Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. Mai 2013, Az. 4a O 195/12
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, zu unterlassen,
tragbare Geräteeinheiten für die Inspektion von Hohlräumen, insbesondere von Rohrleitungen, mit einer Video-Kamera, einem Signalkabel und mit einem Gerätegestell, das mittels Aufstellstützen zur Abstützung in Betriebsstellung auf einer Aufstellfläche dient und an dem ein Bildschirmgerät und eine Haspel für das Signalkabel angeordnet sind, wobei
a) das Gerätegestell aus Rahmenteilen mit in Betriebsstellung waagrechten Schenkeln besteht und in Längsrichtung eine in Betriebsstellung vertikale Symmetrieebene eine Mittenlängsachse und eine in der Betriebsstellung zumindest im Wesentlichen waagrechte Bezugsplattform aufweist, auf der das Bildschirmgerät angeordnet ist,
b) die Haspel in Betriebsstellung waagrecht und mit senkrechter Drehachse (A-A) unter der Bezugsplattform angeordnet ist,
c) an mindestens einem Ende des Gerätegestells eine der Aufstellstützen angeordnet ist, die gegenüber der Aufstellfläche eine wirksame Breite („B2“) besitzt, die größer ist als das Höhenmaß (“HS“) des Massenschwerpunktes („S“) der Geräteeinheit über der Aufstellfläche in der Betriebsstellung,
d) am jeweils anderen Ende des Gerätegestells eine weitere der Aufstellstützen angeordnet ist,
im deutschen Geltungsbereich des Europäischen Patents 1 091 XXX B1 anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen, bei denen
e) der Bildschirm gegenüber dem Gerätegestell unbeweglich angeordnet ist, und die optische Achse des Bildschirmgeräts in der in Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene (E) verläuft, die durch die Mittenlängsachse der Bezugsplattform des Gerätegestells verläuft,
f) die Anordnung von unbeweglichem Bildschirmgerät und in Betriebsstellung waagrechter Haspel spiegelsymmetrisch zu der in Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene (E) ausgebildet ist, in der auch die Längsmittenachse des Gerätegestells und der Massenschwerpunkt der Geräteeinheit liegen;
2. der Klägerin darüber Rechnung zulegen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25.02.2006 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen und/oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten und -preisen (und ggfs. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten und -preisen (und ggfs. Typenbezeichnungen) sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
– den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
– die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben;
– die Verurteilung gemäß lit. e) auf die Zeit ab dem 12.12.2008 begrenzt ist;
3. die Beklagte zu 1):
die seit dem 12.12.2008 im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum in der Bundesrepublik Deutschland befindlichen Erzeugnisse entsprechend vorstehend Ziffer I.1. auf eigene Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
4. die Beklagte zu 1):
die vorstehend zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 12.12.2008 im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer auf eine Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 091 XXX erkannt hat, ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des ggfs. gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendekosten für die Rückgabe zugesagt wird.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 25.02.2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei sich die Schadensersatzpflicht für die vor dem 12.12.2008 begangenen Handlungen auf die Herausgabe dessen beschränkt, was die Beklagten durch die Benutzung des Klagepatents auf Kosten der Klägerin erlangt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagten zu 85 %.
IV. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen der Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents 1 091 XXX B 1 (im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch.
Die Klägerin ist eingetragene und ausschließlich verfügungsberechtigte Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten Klagepatents. Das Klagepatent wurde unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 22.7.1999 am 08.07.2000 angemeldet. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 25.01.2006 veröffentlicht. Auf eine Nichtigkeitsklage hin wurde das Klagepatent in der erteilten Fassung rechtskräftig aufrechterhalten. Das Bundespatentgericht wies mit Urteil vom 24.09.2008 die Nichtigkeitsklage der Beklagten zu 1) ab und der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.01.2011 die hiergegen gerichtete Berufung zurück. Wegen des Inhalts der Urteile wird auf die Anlagen K 3 und K 4 Bezug genommen. Das Klagepatent steht in Kraft.
Das Klagepatent betrifft ein Inspektionsgerät mit einer Videokamera für Hohlräume.
