4a O 49/12 – Drospirenon

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1897

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 26. Juni 2012, Az. 4a O 49/12

I. Die Verfügungsbeklagte wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Arzneimittel mit Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17α-pregn-4-ene-21,17-carbolactone, DRSP), unmittelbar hergestellt durch Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21,17-carbolacton durch Zugabe von p-Toluolsulfonsäure,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. sämtliche in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, in Ziffer 1. beschriebenen Erzeugnisse auf ihre Kosten zum Zweck der Verwahrung an einen von der Verfügungsklägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher herauszugeben, wobei die Verwahrung andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 149 XXX B1 (Verfügungspatent) auf Unterlassung und Herausgabe zwecks Verwahrung in Anspruch. Das Verfügungspatent stellt eine Teilanmeldung zu dem europäischen Patent 0 918 XXX dar, das am 11.08.1997 von der S AG unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 12.08.1996 (DE 196 33 XXX) angemeldet wurde. Die Offenlegung des Verfügungspatents, das den Anmeldetag der Stammanmeldung in Anspruch nimmt, erfolgte am 31.10.2001. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 07.01.2009 veröffentlicht. Eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents ist die Verfügungsklägerin, im Register noch eingetragen unter der früheren Firma A AG. Das Patent steht in Kraft.

Gegen die Erteilung des Verfügungspatents wurde seitens der B s.r.l. (Italien), der C, S.A. (Spanien) und der D Industries Ltd. Einspruch eingelegt. Nach mündlicher Verhandlung am 08.09.2011 stellte die Einspruchsabteilung beim EPA in der Zwischenentscheidung vom selben Tage fest, dass unter Berücksichtigung der von der Verfügungsklägerin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen das Verfügungspatent und seine Erfindung den Erfordernissen des EPÜ genügen. Im Ergebnis wurde das Verfügungspatent nach Maßgabe des ersten Hilfsantrags aufrechterhalten. Die Änderungen zum ursprünglich erteilten Patent bestehen in der Streichung des Unteranspruchs 3 und von Absatz [0023] der Beschreibung. Wegen der Einzelheiten der Zwischenentscheidung wird auf die Anlage ASt 4 verwiesen.

Gegen die Zwischenentscheidung wurde von allen Einsprechenden und den Parteien Beschwerde eingelegt, über die noch nicht entschieden wurde. Allerdings erließ die Beschwerdekammer beim EPA mit der am 24.04.2012 ergangenen Ladung zur mündlichen Verhandlung am 17.10.2012 eine Mitteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, für deren Inhalt auf die Anlage ASt 22 Bezug genommen wird.

Das in deutscher Sprache erteilte Verfügungspatent bezieht sich auf Drospirenon mit weniger als 0,2 % Verunreinigung. Die von der Verfügungsklägerin geltend gemachten Patentansprüche 1 und 2 des Verfügungspatents lauten:

1. Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17α-pregn-4-ene-21,17-carbolactone, DRSP) durch Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21,17-carbolacton durch Zugabe einer Säure oder Lewissäure.

2. Verfahren nach Anspruch 1
dadurch gekennzeichnet, dass die anschließende Wasserabspaltung durch Zugabe von p-Toluolsulfonsäure stattfindet.

Nachfolgend abgebildet sind die chemischen Strukturformeln von 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21,17-carbolacton (kurz: 5β-OH-DRSP)

und dem durch Wasserabspaltung gewonnenen Dospirenon (kurz: DRSP).

Die Verfügungsbeklagte vertreibt in mehreren europäischen Ländern orale Kontrazeptiva. Unter anderem verfügt sie in der Bundesrepublik Deutschland über die Marktzulassung für die Kontrazeptiva mit der Bezeichnung „E“ und „F“ (angegriffene Ausführungsform). Ersteres enthält als arzneilich wirksame Bestandteile 3 mg Drospirenon und 0,02 mg Ethinylestradiol, letzteres 3 mg Drospirenon und 0,03 mg Ethinylestradiol. Als Hersteller (Endfreigabe) werden in der Zulassung die C, SA und die Salutas Pharma GmbH genannt. In der im Internet abrufbaren Gebrauchsinformation für die angegriffene Ausführungsform wird lediglich die Salutas Pharma GmbH als Herstellerin genannt. Die Chargenbezeichnungen auf der Verpackung und den Blistern der angegriffenen Produkte beginnt mit dem Kürzel „LF“, das für C, SA steht.

Die C, SA gehört wie auch die in Italien ansässige B s.r.l. zur spanischen Unternehmensgruppe G und konfektioniert fertige pharmazeutische Produkte. Sie stellt so genannte LF3- und LF4-Tabletten her, die 3 mg Drospirenon und 0,02 mg beziehungsweise 0,03 Ethinylestradiol enthalten. Das Drospirenon für diese Tabletten bezieht C, SA ausschließlich von der B s.r.l. Diese stellt pharmazeutische Wirkstoffe für die pharmazeutische Industrie her, darunter auch den Wirkstoff Drospirenon. Nach diesem Ablauf – Herstellung des Drospirenon durch B s.r.l., Lieferung an C, SA und dortige Konfektionierung – wird auch die angegriffene Ausführungsform hergestellt.

B s.r.l. stellt das Drospirenon nach einem Verfahren her, dessen Reaktionsschema nachstehend wiedergegeben ist. Wegen des genauen Ablaufs des Verfahrens wird auf die Anlage Ast 18a Bezug genommen.

Im Kern entspricht das Verfahren dem Beispiel 7 der eigenen internationalen Patentanmeldung WO 2006/061309 A1 der B s.r.l., für deren Inhalt auf die Anlage ASt 19 Bezug genommen wird. In dem Herstellungsverfahren unterscheiden sich der Stoffmengenanteil des Oxidationsmittels TEMPO und die Temperatur der Oxidationsreaktion von dem genannten Beispiel.

Am 27.01.2012 erhielt die Marketingabteilung der Verfügungsklägerin durch eine Mitteilung des Preisänderungsdienstes Lauer-Taxe den Hinweis, dass die Verfügungsbeklagte beabsichtige, die angegriffene Ausführungsform demnächst in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr zu bringen. Dies wurde der Patentabteilung der Verfügungsklägerin am 01.03.2012 mitgeteilt. Diese war bereits am 03.02.2012 von niederländischen Rechtsanwälten auf die unmittelbar bevorstehende Markteinführung des Produkts „H“ aufmerksam gemacht worden und hatte Herrn Prof. Dr. I mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, das am 19.03.2012 schriftlich ausgearbeitet war. Aus den Gebrauchsinformationen zur angegriffenen Ausführungsform ergab sich für die Verfügungsklägerin, dass die Untersuchungen zum niederländischen Produkt für die angegriffene Ausführungsform gleichermaßen verwertbar sein würden.

