druckschriften ist das Merkmal 3.3 offenbart, wonach in einer zweiten Einstellung des Ventils eine Verbindung zwischen Einlass und Behälter sowie Behälter und Auslass hergestellt ist. Die US 4,765,XXX beschreibt zwei Positionen des Ventils (Sp. 2 Z. 26 f. der US 4,765,XXX, Anlage B 2-E 1). In der ersten Position sind der Einlass und der Auslass direkt miteinander verbunden:

„…connects the input (14) and passageway (22) to the outlet passageway (24) and the outlet (26)…“ (Sp. 3, Z. 27-29 der US 4,765,XXX, Anlage B 2-E 1)

Der Behälter ist verschlossen. Dies entspricht dem Merkmal 3.2, das vorgibt, dass der Auslass und der Einlass miteinander verbindbar sind. Die zweite Position stellt eine Verbindung des Behälters mit dem Auslass her, wobei aber der Einlass ausdrücklich verschlossen wird:

„In the second position the compressor input (14) is closed with respect to the outlet passageway (24) and an opening is provided between the second input (18) and the outlet passageway (24).“ (Sp. 3, Z. 53-55 der US 4,765,XXX, Anlage B 2-E 1)

Daher ist keine Verbindung zwischen Einlass und Behälter und Auslass und Behälter offenbart (Merkmal 3.3).

Auch die DE 198 46 XXX A1 offenbart dieses Merkmal nicht. Dort kann zwar die Abdeckvorrichtung durch Umdrehen derselben in zwei Positionen gebracht werden, wobei in der ersten Position der Einlass und der Auslass mit dem Behälter verbunden sind (Sp. 1, Z. 56-66 der DE 198 46 XXX A1, Anlage B 2-E 2). In der zweiten Position liegen die Enden der Einlass- und der Auslassleitung frei, so dass eine direkte Verbindung zwischen ihnen hergestellt ist. Die DE 198 46 XXX A1 weist aber kein Ventil auf. Die zwei Positionen werden vielmehr durch Umdrehen der Vorrichtung erreicht.

b.
Aus diesem Grunde hebt sich das Klagegebrauchsmuster, auch wenn ein Kombinationsanlass unterstellt wird, in erfinderischer Weise von der US 4,765,XXX und der DE 198 46 XXX A1 ab. Denn in keiner der beiden Druckschriften ist das Merkmal 3.3 offenbart, wonach in einer zweiten Einstellung des Ventils eine Verbindung zwischen Einlass und Behälter sowie Behälter und Auslass hergestellt ist. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen unter a. Bezug genommen. Aus dem Grund war die Lehre des Klagegebrauchsmusters nicht durch eine Kombination der beiden Druckschriften zu erreichen.

III.
Der Klägerin stehen die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte nicht zu. Zwar macht die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch. Die Benutzung ist aber aufgrund eines der Beklagten zustehenden privaten Vorbenutzungsrechts nicht rechtswidrig.

1.
Die angegriffene Ausführungsform verletzt das Klagegebrauchsmuster. Die Beklagte ist dem Verletzungstatbestand zu Recht nicht entgegengetreten. Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um eine Vorrichtung zum Ausbringen von Reifendichtmittel aus einem Behälter (Merkmal 1). Dies zeigt die Pressemitteilung der Beklagten (Anlage K 4). Dem Behälter ist auch einen Entnahmeelement zum Ausbringen von Reifendichtmittel zugeordnet. Ein solches zeigt die Zeichnung der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 6, Bild 6). Dasselbe gilt auch für das Ventil, sowie den am Ventil angebrachten Einlass und Auslass. Das Ventil ist als Drehventil ausgestaltet, welches aus einem Deckel (5, grün, Bild 2 der Anlage K 6) und einer Verteilerscheibe (6, blau, Bild 2 der Anlage K 6) besteht. Als Ziffer 8 und 9 sind dort der Einlass und der Auslass zu erkennen (Merkmal 3.1). In den Bildern 4 und 5 sind die beiden in den Merkmalen 3.2 und 3.3 beschriebenen Einstellungen zu erkennen. In Bild 4 ist die Stellung des Drehventils gezeigt, in welcher direkt Luft von dem Kompressor in den Reifen ausgebracht werden soll. In diesem Fall steht der Einlass (8) für Druckluft mit dem Lufteinlass (13) und der Auslass (9) in dem Deckel (5) mit der Lüftöffnung (11) über den Kanal (12) in Verbindung. Luft gelangt so durch den Einlass (8) und den Lufteinlass (13), den Kanal (12) und die Lüftöffnung (11) zum Auslass (9). Wie in Bild 5 zu erkennen ist, erfolgt eine Drehung der Verteilerscheibe (6) gegenüber dem Deckel (5) um 90 Grad im Uhrzeigersinn, um Reifendichtmittel auszubringen. Der Behälter (3) steht dann auf dem Kopf (vgl. Bild 2). Dabei ist, wie mit der gestrichelten Linie angedeutet, der Einlass (8) mit dem Lüftöffnung (14) und die Mischöffnung (10) mit dem Auslass (9) verbunden. Das bedeutet, dass Druckluft über den Einlass (8) und die Lüftöffnung (14) und durch das Entnahmeelement (7) in den Behälter (3) gelangt und eine Mischung aus Druckluft und Reifendichtmittel durch die Mischöffnung (10) und den Auslass (9) in den Reifen verbringt. Die angegriffene Ausführungsform macht daher von allen Merkmalen des Klagegebrauchsmusters in seiner geltend gemachten Form Gebrauch.

