4a O 79/11 – Abisoliervorrichtung

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1946

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 18. September 2012, Az. 4a O 79/11

I.
Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei diese an den geschäftsführenden Organen der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

Abisoliervorrichtungen zur Kabelbearbeitung mit Antriebsstationen und einem Messermodul, mit wenigstens einer einteiligen Führungshülse nach dem Messermodul, wobei die Führungshülse mit einer Ansteuerung verbunden ist, die die Führungshülse fallweise während des Abisoliervorgangs vollständig aus dem Kabelweg bzw. aus der Kabelachse nach oben verschiebt, wobei die Führungshülse an der dem Kabelausgang zugewandten Seite des Messermoduls angeordnet ist, und dass auf der dem Kabelausgang abgewandten Seite des Messermoduls eine schwenkbare Führung angeordnet ist, die nur eine Seite der Führung aus der Achse des Kabels schwenkt, während die andere Seite in der Achse verbleibt,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken zu besitzen;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 2. Februar 2003 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Herstellungsmengen und -zeiten,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Lieferempfänger,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei
– von dem Beklagten zu 2) sämtliche Angaben und von beiden Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 21. Juli 2006 zu machen sind;

– den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

– die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der genannten rechnungslegungspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;

3. die Beklagte zu 1),
die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse entsprechend Ziffer I. 1. auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben oder den Vernichtungsanspruch dadurch zu erfüllen, dass die Beklagte zu 1) bei den in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Bearbeitungsstationen die Hubzylinder ausbauen, die Führung der linear verschiebbaren Führungshülse durchgängig und untrennbar fest verschweißen und die Software der Bearbeitungsstationen so verändern, dass eine Bewegung der linear bislang verschiebbaren Hülse ausgeschlossen wird;

4. die Beklagte zu 1),
die in Ziffer I. 1. bezeichneten seit dem 30.04.2006 in den Verkehr gebrachten, im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des Klagepatentes (EP 1 271 XXX) erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagte zu 1) unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises oder eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs-, Transport und/oder Versandkosten für die Rückgabe zugesagt wird.

II.
Es wird festgestellt,

1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 02.02.2003 bis zum 20.07.2006 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,

2. dass die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 21.07.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagten zu 90 %.

III. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- EUR und für die Beklagten in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 271 XXX (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, sowie Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Entschädigung in Anspruch.

Die Klägerin ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Klagepatents, welches unter der Ziffer DE 596 11 XXX.7 beim Deutschen Patent- und Markenamt geführt wird. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer schweizer Priorität am 04.11.1996 als Teilanmeldung angemeldet und am 02.01.2003 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 21.06.2006 veröffentlicht. Auf einen Einspruch hin wurde das Klagepatent in der nunmehr geltend gemachten Fassung des Klagepatentanspruchs 1 aufrechterhalten. Das Klagepatent steht in Kraft.

Die Klägerin ist ferner Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und veröffentlichten europäischen Patents 1 670 XXX B1. Aus diesem Patent geht die Klägerin gegen die Beklagten ebenfalls vor; hierüber wird in einem gesonderten Verfahren entschieden. Ein Einspruchsverfahren ist vor dem Europäischen Patentamt (im Folgenden: EPA) anhängig. Mit Bescheid vom 26.10.2011 teilte das EPA den Parteien des Einspruchsverfahrens mit, dass es den Einspruch für zulässig und begründet halte. Über die von der Einsprechenden geltend gemachten Einspruchsgründe hinaus berücksichtigte das EPA den Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung nach Art. 100 lit.c) EPÜ.