Mit einem am 30.03.2012 bei Gericht eingegangenen Antragsschriftsatz hat die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, das in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Drospirenon werde nach dem mit den Verfügungspatentansprüchen 1 und 2 geschützten Verfahren hergestellt. Dafür sei es nicht erforderlich, dass 5β-OH-DRSP unter bestimmten Bedingungen hergestellt worden sei und in isolierter Form vorliege. Der Rechtsbestand sei durch die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung hinreichend gesichert. Auch in zeitlicher Hinsicht habe sie mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung nicht unangemessen lange zugewartet. Selbst wenn die Einholung des Gutachtens bei Prof. Dr. I nicht erforderlich gewesen sein sollte, habe sie gleichwohl die angegriffene Ausführungsform besorgen müssen. Eine Zeitdauer von zwei Monaten bis zur Antragsstellung sei jedenfalls unschädlich.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

– wie erkannt –

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Verfügungsantrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, der Verfügungspatentanspruch setze voraus, dass 5β-OH-DRSP unter bestimmten Reaktionsbedingungen hergestellt und isoliert worden sei. Nur dann sei eine Betrachtung der beanspruchten Wasserabspaltungsreaktion als eigenständiger Verfahrensschritt erlaubt und als solcher patentfähig, da das geschützte Verfahren anderweitig bereits Teil des alten Betriebsverfahren gewesen sei und die erfindungsgemäßen Vorteile nicht erreicht würden. Tatsächlich wende die Verfügungsbeklagte das Verfahren aber weder unmittelbar in der Bundesrepublik Deutschland an, noch führe sie mit der angegriffenen Ausführungsform ein unmittelbares Verfahrensprodukt ein, da Drospirenon in einem Eintopfverfahren hergestellt werde und die Reaktionsbedingungen nicht sicherstellten, dass 5β-OH-DRSP der einzige Stoff sei, der bei Durchführung der Wasserabspaltung der Wirkung der p-Toluolsulfonsäure ausgesetzt sei.

Darüber hinaus fehle es am Verfügungsgrund. Die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung sei evident unrichtig. Die geltend gemachten Verfügungspatentansprüche beruhten auf einer unzulässigen Erweiterung und seien weder neu, noch erfinderisch. Auch im Übrigen fehle es an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Dringlichkeit, da die Verfügungsklägerin das geschützte Verfahren ersichtlich nicht selbst nutze, die Schutzdauer des Verfügungspatents erst im Jahr 2017 ablaufe und die Verfügungsklägerin mit der Antragsstellung zu lange zugewartet habe. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich gewesen, hätte jedenfalls früher geschehen können. Auf der anderen Seite sei eine einstweilige Verfügung für sie – die Verfügungsbeklagte – mit erheblichen Nachteilen verbunden.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet.

Die Verfügungsklägerin hat einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht.

I.
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte Ansprüche auf Unterlassung und Herausgabe zwecks Verwahrung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 140a Abs. 1 PatG.

1.
Das Verfügungspatent schützt mit den Patentansprüchen 1 und 2 ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon.

In der Beschreibung des Verfügungspatents wird ausgeführt, die Erfindung betreffe Drospirenon mit weniger als 0,2 % Verunreinigung. Drospirenon sei als steroidaler Wirkstoff seit längerem bekannt – etwa aus der DE 26 52 761 C2 und der DE 30 22 337 A1. Die Durchführung der letzten vier Schritte zu der Herstellung von Drospirenon erfolge im Eintopfverfahren. Das heißt, nach der Hydrierung von Dimethylenpropinol werde keine der durchlaufenen Zwischenstufen Dimethylenpropanol oder 5β-OH-DRSP isoliert (Abs. [0001] und [0002]; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Verfügungspatentschrift, Anlage ASt 1).

Im Stand der Technik – bspw. J, 21, 9 (1982), S. 696-697 – sei eine analoge Synthese von Drospirenon bekannt, die jedoch unter Anwendung einer Pyridiniumdichromat-Oxidation erfolge. Ähnliche Synthesen zur Herstellung von steroidalen 17, 21-Carbolactonen seien auch in der EP-A-0 075 189 und der EP-A-0 051 143 beschrieben, allerdings unter Beteiligung mikrobiologischer Reaktionen. Oxidationen unter Beteiligung von Rutheniumverbindungen seien nicht offenbart (Abs. [0003]).

In der Verfügungspatentschrift wird der Reaktionsablauf der unter Mitwirkung von Pyridiniumchromat-Oxidation ablaufenden Synthese anhand des nachstehenden Reaktionsschemas erläutert (so genanntes „altes Betriebsverfahren“):
Demnach werde das Dimethylenpropinol in THF mit Wasserstoff an Palladium-Kohle zum Dimethylenpropanol hydriert. Die erhaltene Hydrierlösung werde dann ohne Isolierung und Zwischenaufbereitung zum Drospirenon umgesetzt. Dafür werde zuerst ein Lösungsmittelwechsel von THF zu DMF vollzogen und anschließend das Propanol bei 40° C mit einem Überschuss von 3,7 Äquivalenten Pyridiniumdichromat (PDC) zu einem Gemisch von Drospirenon und 5β-OH-DRSP oxidiert. Die 5-β-OH-Funktion im Oxidationsprodukt sei labil gegenüber Säuren, Lewissäuren und basischen Bedingungen bei erhöhten Temperaturen, da in allen Fällen mit der Ausbildung des Δ-4,5-ungesättigten Ketons im Drospirenon ein thermodynamisch stabileres Produkt erhalten werde. Die Eliminierung der β-OH-Funktion im 5β-OH-DRSP verlaufe zum thermodynamisch stabileren Dospirenon und könne nicht unterdrückt werden. Die Mischung enthalte in der Regel wechselnde Anteile der beiden Komponenten, wobei das 5β-OH-DRSP im Allgemeinen als Hauptkomponente im Verhältnis von 2-3:1 vorliege. In der letzten Stufe der Eintopfsequenz werde das Zweikomponenten-Gemisch durch Zugabe von halbkonzentrierter Salzsäure in das Drospirenon, roh überführt. Im Mittel aller Betriebsansätze werde ausgehend vom Dimethylenpropinol eine theoretische Ausbeute von 56 % Drospirenon, roh in einer HPLC-Reinheit von 98,9 % erzielt (Abs. [0004] bis [0008]).

Vor diesem Hintergrund liegt dem Verfügungspatent die Aufgabe zugrunde, ein neues Herstellungsverfahren für Drospirenon bereitzustellen, das selektiver und einfacher in der Durchführung als jenes aus dem Stand der Technik und außerdem ökologischer sei (Einsparung einer Chromtrioxid-Oxidation) (Abs. [0009]).