Der von der Klägerin geltend gemachte Patenanspruch 1 lautet wie folgt:
Tragbare Geräteeinheit für die Inspektion von Hohlräumen, insbesondere von Rohrleitungen, mit einer Videokamera (33), einem Signalkabel (29), und mit einem Gerätegestell (1), das mittels Aufstellstützen (6, 8) zur Abstützung in Betriebsstellung auf einer Aufstellfläche (10) dient und an dem ein Bildschirmgerät (15) und eine Haspel (25) für das Signalkabel (29) angeordnet sind, wobei
a) das Gerätegestell (1) aus Rahmenteilen mit in Betriebsstellung waagrechten Schenkeln (2a, 2b) besteht und in Längsrichtung eine in Betriebsstellung vertikale Symmetrieebene (E), eine Mittenlängsachse und eine in der Betriebsstellung zumindest im wesentlichen waagrechte Bezugsplattform aufweist, auf der das Bildschirmgerät (15) angeordnet ist,
b) die Haspel (25) in Betriebsstellung waagrecht und mit senkrechter Drehachse (A-A) unter der Bezugsplattform angeordnet ist,
c) an mindestens einem Ende des Gerätegestells (1) eine der Aufstellstützen (8) angeordnet ist, die gegenüber der Aufstellfläche (10) eine wirksame Breite („B2“) besitzt, die größer ist als das Höhenmaß („HS“) des Massenschwerpunktes („S“) der Geräteeinheit über der Aufstellfläche (10) in der Betriebsstellung,
d) am jeweils anderen Ende des Gerätegestells (1) eine weitere der Aufstellstützen (6) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
e) der Bildschirm (14) gegenüber dem Gerätegestell (1) unbeweglich angeordnet ist, und die optische Achse des Bildschirmgeräts (15) in der in Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene (E) verläuft, die durch die Mittenlängsachse der Bezugsplattform des Gerätegestells (1) verläuft,
f) die Anordnung von unbeweglichem Bildschirmgerät (15), und in Betriebsstellung waagrechter Haspel (25) spiegelsymmetrisch zu der in Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene (“E“) ausgebildet ist, in der auch die Längsmittenachse des Gerätegestells (1) und der Massenschwerpunkt (“S‘) der Geräteeinheit liegen.
Nachfolgende Figuren, die der Klagepatentschrift bzw. einem Schriftsatz der Beklagten entnommen worden sind, verdeutlichen die Funktionsweise der Vorrichtung an Hand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Figur 1 zeigt eine teilweise geschnittene Seitenansicht des Geräts mit waagrechter Haspel in Betriebsstellung.
Figur 2 zeigt eine Vorderansicht des Gegenstandes nach Figur 1.
Figur 8 zeigt eine Draufsicht auf das Gerätegestell.
Die Beklagte zu 1) ist die deutsche Vertriebsgesellschaft einer weltweit tätigen Unternehmensgruppe, die zu den führenden Anbietern von Rohrbearbeitungswerkzeugen für den Installateurbedarf gehört. Zum Produktportfolio gehört auch ein Inspektionsgerät unter der Produktbezeichnung „SeeSnake Compact“ (angegriffene Ausführungsform).
Die Beklagte zu 1) bewirbt das angegriffene Inspektionsgerät, nimmt Bestellungen deutscher Kunden entgegen und fakturiert die Lieferungen. Die Beklagte zu 2) nimmt die Auslieferung von dem in Belgien befindlichen europäischen Zentrallager vor. Sie führt die Geräte nach Deutschland ein und bringt sie dort in den Verkehr.
Nachfolgend sind drei Fotografien der angegriffenen Ausführungsform wiedergegeben, die dem Anlagenkonvolut K 14 entnommen worden sind und die die Klägerin mit Bezugsziffern versehen hat.
Die Klägerin, damals unter der Firmenbezeichnung A Werkzeuge AG, hatte die Beklagten wegen der angegriffenen Ausführungsform bereits im Jahr 2002 in Anspruch genommen. Im Juli 2002 erwirkte die Klägerin aufgrund einer behaupteten Verletzung des deutschen Patents 199 34 XXX, dessen Priorität das Klagepatent in Anspruch nimmt, eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagten, welche durch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main letztendlich zurückgewiesen wurde. Das Bundespatentgericht erklärte das deutsche Patent 199 34 XXX im angegriffenen Umfang für nichtig. Es erlosch insgesamt wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr. Mit Schreiben vom 14.08.2007 verwarnte die Klägerin die Beklagte zu 1) wegen einer behaupteten Patentverletzung des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch.