Das Klagepatent betrifft eine Abisoliervorrichtung. Der Patentanspruch 1 hat folgende Fassung, in welcher er vom EPA aufrechterhalten wurde:

Abisoliervorrichtung zur Kabelbearbeitung mit Antriebsstationen und einem Messermodul (3), mit wenigstens einer einteiligen Führungshülse (40) nach dem Messermodul (3), wobei die Führungshülse mit einer Ansteuerung verbunden ist, die die Führungshülse (40) fallweise während des Abisoliervorgangs vollständig aus dem Kabelweg bzw. aus der Kabelachse nach oben verschiebt, wobei die Führungshülse (40) an der dem Kabelausgang zugewandten Seite des Messermoduls angeordnet ist, und dass auf der dem Kabelausgang abgewandten Seite des Messermoduls (3) eine schwenkbare Führung (9) angeordnet ist, die nur eine Seite der Führung (9) aus der Achse (6) des Kabels schwenkt, während die andere Seite in der Achse verbleibt.

Nachfolgende Figuren, die der Klagepatentschrift entnommen worden sind, verdeutlichen die Funktionsweise der Vorrichtung. Figur 2 gibt erfindungsgemäße Verfahrensschritte zum Abisolieren größerer Längen wieder.

Die nachfolgende Figur zeigt symbolisch Beispiele unterschiedlicher Modulkonfiguration eines neuartigen Modulaufbaus einer Abisoliermaschine im Rollenantrieb.

Die Figuren 5a/5b geben eine Serie von acht unterschiedlichen Verfahrensschritten eines Isoliervorgangs an einem symbolisch dargestellten Aufbau mit neuartigen Schiebeführungen wieder.

Die Figur 8 zeigt den rechten Teil einer Draufsicht einer Vorrichtung mit Bandantrieb (12) und einem Schwenkantrieb für die Führung.

Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, stellt her und vertreibt Trenn- und Abisoliervorrichtungen zur Kabelbearbeitung, unter anderem die Maschine mit der Bezeichnung A der Typenreihe XXXX (angegriffene Ausführungsformen). Zur näheren Beschreibung der angegriffenen Ausführungsformen legt die Klägerin Abbildungen der Vorrichtung A, Auszüge aus der Betriebsanleitung der Beklagten zu 1) (Anlage K 10) sowie Ausdrucke von der Internetwerbung der Beklagten zu 1) vor, auf die inhaltlich Bezug genommen wird.

Die nachfolgenden Abbildungen stammen aus der Klageschrift. Nachstehende Abbildung gibt die Seite 6-1 der Bedienungsanleitung wieder.
Die weiteren beiden Abbildungen, die ebenfalls der Klageschrift entnommen worden sind, geben die angegriffene Ausführungsform in Form der B wieder.

Die Klägerin ist der Auffassung, die am Beispiel der Vorrichtung A wiedergegebenen angegriffenen Ausführungsformen verletzten die technische Lehre des Klagepatents.

Die Klägerin beantragt unter teilweiser Rücknahme des Vernichtungsanspruchs,

zu erkennen, wie geschehen,
im Übrigen die Beklagte zu 1) in Bezug auf den Vernichtungsanspruch zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren und mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse entsprechend Ziffer I. 1. auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise – im Unterliegensfall – den Rechtsstreit auszusetzten, bis über den Einspruch der Beklagten gegen das Klagepatent (EP 1 271 XXX) vor dem Europaischen Patentamt entschieden ist;

weiter hilfsweise, im Falle einer Verurteilung, den Beklagten zu gestatten,

a) den Vernichtungsanspruch dadurch zu erfüllen, dass sie bei den in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Bearbeitungsstationen die Hubzylinder ausbauen, die Führung der linear verschiebbaren Führungshülse verschweißen und die Software der Bearbeitungsstationen so verändern, dass eine Bewegung der linear bislang verschiebbaren Hülse ausgeschlossen wird;

b) den Rückrufanspruch dadurch zu erfüllen, dass sie gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den patentverletzenden Zustand der Sache einen unentgeltlichen Umbau durchführen, bei dem der Hubzylinder entfernt, die Führung fest verschraubt und die Software so modifiziert wird, dass eine Bewegung der bislang linear verschiebbaren Führungshülse ausgeschlossen ist.