In der Verfügungspatentschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die in der Stammanmeldung beschriebene Erfindung ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon durch katalytische Hydrierung von Dimethylenpropinol zu Dimethylenpropanol, dessen Oxidation in Gegenwart eines Rutheniumsalzes zu 5β-OH-DRSP und anschließender Wasserabspaltung zu Drospirenon zum Gegenstand habe. Die Erfindung des Verfügungspatents beinhalte die anschließende Wassereleminierung von 5β-OH-DRSP zum Drospirenon durch Zugabe einer Säure oder Lewissäure (Abs. [0010] und [0012]).

Diese soll entsprechend den Verfügungspatentansprüchen 1 und 2 erfolgen, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

1. Verfahren zur Herstellung von Drospirenon (6β, 7β, 15β, 16β-dimethylene-3-oxo-17α-pregn-4-ene-21,17-carbolactone, DRSP)
2. durch Wasserabspaltung aus 6β, 7β, 15β, 16β-dimethylen-5β-hydroxy-3-oxo-17α-androstan-21,17-carbolactone
3. wobei die anschließende Wasserabspaltung durch Zugabe von p-Toluolsulfonsäure stattfindet.

2.
Das durch den Verfügungspatentanspruch 1 geschützte Verfahren zur Herstellung von Drospirenon umfasst lediglich einen Verfahrensschritt, der in der Wasserabspaltung aus 5β-OH-DRSP durch die Zugabe von p-Toluolsulfonsäure besteht. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten bietet der Verfügungspatentanspruch keinen Anhaltspunkt dafür, dass 5β-OH-DRSP für diesen Verfahrensschritt in isolierter Form vorliegen muss. Noch weniger kann dem Verfügungspatentanspruch entnommen werden, dass 5β-OH-DRSP unter bestimmten Reaktionsbedingungen gewonnen worden sein muss. Dies ergibt sich weder aus dem Begriff 5β-OH-DRSP, noch aus dem Umstand, dass der Verfügungspatentanspruch 2 eine „anschließende“ Wasserabspaltung durch Zugabe von p-Toluolsulfonsäure verlangt. Denn der Wortlaut des Verfügungspatentanspruchs lässt es auch zu, die „anschließende“ Wasserabspaltung in einem Eintopfverfahren durchzuführen, ohne das Zwischenprodukt 5β-OH-DRSP zuvor unter bestimmten Reaktionsbedingungen hergestellt und isoliert zu haben.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Beschreibung des Verfügungspatents. Diese unterscheidet ausdrücklich zwischen der Erfindung der Stammanmeldung und der des Verfügungspatents. Während die in der Stammanmeldung beschriebene Erfindung ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon durch katalytische Hydrierung von Dimethylenpropinol in Dimethylenpropanol und dessen anschließende Oxidation zu 5β-OH-DRSP in Gegenwart eines Rutheniumsalzes mit anschließender Wasserabspaltung zu Drospirenon zum Gegenstand hat (Abs. [0010] und [0011]), beinhaltet die mit dem Verfügungspatent geschützte Erfindung lediglich die anschließende Wassereleminierung von 5β-OH-DRSP zu Drospirenon durch Zugabe einer Säure oder Lewissäure (Abs. [0012]) – im Verfügungspatentanspruch durch p-Toluolsulfonsäure. Bereits aus dieser ausdrücklichen Differenzierung ist ersichtlich, dass die für die isolierte Gewinnung von 5β-OH-DRSP erforderlichen Reaktionsbedingungen gerade nicht Gegenstand der mit den Verfügungspatentansprüchen 1 und 2 geschützten Lehre sein sollen. Abgesehen davon setzt auch die Erfindung, die Gegenstand der Stammanmeldung ist, nach der Beschreibung im Verfügungspatent nicht voraus, dass 5β-OH-DRSP für die anschließende Wasserabspaltung in isolierter Form vorliegen muss. Dass eine selektive Synthese von 5β-OH-DRSP ohne die Bildung von DRSP möglich ist, wird zwar in der Beschreibung des Verfügungspatents beschrieben (Abs. [0013]). Dies hat aber weder in die Darstellung der Erfindung der Stammanmeldung (vgl. Abs. [0010] und [0011]), noch in den Verfügungspatentanspruch Eingang gefunden.

Die Verfügungsbeklagte verweist zur Begründung ihrer Auffassung im Wesentlichen auf die in der Verfügungspatentschrift formulierte Aufgabe und die mit der Erfindung genannten Vorteile gegenüber der aus dem Stand der Technik bekannten Lösung. Im Einzelnen meint sie, der Fachmann erfahre aus der Darstellung des Standes der Technik im Verfügungspatent, dass die Wasserabspaltung durch eine Säure im Eintopfverfahren nachteilig sei, wenn „im Topf“ nicht nur 5β-OH-DRSP, sondern auch das Endprodukt Drospirenon bereits teilweise enthalten sei. Davon wolle sich das Verfügungspatent abwenden. Aus der Aufgabe des Verfügungspatents ergebe sich daher, dass das beanspruchte Verfahren drei Wirkungen haben solle, nämlich (1) verbesserte Selektivität, (2) größere Einfachheit und (3) ökologische Vorteile. Nach der Beschreibung des Verfügungspatents könnten die aus dem Stand der Technik bekannten Nachteile vermieden und das technische Problem gelöst werden, wenn vor der Wasserabspaltung unter bestimmten Reaktionsbedingungen die selektive Synthese von 5β-OH-DRSP ohne die Bildung von Drospirenon erfolge. Nur so könnten auch die in der Verfügungspatentschrift dargestellten Vorteile der Erfindung erreicht werden. Allein durch die irgendwie gestaltete Wasserabspaltung von 5β-OH-DRSP werde keiner der Vorteile erreicht. Ein solches Verfahren werde bereits durch den letzten Schritt des „alten Betriebsverfahrens“ – Zugabe von Salzsäure zu einem Gemisch von 5β-OH-DRSP und Drospirenon im Eintopfverfahren – verwirklicht. Dem vermag die Kammer allenfalls eingeschränkt zu folgen. Eine andere Auslegung des Verfügungspatentanspruchs wird dadurch jedoch nicht begründet.

Die Ermittlung des einem Patent zu Grunde liegenden technischen Problems ist Teil der Auslegung des Patentanspruchs. Das technische Problem ist aus dem zu entwickeln, was die Erfindung tatsächlich leistet. In der Beschreibung des Patents enthaltene Angaben zur „Aufgabe” der Erfindung können einen Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs enthalten. Auch für solche Angaben gilt jedoch – wie für den gesamten übrigen Inhalt der Patentschrift – der Vorrang des Patentanspruchs (BGH GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung). Ausgehend von dem im Verfügungspatent dargestellten Stand der Technik wird in der Verfügungspatentschrift als Aufgabe der Erfindung die Bereitstellung eines neuen Herstellungsverfahrens für Drospirenon formuliert, welches selektiver und einfacher in der Durchführung ist als jenes aus dem Stand der Technik und außerdem ökologischer ist (Abs. [0009]).