2.
Der Beklagten steht ein privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 13 Abs. 3 GebrMG i.V.m. § 12 Abs. 1 PatG zu, das den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform rechtfertigt. Davon ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt.

Ein Vorbenutzungsrecht steht der Beklagten zu, weil sie sich im Prioritätstag im Besitz der Erfindung befunden hat und diesen Erfindungsbesitz auch betätigt hat. Maßgeblicher Prioritätstag ist der 13.02.2001, da an dem Tag das Klagegebrauchsmuster angemeldet wurde.

a.
Eine Erfindung kann nur vorbenutzen, wer im geistigen Besitz der Erfindung war. Erforderlich ist die subjektive Erkenntnis des Erfindungsgedankens einer objektiv fertigen Erfindung. Die technische Lehre muss wiederholbar erkannt sein (Schulte-Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 12 Rn 9). Der Erfindungsbesitz folgt daraus, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststeht, dass bei der Präsentation bei E am 01.02.2001 funktionsfähige Prototypen des A, die technisch bereits wie die angegriffene Ausführungsform ausgestaltet waren, vorgestellt wurden. Dies ergibt sich aus den Aussagen der Zeugen F, D, G und H.

Der Zeuge F hat insoweit angegeben, er habe zusammen mit Frau I (jetzt H) einen Kundentermin bei E wahrgenommen, bei dem Pannensets vorgestellt worden seien. Frau I sei speziell für die Vorstellung des A zuständig gewesen, während er selbst die anderen Pannensets vorgestellt und eine Präsentation gehalten habe. Dies habe am 01.02.2001 stattgefunden, was er den zu Präsentation gehörigen Folien entnehme, auf denen dieses Datum vermerkt sei. Bei dem Treffen seien im Anschluss an die Präsentation mehrere Pannensets – auch von Mitbewerbern – getestet worden, und zwar in einer Art Workshop. Es sei eine Panne simuliert worden und Personen, die sich mit den Pannensets nicht ausgekannt hätten, seien dann gebeten worden, die Panne zu beheben und somit das Set zu testen. Bei dem vorgeführten Prototypen zum J sei quasi auf Knopfdruck einstellbar gewesen, ob nur Luft oder auch Dichtmittel in den Reifen gepumpt werde. Dieser sei nicht mit dem aus der Anlage B 22 ersichtlichen Prototypen identisch gewesen; der Prototyp gemäß Anlage B 22 sei ein Vorläufer gewesen, der von ca. Herbst 2000 bis Anfang Februar 2001 verwendet worden sei. Intern seien alle Pannensets mit Drehventil als „J“ bezeichnet worden; einen offiziellen Produktnamen habe es zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht gegeben. Mit der Einstellbarkeit „auf Knopfdruck“ sei gemeint gewesen, dass man, um die Panne zu beheben, erst eine Seite hochklappen und dann einen Knopf drücken müsse. Dies sei der Unterschied zu den bisherigen Pannensets gewesen, die mit Quetschflaschen gearbeitet hätten. Als A würden die Pannensets bezeichnet, die sowohl die Dichtmittelflasche als auch den Kompressor in einem Gehäuse aufwiesen und bei denen durch Umklappen die Funktion gewechselt werden könne. Bei Herunterklappen werde nur Luft gepumpt, bei Heraufklappen auch Dichtmittel. Ob der Prototyp gemäß Anlage B 22 bereits ein Drehventil gehabt habe, könne er nicht sagen. Genau vor der E-Präsentation seien dann die neuen Prototypen eingetroffen, die dem Serienprodukt sehr viel ähnlicher gewesen seien. In der Präsentation seien hingegen noch Fotos des Vorgänger-Prototypen zu sehen, da der neue Prototyp erst ganz kurz vor der Präsentation eingetroffen sei. Die technischen Funktionen des neuen Prototypen seien bei der Präsentation erläutert worden. Diese hätten mit denen des Serienproduktes übereingestimmt. Auch sei der neue Prototyp bei der Präsentation im Rahmen einer Simulation zur Behebung von Pannen eingesetzt worden. Dabei sei ein Loch in einen Reifen gestochen worden; dann seien mehrere Pannensets – auch anderer Hersteller – eingesetzt worden, um die Panne zu beheben.