Dem Aussetzungsantrag tritt die Klägerin entgegen.

Die Beklagten sind der Auffassung, der Sachvortrag der Klägerin, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent, sei unsubstantiiert. Allein die Wiedergabe einer Bedientafel sei nicht geeignet, den Sachvortrag zu ersetzen, dass die Führungshülsen der angegriffenen Ausführungsformen mit einer Ansteuerung verbunden seien. Gleiches gelte sinngemäß dafür, dass die Ansteuerung während des Kabelbearbeitungsbetriebs die Führungshülsen vollständig aus dem Kabelweg bzw. von der Kabelachse verschiebe. Eine Verletzung der nunmehr geltend gemachten eingeschränkten Fassung des Klagepatentanspruchs liege nicht vor. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über keine Ansteuerung der Führungshülse, die fallweise während des Abisoliervorgangs vollständig aus dem Kabelweg nach oben verschoben würde. Der Abisoliervorgang selbst betreffe nicht den gesamten Vorgang der Abisoliervorrichtung, sondern beginne erst in dem Moment, in dem das Messer zum ersten Mal in das Kabel einschneide, und nicht schon, wenn das Kabel vorgeschoben würde. Unstreitig ist dies bei der angegriffenen Ausführungsform nicht der Fall. Zudem seien die Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz teilweise verjährt. Unstreitig kam es am 12.10.2007 zu einem Treffen des Geschäftsführers der Klägerin und des Beklagten zu 2). Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagten behaupten, Gegenstand des Gespräches sei die von der Klägerin behauptete Verletzung des Klagepatents gewesen. Die Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung seien unverhältnismäßig, da ein Umbau der angegriffenen Ausführungsformen möglich sei, so dass mechanisch keine Möglichkeit bestehe, die Führungsschiene zu verschieben. Um zu verhindern, das Dritte den Rückbau wiederum rückgängig machten, würden die Beklagten die Software der Maschine entsprechend ändern. Im Übrigen werde sich das Klagepatent nicht als rechtsbeständig erweisen. Die technische Lehre sei zum Teil nicht neu und nicht erfinderisch. Zudem liege dem Klagepatentanspruch 1 eine unzulässige Erweiterung zu Grunde, so wie die Einspruchsabteilung des EPA dies für das europäische Patent 1 670 XXX B1 ausgeführt habe.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg.

Da die angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machen, stehen der Klägerin gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzleistung und zur Entschädigung nach Art.64 Abs.1 EPÜ, §§ 9, 139 Abs.1, 2, 140a Abs.1, 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB, Art II § 1 Abs. 1 S. 1 IntPatÜbkG zu. Der Vernichtungsanspruch ist allerdings weitergehender zu beschränken.

I.
Das Klagepatent schützt eine Abisoliervorrichtung.

In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass sich bei den zum Stand der Technik gehörenden Vorrichtungen unterschiedliche Probleme ergeben würden. So seien die bei der Abisolation anfallende Isolationsreste (sog. Slug), die durch die Messer abgezogen würden, nicht immer ordentlich aus dem Arbeitsbereich der Vorrichtung zu entsorgen. Ferner bestehe das Problem, dass dünnere, flexiblere Kabel bei den bekannten Führungen mit starren Innendurchmessern nicht zentrisch geführt werden könnten, was zu Problemen am Kabelvorschub führen könne. Außerdem sei nachteilig, dass bei den bisherigen Ausführungen die Abisolation nicht in beliebiger Länge möglich sei; die Länge der Abisolation sei vielmehr begrenzt auf den Abstand zwischen den Werkzeughaltern und einem zweiten, axial dahinter liegendem Rollenpaar.

Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Abisoliervorrichtung zu schaffen, die hinsichtlich der Universalität verbessert ist, größere Abisolierlängen erlaubt und die Nachteile der oben genannten Konstruktionen vermeidet.