Der Fachmann erfährt aus der Beschreibung der Verfügungspatentschrift, dass diese Aufgabe jedenfalls durch das in der Stammanmeldung beschriebene Verfahren zur Herstellung von Drospirenon gelöst wird. Dieses sieht die Hydrierung von Dimethylenpropinol zu Dimethylenpropanol (Abs. [0010]) und die anschließende Oxidation mittels eines Rutheniumsalzes zu 5β-OH-DRSP (Abs. [0011]) vor, das unter Wasserabspaltung zu Drospirenon umgewandelt wird (Abs. [0011] bis [0013]). Dieses Verfahren unterscheidet sich von dem in den Absätzen [0004] bis [0008] beschriebenen „alten Betriebsverfahren“ dadurch, dass unter bestimmten Reaktionsbedingungen des Verfahrens nach der Stammanmeldung die selektive Synthese von 5β-OH-DRSP möglich ist und die gleichzeitige Bildung von Drospirenon unterdrückt werden kann (Abs. [0013] und [0017]). Beim alten Betriebsverfahren wurde nämlich das Dimethylenpropanol durch Zugabe von Pyridiniumdichromat zu 5β-OH-DRSP oxidiert, wobei bereits zu diesem Zeitpunkt auch Drospirenon entstand. Die Bildung von Drospirenon konnte nicht unterdrückt werden (Abs. [0005]). Dies war deshalb nachteilig, weil das Drospirenon – wie die Patentinhaberin in eigenen Versuchen feststellte – bei Säureeinwirkung zu zwei Nebenprodukten zersetzt werden kann (Abs. [0015]), wodurch die Ausbeute an Drospirenon verringert wird. Abgesehen davon ist auch die Verwendung von Pyridiniumdichromat unter Umweltgesichtspunkten nachteilig. Beide Nachteile können durch das neue Betriebsverfahren nach der Stammanmeldung vermieden werden (vgl. Abs. [0017] bis [0019]).

Der Fachmann erkennt darüber hinaus aber auch, dass der mit dem Verfügungspatentanspruch 1 gesondert unter Schutz gestellte Schritt der Wasserabspaltung vom 5β-OH-DRSP ebenfalls zur Lösung der in der Verfügungspatentschrift formulierten Aufgabe beiträgt. Das alte Betriebsverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um ein Eintopfverfahren handelt, bei dem über einen längeren Zeitraum mehrere Reaktionen neben- und nacheinander – teilweise auch ungeordnet – ablaufen. Dazu gehört insbesondere auch der Einsatz von Pyridiniumdichromat zur Oxidation von Dimethylenpropanol. Bei Pyridiniumchromat handelt es sich um eine Säure, die das Propanol zu 5β-OH-DRSP oxidiert. Zugleich führt sie aber auch zur Bildung von Drospirenon durch Wasserabspaltung von dem soeben gebildeten 5β-OH-DRSP. Im Eintopfverfahren nach dem alten Betriebsverfahren setzt der Säureangriff also bereits auf der Stufe des Dimethylenpropanols an, wo er zu einem Gemisch von 5β-OH-DRSP und Drospirenon führt. Das erfindungsgemäße Verfahren setzt hingegen für die Herstellung von Drospirenon nicht bei der Hydrierung von Dimethylenpropinol oder bei der Oxidation von Dimethylenpropanol an, wie dies im alten Betriebsverfahren erfolgt. Das geschützte Verfahren setzt für die Herstellung von Drospirenon beim 5β-OH-DRSP an und ist allein auf den Schritt der Wasserabspaltung von dieser Verbindung beschränkt. Die vorherigen Schritte zur Herstellung von 5β-OH-DRSP sind von diesem Verfahren abgespalten.

Die Verfügungsklägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass bereits ein solches Verfahren, das für den Säureangriff beim 5β-OH-DRSP ansetzt, geeignet sei, das Verfahren zur Herstellung von Drospirenon zu kontrollieren. Es biete die Möglichkeit, in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen die in der Verfügungspatentschrift genannten Vorteile zu steuern. Wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Säure – hier die p-Toluolsulfonsäure – nicht bereits zum Dimethylenpropanol, sondern erst zu 5β-OH-DRSP hinzuzugeben, kann die Bildung der durch die Zersetzung von Drospirenon bedingten Nebenprodukte zurückgedrängt werden. Jedoch lässt sich bereits der Beschreibung des Verfügungspatents entnehmen, dass die Bildung der Nebenprodukte nicht vollständig unterdrückt wird (Abs. [0017]). Dies zeigt, dass selbst dann, wenn in der Reaktionskette zur Herstellung von Drospirenon lediglich zur Wasserabspaltung von 5β-OH-DRSP Säure eingesetzt wird, eine geringe Menge des entstandenen Drospirenons zu den unerwünschten Nebenprodukten zersetzt werden kann. Letztlich lässt sich jedoch mit dem erfindungsgemäßen Verfahren in Abhängigkeit von den Reaktionsbedingungen die Bildung der Nebenprodukte zurückdrängen und eine selektivere und einfachere Herstellung von Drospirenon bewerkstelligen. Insofern wird durch die Wahl von 5β-OH-DRSP als Ausgangspunkt für ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon die in der Verfügungspatentschrift genannte Aufgabe, ein selektiveres und in der Durchführung einfacheres Verfahren bereitzustellen gelöst. Dafür ist nicht zwingend erforderlich, dass 5β-OH-DRSP zuvor unter bestimmten Reaktionsbedingungen hergestellt wurde und für die Anwendung des Verfahrens nach den Verfügungspatentansprüchen isoliert vorliegen muss.

Die Kammer verkennt insofern nicht, dass das Verfahren gemäß dem Verfügungspatentanspruch 1 auch im so genannten alten Betriebsverfahren (Abs. [0004] bis [0008]) enthalten ist, weil mit der Salzsäure im Rahmen des Eintopfverfahrens eine Säure zu einem Reaktionsgemisch gegeben wird, das auch 5β-OH-DRSP enthält. Dieser Umstand zwingt nicht zu einer Auslegung des Verfügungspatentanspruchs, nach der 5β-OH-DRSP nur unter bestimmten Reaktionsbedingungen hergestellt worden sein darf oder in isolierter Form vorliegen muss. Die Verfügungsklägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der im Verfügungspatent genannten Aufgabe lediglich die Bereitstellung eines Verfahrens gefordert sei, dass in der Durchführung selektiver und einfacher sei. Die Bildung von Nebenprodukten durch die Zersetzung von Drospirenon muss nicht vollständig unterbunden werden. Insofern ist es für die Anwendung des patentierten Verfahrens nicht zwingend erforderlich, dass 5β-OH-DRSP isoliert vorliegt oder zuvor unter den in den Absätzen [0010] bis [0011] beziehungsweise [0013] genannten Bedingungen gewonnen wurde. Auch wenn 5β-OH-DRSP nicht in isolierter Form vorliegt, besteht mit dem erfindungsgemäßen Verfahren die Möglichkeit einer selektiveren und einfacheren Herstellung von Drospirenon, weil die Bildung von Nebenprodukten im gewissen Umfang gesteuert werden kann.