Die Klägerin hat die Unterlassungs-, Auskunfts- und Rechungslegungsanträge zurückgenommen, soweit sie sich auf die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform bezogen haben. Ferner hat sie den Vernichtungs- und Rückrufantrag auf die Beklagte zu 1) beschränkt.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
zu erkennen wie geschehen,
und darüber hinaus
die Beklagten in Bezug auf die Gestehungskosten und den erzielten Gewinn sowie Vernichtung und Rückruf ohne weitere zeitliche Einschränkung zu verurteilen sowie lediglich festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, die ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 25. Februar 2006 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, der Bildschirm der angegriffenen Ausführungsform sei gegenüber dem Gerätegestell beweglich. In Abgrenzung zum Stand der Technik verstehe der Fachmann die technische Lehre des Klagepatents dahingehend, dass diese Trennung unerwünscht sei, weil sie zusätzlichen Bedienaufwand mit sich bringe. Das Bundespatentgericht lege seiner Auslegung in seinem Urteil ein Verständnis zu Grunde, dass „unbeweglich“ völlig unbeweglich bedeute. Ein Verständnis im Sinne der Klägerin, nämlich im Sinne von unbeweglich festlegbar, sei in dem vom Klagepatent gewürdigten Stand der Technik (vgl. Abschnitte [0009 – 0010]) bekannt gewesen. Das Auslegungsergebnis des Bundespatentgerichts habe der Bundesgerichtshof bestätigt. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei kein unbeweglich angeordneter Bildschirm vorgesehen. Der Bildschirm sei – unstreitig – mittels zweier Gurte und entsprechender Schnallen abnehmbar und könne separat vom Rahmen des Inspektionsgeräts aufgestellt werden. Haspel und Bildschirm seien als separate Baueinheiten ausgelegt und würden auch separat angeboten. Zudem liege der Masseschwerpunkt der gesamten Geräteeinheit nicht exakt und ausschließlich in der Symmetrieebene „E“, so wie es der Wortlaut des Klagepatents verlange. Dies gelte nicht nur für die Betriebsstellung der tragbaren Geräteeinheit, sondern auch für die Transportstellung, da anderenfalls eine Nebenaufgabe des Klagepatents, die ergonomische Bedienbarkeit nicht hinreichend gelöst werden könne. Bei der angegriffenen Ausführungsform liege der Masseschwerpunkt weder in der Betriebs- noch in der Transportstellung in einer Symmetrieebene „E“, sondern sei um deutlich mehr als 1 cm – bei einer Gesamtbreite des angegriffenen Inspektionsgeräts von ca. 36 cm – entfernt zu der Ebene angeordnet.
Die Klägerin habe ihre Ansprüche verwirkt. Die Klägerin hätte ohne weiteres die Einschränkungen des geltend gemachten Patentanspruchs 1 des Klagepatents bereits im Rahmen eines Hilfsantrages während des Nichtigkeitsverfahrens gegen das damalige deutsche Patent 199 34 XXX vorbringen können. Sie habe dieses Patent freiwillig aufgegeben. Die Beklagten durften und hätten sich darauf verlassen, dass die Klägerin von ihrem ursprünglichen Unterlassungsverlangen in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform abgerückt ist.
Im Übrigen seien die Ansprüche für einen Zeitraum für die Jahre 2006 – 2007 bzw. für die Beklagte zu 2) ferner für das Jahr 2008 nicht mehr durchsetzbar. Die Klägerin habe seit 2002 Kenntnis von der angegriffenen Ausführungsform. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 25.01.2006. Seit diesem Zeitpunkt habe die Klägerin Kenntnis von allen relevanten Tatsachen. Die Zustellung der Klage gegenüber der Beklagten zu 2) erfolgte nach Auffassung der Beklagten am 17.09.2012, obwohl die Klage bereits am 12.12.2011 bei Gericht eingegangen sei. Dies sei nicht mehr demnächst im Sinne von § 167 ZPO.
Dem tritt die Klägerin entgegen. In Betriebsstellung sei es – unstreitig – so, dass der Bildschirm bei geschlossenen Gurten gegenüber dem Gerätegestell unbeweglich sei. Es müsse keine unlösbare Verbindung zwischen beiden Teilen vorhanden sein. Ferner müssen lediglich das Bildschirmgerät und die waagrechte Haspel spiegelsymmetrisch zu einer vertikalen Symmetrieebene sein. Auf eine nicht spiegelsymmetrische Anordnung des Kamerakopfes komme es nicht an. Im Übrigen beruft sich die Klägerin hilfsweise auf ihren Restschadensersatzanspruch.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat überwiegend Erfolg.
I.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde sowie gegen die Beklagte zu 1) zudem Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 9, 139 Abs. 1, 2, 140a Abs. 1, 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu, soweit nicht die Einrede der Verjährung Erfolg hat. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.
1.
Das Klagepatent schützt eine tragbare Geräteeinheit für die Inspektion von Hohlräumen.
Ausweislich der Patentbeschreibung sind lnspektionsgeräte für Rohrleitungen bekannt, bei denen eine Video-Kamera an einem Fahrgerät mit einem Motor, angetriebenen Rollen oder Raupenketten befestigt ist, das ein flexibles Signalkabel hinter sich herzieht.