Patentanspruch 1 in der geltend gemachten eingeschränkten Fassung kann wie folgt gegliedert werden:

(a) Abisoliervorrichtung zur Kabelbearbeitung mit Antriebstationen und einem Messermodul (3)
(b) mit wenigstens einer einteiligen Führungshülse (40) nach dem Messermodul (3),
(c) wobei die Führungshülse (40) mit einer Ansteuerung verbunden ist,
(d) wobei die Ansteuerung die Führungshülse (40) fallweise während des Abisoliervorgangs vollständig aus dem Kabelweg bzw. aus der Kabelachse (6) nach oben verschiebt,
(e) wobei die Führungshülse (40) an der dem Kabelausgang zugewandten Seite des Messermoduls angeordnet ist,
(f) und auf der dem Kabelausgang abgewandten Seite des Messermoduls eine schwenkbare Führung (9) angeordnet ist,
(g) die nur eine Seite der Führung (9) aus der Achse (6) des Kabels schwenkt,
(h) während die andere Seite in der Achse (6) verbleibt.

2.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die technische Lehre des Klagepatents. Zu Recht ist dies zwischen den Parteien mit Ausnahme der Merkmale c) und d) unstreitig.

a)
Soweit die Beklagten die Verwirklichung des Merkmals d) in Abrede stellen, kann dem nicht gefolgt werden.

Merkmal d) verhält sich über die Ansteuerung, die die Führungshülse (40) fallweise während des Abisoliervorgangs vollständig aus dem Kabelweg bzw. aus der Kalbelachse (6) nach oben verschiebt. Der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 gibt nicht vor, was der Fachmann unter „während des Abisoliervorgangs“ zu verstehen hat. Ob der Abisoliervorgang, so wie die Beklagten Merkmal d) verstehen, erst in dem Zeitpunkt beginnt, indem das Messer zum ersten Mal in das Kabel einschneidet und nicht bereits dann, wenn das Kabel eingangs in die vollautomatische Maschine vorgeschoben wird, ist dem Anspruchswortlaut als solchem nicht zu entnehmen. Der Anspruchswortlaut schließt vielmehr ein weiter definiertes Verständnis nicht aus, dass der Abisoliervorgang mit dem ersten Vorschieben des Kabels auf der Kabelachse beginnt. Die gesamte Vorrichtung, die nach dem Klagepatentanspruch 1 geschützt ist, umfasst einen vollautomatischen und einheitlichen Vorgang, der aus mehreren Verfahrensschritten besteht und nicht nur den Vorgang des Abziehens der Isolierung umfasst.

Die Klagepatentschrift geht davon aus, dass ein Abisoliervorgang aus mehreren Verfahrensschritten besteht und bereits mit dem Einschub des Kabels beginnt. Wie sich aus Abschnitt [0035] ergibt, startet der erste Verfahrensschritt mit dem Einschub des Kabels (7) auf seine vordere Abisolierlänge hinter die Messer (3) und der Freistellung der hinteren Führungshülse (40b). Erst in einem zweiten Verfahrensschritt schließen die Messer (3) bis zur Abisoliertiefe an das Kabel; dann erfolgt der Rückzug des Kabels (7). Dem folgen weitere Verfahrensschritte. Diesen Verfahrensschritten kann der Fachmann nicht entnehmen, dass Merkmal d) dahingehend zu verstehen sein muss, dass der Zeitraum des Abisolierens zu dem Zeitpunkt beginnt, indem das Messer an das Kabel angesetzt wird. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Abschnitt [0026] der Patentbeschreibung. Unabhängig davon, dass dort lediglich ein Ausführungsbeispiel dargestellt wird, vermag der Fachmann eine Beschränkung des Anspruchswortlauts diesem Abschnitt nicht zu entnehmen. Dort wird ausgeführt, dass vor dem Einschneiden oder Abisolieren die Kabelstücke zentriert werden. Darin liegt aber keine Definition des Merkmals d) im Sinne der Beklagten, denn über eine Definition des Abisoliervorgangs verhält sich dieser Abschnitt nicht. Ein dahingehendes Verständnis, wie die Beklagten Merkmal d) verstehen, wird auch nicht durch die funktionsorientierte Auslegung gestützt. Merkmal d) sieht keinen Zeitpunkt vor, wann genau die Führungshülse durch die Ansteuerung vollständig aus dem Kabelweg nach oben verschoben wird, solange ein abzuisolierender Teil eines Kabels in der Vorrichtung vorhanden ist.