Auch bei funktionaler Betrachtung bedarf es für die anschließende Wasserabspaltung nicht der vorherigen Synthese und Isolation des 5β-OH-DRSP, worauf bereits die Einspruchsabteilung des EPA in ihrer Zwischenentscheidung hingewiesen hat (vgl. S. 18 der Anlage Ast 4). Demnach leistet die chemische Synthese zu 5β-OH-DRSP keinen technischen Beitrag zur anschließenden Dehydrierung. Unabhängig davon, auf welche Art und Weise 5β-OH-DRSP gewonnen werde und in welchem Reinheitsgrad die Verbindung vorliege, sei 5β-OH-DRSP zur Wasserabspaltung mittels einer Säure oder Lewissäure – im vorliegenden Fall p-Toluolsulfonsäure – geeignet. Wegen der Labilität der Verbindung gegenüber Säuren und Lewissäuren (vgl. Abs. [0013]) sei zu erwarten, dass sie auch als Bestandteil eines Gemisches reagieren werde.

Die Kammer sieht sich in ihrer Auslegung der Verfügungspatentansprüche bestätigt durch die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung beim EPA vom 08.09.2011 und die Mitteilung der Beschwerdekammer beim EPA vom 24.04.2012. Jedenfalls bei der Zwischenentscheidung handelt es sich um eine instanzabschließende Entscheidung, mit der sich die Kammer, da sie von einem sachkundig besetzte Spruchkörper stammt, im Rahmen eines Verletzungsverfahrens auseinanderzusetzen hat (BGH GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine). Die Einspruchsabteilung hat ausgeführt, dass das in den Beispielen des Verfügungspatents erläuterte Verfahren zur Herstellung von Drospirenon deutlich zweistufig sei (S. 17 der Anlage ASt 4), mithin die Wasserabspaltung von 5β-OH-DRSP eine von der selektiven Synthese von 5β-OH-DRSP unabhängige Verfahrensstufe ist. Die Einspruchsabteilung kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass für die Auslegung des Verfügungspatentanspruchs 1 nur das Vorhandensein von 5β-OH-DRSP – in jeglicher möglichen Form (z.B. Mischung, Lösung) – und die folgende Säurezugabe relevant seien (Ziffer 5.1 der Anlage ASt 4). Auch die Beschwerdekammer teilte bereits mit, dass sie die Patentansprüche dahingehend interpretiere, dass sie keine Verfahrensmaßnahmen enthalten, die es erfordern 5β-OH-DRSP in isolierter Form beziehungsweise reiner Form einzusetzen (Ziffer 7 der Anlage ASt 22).

3.
Die Verfügungsbeklagte benutzt die mit den Verfügungspatentansprüchen 1 und 2 geschützte Erfindung entgegen § 9 S. 2 Nr. 3 PatG, da sie mit der angegriffenen Ausführungsform ein Erzeugnis anbietet und in Verkehr bringt, das durch das geschützte Verfahren unmittelbar hergestellt wurde.

Dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform anbietet und in Verkehr bringt, ist zwischen den Parteien unstreitig. Auch das Verfahren, mit dem die angegriffene Ausführungsform hergestellt wird, steht zwischen den Parteien außer Streit. Das Reaktionsschema zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsform ist nachstehend wiedergegeben (vgl. Anlage ASt 18a).
Im letzten Verfahrensschritt wird 17α-(3-hydroxypropyl)-6β,7β,15β,16β-dimethylene-5β-androstane-3β,5,17β-triol (Formel VIII) in einer Mischung aus Methylenchlorid und Tetrahydrofuran und einer wässrigen Lösung von Natriumhydrogencarbonat in Gegenwart von mindestens drei molaren Äquivalenten von Kalziumhypochlorit als stöchiometrische Oxidationsmittel und von ca. 12,3 Mol-% von TEMPO (1,2,6,6-tetramethylpiperidin-1-oxyl radical) als Katalysator oxidiert (vgl. Anlage ASt 18a und S. 4 der Anlage 20a). Die zweiphasige Lösung wird gefiltert, die zwei Phasen werden getrennt und die organische Phase wird mit wässrigem Natriumbisulfat und dann mit wässrigem Natriumchlorid gewaschen. Die organische Phase wird konzentriert, um einen fettigen Rückstand zu gewinnen, der später mit Tetrahydrofuran und p-Toluolsulfonsäure behandelt wird, um Drospirenon (Formel I) zu gewinnen. Es ist unstreitig, dass im Rahmen dieses Verfahrens infolge der Oxidation 5β-OH-DRSP entsteht (Formel IX), das aufgrund der Zugabe von p-Toluolsulfonsäure dehydriert wird und Drospirenon bildet (vgl. Anlage ASt 18a und S. 4 der Anlage ASt 20a). Dass in diesem Verfahren 5β-OH-DRSP nicht unter den weiteren in der Verfügungspatentschrift beschriebenen Reaktionsbedingungen hergestellt und isoliert wird, ist nach der Lehre der Verfügungspatentansprüche 1 und 2 unschädlich.

Der Einwand der Verfügungsbeklagten, sie selbst wende das Verfahren zur Herstellung von Drospirenon nicht an, greift nicht durch, da dem Patentinhaber gemäß § 9 S. 2 Nr. 3 PatG das Anbieten und In-Verkehr-Bringen von Verfahrenserzeugnissen unabhängig davon vorbehalten ist, wer das Verfahren zu Herstellung des Erzeugnisses anwendet. Durch § 9 S. 2 Nr. 3 PatG wird ein bedingter Erzeugnisschutz begründet, sobald das Erzeugnis nach dem patentgemäßen Verfahren hergestellt ist (Benkard/Scharen, PatG 10. Aufl.: § 9 Rn 53). Der Inhaber eines inländischen Verfahrenspatents wird auf diese Weise auch vor der Einfuhr und dem Inlandsvertrieb von Erzeugnissen geschützt, die im Ausland nach dem für ihn im Inland geschützten Verfahren hergestellt sind (BGH GRUR 1964, 439, 441; Schulte/Kühnen, PatG 8. Aufl.: § 9 Rn 81). Daher vermag die Verfügungsbeklagte auch mit ihrem Einwand, das Verfahren zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsform werde nicht in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, nicht durchzudringen.