Bei der Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Geräte sind die Haspel mit der Videokamera und das Bildschirmgerät (Monitor) als getrennte Einheiten ausgeführt, die vor dem Einsatz aufgebaut und signaltechnisch miteinander verbunden werden müssen. Eine solche Lösung ist in der GB 2 172 079 A beschrieben. Hierbei muss die Haspel in einer für die Bedienungsperson ergonomischen Stellung aufgebaut werden, wobei diese Stellung während des lnspektionsvorgangs auch zu verändern ist. In diesem Fall muss das Bildschirmgerät zur Erhaltung eines günstigen Blickwinkels entsprechend nachgerückt werden, wofür die Bedienungsperson an sich eine „dritte Hand“ benötigen würde.
Unter den Bezeichnungen „B“ und „C“ sind auch bereits lnspektionsgeräte mit senkrecht stehenden Haspeln bekannt, bei denen die Haspeln mit waagrechten Haspelachsen in vierbeinigen Ständern gelagert sind. Dadurch haben die Haspeln wegen ihres durch die Länge und die Steifigkeit des Signalkabels vorgegebenen Durchmessers einen sehr großen Abstand ihres Massenschwerpunktes über der Aufstellfläche, so dass beim Einzug oder Ausschub des Signalkabels eine erhebliche Kippneigung besteht. Bei beiden bekannten Inspektionsgeräten sind die Bildschirmgeräte seitlich über die Gestellabmessungen ausladend und fliegend angesetzt, wodurch die Kippneigung weiter vergrößert wird.
Durch die Firmendruckschrift „farb mini flexiprobe“ der Firma D in Großbritannien ist ein weiteres Gerät dieser Art bekannt, bei dem auf der Rückseite eines Kunststoffgehäuses eine senkrechte Haspel mit waagrechter Achse für ein Signalkabel angeordnet ist und bei dem in der Vorderseite ein Fenster angeordnet ist, in dem sich ein Bildschirmgerät befindet, das durch ein Gestänge mit vier Achsen aus dem Fenster heraus schwenkbar ist. In versenkter Stellung des Bildschirmgeräts verläuft die Abzugsrichtung des Signalkabels senkrecht zur Achse der Bildröhre, so dass das Gerät nur dann ergonomisch bedient werden kann, wenn das Bildschirmgerät aus dem Fenster heraus geschwenkt ist. Dadurch aber wird der ohnehin auf hohem Niveau liegende Schwerpunkt des Geräts verlagert. Die Gebrauchsstellung wird durch die senkrechte Stellung der Haspel vorgegeben.
Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Geräteeinheit der eingangs beschriebenen Gattung anzugeben, die eine Baueinheit von Bildschirmgerät, Gerätegestell und Haspel darstellt, eine ergonomische Bedienung, insbesondere durch eine Person, ermöglicht und kleinstmögliche Abmessungen und eine größtmögliche Standfestigkeit hat. Insbesondere soll die Geräteeinheit von Hand tragbar und auch für kleinste Rohrdurchmesser einsetzbar sein und eine kostengünstige Gestaltung, Herstellungs- und Bedienungsweise ermöglichen und besonders geeignet sein für Handwerksbetriebe und Hausverwaltungen und kostspieligere Inspektionssysteme ablösen.
Dies soll durch den Klagepatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:
Tragbare Geräteeinheit,
1. die zur Inspektion von Hohlräumen, insbesondere von Rohrleitungen dient und
2. eine Video-Kamera (33),
3. ein Signalkabel (29) und
4. ein Gerätegestell (1) aufweist,
4.1. das mittels Aufstellstützen (6, 8) zur Abstützung in Betriebsstellung auf einer Aufstellfläche (10) dient,
4.2. an dem ein Bildschirmgerät (15) und eine Haspel (25) für das Signalkabel (29) angeordnet sind,
4.3. das aus Rahmenteilen mit in Betriebsstellung waagrechten Schenkeln (2a, 2b) besteht und in Längsrichtung eine in Betriebsstellung vertikale Symmetrieebene (E), eine Mittenlängsachse und eine in der Betriebsstellung zumindest im Wesentlichen waagrechte Bezugsplattform aufweist, auf der das Bildschirmgerät (15) angeordnet ist, wobei
4.4. die Haspel (25) in Betriebsstellung waagrecht und mit senkrechter Drehachse (A-A) unter der Bezugsplattform angeordnet ist,
4.5. an mindestens einem Ende des Gerätegestells (1) eine der Aufstellstützen (8) angeordnet ist, die gegenüber der Aufstellfläche (10) eine wirksame Breite (“B2“) besitzt, die größer ist als das Höhenmaß (“HS“) des Massenschwerpunkts (“S“) der Geräteeinheit über der Aufstellfläche (10) in der Betriebsstellung, und
4.6. am jeweils anderen Ende des Gerätegestells (1) eine weitere der Aufstellstützen (6) angeordnet ist.