Ausgehend von diesem Verständnis des Merkmals d) fallen die angegriffenen Ausführungsformen in den Schutzbereich des Klagepatentanspruchs 1. Die Beklagten haben unbestritten vorgetragen, dass die Führungshülse aus der Kabelachse verschoben wird, bevor das Kabel zur Messereinheit vorgeschoben wird. Die Führungshülse wird demnach fallweise während des Abisoliervorgangs vollständig aus dem Kabelweg bzw. aus der Kabelachse noch oben verschoben.

b)
Die Beklagten bestreiten den Verletzungsvorwurf, indem sie im Hinblick auf das Vorliegen einer Ansteuerung der Führungshülse in Abrede stellen, die Verwirklichung der Merkmale c) und d) sei substantiiert dargelegt worden. Insbesondere die Bedientafel, wie sie in der Bedienungsanleitung (Anlage KA 10) auf Seite 6-1 wiedergegeben sei, lasse ein Steuerelement für die Führungshülse nicht erkennen. Dem kann nicht gefolgt werden.

Aus der Bedienungsanleitung ergibt sich, dass die angegriffenen Ausführungsformen, insbesondere die A Baureihe, über schnell zu wechselnde Kabelführungen verfügt (Seite 2-2); der linke Teil hat als Leistungsdaten eine schwenkbar-pneumatische Kabelführung, der rechte Teil hat eine verschiebbare pneumatische Kabelführung. Unter Hinweis auf die Abbildung auf Seite 4-3 der Bedienungsanleitung wird ein optionaler Rotativschnitt dargestellt, der unter Ziffer 8 ein Bedienfeld „Schwenkrohr senken/heben“ vorsieht und unter Ziffer 11 ein Bedienfeld „Führungsbuchse heben/senken“ enthält. Die Abbildung auf Seite 6-1 der Bedienungsanleitung verhält sich über eine Steuerung, die über die Bedientafel bedient wird. Hieraus ist ersichtlich, dass die angegriffenen Ausführungsformen über eine Ansteuerung der Führungshülse verfügen. Diesem Sachvortrag sind die Beklagten nicht substantiiert entgegen getreten. Ihnen hätte es oblegen dazulegen, dass die Bedienelemente anders als über eine Ansteuerung zum Einsatz gebracht werden. Eine andere Funktionsweise haben die Beklagten aber nicht dargelegt. Im Ergebnis gleiches gilt für Merkmal d), welches sich ebenfalls über eine Führungshülse, die angesteuert wird, verhält.

3.
Da die angegriffenen Ausführungsformen sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklichen, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen.

a)
Der Unterlassungsanspruch ist nach Art.64 Abs.1 EPÜ, § 139 Abs.1 i.V.m. § 9 S.2 Nr.1 PatG begründet. Die Beklagten haben die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin hergestellt und angeboten. Sie haben es danach auch zu unterlassen, die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und zu den genannten Zwecken einzuführen und zu besitzen.

b)
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.

Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerinnen an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

Der Anspruch auf Entschädigung ergibt sich aus Art. II § 1 Abs.1 S.1 IntPatÜbKG.

c)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügen. Darüber hinaus werden die Beklagten durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 242 BGB).

d)
Der Vernichtungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) hat seine Grundlage in Art.64 Abs.1 EPÜ, § 140a Abs.1 PatG.