4.
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, weil die Verfügungsbeklagte zum Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland nicht berechtigt ist.

Ebenso hat die Verfügungsklägerin zur Sicherung eines etwaigen Vernichtungsanspruchs aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG einen Anspruch auf Herausgabe zwecks Verwahrung der angegriffenen Ausführungsform. Da die Verfügungsklägerin die angegriffene Ausführungsform vertreibt, kann davon ausgegangen werden, dass sie Verletzungsprodukte im Besitz hat.

II.
Es besteht der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund. Der Rechtsbestand des Verfügungspatents ist nach der erstinstanzlichen Entscheidung im Einspruchsverfahren auch im Hinblick auf die eingelegte Beschwerde als hinreichend gesichert anzusehen und die für den Erlass der einstweiligen Verfügung im Übrigen erforderliche Dringlichkeit ist gegeben.

1.
Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf kann im Allgemeinen von einem hinreichend sicheren Rechtsbestand ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 329, 331 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset). Mit der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 08.09.2011 liegt bereits eine erstinstanzliche Entscheidung aus einem Einspruchsverfahren vor, mit dem das Verfügungspatent im Wesentlichen aufrechterhalten wurde. Beschränkungen wurden nur in einem für das vorliegende Verfahren nicht maßgeblichen Umfang vorgenommen.

Damit gilt der Rechtsbestand des Verfügungspatents jedenfalls in der vorliegend geltend gemachten Fassung grundsätzlich als hinreichend gesichert. Das trifft auch auf den vorliegend geltend gemachten Unteranspruch 2 zu. Aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Auszug aus der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ergibt sich, dass über die Patentansprüche 2 und 3 des ursprünglich erteilten Patents mündlich verhandelt wurde (Ziffer 7 auf S. 1 der Niederschrift). Die beiden Patentansprüche waren auch Gegenstand der Entscheidung der Einspruchsabteilung, denn die Einspruchsabteilung hielt das ursprünglich erteilte Patent im Hinblick auf den Unteranspruch 3 für unzulässig erweitert (Ziffer 8 S. 2 der Niederschrift und Ziffer 4 der Anlage ASt 4), so dass das Verfügungspatent nur noch im Umfang eines neuen ersten Hilfsantrags verteidigt wurde, das heißt ohne den Unteranspruch 3.

Vor diesem Hintergrund obliegt es der Verfügungsbeklagten darzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen, dass die erstinstanzliche Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung keinen Bestand haben wird oder aufgrund anderer Einspruchsgründe der Widerruf des Verfügungspatents mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Mit Blick auf die gerichtlichen Kompetenzzuweisungen kann es jedoch nicht Aufgabe der Verletzungsgerichte sein, im Rahmen eines Verfügungsverfahrens die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung zu überprüfen. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn die Entscheidung erkennbar fehlerhaft ist und deswegen sicher zu erwarten ist, dass sie im nächsten Rechtszug aufgehoben werden wird. Dafür genügt es aber nicht, dass die erstinstanzliche Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung nach Auffassung des Verletzungsgerichts unrichtig ist. Die Fehlerhaftigkeit muss vielmehr offensichtlich sein. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die Entscheidung unhaltbar ist, sich also kein vernünftiges Argument dafür finden lässt, dass in der Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung ein bestimmter Widerrufs- oder Einspruchsgrundes verneint wurde. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

a)
Der Einspruch ist unter anderem auf den Einwand der unzulässigen Erweiterung im Sinne von Art. 100 c), 123 Abs. 2 EPÜ gestützt worden mit der Begründung, dass für die in der Patentanmeldung offenbarte Erfindung die isolierte Synthese von 5β-OH-DRSP unter bestimmten Reaktionsbedingungen (Oxidation mittels Rutheniumsalz) erforderlich sei (vgl. Ziffer. 1.1 und 1.2 der Anlage EVB 6a). Diesen Einspruchsgrund hat die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung vom 08.09.2011 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Herstellung von 5β-OH-DRSP und seine Isolierung gerade keine wesentlichen Merkmale der Patentanmeldung seien, weil 5β-OH-DRSP unabhängig von seiner Gewinnung zur Wasserabspaltung geeignet sei und eine Isolierung dieser Verbindung auch in der Patentanmeldung nicht zwingend verlangt werde (Ziffer 5.2 der Anlage ASt 4). Dem stellt die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren lediglich ihre abweichende Auffassung gegenüber. Es ist nicht ersichtlich, dass die Argumentation der Einspruchsabteilung unhaltbar ist. Sogar die Beschwerdekammer beim EPA wirft in ihrer Mitteilung vom 24.04.2012 die Frage der unzulässigen Erweiterung nur im Hinblick auf die Umsetzung von 5β-OH-DRSP mit Säuren oder Lewissäuren beziehungsweise mit halbkonzentrierter Salzsäure auf, nicht aber bezüglich der selektiven Synthese von 5β-OH-DRSP (Ziffer 8 der Anlage ASt 22), so dass in dieser Hinsicht von einem gesicherten Rechtsbestand ausgegangen werden kann.

Der Einwand der Verfügungsbeklagten, die Beschwerdekammer habe sich mit dem Argument, der Verfahrensschritt der Wasserabspaltung sei untrennbarer Teil eines Gesamtverfahrens, nicht auseinandersetzen müssen, weil sie bereits zwei andere Merkmale des Anspruchssatzes als nicht ursprünglich offenbart gekennzeichnet habe, ist unbehelflich. Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdekammer die zur Diskussion gestellten Einwände bereits als durchgreifend erachtet. Die Mitteilung der Beschwerdekammer kann daher ebenso dahingehend verstanden werden, dass sie das weitere zur Begründung einer unzulässigen Erweiterung angeführte Argument unabhängig von den anderen Merkmalen als unbeachtlich und daher als nicht diskussionswürdig angesehen hat. Abgesehen davon kommt es für die Frage, ob der Rechtsbestand als hinreichend gesichert angesehen werden kann, darauf an, ob die Zwischenentscheidung der Einspruchsentscheidung evident unrichtig ist. Die Einspruchsabteilung hat – wie bereits ausgeführt – die Reaktionsstufen, die zur selektiven Synthese von 5β-OH-DRSP führen, nicht als wesentliche Merkmale der Patentanmeldung angesehen. Dass diese Auffassung jeglicher Grundlage entbehrt, ist nicht erkennbar.

