4a O 124/08 – Doppelschneckenextruder

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 837

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 24. Juli 2008, Az. 4a O 124/08

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.05.2008 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Sicherheit kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 0 852 xxx B2 (Verfügungspatent) auf Unterlassung in Anspruch. Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents, das am 09.08.1996 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 29.09.1995 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 19.02.1999 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Gegen die Erteilung des Verfügungspatents wurde Einspruch erhoben. Die Beschwerdekammer beim Europäischen Patentamt (EPA) hat das Verfügungspatent beschränkt aufrechterhalten.

Das Verfügungspatent bezieht sich auf ein Verfahren zur Durchführung kontinuierlicher Aufbereitungsprozesse auf gleichsinnig drehenden, dichtkämmenden Extrudern. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Verfügungspatents, dessen Verfahrenssprache Deutsch ist, lautet in der nach dem Einspruchsverfahren geänderten Fassung wie folgt:

1. Verfahren zur Durchführung von kontinuierlichen Aufbereitungsprozessen auf gleichsinnig drehenden, dicht kämmenden Doppelschneckenextrudern, die ein Verhältnis Da/Di von Schneckenaußendurchmesser Da zu Schneckeninnendurchmesser Di zwischen 1,5 und 1,6 aufweisen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Doppelschneckenextruder mit einer Schneckendrehzahl von mindesten 800 Upm bei gleichzeitiger Erhöhung der einleitbaren sogenannten „Drehmomentdichte“ pro Schnecke Md / a³ von mindestens 11 Nm/cm³ betrieben wird, wobei a der Achsabstand der Schneckenwellen [cm] ist.

Die Antragsgegnerin vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland Extruder unter anderem für die kunststoffverarbeitende Industrie. Sie bewirbt im Internet neben anderen Produkten Doppelschneckenextruder der Firma A mit der Bezeichnung B, C und D (fortan: angegriffene Ausführungsform). Im Internetauftritt der Antragsgegnerin werden für die von ihr angebotenen Produkte die verschiedenen Maße und Leistungsgrößen tabellarisch angegeben. Für die angegriffene Ausführungsform weist die Tabelle folgende Werte auf:

Description B C D
Barrel Diameter (mm) 40,5 50,4 58,3
Srew Diameter (mm Do) 40 50 57,8
Minor Diameter (mm Di) 25,8 32 37
Center Diameter (mm) 33,5 41,6 48
Flicht Depth (mm) 7,1 9 10,4
Do/Di Ration (mm) 1,55 1,55 1,55
Srew Speed (rpm) 799 799 799
Motor Rating (Kw) 60 132 225
Max Torque / Shaft (Nm) 430 945 1611
Nominal Torque (Nm) 400 787 1343
Specific Torque (Nm/Cm³) 11 11 12,14
Planned Capacity (Kg/hr) 250-300 500-600 800-1200
Extruder Center Height 1100 1100 1100

Bei der angegriffenen Ausführungsform erfolgt der Antrieb der Doppelschneckenextruder mit einem Asynchronmotor. Dieser hat eine Bemessungsdrehzahl von 1.800 Upm (bei 60 Hz Netzfrequenz). Die Schnecken sind über ein Zahnradgetriebe mit dem Motor verbunden. Aufgrund der Übersetzung 2,4 : 1 bzw. 2,5 : 1 liegt die Ausgangsdrehzahl des Getriebes bei 750 Upm bzw. 720 Upm. Die Solldrehzahl der Schnecken wird mittels eines Frequenzumrichters eingestellt. Zum Einsatz kommen Modelle der Firma E aus der Reihe E NXP oder gleichwertige Modelle der F AG, insbesondere aus der Reihe G. Die Ausgangsfrequenz des Umrichters bestimmt unmittelbar die Umlaufgeschwindigkeit des Magnetfeldes im Motor und damit die Drehzahl der Ausgangswelle. Die Ausgangsfrequenz wird mittels vorkonfigurierter SPS des Herstellers F aus der Produktreihe H (Modelle J und I) gesteuert.