Nach § 140a Abs.4 S.1 PatG war der Vernichtungsanspruch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu beschränken. Den Beklagten wird eingeräumt, den Vernichtungsanspruch – wie im Tenor ausgeführt – zu erfüllen.

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie den Hubzylinder ausbauen, die Führung der linear verschiebbaren Führungshülse fest verschweißen und die Software so modifizieren können, dass eine Bewegung der linear bislang verschiebbaren Hülse ausgeschlossen ist. Damit wäre aber ein Anspruch darauf, dass die aus mehreren Modulen bestehende Abisoliervorrichtung insgesamt vernichtet wird, die auch patentfreie Module enthält, unverhältnismäßig.

Die Klägerin macht geltend, es bestehe die Gefahr eines Rückbaus. Sie trägt weiter vor, die Abnehmer würden die von ihnen gezogene Sicherheitskopie der Software wieder aufspielen. Wie ein möglicher Rückbau bei einem festen Verschweißen aussehen soll, hat die Klägerin auf den Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht vorgetragen. Allein die theoretische Möglichkeit eines Rückbaus schließt das Vorliegen von Unverhältnismäßigkeit nicht aus. Unter Berücksichtigung einer fest verschweißten Führungshülse erscheinen die Maßnahmen der Beklagten geeignet, einer drohenden Gefahr einer patentgemäßen Benutzung effektiv zu begegnen. Deshalb wäre eine Vernichtung der gesamten Abisoliervorrichtung nicht zu rechtfertigen.

e)
Der Rückrufanspruch beruht auf Art.64 Abs.1 EPÜ, § 140a Abs.3 PatG.

Der Rückrufanspruch war nicht gemäß § 140 Abs.4 S.1 PatG zu beschränken. Der Einwand der Beklagten, der Rückrufanspruch könne unter den gleichen Bedingungen wie der Vernichtungsanspruch erfüllt werden, weil der Rückrufanspruch dem Vernichtungsanspruch diene, vermag nicht zu überzeugen. Zwar hat der Rückrufanspruch auch eine dem Vernichtungsanspruch dienende Funktion; darin erschöpft sich die Funktion des Rückrufanspruchs aber nicht, sondern der Rückrufanspruch soll dazu führen, patentverletzende Ware wieder zurückzuholen und den Vertriebsweg frei zu machen (vgl. Rinken, in: Fitzner/Lutz/Bodewig, PatGRKomm, 4.Aufl., § 140a Rz.6). Einer Folgenbeseitigung der Patentverletzung dient aber nicht, die ausgelieferten angegriffenen Ausführungsformen lediglich umzubauen. Damit wird der Vertriebsweg nicht bereinigt, denn die angegriffenen Ausführungsformen verbleiben nach dem Umbau in den Vertriebswegen. Damit perpetuiert sich der Vorteil, die angegriffenen Ausführungsformen unter Verletzung des Klagepatents ursprünglich in den Markt gebracht zu haben.

f)
Die Einrede der Beklagten, die Klägerin könne die Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung, die vor dem 01.01.2008 entstanden sind, nicht mehr durchsetzen, greift nicht durch.

aa)
Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln des BGB (§ 141 PatG). Seit dem 01.01.2002 gilt einheitlich für die Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Nach § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also fällig geworden ist und der Gläubiger von den Umständen, die seinen Anspruch begründen und die Person des Schuldners positive Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit kennen musste (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.06.2007, I-2 U 22/06 Rz.94 ff). Für Schadensersatzansprüche gilt im Übrigen die Vorschrift des § 199 Abs.3 BGB.