Der Zeuge D hat zur Präsentation bei E ausgesagt, dort seien drei Varianten von Pannensets vorgestellt worden, nämlich das K, das L und das A; dies habe den Optionen einfach, mittel und premium entsprochen. E habe sich dann aussuchen sollen, welches Produkt sie haben wollten. Bei dem J sei alles in einer Einheit; man habe zwei Optionen, nämlich entweder Luft oder Dichtmittel in den Reifen einzubringen; Kern des J sei die Verwendung des Drehventils; der Begriff J sei für ihn zwingend mit der Bypasstechnik verbunden. Der Prototyp sei von der Firma C unmittelbar für die E-Präsentation hergestellt worden; es habe sich um einen funktionsfähigen Prototypen gehandelt; daran, ob dieser genauso ausgesehen habe, wie der Prototyp, der als Muster bei der Akte ist, könne er sich nicht erinnern.

Der Zeuge G hat zu diesem Komplex angegeben, Anfang 2001 habe es eine spezielle Veranstaltung gegeben, zu der auch andere Mitarbeiter von E eingeladen gewesen seien, um sie von dem Pannenset zu überzeugen. Am 01.02.2001 habe eine größere Veranstaltung stattgefunden, zu der die Beklagte mehrere Prototypen mitgebracht habe, die ausprobiert und demonstriert worden seien. Zu Anfang der Veranstaltung seien Löcher in mehrere Autoreifen gemacht worden; anschließend seien daran die Kits ausprobiert worden, indem entweder Luft oder Dichtmittel in die Reifen gepumpt worden sei. Danach habe es eine Diskussion gegeben. Einer der Prototypen, der damals vorgeführt worden sei, sei demjenigen, der aktuell verwendet würde, ganz ähnlich gewesen; er habe auf jeden Fall genauso funktioniert. Bei der Präsentation seien keine Fotos gemacht worden. Die aus der Anlage B 22 ersichtlichen Fotos seien bereits im Dezember des Vorjahres aufgenommen worden und zeigten ein Vorgängermodell. Das Modell, das am 01.02.2001 vorgestellt worden sei, sei das fortgeschrittene Modell gewesen. Dieses habe schon wie das aktuelle Modell funktioniert. Es habe aus einem zweigeteilten Gehäuse bestanden. Man habe mit dem Pannenset entweder nur Luft oder Dichtmittel und Luft in den Reifen einführen können. Dichtmittel sei eingeführt worden, wenn man einen Teil des Gehäuses um 90° geschwenkt hätte.

Die Zeugin H hat insoweit bekundet, dass zu der Präsentation bei E am 01.02.2001 mehrere Pannensets mitgenommen worden seien, u.a. zwei funktionale Prototypen des A, die so funktioniert hätten, wie das Pannenset mit dem orangen Gehäuseteil, das als Anlage zur Akte gelangt ist. Sie hat sodann die Prototypen dahingehend näher beschrieben, dass sie über eine Hintergrundbeleuchtung verfügt hätten und mit Kompressordruck und einem Drehmechanismus gearbeitet hätten. Der in der Anlage B 22 bildlich dargestellte Prototyp sei ein Demo-Prototyp ohne Innenleben gewesen, der nicht funktionieren würde. Kurz vor der Präsentation seien zwei funktionale Prototypen eingetroffen. Es seien dann noch von einem Drittunternehmen Flaschen mit Dichtmittel befüllt worden, die in die Prototypen hätten eingesetzt werden müssen.