Üblicherweise wird die Schneckendrehzahl (Srew Speed) bei den meisten angebotenen Maschinen als Vielfaches von 100 angegeben. Am 14.04.2008 erhielt die Antragstellerin erstmals Kenntnis von der angegriffenen Ausführungsform und ließ daraufhin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.04.2008 abmahnen. Auch nach einer Fristverlängerung und weiterer Korrespondenz gab die Antragsgegnerin keine Unterlassungserklärung ab. Sie änderte jedoch ihren Internetauftritt und gab nunmehr als Schneckendrehzahl (Screw Speed) durchweg 700 Upm an.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform sei dazu geeignet und bestimmt, das mit dem Verfügungspatent geschützte Verfahren wortsinngemäß anzuwenden. Die beteiligten Verkehrskreise würden erkennen, dass mit der Angabe 799 Upm eine Schneckendrehzahl von 800 Upm gemeint sei. Drehzahlschwankungen von 10 bis 20 Upm ließen sich aufgrund der Menge und der Eigenschaften des zu verarbeitenden Materials nicht vermeiden, so dass die angegriffene Ausführungsform Drehzahlen über 800 Upm erreiche. Dies lasse sich auch durch eine Begrenzung der Drehzahl mittels softwarebasierter Steuerung nicht verhindern. Zu einem Encoder und der Drehzahlabweichung des verwendeten Frequenzumrichters sei nichts vorgetragen. Selbst wenn die angegriffene Ausführungsform nur 799 Upm erreiche, sei dies vom Wortsinn des Verfügungspatentanspruchs noch erfasst. Im Übrigen seien die Abnehmer in der Lage, die Steuerung umzuprogrammieren, oder sie verwendeten eine eigene Steuerung. Regelmäßig sei auch eine Umprogrammierung der Betriebsparamter erforderlich, um die Extruder dem jeweiligen Aufbereitungsprozess anzupassen. Dies sei den Herstellern und Anbietern von Doppelschneckenextrudern bekannt.
Es könne ein Schlechthinverbot ausgesprochen werden, weil die angegriffene Ausführungsform durch die Verwendung von Motoren mit geringerer Leistung so umgestaltet werden könnten, dass der Betrieb der Extruder mit Drehzahlen von 800 Upm und höher ausgeschlossen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

der Antragsgegnerin bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, die Ordnungshaft zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Antragsgegnerin, zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr
gleichsinnig drehende, dicht kämmende Doppelschneckenextruder, die ein Verhältnis Da/Di von Schneckenaußendurchmesser Da zu Schneckeninnendurchmesser Di zwischen 1,5 und 1,6 aufweisen,
zur Lieferung nach Deutschland anzubieten, insbesondere zu bewerben, oder nach Deutschland zu liefern, außer es handelt sich bei den Adressaten jeweils um zur Benutzung des europäischen Patents 0 852 533 berechtigte Personen,
wenn die Doppelschneckenextruder dazu geeignet sind, ein Verfahren zur Durchführung von kontinuierlichen Aufbereitungsprozessen anzuwenden mit einer Schneckendrehzahl von 800, hilfsweise 799 Upm bei gleichzeitiger Erhöhung der einleitbaren sogenannten „Drehmomentdichte“ pro Schnecke Md/a³ von mindestens 11 Nm/cm³, wobei a der Achsabstand der Schneckenwellen [cm] ist
hilfsweise der Antragsgegnerin wie vorstehend zu verbieten, Doppelschneckenextruder anzubieten oder zu liefern, ohne
a) im Falle des Anbietens im Angebot darauf hinzuweisen, dass die vorstehend beschriebenen Doppelschneckenextruder nicht ohne Zustimmung der Antragsstellerin als Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 0 852 533 B2 für Verfahren zur Durchführung kontinuierlicher Aufbereitungsprozesse verwendet werden dürfen und
b) im Fall der Lieferung den Abnehmern unter Auferlegung einer an die Patentinhaberin zu zahlenden Vertragsstrafe von 5.000,00 EUR pro Doppelschneckenextruder, mindestens jedoch 5.000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die vorstehend beschriebenen Doppelschneckenextruder nicht ohne Zustimmung der Patentinhaberin für Verfahren zur Durchführung kontinuierlicher Aufbereitungsprozesse zu verwenden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform sei nicht für die Anwendung des geschützten Verfahrens geeignet und bestimmt. Mit der angegriffenen Ausführungsform könne ein „Verfahren zur Durchführung kontinuierlicher Aufbereitungsprozesse“ nicht durchgeführt werden. Sie trägt vor, die Schneckendrehzahl sei auf 799 Upm begrenzt. Die Beschränkung werde in der Steuerung der Frequenzumrichter mittels einer Parametersperre erzielt, die nur mit Hilfe eines „Parameterschlüssels“ aufgehoben werden könne. Den Parameterschlüssel kenne ausschließlich die Herstellerin der Extruder, A, die ihn Dritten grundsätzlich nicht bekannt gebe. Auch sie – die Antragsgegnerin – kenne den für die Änderung der Steuerungssoftware erforderlichen Parameterschlüssel nicht. Die Ausgangsfrequenz des Frequenzumrichters werde so gesteuert, dass die Drehzahlabweichungen unter 0,01 % lägen. Drehzahlschwankungen würden allenfalls dazu führen, dass sich die Drehzahl von unten dem Sollwert wieder annähere. Im Übrigen liege ein Verfügungsgrund nicht vor, weil sie mit drei Kunden über den Kauf von Extrudern in Verhandlungen stehe und bei einem Verbot des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform mindestens ein Drittel des Vorjahresumsatzes betroffen sei.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Verfügungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 10 Abs. 1, 139 Abs. 1 PatG auf Unterlassung des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform. Es ist nicht dargelegt, dass die angegriffenen Ausführungsform dazu geeignet ist, das patentierte Verfahren anzuwenden.