4.7. Der Bildschirm (14) ist gegenüber dem Gerätegestell (1) unbeweglich angeordnet und die optische Achse des Bildschirmgeräts (15) verläuft in der in der Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene (E), die durch die Mittenlängsachse der Bezugsplattform des Gerätegestells (1) verläuft.
4.8. Die Anordnung von unbeweglichem Bildschirmgerät (15) und in Betriebsstellung waagrechter Haspel (25) ist spiegelsymmetrisch zu der in Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene (E) ausgebildet, in der auch die Längsmittenachsen des Gerätegestells (1) und der Massenschwerpunkt (“S“) der Geräteeinheit liegen.
2.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch. Dies ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, soweit nicht die Merkmale 4.7 und 4.8 in Frage stehen. Aber auch diese beiden Merkmale werden wortsinngemäß verwirklicht.
a)
Die technische Lehre des Klagepatents umfasst auch Ausführungsformen, deren Bildschirm mit dem Rahmen unbeweglich, aber auch trennbar verbunden ist. Soweit die Beklagten der Auffassung sind, das technische Verständnis des Wortes „unbeweglich“ sei, dass der Bildschirm mit dem Geräteteil völlig unbeweglich bzw. untrennbar verbunden sein muss, kann dem nicht zugestimmt werden.
aa)
Merkmal 4.7 verlangt von seinem Wortlaut her einen Bildschirm (14), der gegenüber dem Gerätegestell (1) unbeweglich angeordnet ist und bei dem die optische Achse des Bildschirmgeräts (15) in der in der Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene („E“) verläuft. Der Begriff „unbeweglich“ ist in der Patentschrift selbst nicht definiert. Dem Wortverständnis nach bedeutet „unbeweglich“ jedenfalls, dass eine Relativbewegung beider Geräteteile zueinander nicht möglich sein darf. Ob darüber hinaus die Verbindung zwischen Bildschirm und Gerätegestell unlösbar verbunden sein muss, ist dem Wortlaut allerdings nicht zu entnehmen.
Einen Hinweis für das Verständnis von Merkmal 4.7 kann der Fachmann dem Klagepatentanspruch selbst entnehmen. Gegenstand der Erfindung ist eine tragbare Geräteeinheit zur Inspektion von Hohlräumen, die eine Videokamera (33), ein Signalkabel (29) und ein Gerätegestell (1) aufweist, an dem ein Bildschirmgerät (15) und eine Haspel (25) angeordnet sind (Merkmale 1, 2, 3, 4, 4.2). Die Geräteeinheit selbst hat, wie der Fachmann erkennt, eine besondere Bedeutung für die technische Lehre des Klagepatents. An verschiedenen Stellen in der Beschreibung wird im Stand der Technik die Trennung von Bildschirmgerät und Haspel als bedienungsunfreundlich kritisiert (vgl. Abschnitte [0005] und [0007]). Vor diesem Hintergrund wird in der Patentschrift die Aufgabe formuliert (Abschnitt [0015]), eine Geräteeinheit zu schaffen, die eine Baueinheit von Bildschirmgerät, Gerätegestell und Haspel darstellt. Aus Vorstehendem gewinnt der Fachmann das Verständnis, dass „unbeweglich“ im Sinne des Klagepatents bedeutet, eine Relativbewegung zwischen Gerätegestell und Bildschirm zu verhindern, nicht aber, dass beide Bauteile miteinander unlösbar verbunden sein müssen. Letzteres kann der Fachmann dem Begriff „Baueinheit“ nicht entnehmen. Die Beschreibung, soweit sie sich in den Abschnitten [0018] und [0044] über eine Baueinheit verhält, enthält keine Hinweise darauf, dass der Begriff „Baueinheit“ zwingend voraussetzen würde, dass Gerätegestell und Bildschirm nicht auch als zusammengesetzte Bauteile zu verstehen sein dürfen. Beiden Textstellen kann der Fachmann lediglich entnehmen, dass Bildschirm und Gerätegestell eine Baueinheit darstellen sollen, ohne dem Fachmann allerdings hierzu für die genaue Ausgestaltung der Baueinheit Vorgaben zu machen.