Auf Grundlage der vorgenannten Zeugenaussagen steht fest, dass am 01.02.2001 eine Präsentation bei E stattgefunden hat, in deren Rahmen die Beklagte einen funktionsfähigen Prototypen der angegriffenen Ausführungsform vorgestellt hat. Alle Zeugen haben angegeben, bei der Präsentation seien Prototypen u.a. des A eingesetzt worden, um simulierte Reifenpannen zu beheben. Diese Prototypen hätten so gearbeitet, dass durch Verdrehen eines Gehäuseteils hätte gewählt werden können, ob nur Luft oder auch Dichtmittel in den Reifen eingebracht würde. Die Zeugen F und D, die für die Beklagte tätig waren, haben weiter spezifiziert, dass es sich um eine Technik mit Drehventil bzw. eine Bypasstechnik gehandelt habe. Die Zeugin H hat angegeben, der bei der E-Präsentation eingesetzte Prototyp habe mit einem Drehmechanismus gearbeitet. Die Wahl, nur Luft oder Luft und Dichtmittel in den Reifen einzubringen, sei durch Klappen eines Gehäuseteils vorgenommen worden. Auch der Zeuge G, ein Mitarbeiter von E, konnte die Funktionsweise des vorgestellten und im Rahmen der Simulation genutzten Prototypen schildern. Die Angaben der Zeugen sind detailreich und schildern lebhaft deren Wahrnehmungen anlässlich der Präsentation bei E. Darüber hinaus sind sie, was die wesentlichen Punkte angeht, miteinander in Einklang zu bringen. Soweit die Zeugen unterschiedliche Angaben zur genauen Teilnehmerzahl oder dazu gemacht haben, ob zuerst die Simulation und anschließend eine Präsentation stattgefunden hat oder ob es umgekehrt war, erschüttert dies die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen nicht. Dass die Zeugen sich zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung, etwa zehn Jahre nach der Präsentation, nicht mehr an die Reihenfolge der dortigen Programmpunkte erinnert haben, ist kein Anzeichen für die Unwahrheit der Aussagen. Es kann sich dabei schlicht um Verschiebungen in der Erinnerung handeln, die im Hinblick auf das Randgeschehen, das die Zeugen nicht als wesentlich gewertet haben, durchaus natürlich sind. Vielmehr wäre es ein Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Aussagen gewesen, wenn die Angaben der Zeugen sich auch zu den Randbereichen komplett entsprochen hätten. Denn nach so langer Zeit wäre dies ein Hinweis darauf gewesen, dass die Zeugenaussagen abgesprochen sein könnten. Solche Hinweise ergeben sich bezüglich der Beweisaufnahmen vom 07.12.2010 und 06.09.2011 jedoch nicht. Die Zeugen haben jeweils mit eigenen Worten ihre Wahrnehmungen geschildert; sie haben deutlich gemacht, ob sie eine eigene Erinnerung an bestimmte Abläufe haben oder ob sie aus anderen Umständen Rückschlüsse darauf ziehen, wie das Geschehen abgelaufen sein müsste. Auch Belastungstendenzen o.ä. sind nicht zu erkennen. Dass der Zeuge F und die Zeugin H nach wie vor bei der Beklagten tätig sind und der Zeuge G bei der Firma E arbeitet, die die angegriffene Ausführungsform in einigen ihrer Pkw vorsieht, führt nicht zu einer anderen Beurteilung durch die Kammer. Denn allein aus dem Angestelltenverhältnis der Zeugen bzw. aus einem Interesse der Beklagten oder ihrer Abnehmerin ergibt sich keine Vermutung dafür, dass die Angaben der Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen würden. Vielmehr sprechen die vorgeschilderten Umstände dafür, dass die Zeugen jeweils ihre eigene Erinnerung an die Geschehensabläufe geschildert haben.