I.
Das Verfügungspatent schützt im Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Durchführung kontinuierlicher Aufbereitungsprozesse auf gleichsinnig drehenden, dichtkämmenden Doppelschneckenextrudern.

In der Beschreibung des Verfügungspatents wird ausgeführt, dass gleichsinnig drehende, dichtkämmende Doppelschnecken- und Mehrwellenschneckenextruder aus dem Stand der Technik bekannt seien. Sie werden für kontinuierliche Knetprozesse eingesetzt, die häufig mit kontinuierlichen Entgasungs-, Misch- und Expandiervorgängen verbunden sind. Die mit solchen Extrudern verarbeitbaren Produkte umfassen Kunststoffe, Harze, Flüssigkeiten, zähplastische Massen, pulver- und faserförmige Zusatzstoffe und Foodmassen.

Die aus dem Stand der Technik bekannten Doppelschnecken- und Mehrwellenextruder haben einen Schneckendurchmesser bis zu 340 mm. Die Durchsätze betragen 5.000 bis 35.000 kg/h bei einem Verhältnis Schneckenaußendurchmesser zu Schneckeninnendurchmesser (Da/Di) von 1,18 bis 1,25 bzw. von 1,4 bis 1,6. Das Verhältnis Drehmoment zum Achsabstand³ (Md/a³) – die so genannte „Drehmomentdichte“ – weist Werte zwischen 5 und 10 Nm/cm³ auf. Je nach Größe der Extruder werden Drehzahlen von 200 bis 500 Upm, in Ausnahmefällen bis 600 Upm gefahren.

Die Auslegung der Extruder erfolgt üblicherweise nach dem Prinzip der geometrischen und drehmomentbezogenen Ähnlichkeit. Geometrische Ähnlichkeit besteht dann, wenn das Verhältnis Da/Di konstant ist. Drehmomentbezogene Ähnlichkeit besteht dann, wenn das Verhältnis Md/a³ konstant ist. Neben der Schmelzetemperatur und der Verweilzeit ist die Schergeschwindigkeit im schmelzegefüllten Schneckenkanal ein maßgeblicher Faktor für die Dispergier-, Misch- und Homogenisierungsgüte des verarbeiteten Produkts. Diese fällt umso höher aus, je höher die Schergeschwindigkeit ist. Im Stand der Technik sind bei Standardaufbereitungsprozessen mit herkömmlichen Extrudern mittlere Schergeschwindigkeiten im Schmelzebereich von 20 bis 150 1/sec und mittlere Produktverweilzeiten im gesamten Schneckenbereich von 15 bis 60 Sekunden üblich. Die mittlere Schergeschwindigkeit wird durch die Schneckendrehzahl und durch das Verhältnis Da/Di nach oben begrenzt.

Als nachteilig wird in der Verfügungspatentschrift angesehen, dass sich bei steigenden Schergeschwindigkeiten höhere spezifische Werte der Energieeinleitung ergeben, die zu inakzeptabel hohen Schmelzetemperaturen führen können. Zusammen mit größeren mittleren Verweilzeiten des Produktes im Extruder könne dies zu Qualitätsminderungen hinsichtlich des thermischen Aufbaus und der Vernetzung des Produkts führen.