Allein der Sachvortrag der Beklagten, es habe ein Treffen am 12.10.2007 in St.Gallen gegeben, bei dem der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagten zu 1) über die von der Klägerin behauptete Verletzung der Klagepatente durch die angegriffenen Ausführungsformen gesprochen hätten, reicht hierzu nicht aus. Voraussetzung ist, dass der Anspruchsberechtigte die erforderlichen Tatsachen kennt oder aufgrund grob fahrlässige Unkenntnis kennen musste, die erforderlich sind, die Rechte durchsetzen zu können. Ein Patentverletzungsfall erfordert detaillierte Kenntnis über die angegriffene Ausführungsform. Ohne die angegriffene Ausführungsform selbst bzw. Zeichnungen hiervon, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin hinreichende Kenntnis hatte. Dass dies konkret der Fall gewesen ist, haben die Beklagten nicht vorgetragen.

4.
Zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO besteht kein Anlass. Ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche stellen noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen (BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe). Die Aussetzung kommt danach in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dagegen kommt eine Aussetzung des Verfahrens regelmäßig dann nicht in Betracht, wenn die Einspruchsgründe denjenigen entsprechen, die bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigt worden sind und ohne Erfolg geblieben sind.

Nach dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien ist eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung von beiden Seiten noch nicht eingelegt worden. Die Einspruchsabteilung hat das Klagepatent in einer eingeschränkten Fassung, die dem Begehren der Klägerin zugrunde liegt, aufrechterhalten. Unabhängig davon, ob die Entscheidung der Einspruchsabteilung bestandskräftig wird, gibt der Sachverhalt keine Anhaltspunkte dafür her, dass die Entscheidung des EPA evident unzutreffend ist. Deshalb kann nicht mit der – festzustellenden – erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdekammer das Klagepatent insgesamt widerrufen wird.

Soweit die Beklagten darlegen, es seien weitere Einspruchsgründe gegeben, die einen Widerruf des Patents erwarten ließen, vermag dies nicht zu überzeugen. Die von den Beklagten behaupteten Einspruchsgründe wie die unzulässigen Erweiterungen, weitere neuheitsschädliche Dokumente sowie Kombinationen von Entgegenhaltungen, die dazu führten, den erfinderischen Schritt zu verneinen, waren Gegenstand des Einspruchsverfahrens und haben die Einspruchsabteilung nicht veranlasst, das Klagepatent zu widerrufen. Neue Gründe, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Klagepatent trotzdem widerrufen werden könnte, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Auch haben die Beklagten keine Gründe vorgetragen, dass die nunmehrige Fassung des Klagepatents keinen Bestand haben könnte.

In ihrem Schriftsatz im Einspruchsverfahren zum EP 1 670 XXX hat die Beklagte zu 1) verschiedene Einspruchsgründe dargelegt. Die Einspruchsabteilung hat von sich aus eine unzulässige Erweiterung im Sinne von Artt. 100 lit.c), 123 Abs.2 EPÜ angenommen. Die Kammer kann indes nicht erkennen, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass das Klagepatent im Beschwerdeverfahren aus diesem Grunde widerrufen wird, denn die für das Klagepatent zuständige Einspruchsabteilung des EPA hat sich mit diesem Einwand bereits auseinandergesetzt und diesen Einspruchsgrund – soweit ersichtlich – den Erfolg versagt. Dass diese Entscheidung evident unzutreffend ist, haben die Beklagten nicht behauptet und kann auch der Begründung der vorläufigen Auffassung der Einspruchsabteilung im Verfahren über das EP 1 670 XXX nicht entnommen werden.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs.3, 100 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S.1 und 2 ZPO.

Streitwert: 250.000 EUR.

Davon entfallen 50.000,- EUR auf die Feststellung der gesamtschuldnerischen Schadenersatzpflicht der Beklagten. Die Aufteilung des Streitwerts ist notwendig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR-RR 2008, 460, 461) bei den hier streitgegenständlichen Ansprüchen nur der gesamtschuldnerisch gegen die Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz gebührenrechtlich eine Angelegenheit darstellt, für die eine Erhöhungsgebühr in Betracht kommt