Soweit die Klägerin meint, selbst wenn der bei der Präsentation vorgestellte Prototyp eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Einbringen von Luft und dem Einbringen von Dichtmittel vorgesehen habe, sei damit nicht bewiesen, dass dies auf dem Weg der angegriffenen Ausführungsform realisiert worden sei, führt dies nicht zu einer anderen Überzeugung der Kammer. Die Zeugen haben von „Drehventil“ und „Bypasstechnik“ gesprochen. Dass damit die in der angegriffenen Ausführungsform realisierte Technik gemeint ist, bezweifelt die Kammer nicht. Denn diese bietet über ein Drehventil und einen Bypass die Möglichkeit entweder Luft oder Dichtmittel in den Reifen einzubringen, wobei die Umstellung durch Verdrehen eines Gehäuseteils erfolgt. Nach den Zeugenaussagen steht aber fest, dass auch bei dem am 01.02.2001 präsentierten Prototypen durch Verdrehen eines Gehäuseteils ausgewählt werden konnte, ob Luft oder Dichtmittel in den Reifen eingebracht wird. Schon dass die Umstellung durch Verdrehen eines Gehäuseteils erfolgt, spricht stark für das Vorhandensein eines Drehventils. Darüber hinaus hat die Zeugin H bekundet, die Flaschen hätten vor der E-Präsentation noch von einem Drittunternehmen mit Dichtmittel befüllt werden müssen. Die Flaschen seien danach bei der Beklagten in das Gehäuse eingesetzt worden / müssten eingesetzt worden sein, wahrscheinlich von Herrn D. Sie meine auch, dass sie selbst die Flaschenhalterung und einen Teil des Drehventils gesehen haben müsste, bevor die Präsentation bei E stattgefunden habe. Nach diesen Angaben ist die Kammer davon überzeugt, dass ein Mitarbeiter der Beklagten die befüllten Flaschen in die Prototypen eingesetzt hat. Zwar konnte die Zeugin H sich nicht daran erinnern, wer konkret die Flaschen eingesetzt hat. Sie hat aber ohne weiteres nachvollziehbar angegeben, dass dies ein Mitarbeiter der Beklagten gemacht haben müsste. Dies stimmt damit überein, dass schwerlich davon auszugehen ist, dass die Beklagte einen Prototypen über eine neue Entwicklung ohne weiteres aus der Hand geben würde. Auch hat die Zeugin nur angegeben, die Flaschen wären von einem Drittunternehmen befüllt worden; die befüllten Flaschen seien entweder von Herrn D oder ihr selbst in die Prototypen eingesetzt worden. Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass es Mitarbeitern der Beklagten beim Einsetzen der Flaschen aufgefallen wäre, wenn die Prototypen nicht über ein Drehventil, also den seitens der Beklagten beworbenen Mechanismus, verfügt hätten. Gerade dass die als Zeugen vernommenen Mitarbeiter der Beklagten wie selbstverständlich in zwei Beweisaufnahmen davon ausgegangen sind, dass die Umschaltmöglichkeit durch Drehen eines Gehäuseteils bedeutet, dass ein Drehventil vorhanden ist, spricht dafür, dass ihnen beim Einsetzen der Flasche aufgefallen wäre, wenn ein Drehventil gefehlt hätte. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die Lieferung der Prototypen erst kurz vor dem Termin bei E erfolgte und es der Beklagten wichtig war, dass zur Präsentation Prototypen vorliegen, mit denen eine Simulation durchgeführt werden kann.

Im übrigen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte (oder C mit dem chinesischen Lieferanten) zu dem Zeitpunkt der Präsentation auf anderem Wege als dem der angegriffenen Ausführungsform eine Wahlmöglichkeit zwischen Einbringen von Luft und Einbringen von Dichtmittel durch Umklappen eines Gehäuseteils hätte realisieren können. Der Vortrag der Klägerin in ihrem – außerhalb der gesetzten Fristen eingegangenen – Schriftsatz vom 06.12.2011, es sei unstreitig, dass bereits im Zeitpunkt der Präsentation bei E abweichende technische Lösungen mit Klappmechanismus bekannt gewesen seien, trifft auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes nicht zu. Denn das in der Beweisaufnahme vom 06.09.2011 vorliegende Reifenreparaturset mit dem gelben Gehäuseteil ermöglicht die Wahl, ob Luft oder Luft und Dichtmittel in den Reifen eingebracht werden soll, nach den Angaben des Zeugen M nicht durch Umklappen eines Gehäuseteils. Vielmehr ist ein Umstecken von Schläuchen erforderlich. Dieses Set arbeitet ausschließlich, wenn die Gehäuseteile gegeneinander verdreht sind und wurde erst einige Zeit nach Durchführung der Präsentation bei E hergestellt. In dieser Situation ist es durchaus zulässig von der Handhabung auf die technische Realisierung der Wahlmöglichkeit zu schließen.