Die Verfügungspatentschrift führt aus, dass aus der JP-A-0 511 61 40 ein kontinuierlicher biaxialer Extrusionskneter bekannt sei, der zwar mit Drehzahlen bis zu 1.300 U/min und einer Auslasstemperatur des aufzubereitenden Harzes von 320° C arbeite, es handele sich dabei aber um einen gegenläufigen, nicht dichtkämmenden Doppelschneckenextruder.

In dem Aufsatz „Investigation of Ultra-High Speed Extruder Based on Entirely New Design Concept“ von Fumio Aida in „Japan Plastics“, Band 9, Nr. 1, Januar 1975, Tokyo (18-25) werde ein Verfahren offenbart, bei dem eine Schneckendrehzahl von 1.000 U/min zum Einsatz komme. Das Verfahren werde aber mit einem Einwellenextruder durchgeführt, der mit einem Mehrwellenschneckenextruder nicht vergleichbar sei.

Dem Verfügungspatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe zu Grunde, qualitätserhöhende mittlere Schergeschwindigkeitsbereiche von mindestens 1.000 1/sec bei gleichzeitiger Verkürzung der Einwirkdauer von Temperaturspitzen im Produkt zu realisieren, ohne dass die mit den bekannten Verfahren und Extrudern auftretenden Schwierigkeiten auftreten können.

Dies soll durch den Verfügungspatentanspruch 1 erreicht werden, dessen Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

Verfahren
1. zur Durchführung von kontinuierlichen Aufbereitungsprozessen
2. auf Doppelschneckenextrudern, die
a) gleichsinnig drehend und
b) dicht kämmend sind,
3. wobei die Doppelschneckenextruder ein Verhältnis Da/Di von Schneckenaußendurchmesser Da zu Schneckeninnendurchmesser Di zwischen 1,5 und 1,6 aufweisen,
4. wobei der Doppelschneckenextruder mit einer Schneckendrehzahl von mindesten 800 Upm betrieben wird,
5. wobei der Doppelschneckenextruder bei gleichzeitiger Erhöhung der einleitbaren sogenannten „Drehmomentdichte“ pro Schnecke Md / a³ von mindestens 11 Nm/cm³ betrieben wird, wobei a der Achsabstand der Schneckenwellen [cm] ist.

Die Verfügungspatentschrift beschreibt es als Vorteil, dass durch die erfindungsgemäß erhöhte Drehmomentdichte von mindestens 11 Nm/cm³ der Extruder ohne weiteres mit den hohen Schneckendrehzahlen betrieben werden kann, ohne dass sich eine unzulässig hohe spezifische Energieeinleitung ergibt. Außerdem ergibt sich als Vorteil ein sehr hoher Produktdurchsatz pro Zeiteinheit.

II.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und bestimmt ist, ein Verfahren zur Durchführung von kontinuierlichen Verarbeitungsprozessen (Merkmal 1) anzuwenden und mit einer Schneckendrehzahl von mindestens 800 Upm betrieben zu werden (Merkmal 4).

1. Der Verfügungspatentanspruch betrifft ein Verfahren. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin folgt aus dem Wortlaut „Verfahren zur Durchführung von kontinuierlichen Aufbereitungsprozessen“ im Verfügungspatentanspruch nicht, dass Gegenstand des Verfügungspatents ein übergeordnetes Verfahren für die Durchführung von Aufbereitungsprozessen ist. Zwar impliziert der Begriff „Aufbereitungsprozess“, dass es sich um ein Verfahren handelt. Die weitere Verwendung des Begriffs „Verfahren“ führt aber nicht zu der von der Antragsgegnerin vertretenen Auslegung, sondern macht lediglich deutlich, dass es sich um einen Verfahrensanspruch handelt und sich die Lehre des Verfügungspatentanspruchs auf kontinuierliche Aufbereitungsprozesse, die mit Doppelschneckenextrudern betrieben werden, bezieht. Mit anderen Worten: Der Verfügungspatentanspruch beschreibt eine bestimmte Vorgehensweise („Verfahren“), um einen Aufbereitungsprozess durchzuführen. Dabei enthält der Anspruch lediglich die Einschränkung auf kontinuierliche Aufbereitungsprozesse, die mit Doppelschneckenextrudern durchgeführt werden. Im Übrigen ist das geschützte Verfahren durch die weiteren Merkmale abschließend gekennzeichnet. Dabei ist unbeachtlich, dass in dem Sinne keine aufeinanderfolgenden Verfahrensschritte beschrieben werden. Vielmehr weiß der Fachmann und erkennt es auch anhand der Verfügungspatentschrift, dass Aufbereitungsprozesse ganz oder zum Teil allein mit Hilfe von Doppelschneckenextruder durchgeführt werden können. Insofern ist das mit dem Verfügungspatent geschützte Verfahren allein durch die in den weiteren Merkmalen aufgeführten Parameter hinreichend beschrieben.