In Abgrenzung zum Stand der Technik mit getrennter Anordnung bzw. beweglicher Anordnung von Gestell und Bildschirm liegt Merkmal 4.7 der technische Zweck zugrunde, dass die Bedienperson den Bildschirm nicht mehr gesondert handhaben muss, um das Gerät technisch sinnvoll bedienen zu können. Es reicht aus, wenn die Bedienperson die Geräteeinheit insgesamt ausrichten kann. Dies ermöglicht es, wie es in Abschnitt [0044] der Beschreibung zum Ausdruck kommt und der sachverständig beratene Bundesgerichtshof in seinem Urteil auf Seite 10 (vgl. Anlage K 4) ausführt, das Inspektionsgerät so auszurichten, dass lediglich eine Bedienungsperson sowohl den gegenüber dem Gerätegestell unbeweglichen Bildschirm beobachten als auch das Signalkabel mit der Videokamera in ergonomischer Haltung in beiden Richtungen knickfrei bedienen kann. Damit grenzt sich die technische Lehre insbesondere von dem aus dem Stand der Technik bekannten Gerät „farb mini flexiprobe“ ab. Wie sich aus Abschnitt [0009] der Beschreibung ergibt, ist bei diesem Gerät der Bildschirm in einem Fenster auf der Vorderseite des Geräts angeordnet. Der Bildschirm ist über ein Gestänge mit vier Achsen aus dem Fenster heraus schwenkbar. Eine ergonomische Bedienung erfordert, dass der Bildschirm aus dem Fenster heraus geschwenkt wird, da anderenfalls die Abzugsrichtung des Signalkabels einer senkrecht angeordneten Haspel ebenfalls senkrecht zur Achse der Bildschirmröhre verläuft. Wie der fachkundig besetzte Senat des Bundespatentgerichts in seinem Urteil auf Seite 15 (vgl. Anlage K 3) ausführt, kann der Bildschirm beliebig gegenüber der Geräteeinheit verstellt werden und ist nicht unbeweglich im Sinne des Klagepatents angeordnet.
Darüber hinaus grenzt sich die Lehre des Klagepatents vom dem „farb mini flexibprobe“ dahingehend ab, dass erfindungsgemäß entsprechend der weiteren Aufgabe des Klagepatents kostspielige Inspektionsgeräte abgelöst werden sollen (vgl. Abschnitt [0015]). Das „farb mini flexiprobe“ Gerät bestand unter anderem aus einem Bildschirmgerät mit einem Gestänge mit vier Achsen und war insgesamt 6,8 mal so teuer wie eine erfindungsgemäße Ausführungsform im Jahr 2001, während der Erfindungsgegenstand kostengünstig in seiner Gestaltung, Herstellung und Bedienung ist, wie es in Abschnitt [0018] der Beschreibung ausgeführt wird.
bb)
Die angegriffene Ausführungsform weist augenscheinlich ein vom Gerätegestell lediglich abtrennbares Bildschirmgerät, einschließlich Bildschirm, auf. Je nach Einsatzmöglichkeit kann der Bildschirm auch auf dem Gestell mittels Riemen festgeschnallt werden, um so von dem Bedienpersonal insgesamt als Geräteeinheit ergonomisch bedient werden zu können. Dass das Bildschirmgerät von dem Gestell im Bedarfsfall getrennt werden kann, steht der Verwirklichung von Merkmal 4.7 nicht entgegen.
b)
Auch Merkmal 4.8. ist wortsinngemäß verwirklicht. Die Beklagten sind der Auffassung, Merkmal 4.8 setze voraus, dass der Masseschwerpunkt („S“) ausschließlich exakt in der Symmetrieebne („E“) liegen dürfe. Abweichungen hiervon fielen nicht mehr in den Schutzbereich des Klagepatents. Dies überzeugt nicht.
aa)
Merkmal 4.8 sieht vor, dass die Anordnung von unbeweglichem Bildschirmgerät (15) und in Betriebsstellung waagrechter Haspel (25) spiegelsymmetrisch zu der in Betriebsstellung vertikalen Symmetrieebene („E“) ausgebildet ist, in der auch die Längsmittenachsen des Gerätegestells (1) und der Masseschwerpunkt („S“) der Geräteeinheit liegen. Dem Wortverständnis nach versteht der Fachmann Merkmal 4.8 dahingehend, dass der Masseschwerpunkt auf der Symmetrieebene liegt, indes nicht punktgenau auf ihr liegen muss. Dieses Verständnis ergibt sich für den Fachmann aus der Sprachwendung „in der“, mit welcher zum Ausdruck kommt, dass damit nicht ein exakter Punkt auf der Symmetrieebene („E“) gemeint ist. Technischer Hintergrund ist, dass der Masseschwerpunkt einen wesentlichen Beitrag zu der erfindungsgemäß gewünschten Standfestigkeit leistet. Anders als bei Geräten, die aus dem Stand der Technik bekannt sind, ist die erfindungsgemäße Anordnung in Längsrichtung spiegelsymmetrisch zu einer vertikalen Symmetrieebene („E“) ausgebildet (vgl. Figuren 2, 3 und 8). In dieser Symmetrieebene liegt auch der Masseschwerpunkt („S“) (vgl. Abschnitt [0033]). Das Höhenmaß „HS“, gebildet aus dem Abstand des Masseschwerpunkts („S“) und der Aufstellfläche (10), ist erfindungsgemäß kleinstmöglich. Ist das Höhenmaß kleinstmöglich, wird dadurch eine „größtmögliche Standfestigkeit“ (Abschnitt [0014]) erzielt, die die Gefahr, dass das Gerätegestell umkippt, reduziert. Lediglich durch zunehmenden Ausschub des Signalkabels (29) wird der Masseschwerpunkt („S“) nach oben verlagert. Diese Verlagerung hat indes keine negativen Auswirkungen auf die Standfestigkeit des Inspektionsgeräts, da sich der Masseschwerpunkt („S“) in der Symmetrieebne („E“) verschiebt. Wie der Fachmann hieraus erkennt, lässt sich der Masseschwerpunkt auf der Symmetrieebene („E“) nicht absolut bestimmen. Nicht nur, dass eine exakte Berechnung eines solchen Punktes von der technischen Lehre des Klagepatents nicht vorgesehen ist, sondern auch Figur 8 verdeutlicht dem Fachmann, dass der Masseschwerpunkt nicht punktgenau auf der Symmetrieebene („E“) verordnet sein muss. Die Führungs- und Bremsvorrichtung (31) können seitlich an einem erfindungsgemäßen Inspektionsgerät angeordnet sein und beeinflussen damit die Standfestigkeit des Erfindungsgegenstandes.