Der weitere Einwand, dass in der bei E am 01.02.2001 gezeigten Präsentation noch alte Prototypen abgebildet waren, spreche dagegen, dass Prototypen mit allen Merkmalen des Klagegebrauchsmusters vorgestellt worden wären, verfängt nicht. Denn der Zeuge F hat nachvollziehbar und spontan geschildert, dass in der Präsentation noch Abbildungen des Vorgänger-Prototypen entsprechend Anlage B 22 enthalten gewesen wären, da die neuen Prototypen erst ganz kurz vor der Präsentation am 01.02.2001 eingetroffen seien. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar und wird von dem Zeugen G insoweit bestätigt, als auch dieser angegeben hat, bei dem am 01.02.2001 vorgestellten Prototypen habe es sich um einen anderen als den der Anlage B 22 gehandelt; im Verhältnis zur Anlage B 22 sei am 01.02.2001 ein fortgeschrittener Prototyp vorgestellt worden. Auch die Zeugin H hat nachvollziehbar erläutert, dass in der Präsentation noch Bilder eines alten – nicht funktionsfähigen – Prototypen, also eines Demo-Prototypen ohne Innenleben, vorhanden gewesen seien. Die neuen Prototypen seien erst kurz vor der Präsentation angekommen; dann hätten die Flaschen noch von einem Drittunternehmen mit Dichtmittel befüllt werden müssen. Sie habe keine neuen Bilder in die Präsentation eingearbeitet, da das damals auch noch kompliziert gewesen wäre; sie habe noch mit Folien gearbeitet. Die Digitalisierung von Fotos sei noch nicht so einfach gewesen.

Die weiteren Ausführungen der Klägerin, zu einem Kunden wie E würde man nicht ohne eine aktuelle Präsentation gehen, sind spekulativ und führen nicht zu einer anderen Überzeugung der Kammer.

Auch die Aussage des Zeugen M vermag die Überzeugung der Kammer nicht zu entkräften. Der Zeuge hat angegeben, dass vor der Präsentation bei E handgemachte Prototypen aus China direkt an die Beklagte geliefert worden seien. Es seien insgesamt drei Lieferungen von Prototypen avisiert gewesen. Die Liefertermine seien wiederholt verschoben worden. Eine ursprünglich für den 15.01.2001 beabsichtigte Lieferung handgemachter Prototypen habe nach seinen Unterlagen bis zum 22.01.2001 bei der Beklagten eingehen sollen. Eine Lieferung von mit Werkzeugen gefertigten Prototypen habe bis zum 05.02.2001 und eine weitere Lieferung von 10 mit Werkzeugen gefertigten Prototypen bis zum 23.02.2001 bei der Beklagten eingehen sollen. Der Zeuge hat weiter bekundet, dass er nicht wisse, wann die Prototypen tatsächlich abgesendet worden oder bei der Beklagten eingegangen seien. Die Prototypen seien direkt von einem chinesischen Hersteller an die Beklagte versandt worden. Die Prototypen der zweiten und dritten Lieferung hätten ein Drehventil aufgewiesen, wie es in der Anlage B 10 dargestellt sei, denn sie seien mit Werkzeugen gefertigt worden. Er wisse, dass die mit Werkzeugen gefertigten Prototypen so funktioniert hätten, wie in der Anlage B 10 dargestellt. Die Prototypen der ersten Lieferung seien handgefertigt gewesen. Er wisse nicht, wie diese innen aufgebaut gewesen seien. Mit diesen Prototypen könne man das Funktionsprinzip demonstrieren. Sie hätten die gleichen Funktionen, die aber technisch anders umgesetzt sein könnten. Im konkreten Fall könnte dem Kunden mit einem solchen Prototypen gezeigt werden, dass man entweder Luft oder Luft und Dichtmittel in den Reifen einbringen könne, indem man einen Teil des Gehäuses gegen den anderen Gehäuseteil verschwenke. Wie diese Auswahl bei den handgefertigten Prototypen technisch umgesetzt worden sei, wisse er nicht; die handgefertigten Prototypen dienten nicht zur Erläuterung des Innenlebens, sondern nur zur Erläuterung der möglichen Funktionen.

Die Aussage des Zeugen M bestätigt, dass der Beklagten zum Zeitpunkt der E-Präsentation zwei handgefertigte Prototypen vorgelegen haben, mit denen das Funktionsprinzip erläutert werden konnte, und die eine Wahl zwischen dem Einbringen von nur Luft oder Luft und Dichtmittel durch Klappen eines Gehäuseteils ermöglichten. Soweit der Zeuge ausgeführt hat, bei handgemachten Prototypen bestehe die Möglichkeit, dass die Funktionen der späteren maschinengefertigten Prototypen technisch auf anderem Wege realisiert sein könnten, erschüttert dies die Überzeugung der Kammer, dass bereits die bei der E-Präsentation eingesetzten Prototypen der angegriffenen Ausführungsform das Umschalten über ein Drehventil ermöglichten, nicht. Es handelt sich dabei um eine rein theoretische Möglichkeit. Denn – wie dargelegt – bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass bei den in der E-Präsentation eingesetzten Prototypen das Umschalten zwischen Einbringen von nur Luft oder Luft und Dichtmittel anders realisiert worden wäre als bei der angegriffenen Ausführungsform.