Mit einem dieser Parameter wird festgelegt, dass der Doppelschneckenextruder bei Durchführung des Verfahrens mit einer Schneckendrehzahl von mindestens 800 Upm betrieben wird. Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass vom Wortsinn des Klagepatentanspruchs auch ein Verfahren umfasst ist, das mit einer geringeren Drehzahl – zum Beispiel 799 Upm – betrieben wird. Diese Ansicht greift nicht durch. Vielmehr ist der Wert von 800 Upm auch nach seinem Wortsinn als zwingende und abschließende Untergrenze des Drehzahlbereichs für das patentierte Verfahren anzusehen.

Die Grundsätze der Auslegung von Zahlen-, Maß- und Mengenangaben in einem Patentanspruch hat der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen „Kunststoffrohrteil“ (GRUR 2002, 511 ff), „Schneidmesser I“ (a.a.O. 514 ff), „Schneidmesser II“ (a.a.O. 519 ff), „Custodiol I“ (a.a.O. 523 ff) und „Custodiol II“ (a.a.O. 527 ff) beschrieben. Demnach sind im Klagepatentanspruch angegebene Zahlenangaben grundsätzlich der Auslegung zugänglich und fähig. Wie auch sonst kommt es darauf an, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei auch hier zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Zahlen- und Maßangaben schon nach ihrem objektiven Gehalt nicht einheitlich sind, sondern Sachverhalte mit verschiedenen Inhalten bezeichnen können. Gleichwohl wird der Fachmann solchen Angaben einen höheren Grad an Eindeutigkeit und Klarheit zumessen, als verbal umschriebenen Elementen eines Patentanspruchs, da Zahlen in der Regel als solche eindeutig sind. Da es im Übrigen Sache des Anmelders ist, dafür zu sorgen, dass in den Patentansprüchen alles niedergelegt ist, wofür er Schutz begehrt, kann regelmäßig angenommen werden, dass diesem Erfordernis auch bei der Aufnahme von Zahlenangaben in die Formulierung der Patentansprüche genügt worden ist. Dies gilt umso mehr, als der Anmelder bei Zahlenangaben besonderen Anlass hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des Patentschutzes klar zu werden. Insoweit bestimmt und begrenzt eine eindeutige Zahlenangabe den geschützten Gegenstand grundsätzlich abschließend. Eine Über- oder Unterschreitung ist in aller Regel nicht mehr zum Gegenstand des Patentanspruchs zu rechnen. Andererseits schließt dies nicht aus, dass der Fachmann eine gewisse, beispielsweise übliche Toleranzen umfassende Unschärfe als mit dem technischen Sinngehalt einer Zahlenangabe vereinbar ansieht.

Bei dem im Verfügungspatentanspruch angegebenen Drehzahlbereich ist zu berücksichtigen, dass der Wert von 800 Upm einen Mindestwert angibt. Alle Verfahren, die mit Schneckendrehzahlen oberhalb dieses Wertes von 800 Upm durchgeführt werden, sind erfindungsgemäß. Mit diesen im Vergleich zum Stand der Technik hohen Schneckendrehzahlen soll die Aufgabe gelöst werden, die Qualität der verarbeiteten Produkte zu erhöhen. Die Misch-, Dispergier, und Homogenisierungsgüte der verarbeiteten Produkte fällt umso höher aus, je höher die Schergeschwindigkeit ist (Abs. [0007]), die wiederum durch die Schneckendrehzahl und das Verhältnis Da/Di nach oben begrenzt ist (Abs. [0008]). Zudem ergibt sich bei höheren Schneckendrehzahlen und hohen Produktdurchsätzen eine niedrigere Produktverweilzeit, die einen Qualitätsverlust der verarbeiteten Produkte zu vermeiden hilft (Abs. [0016]). Der Fachmann erkennt also, dass für das geschützte Verfahren möglichst hohe Schneckendrehzahlen vorteilhaft sind. Dies begründet aber auch, dass niedrigere Drehzahlen, vor allem solche unterhalb der Mindestgrenze von 800 Upm, gerade nicht der Lösung des Problems dienen und daher nicht vom Wortsinn des Klagepatentanspruchs erfasst werden.