Vor diesem Hintergrund besagt Merkmal 4.8 nicht mehr, als dass keine erhebliche Abweichung zwischen dem Masseschwerpunkt und der Symmetrieebene („E“) vorhanden sein darf, die die Stabilität eines erfindungsgemäßen Inspektionsgeräts beeinträchtigt.
bb)
Die Klägerin hat an Hand der vorgelegten Fotografien von der angegriffenen Ausführungsform schlüsig dargelegt (Anlagenkonvolut K 14), dass die Breiten B 1 und B 2 gleichseitig durch die Symmetrieebene („E“) geteilt werden. Soweit die Beklagten vortragen, bei der angegriffenen Ausführungsform liege aufgrund der seitlichen Feder- und Bremsvorrichtung der Masseschwerpunkt deutlich um mehr als 1 cm entfernt zu der Symmetrieebene, vermag dies nicht hinreichend dazulegen, dass eine erhebliche Abweichung des Masseschwerpunkts zur Symmetrieebene vorliegt. Denn die nachfolgend abgebildete Darstellung der angegriffenen Ausführungsform (links) zeigt in Anlehnung an Figur 8 der Klagepatentschrift (rechts) eine Symmetrieebene („E“) und einen Masseschwerpunkt unter Berücksichtigung einer Feder- und Bremsvorrichtung auf.
Etwas anderes ergab sich auch nicht aus der Inaugenscheinnahme der angegriffenen Ausführungsform im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Augenscheinlich befand sich der Masseschwerpunkt auf der Symmetrieebene, denn die angegriffene Ausführungsform konnte an einer dünnen Schnur in der zuvor abgebildeten Position hochgehoben werden, ohne dass die angegriffene Ausführungsform aus der horizontalen Ebene herausgefallen wäre.
3.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen. Der Einwand der Verwirkung greift nicht durch.
a)
Die Klägerin hat nicht verwirkt, die mit dieser Klage verfolgten Ansprüche geltend zu machen.
Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Verletzer wegen der Untätigkeit des Schutzrechtsinhabers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Neben einem sogenannten Zeitmoment bedarf es mithin stets des Vorliegens eines sogenannten Umstandsmoments (BGH NJW-RR 2006, 235; BGH GRUR 2001, 323, 325 – Temperaturwächter). Dies hat der in Anspruch genommene darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Bereits an Ersterem fehlt es. Es fehlt insbesondere ein Vortrag zum erforderlichen Umstandsmoment. Allein aus dem Fallenlassen eines Patents und dem darauf zurückzuführenden Ende eines Verletzungsstreits lässt sich nicht darauf schließen, dass ein Inhaber eines sachverwandten Patents aus diesem nicht wiederum gegen den vermeintlichen Verletzer vorgeht. Ob die Klägerin im ursprünglichen Bestandsverfahren geänderte Patentansprüche hätte einreichen können, begründet ebenfalls auf Seiten der Beklagten kein Umstandsmoment. Dies berührt die Durchsetzung eines anderen erteilten Patents der Klägerin nicht. Um ein Umstandsmoment begründen zu können, hätte es anderer objektiver Anhaltspunkte bedurft, die für die Beklagten den Schluss zuließen, die Klägerin würde aus dem – neuen – (Klage-)Patent keine Rechte gegenüber den Beklagten herleiten.
b)
Der Unterlassungsanspruch ist nach Art. 64 Abs.1 EPÜ, § 139 Abs.1 i.V.m. § 9 S.2 Nr.1 PatG begründet.
