4b O 112/11 – Visitenkarten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1803

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 9. Februar 2012, Az. 4b O 112/11

I.
Die Klage wird abgewiesen.

II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

IV.
Der Streitwert beträgt EUR 50.000.

Tatbestand

Mit rechtskräftigem Urteil der Kammer vom 31.7.2007 wurden die Beklagten wegen Verletzung des EP 0 852 XXX B1 („Klagepatent“), dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, u.a. zur Auskunftserteilung an die Klägerin verurteilt; wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 vorgelegte vollstreckbare Ausfertigung dieses Urteils verwiesen.

Die Beklagte zu 1) legte Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents ein, woraufhin das Bundespatentgericht diesen mit Urteil vom 13.11.2008 für nichtig erklärte (Anlage K 2). Dagegen legte die Klägerin Berufung ein (Anlage K 3). Im Rahmen des Nichtigkeitsberufungsverfahrens holte der Bundesgerichtshof das aus Anlage B 1 ersichtliche Sachverständigengutachten ein. Die mündliche Verhandlung im Nichtigkeitsberufungsverfahren ist anberaumt auf den 22.3.2012.

Erstmalig mit Schreiben vom 26.10.2007 erteilten die Beklagten Auskunft (Anlage K 4). Diese Auskunft ergänzten die Beklagten mit dem als Anlage K6 vorgelegten Schreiben vom 14.4.2008. Nachdem zwischenzeitliche Vergleichsverhandlungen gescheitert waren, erfolgte eine erneute Ergänzung der Auskunft mit Schreiben vom 11.3.2011 (Anlage K 11). Mit dem als Anlage B 3 vorgelegten Schreiben vom 4.10.2011 ergänzte die Beklagte zu 2) die Auskunft erneut; die weiteren Beklagten machten sich die betreffenden Erklärungen im Haupttermin vom 17.1.2012 ausdrücklich zu Eigen.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Auskünfte gemäß Angaben in Anlagen K 4, K 6 und K 11 seien unrichtig bzw. unvollständig gewesen. Zwar bestünden
– wie die Klägerin im Haupttermin vom 17.1.2012 auf ausdrückliche Nachfrage der Vorsitzenden erklären ließ – nach Ergänzung der Auskünfte im Schreiben gemäß Anlage B 3 keine Anhaltspunkte mehr für eine Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit der Auskunft. Angesichts der vielfachen Änderungen bestehe aber Anlass zur Annahme fehlender Sorgfalt, weshalb die beantragte Verurteilung der Beklagten geboten sei. Eine Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits im Hinblick auf das Nichtigkeitsberufungsverfahren sei nicht veranlasst: Es fehle schon an der notwendigen „Vorgreiflichkeit“. Ferner sei die vorliegende Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als Bestandteil der Zwangsvollstreckung betreffend die rechtskräftig zuerkannten Auskunftsansprüche anzusehen; diese dürfe nicht durch eine Aussetzung vereitelt werden.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

die Beklagten zu verurteilen, die Richtigkeit ihrer mit Schreiben vom 26.10.2007, 14.4.2008, 11.3.2011 sowie 4.10.2011 zu Ziffer 2 des Tenors des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 31.7.2007 (4b O 297/06) erteilten Auskunft nach bestem Wissen und Gewissen an Eides statt zu versichern.

Die Beklagten beantragen,

1. wie erkannt,
2. hilfsweise, den Rechtsstreit bis zum rechtskräftigen Abschluss der gegen den deutschen Teil des europäischen Patents EP 0 852 XXX B1 erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen,
3. weiter hilfsweise Vollstreckungsschutz.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen, insbesondere auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.1.2012 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Abgabe eidesstattlicher Versicherungen in Bezug auf die Auskünfte gemäß den im Klägerantrag näher bezeichneten Schreiben aus § 259 Abs. 2 BGB.

1)
Ob die Beklagten vollständig und richtig Auskunft erteilten, ist anhand einer Gesamtschau der Schreiben gemäß Anlagen K 4, 6, 11 sowie B 3 zu beurteilen. Denn nur in Bezug auf Auskünfte, die durch spätere Angaben des Schuldners überholt sind, besteht kein Anspruch mehr auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Voraussetzung ist insoweit allerdings, dass der Schuldner die früheren Auskünfte auch selbst nicht mehr gelten lassen will und dies dem Gläubiger gegenüber eindeutig zum Ausdruck bringt. Erteilt der Schuldner im Laufe der Zeit wiederholte Auskünfte, ohne unmissverständlich klarzustellen, welche Erklärungen als Auskunft gelten sollen und welche nicht (mehr), so kann die Klage – wie hier – gemäß § 259 Abs. 2 BGB auf sämtliche Auskünfte gerichtet werden, die vom Schuldner erteilt worden sind. In einem solchen Fall ist es Sache des Schuldners, bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung die notwendige Klarheit zu schaffen, indem nur die Richtigkeit und Vollständigkeit derjenigen Auskünfte versichert wird, die Geltung haben sollen.

Vorliegend haben sich die jeweils früheren Erklärungen nicht überholt. Dies kommt sehr deutlich im einleitenden Satz der neuesten Auskunft gemäß Anlage B 3 zum Ausdruck. Dort lassen die Beklagten ausdrücklich auf die Erklärungen vom 25.10.2007, 14.4.2008 und 11.3.2011 Bezug nehmen, wobei die Beklagten zu 1) und 3) sich die betreffenden Angaben ausdrücklich zu Eigen gemacht haben (vgl. Protokoll vom 17.1.2012, Seite 1 unten). Alle Erklärungen bilden demnach eine Einheit, so dass die Klägerin grundsätzlich auch insgesamt die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung begehren könnte.

Jedoch ist die Kehrseite der Maßgeblichkeit der Gesamtheit aller Auskünfte, dass dann auch noch unter Berücksichtigung der letzten Ergänzung (hier gemäß Anlage B 3) der Verdacht einer Unrichtigkeit verblieben sein müsste. Denn der Verdacht – nicht die Gewissheit – der Unrichtigkeit der Auskunft ist eine neben dem Erfordernis mangelnder Sorgfalt kumulativ erforderliche, anspruchsbegründende Voraussetzung (vgl. Staudinger/Bittner, Neubearbeitung 2009, § 259 BGB Rn 33; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rn 1874).

2)
Auf ausdrückliche Befragung der Vorsitzenden im Haupttermin stellte die Klägerin unmissverständlich klar, dass sie nach Ergänzung der Auskünfte gemäß Anlage B 3 nunmehr selbst keine Anhaltspunkte mehr für eine Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit zu erkennen vermöge. Vor diesem Hintergrund fehlt es im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung an der betreffenden anspruchsbegründenden Voraussetzung eines Verdachts der Unrichtigkeit, mag auch die Vielzahl der Ergänzungen/Änderungen der Auskünfte für eine mangelnde Sorgfalt bei Erteilung der ersten drei Auskünfte der Beklagten sprechen.

Keiner Entscheidung bedarf demgemäß die Rechtsfrage, ob der Erfolg einer Klage gemäß § 259 Abs. 2 BGB im Falle des gleichzeitigen Vorwurfes der Unrichtigkeit und der Unvollständigkeit der Auskunft die (vorherige oder gleichzeitige) Durchführung eines Zwangsmittelverfahrens nach § 888 ZPO bedingt (vgl. Kühnen, a.a.O., Rn 1871).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der für sie nachteiligen Kostenfolge hätte die Klägerin allein durch Abgabe einer Erledigungserklärung entgehen können.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.