Dies gilt auch im Hinblick auf die aus dem Stand der Technik bekannten Doppelschneckenextruder, die regelmäßig mit Drehzahlen von 200 bis 500 Upm, ausnahmsweise auch mit 600 Upm gefahren wurden (Abs. [0004]). Bloß weil die im Verfügungspatent angegebene Drehzahl von 800 Upm weit über dem aus dem Stand der Technik bekannten Wert von 600 Upm liegt, ist es nicht gerechtfertigt, Drehzahlen im Bereich unterhalb von 800 Upm ebenfalls als vom Gegenstand des geschützten Verfahrens erfasst anzusehen – gegebenenfalls hinab bis zu dem aus dem Stand der Technik bekannten Bereich von 600 Upm, weil eine klare Begrenzung nicht möglich ist. Dabei ist ausschlaggebend, dass der Anmelder gerade bei Zahlenangaben besonderen Anlass hat, sich über die Konsequenzen der Anspruchsformulierung für die Grenzen des Patentschutzes klar zu werden. Auch wenn der Anmelder den Zahlenbereich in einem erkennbar großen Abstand zu dem aus dem Stand der Technik bekannten Bereich angibt, ist er daran gebunden und kann nicht nachträglich den Gegenstand der Erfindung ausweiten. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die im Verfügungspatent formulierte Aufgabe gerade mit einer Schneckendrehzahl von „mindestens“ 800 Upm gelöst wird (Abs. [0012]. Insofern besteht kein Anlass anzunehmen, dass die Aufgabe auch dann gelöst wird, wenn Schneckendrehzahlen zur Anwendung kommen, die zwar höher als die aus dem Stand der Technik bekannten 600 Upm, aber unter den im Verfügungspatentanspruch genannten 800 Upm liegen. Im Übrigen gibt die Verfügungspatentschrift für einen im Stand der Technik bekannten gegenläufigen, nicht dicht kämmenden Doppelschneckenextruder oder für einen Einwellen-Extruder Drehzahlbereiche von 1.300 Upm beziehungsweise 1.000 Upm (Abs. [0009] und [0010]) an, so dass auch daraus deutlich wird, dass weitaus höhere Drehzahlbereiche als 800 Upm möglich und durchaus gewollt sind – so etwa ausdrücklich im Unteranspruch 3, der erst ab einer Drehzahl von 3.000 Upm eine Erhöhung der Drehmomentdichte vorsieht.

Eine andere Auslegung kann auch nicht damit begründet werden, dass die Drehzahlen der Schneckenextruder üblicherweise als Vielfaches von 100 angegeben werden. Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, welchen technischen Hintergrund die Angabe der Drehzahlen als Vielfaches von 100 hat. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Drehzahlen der Extruder Schwankungen von 100 Upm unterliegen. Denn die Antragstellerin selbst hat vorgetragen, die Schwankungen lägen bei 10 bis 20 Upm. Inwiefern für die Durchführung kontinuierlicher Aufbereitungsprozesse die Angabe der Schneckendrehzahl als ein Vielfaches von 100 genügt, ist nicht vorgetragen und kann letztlich dahinstehen. Denn selbst wenn eine genauere Drehzahlangabe technisch nicht erforderlich ist, kann aus diesem Umstand nicht gefolgert werden, dass von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs auch solche Verfahren umfasst sind, die mit Drehzahlen bis zu 100 Upm unter dem im Patentanspruch angegebenen Wert von 800 Upm – also mit 700 Upm – betrieben werden. Eine so weite Auslegung findet weder im Verfügungspatentanspruch, noch in der Patentbeschreibung eine Stütze und wird auch von der Antragstellerin zu Recht nicht vertreten. Dabei ist – wie im vorhergehenden Absatz bereits ausgeführt – insbesondere zu berücksichtigen, dass es sich bei der Schneckendrehzahl von 800 Upm um eine Mindestangabe handelt. Mit dieser Begründung können auch übliche Drehzahlschwankungen nicht als Argument herangezogen werden, einen Drehzahlbereich unter 800 Upm als von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs erfasst anzusehen. Dem Verfügungspatentanspruch und der Patentbeschreibung lassen sich keine Angaben über die Breite der Schwankungen entnehmen. Vielmehr erkennt der Fachmann aufgrund der Tatsache, dass die Drehzahlen überlicherweise nicht exakt sondern nur als Näherungswert in Gestalt eines Hunderterwertes angegeben werden und es sich bei der Drehzahlangabe im Verfügungspatentanspruch um eine Mindestangabe handelt, dass eine Toleranz bereits in dem Wert von 800 Upm enthalten ist. Dies lässt eine Auslegung, nach der der Wortsinn auch Drehzahlen unterhalb der Mindestgrenze von 800 Upm erfasst, nicht zu. Der Wert von 800 Upm ist vielmehr als abschließende Untergrenze für die geschützte Lehre anzusehen.