Die Beklagten haben die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland ohne Zustimmung der Klägerin arbeitsteilig angeboten, indem die Beklagte zu 1) den Auftrag deutscher Kunden aufnimmt und frakturiert und die Beklagte zu 2) die Auslieferung in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vornimmt. Sie haben es danach zu unterlassen, die angegriffene Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr zu bringen, zu gebrauchen und zu den genannten Zwecken einzuführen und zu besitzen.
Der Anspruch ist auch durchsetzbar. Er ist nicht nach § 141 S. 1 PatG, §§ 195, 199 BGB verjährt. Denn die Verjährungsfrist für den Unterlassungsanspruch beginnt mit jeder Zuwiderhandlung erneut zu laufen (Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Auflage, § 199 Rz. 23).
c)
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von ihr noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
Die von den Beklagten erhobene Einrede, die Klägerin könne die Ansprüche auf Schadensersatz und Rechnungslegung, nicht mehr durchsetzen, § 214 BGB i.V.m. § 141 PatG, greift für einen Zeitraum bis zum 12.12.2008 durch.
aa)
Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln des BGB (§ 141 PatG). Seit dem 01.01.2002 gilt einheitlich für die Ansprüche die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Nach § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, also fällig geworden ist und der Gläubiger von den Umständen, die seinen Anspruch begründen, und der Person des Schuldners positive Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.06.2007, I-2 U 22/06 Rz. 94 ff).
bb)
Die Klägerin kann den Anspruch auf Schadensersatz vor dem 12.12.2008 nicht mehr durchsetzen. Der Verjährungsbeginn war der Schluss des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind und die Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis hatte. Dies war im Januar 2006 der Fall, als die Klägerin Kenntnis von der angegriffenen Ausführungsform und vom erteilten Klagepatent hatte. Somit begann der Lauf der Verjährung am 01.01.2007. Der Lauf der Verjährung wurde durch Einreichung der Klage am 12.12.2011 nach § 204 Nr. 1 BGB gehemmt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht für die Beklagte zu 2), unabhängig davon, ob die Klage am 17.02.2012 oder am 17.09.2012 in Belgien zugestellt wurde, denn die Zustellung erfolgte demnächst im Sinne von § 167 ZPO. Eine Rückwirkung der Zustellung der Klage auf den Zeitpunkt ihrer Einreichung gilt dann, wenn der Kläger die Verzögerung nicht zu vertreten hat (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 72. Aufl., § 204 Rz. 7). Die eingetretene Verzögerung hat die Klägerin vorliegend nicht zu vertreten, da es um Fragen der Kostenerstattung durch das hiesige Gericht in Bezug auf die Rechnung der belgischen Gerichtsvollzieherin bzw. um Erklärungen der Gerichtsvollzieherin selbst ging.
cc)
Der Klägerin steht für den verjährten Zeitraum jedoch noch der tenorierte Restschadenersatzanspruch gemäß § 852 BGB i. V. m. §§ 812, 818 BGB zu (vgl. auch Kühnen
HdB Patentverletzungen, 6. Aufl., Rn. 1560).
d)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatz- und Restschadenersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus werden die Beklagten durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 242 BGB).
Der Restschadensersatzanspruch berechnet sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie (vgl. im Einzelnen: Benkard/Rogge/Grabinski, 10. Aufl., § 141 PatG, Rz. 8), so dass es nur der dafür erforderlichen Rechnungslegung bedarf. Das entspricht dem Klageantrag I. 2. zu lit. a) bis d), nicht aber zu lit. e), soweit die Zeit bis zum 12.12.2008 betroffen ist.
e)
Der Vernichtungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) besteht gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140a Abs. 1 PatG.
f)
Der Rückrufanspruch beruht auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140a Abs. 3 PatG. Der Anspruch besteht gegenüber der Beklagten zu 1), da sie als Patentverletzerin für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verantwortlich ist.
Gesichtspunkte, die für eine Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs sprechen könnten, liegen nicht vor. Dieser Anspruch besteht wegen des Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten zu 1) nur für den unverjährten Zeitraum.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 1. Var., 269 Abs. 3 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
Streitwert: 1.000.000,- EUR.
Davon entfallen 200.000,- EUR auf die beantragte Feststellung der Schadenersatzpflicht. Die Aufteilung des Streitwerts ist notwendig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (GRUR-RR 2008, 460, 461) bei den hier streitgegenständlichen Ansprüchen nur die gesamtschuldnerisch gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz gebührenrechtlich eine Angelegenheit darstellen, für die eine Erhöhungsgebühr in Betracht kommt.