Ebenso wenig kann ein Verfügungsgrund mit der Begründung verneint werden, Unteranspruch 2, der vorliegend in Kombination mit dem Verfügungspatentanspruch 1 geltend gemacht wird, beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung (Ziffer 1.3 der Anlage EVB 6a). Die Einspruchsabteilung hat allgemein für die Umsetzung von 5β-OH-DRSP mit einer Säure oder Lewissäure ausgeführt, dass keiner der Umstände des Beispiels 2 – also nicht einmal die Verwendung von p-Toluolsulfonsäure – für die Art und Weise, wie eine Säure für die Wasserabspaltung von β-OH-Karbonly zu verwenden sei, von Bedeutung sei. Der Fachmann wisse, dass Primär-, Sekundär- oder Tertiär-Alkohole verschiedene Reaktivitäten für eine Wasserabspaltung aufwiesen, aber die Wasserabspaltung in Gegenwart jeder Säure zu erwarten sei (Ziffer 5.5 der Anlage ASt 4) – also insbesondere auch der konkret genannten p-Toluolsulfonsäure. Diese Ausführungen sind nicht allein deshalb unhaltbar, weil die Beschwerdeführerin unter Verweis auf eigene Versuche vorgetragen hat, der Einsatz von p-Toluolsulfonsäure könne nicht isoliert von den anderen in der Patentanmeldung genannten Reaktionskonditionen betrachtet werden und führe ohne diese Konditionen zu einer unzulässigen Erweiterung. Die vollständige Umsetzung von 5β-OH-DRSP zu Drospirenon mag zwar von den gewählten Reaktionsbedingungen (Dauer und Temperatur) abhängen. Allerdings – und so versteht die Kammer die Ausführungen der Einspruchsabteilung – wird der Fachmann die genannten Bedingungen ohne weiteres als nicht relevant für die dem zweiten Beispiel der Patentanmeldung zugrundeliegende Erfindung der Wasserabspaltung mittels p-Toluolsulfonsäure und damit als verallgemeinerungsfähig ansehen.

Auch die Beschwerdekammer hat in ihrer Mitteilung vom 24.04.2012 das Fehlen der Reaktionsbedingungen und insbesondere den Unteranspruch 2 unter dem Stichpunkt der unzulässigen Erweiterung nicht als diskussionswürdig erachtet (Ziffer 8 der Anlage ASt 22). Die von der Verfügungsbeklagten als Anlage EVB 5 vorgelegte Telefonnotiz führt hingegen zu keiner anderen Bewertung, weil sie nicht mit der hier für den Rechtsbestand maßgeblichen erstinstanzlichen Einspruchsentscheidung vergleichbar ist und zudem in einem Beschränkungsverfahren zur Stammanmeldung des Verfügungspatents entstanden ist. Vielmehr hat im Gegenzug die Verfügungsklägerin mit der Anlage ASt 23 eine Telefonnotiz aus dem Prüfungsverfahren betreffend das Verfügungspatent vorgelegt, in der eine unzulässige Erweiterung bezüglich des Unteranspruchs 2 gerade verneint wird.

b)
Die Einspruchsabteilung hat sich auch mit dem Einwand der mangelnden Offenbarung im Sinne von Art. 83, 100 b) EPÜ auseinandergesetzt (vgl. Ziffer 6 der Anlage ASt 4). Der diesbezüglich unter Ziffer 2.1 der Beschwerdebegründung vorgetragene Einwand greift bereits deshalb nicht durch, weil vorliegend der Verfügungspatentanspruch 1 in Kombination mit dem Verfügungspatentanspruch 2 geltend gemacht wird. Aber auch die unter Ziffer 2.2 aufgeführten Argumente lassen die Entscheidung der Einspruchsentscheidung nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen. Die Darstellung der Erfindung in der Patentanmeldung oder der Patentschrift genügt den Anforderungen von Art. 83 EPÜ, wenn sie es dem Fachmann ermöglicht, die Erfindung nachzuarbeiten. Dafür ist es nicht zwingend erforderlich, wenn ein Ausführungsbeispiel fehlt oder wenn es Fehler enthält. Die Anforderungen sind erfüllt, wenn der Fachmann aufgrund der Angaben in der Anmeldung unter Benutzung seines Fachwissens in der Lage ist, planmäßig und mit hinreichender Sicherheit den angestrebten Erfolg zu erzielen (Singer/Stauder/Teschemacher, EPÜ 4. Aufl.: Art. 83 Rn 16). Mit dem zweiten Beispiel (Abs. [0022] bis [0024]) beschreibt die Verfügungspatentschrift eine Vorgehensweise zur Herstellung von Drospirenon unter Wasserabspaltung von 5β-OH-DRSP mittels p-Toluolsulfonsäure. Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Angaben im Beispiel seien unvollständig beziehungsweise ließen eine vollständige Umsetzung von 5β-OH-DRSP nicht zu, greifen vor diesem Hintergrund selbst dann nicht durch, wenn die vollständige Umsetzung nach der Lehre des Verfügungspatentanspruchs für erforderlich gehalten werden sollte. Denn es ist nicht dargelegt, dass der Fachmann nicht aufgrund seines Fachwissens eine geringfügige Anpassung einzelner Parameter vornimmt, um zum Erfolg zu gelangen, so wie es auch der Beschwerdeführerin in ihren Versuchen ohne weiteres gelungen ist.

c)
Im Hinblick auf den Einwand der fehlenden Neuheit und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Ziffer 3 und 4 der Anlage EVB 6a) hat die Beschwerdeführerin keinen neuen Stand der Technik vorgelegt. Das gilt auch für den von der Verfügungsbeklagten herangezogenen Aufsatz von Bittler et al. (Anlage EVB 2), bei dem es sich um geprüften Stand der Technik handelt. Jedenfalls mit Blick auf die im vorliegenden Verfahren relevante Einschränkung der technischen Lehre durch die Verwendung von p-Toluolsulfonsäure statt allgemein einer Säure oder Lewissäure kann nicht davon ausgegangen werden, dass die technische Lehre nicht neu oder im Stand der Technik nahe gelegt war.