2. Vor dem Hintergrund dieser Auslegung ist die angegriffene Ausführungsform nicht im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG dazu geeignet und bestimmt, das geschützte Verfahren anzuwenden. Eine Benutzung des Erfindungsgegenstands ist nicht bereits unmittelbar mit den von der Antragsgegnerin angebotenen Doppelschneckenextrudern möglich (a). Ebenso wenig hat die Antragstellerin dargelegt, dass eine Programmierung der die Schneckendrehzahl steuernden Software durch die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform möglich ist (b). Darüber hinaus ist die angegriffene Ausführungsform auch subjektiv nicht dazu bestimmt, den Gegenstand der Erfindung durch Anwendung des geschützten Verfahren zu benutzen (c).

a) Die Antragstellerin hat nicht dargelegt, dass mit den beanstandeten Doppelschneckenextrudern, so wie sie von der Antragsgegnerin im Internetauftritt (Anlage ASt8a) beworben werden, ohne weiteres das patentierte Verfahren angewendet werden kann. Nach dem Vortrag der Antragsgegnerin ist davon auszugehen, dass die Schneckendrehzahl aufgrund der Softwaresteuerung auf 799 Upm begrenzt ist. Die Antragstellerin hat dazu vorgetragen, dass sich in der Praxis Drehzahlschwankungen nicht vermeiden ließen. Die Schwankungen hingen von den Eigenschaften und der Menge des aufzubereitenden Materials ab. Das Material wirke als Last und Lastschwankungen führten beim Motor und infolgedessen beim Extruder zu Drehzahlschwankungen, die üblicherweise bei +/- 10 bis 20 Upm lägen. Werde daher von der Antragsgegnerin ein Schneckenextruder mit einer Drehzahl von 799 Upm angeboten, erreiche dieser aufgrund der Schwankungen auch Drehzahlen im Bereich über 800 Upm.

Die Antragsgegnerin hat darauf bereits außergerichtlich erwidert, dass die Schneckendrehzahl durch eine Steuerungssoftware auf 799 Upm beschränkt werde (Anlage ASt 13). Diese Erklärung hat die Antragsgegnerin nach einem rechtlichen Hinweis der Kammer weiter präzisiert und vorgetragen, dass die Solldrehzahl der Schnecken mit Hilfe eines Frequenzumrichters eingestellt werde. Zum Einsatz kommen Modelle der Firma E aus der Reihe NXP oder gleichwertige Modelle der F AG, insbesondere aus der Reihe G. Durch die Ausgangsfrequenz werde unmittelbar die Umlaufgeschwindigkeit des Magnetfeldes im Motor und damit die Drehzahl der Ausgangswelle und des Doppelschneckenextruders bestimmt. Die Ausgangsfrequenz werde mittels vorkonfigurierter SPS des Herstellers F aus der Produktreihe H (Modelle J und I) gesteuert. Die Steuerungssoftware sei so eingestellt, dass eine maximale Drehzahl der Schnecken von 799 Upm nicht überschritten werde.

Nach diesem Vortrag wird bei Anwendung des streitgegenständlichen Doppelschneckenextruders die Lehre des Verfügungspatentanspruchs nicht verwirklicht, weil eine Schneckendrehzahl von 800 Upm nicht erreicht wird (Merkmal 4). Die Antragstellerin hat auf den Vortrag der Antragsgegnerin nicht substantiiert erwidert und nicht dargelegt, dass trotz des Frequenzumrichters und der Steuerungssoftware Schwankungen der Schneckendrehzahl auftreten können, die in den Drehzahlbereich von 800 Upm und höher führen können. Dabei ist zunächst von dem unstreitigen Vortrag der Antragsgegnerin auszugehen, dass der Frequenzumrichter unmittelbar die Umlaufgeschwindigkeit des Magnetfeldes im Motor bestimmt, die wiederum über die Drehzahl des Motors und der Antriebswelle unmittelbar die Schneckendrehzahl bedingt. Ebenso unstreitig ist eine Steuerungssoftware grundsätzlich in der Lage, die Ausgangsfrequenz des Frequenzumrichters in Abhängigkeit von der eingestellten Solldrehzahl zu steuern.