Auch die weiteren schriftsätzlich vorgebrachten Einwände der Klägerin sind nicht geeignet, die Überzeugung der Kammer von dem zuvor festgestellten Geschehen bei der Präsentation am 01.02.2001 zu erschüttern.

b.
Die Beklagte befand sich in redlicher Weise im Besitz der Erfindung.

Die seitens der Klägerin erhobene Einrede des unredlichen Besitzes gemäß § 242 BGB bleibt ohne Erfolg. Die Beklagte hätte dann unredlichen Erfindungsbesitz erlangt, wenn der Erfindungsbesitz den Beschreibungen, Zeichnungen, Modellen, Gerätschaften oder Einrichtungen der Klägerin ohne deren Einwilligung entnommen worden wäre (widerrechtliche Entnahme, §§ 13 Abs. 2, 15 Abs. 2 GebrMG). Dies ist auf Grundlage des Klägervortrags nicht feststellbar.

Die Einrede der widerrechtlichen Entnahme stützt die Klägerin auf einen vermeintlichen Besuch des Herrn M, des damaligen Geschäftsführers von C, bei der Klägerin, bei dem ihm ein im Oktober 2000 fertiggestellter erfindungsgemäßer Prototyp vorgestellt worden sei. Sowohl der Besuch als auch die Existenz eines Prototypen zum damaligen Zeitpunkt werden von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin schon nicht hinreichend substantiiert. Es werden weder der Zeitpunkt des angeblichen Besuches noch die Umstände des Besuches von Herrn M dargelegt. Die Ausschreibung von E für ein Pannenset legt einen Besuch der Wettbewerber nicht nahe. Gerade aber auch der Zeitpunkt ist für die Geltendmachung der Einrede von Bedeutung.

Darüber hinaus macht die Klägerin nur geltend, dass die C durch Herrn M von der Klägerin in den Besitz der Erfindung gekommen sei. Dies genügt für eine unredliche Besitzerlangung durch die Beklagte nicht. Leitet der Vorbenutzer die Kenntnis der Erfindung von einem Dritten ab, dann handelt er redlich, wenn er nicht weiß oder bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht wissen braucht, dass er eine fremde Erfindung benutzt (Benkard-Rogge, PatG, 10. Auflage, § 12 Rn 8). Allein die Ableitung des Erfindungsbesitzes von einem Dritten führt nicht zur Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis, dass der Erfindungsbesitz von dem Dritten unredlich erlangt wurde. Da für die Einrede der widerrechtlichen Entnahme die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet ist, müsste sie zumindest Anhaltspunkte vortragen, die auf einen unredlichen Erfindungsbesitz der Beklagten hinweisen und bei ihr eine sekundäre Darlegungslast begründen würden. Dies ist nicht geschehen.

c.
Eine Betätigung des Erfindungsbesitzes durch die Beklagte liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Präsentation der angegriffenen Ausführungsform bei dem Treffen bei E am 01.02.2001. § 13 Abs. 3 GebrMG i.V.m. § 12 PatG gewährt das Vorbenutzungsrecht nur dem, der seinen Erfindungsbesitz im Inland bereits in die Tat umgesetzt hat. Das kann nur durch Benutzung oder durch dazu erforderliche Veranstaltungen geschehen. Umfasst sind alle Benutzungsarten im Sinne des § 9 PatG, wobei die Benutzungshandlung die Ernsthaftigkeit einer gewerblichen Nutzungsabsicht in die Tat umsetzen muss (Schulte-Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 12 Rn 10 f.). Veranstaltungen sind solche Maßnahmen, die bestimmungsgemäß der Ausführung der Erfindung dienen und den ernstlichen Willen einer alsbaldigen Benutzung erkennen lassen (Schulte-Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 12 Rn 12). Es müssen zwei Voraussetzungen vorliegen, um das im Gesetz vorgeschriebene Erfordernis der zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen zu erfüllen: Erstens müssen Veranstaltungen vorliegen, die bestimmt sind, die Erfindung im wesentlichen auszuführen. Zweitens müssen diese Handlungen den ernstlichen Willen erkennbar machen, die Erfindung alsbald zu benutzen (Benkard-Rogge, PatG, 10. Auflage, § 12 Rn 13).