Weder im Aufsatz von Bittler et al. (Anlage EVB 2), noch in der US 4,416, 985 (EVB 7, mit der EVB 11 als zugehöriger Prioritätsschrift) wird die Verwendung von 5β-OH-DRSP für ein Verfahren zur Herstellung von Drospirenon offenbart. Ebenso wenig wird die Zugabe von p-Toluolsulfonsäure als Mittel zur Wasserabspaltung beschrieben. Die Annahme der Einspruchsabteilung, dass die Lehre des Verfügungspatentanspruchs durch keine der beiden Entgegenhaltungen neuheitsschädlich vorgenommen sei, lässt sich daher nicht ohne weiteres von der Hand weisen. Das gilt auch im Hinblick auf die Auffassung der Einspruchsabteilung, sie gehe davon aus, dass das Konzept von der Handlung „Zugabe“ eine zwangsläufig spätere Hinzufügung einer oder mehreren Komponenten zu einer bereits vorhandenen Komponente oder Komponentengruppe bedeute und das Verfahren neu sei, weil in keiner Entgegenhaltung offenbart sei, dass die Säure oder Lewissäure nach dem Beginn der Reaktion zugegeben werde (Ziffer 7.5 der Anlage ASt 4). Die Beschwerdekammer hat zwar die Auffassung geäußert, dass die Verfahrensmaßnahme „durch Zugabe einer Säure oder Lewis-Säure“ nicht eindeutig festlege, wann die Säure zugegeben werde (Ziffer 7 der Anlage ASt 22). Daraus folgt aber nicht zwingend, dass die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung offensichtlich fehlerhaft ist und das Verfügungspatent widerrufen wird. Denn unabhängig vom Zeitpunkt der Zugabe ist in keiner Entgegenhaltung offenbart, dass für die Wasserabspaltung p-Toluolsulfonsäure verwendet werden soll.

Ebenso hat die Einspruchsabteilung bereits im Hinblick auf die Verwendung von Säuren und Lewissäuren die erfinderische Tätigkeit bejaht. Insofern geht es entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten nicht allein darum, die Wasserabspaltung mittels p-Toluolsulfonsäure zu bewerkstelligen. Es ist bereits nicht ersichtlich, welchen Anlass der Fachmann hat, abweichend vom Stand der Technik mit einem Zwischenprodukt aus dem bekannten Eintopfverfahren, nämlich mit 5β-OH-DRSP, das Verfahren zur Herstellung von Drospirenon zu beginnen und über den Prozess der Wasserabspaltung das Entstehen der unerwünschten Nebenprodukte zu kontrollieren (vgl. auch Ziffer 8.5.2 der Anlage ASt 4). Dass die Zwischenentscheidung in dieser Hinsicht evident fehlerhaft ist und daher das Verfügungspatent zwingend zu widerrufen ist, kann nicht angenommen werden.

2.
Die für den Verfügungsgrund erforderliche Dringlichkeit im Übrigen ist ebenfalls gegeben. Bereits durch die fortdauernde Benutzung des geschützten Verfahrens wird die Verfügungsklägerin als Patentinhaberin in ihren Rechten verletzt. Der Einwand, die Schutzdauer des Verfügungspatents laufe erst im Jahr 2017 ab, verfängt vor diesem Hintergrund nicht. Auch dass die Verfügungsklägerin das geschützte Verfahren gegebenenfalls selbst nicht anwendet, schließt den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht aus. Bei der Verfügungsbeklagten handelt es sich gleichwohl um eine Wettbewerberin der Verfügungsklägerin und das Interesse, einen Wettbewerber an der Herstellung von Konkurrenzprodukten mittels eines patentgeschützten Verfahrens zu hindern, ist im vorliegenden Fall durchaus schutzwürdig, selbst wenn die eigenen Produkte nicht mit diesem Verfahren hergestellt werden. Insoweit ist auch der Einwand, es mache für die wirtschaftliche Stellung der Verfügungsklägerin keinen Unterschied, ob der grundsätzlich gemeinfreie Stoff Drospirenon mit dem geschützten Verfahren oder irgendeinem anderen, nicht geschützten Verfahren hergestellt werde, unbehelflich. Stattdessen muss sich die Verfügungsbeklagte fragen lassen, warum dann die angegriffene Ausführungsform nach dem patentierten Verfahren hergestellt wird und nicht das Verfahren geändert wird.

Der Verfügungsklägerin kann auch nicht vorgeworfen werden, mit dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung so lange zugewartet zu haben, dass ihr ein eigenes Interesse an einer zeitnahen Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren abgesprochen werden muss. Wird auf die Marketingabteilung der Verfügungsklägerin abgestellt, hatte die Verfügungsklägerin frühestens am 27.01.2012 Kenntnis davon, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland anbietet. Dadurch war ihr aber noch nicht bekannt, mit welchem Verfahren die angegriffenen Produkte hergestellt werden. Erst als die Verfügungsklägerin die angegriffene Ausführungsform beziehungsweise das niederländische Parallelprodukt in Händen hielt, war für sie ersichtlich, dass Hersteller der angegriffenen Ausführungsform C, SA war. Dass sie dann noch Herrn Prof. Dr. I mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte, ist unschädlich. Der Verfügungsklägerin ist grundsätzlich der Zeitaufwand zuzugestehen, der für die Beschaffung von Glaubhaftmachungsmitteln wie zum Beispiel Gutachten erforderlich ist (Schulte/Kühnen, PatG 8. Aufl.: § 139 Rn 393 m.w.N.). Dass sich im Nachhinein herausstellt, dass die Einholung des Sachverständigengutachtens nicht notwendig war, weil die entsprechenden Tatsachen im Verfügungsverfahren unstreitig blieben oder das Gericht aus den vorgelegten Unterlagen auch ohne das Sachverständigengutachten die Verletzung des Verfügungspatents ersehen konnte, ist grundsätzlich unschädlich. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn das Gutachten bereits früher hätte eingeholt werden können, vor der Einholung des Gutachtens absehbar war, dass dieses nicht erforderlich sein wird, oder aus anderen Gründen ersichtlich ist, dass die Einholung des Gutachtens allein dazu diente, um Zeit zu gewinnen. Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht die Rede sein. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Verfügungsklägerin Anlass hatte, vor ihrer Kenntnis davon, dass die angegriffene Ausführungsform von der C, SA hergestellt wird, auf Grundlage der Aussagen von Herrn Dr. K im Jahr 2010 in einem polnischen Verfahren (Anlage ASt 18) das Gutachten in Auftrag zu geben. Das Gutachten wurde am 19.03.2012 fertiggestellt und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 30.03.2012 eingereicht. Dieser Zeitraum ist nicht unangemessen lang.

Der pauschale Einwand, im Falle einer einstweiligen Verfügung scheitere der Markteintritt, so dass ein neuer Zutritt kaum möglich sei, weil der Markt verunsichert sei, ist ohne näheren Tatsachenvortrag nicht geeignet, einen Verfügungsgrund in Frage zu stellen. Ebenso wenig vermag die Verfügungsbeklagte mit dem Vortrag durchzudringen, die Verfügungsklägerin habe die Wettbewerberin L Plc. nicht in Anspruch genommen. Es ist schon nicht dargelegt, dass das Produkt dieses Unternehmens nach dem patentgemäßen Verfahren hergestellt wurde.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Eines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da auch eine nach mündlicher Verhandlung durch Urteil erlassene einstweilige Verfügung per se vorläufig vollstreckbar ist, vgl. §§ 929, 936 ZPO.

Streitwert: 2.500.000,00 EUR