Aus dem Umstand, dass bei der Präsentation am 01.02.2001 funktionsfähige Prototypen der angegriffenen Ausführungsform vorgestellt wurden, folgt auch, dass die Beklagte den Erfindungsbesitz vor dem Prioritätszeitpunkt betätigt hat. Denn in der Präsentation des Prototypen der angegriffenen Ausführungsform vom 01.02.2001 könnte bereits eine Benutzungshandlung in Form des Anbietens liegen; jedenfalls stellt die Präsentation bei dem Treffen vom 01.02.2001 aber eine Veranstaltung zur Aufnahme der Benutzung dar. Eine Veranstaltung zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung ist nicht nur in dem endgültigen und erfolgreichen Angebot zu sehen. Vielmehr genügen auch erfolglose Angebote oder Vertragsanbahnungen (Schulte-Kühnen, PatG, 8. Auflage, § 12 Rn 13).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die Präsentation diente dem Zweck, verschiedene Varianten von Pannensets, u.a. die angegriffene Ausführungsform, dem Kunden E anzubieten. Auch dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest. Denn es steht, wie bereits ausgeführt, zur Überzeugung der Kammer fest, dass bei der Präsentation am 01.02.2001 funktionsfähige Prototypen der angegriffenen Ausführungsform dem Kunden E vorgeführt worden sind. Dies diente jedenfalls der Bewerbung der angegriffenen Ausführungsform, was sich schon aus den glaubhaften Angaben der Zeugen D und F ergibt. E sollte, wie der Zeuge D bekundet hat, sich für eine der angebotenen Optionen – einfach, mittel oder premium – entscheiden. Auch die stattgefundene Simulation, in deren Rahmen Mitarbeiter von E mittels der Prototypen Reifenpannen beheben sollten, diente offensichtlich dazu, dem Kunden die Entscheidung zu ermöglichen, ob und ggf. welches Modell er kaufen möchte. Dies steht in Übereinstimmung mit den Angaben des Zeugen G, wonach die Beklagte auf der Veranstaltung eine Reihe von Mitarbeitern von E von dem Pannenset habe überzeugen wollen.

Damit hat die Beklagte – jedenfalls in Zusammenschau mit den vorherigen Kontakten zu E – ihren ernstlichen Willen zum Ausdruck gebracht, die angegriffene Ausführungsform alsbald zu benutzen. Dafür ist nicht erforderlich, dass ein endgültiges marktreifes Produkt muss angeboten wird. Diesen Spielraum lässt die Voraussetzung einer alsbaldigen Benutzung zu (Benkard-Rogge, PatG, 10. Auflage, § 12 Rn 13). Angesichts dessen schadet es nicht, dass ein serienreifes Produkt bei der Präsentation noch nicht vorlag. Jedenfalls handelte es sich nicht – wie von der Klägerin angeführt – um eine einmalige Anfertigung eines unverkäuflichen Modells. Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 06.05.2011. Danach gab es mehrere Lieferungen von Prototypen, wobei eine Weiterentwicklung stattfand. Genau dies spricht aber für einen Vermarktungswillen. Der Vortrag steht im übrigen in Übereinstimmung mit den Angaben der Zeugen, wonach es bereits früher andere Prototypen gab, die diese als Vorläufer bezeichnet haben. Auch der tatsächliche Geschehensablauf, wonach die C Mitte Februar 2001 ein Patent angemeldet habe – was mit Schriftsatz vom 06.05.2011 auch die Klägerin vorträgt –, spricht für den ernstlichen Willen der Aufnahme der Benutzung bereits vor dem 01.02.2001. Wie die Klägerin im Schriftsatz vom 06.05.2011 angibt, soll bereits Mitte Februar 2001 Serienreife vorgelegen haben. Auch dies ist ein Indiz dafür, dass vor dem 01.02.2001 ernsthafte Veranstaltungen zur Benutzungsaufnahme vorgelegen haben. Der ernstliche Wille der Beklagten, die angegriffene Ausführungsform alsbald zu benutzen, hat sich letztlich auch darin manifestiert, dass diese in der Folge in Serie gefertigt und an E geliefert wurde.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und, soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, auf § 91a Abs. 1 ZPO. Nach § 91a Abs. 1 ZPO ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren auch diese Kosten der Klägerin aufzuerlegen. Weil der Beklagten ein privates Vorbenutzungsrecht betreffend die angegriffene Ausführungsform zustand, wäre die Klägerin auch mit dem Unterlassungsantrag nicht durchgedrungen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 500.000,- €