Die Antragstellerin hat dagegen lediglich vorgetragen, dass der jeweilige Motor bei geringer werdender Last einen Drehmomentüberschuss aufweise, der unmittelbar in einer Erhöhung der Betriebsdrehzahl der Extruder resultiere. Es könne zwar sein, dass die Betriebsdrehzahl durch die Steuerung wieder ausgeglichen werde, aber bis zum Ausgleich werde der Extruder mit erhöhter Drehzahl – über 800 Upm – betrieben. Dieser pauschale Vortrag ist nicht geeignet, die softwarebasierte Steuerung der Schneckendrehzahl in Frage zu stellen. Denn die Antragsgegnerin hat durch Vorlage der Produktinformation zu dem von ihr verwendeten Frequenzumrichter E NXP (Anlage AG5) dargelegt, dass die Drehzahlabweichung unter 0,01 % liegt, mithin bei Lastschwankungen die Drehzahl durch die Steuerung so ausgeglichen wird, dass eine Abweichung von weniger als 0,01 % auftritt. Die Antragstellerin kann dagegen nicht einwenden, die Drehzahlabweichung hänge laut Produktinformation vom verwendeten Encoder ab und die Antragsgegnerin habe zur Verwendung eines Encoders bei der angegriffenen Ausführungsform nichts vorgetragen. Es kann dahinstehen, ob nicht die Produktinformation bereits so zu verstehen ist, dass unabhängig vom Encoder Drehzahlschwankungen von maximal 0,01 % auftreten können. Denn ungeachtet dessen verkennt die Antragstellerin, dass sie die Darlegungs- und Beweislast für die den Verfügungsanspruch begründenden Tatsachen trägt und dementsprechend darzulegen hat, dass die angegriffene Ausführungsform trotz der Softwaresteuerung eine Schneckendrehzahl von mindestens 800 Upm aufweist. Dazu gehört gegebenenfalls auch der durch Untersuchungen oder sonstige Erkenntnisse gestützte Vortrag, dass trotz der Steuerung Drehzahlschwankungen auftreten können, die zu Drehzahlen über 800 Upm führen können. Insofern ist die Antragsgegnerin nicht gehalten, den genauen Aufbau und die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform offen zu legen, ohne dass die Antragstellerin zuvor konkreten Tatsachenvortrag zur angegriffenen Ausführungsform liefert. Dieser beschränkt sich im vorliegenden Fall auf Allgemeinheiten und Vermutungen. Dies gilt für den Vortrag, dass üblicherweise Schwankungen von 10 bis 20 Upm auftreten, ohne darzulegen, auf welche Typen von Extrudern sich dieser Vortrag bezieht und wie diese Extruder aufgebaut sind – insbesondere ob sie eine softwaregesteuerte Drehzahlbegrenzung haben. Dies gilt weiterhin für den Vortrag, dass Drehzahlschwankungen möglicherweise – aber verzögert – ausgeglichen werden. Im Hinblick auf die Drehzahlabweichung des bei der angegriffenen Ausführungsform verwendeten Frequenzumrichters wird nicht dargelegt, ob dieser über einen Encoder verfügt und welche Genauigkeit dieser aufweist. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin unbestritten vorgetragen hat, dass Extruder ohne Steuerungssoftware zur kundenseitigen Steuerung der Extruder nicht von ihr angeboten werden, wäre es letztlich Aufgabe der Antragstellerin gewesen darzulegen, dass die angegriffene Ausführungsform trotz der Frequenzsteuerung Drehzahlschwankungen aufweist, die zu Schneckendrehzahlen von 800 Upm oder mehr führen.

Schließlich greift auch das Argument der Antragstellerin nicht, die beteiligten Verkehrskreise würden die Werbung für die angegriffene Ausführungsform mit einer Drehzahl von 799 Upm als 800 Upm verstehen. Denn es kommt für die Frage eines patentverletzenden Anbietens im Sinne von §§ 9 S. 2 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 PatG nicht auf eine Werbeaussage und das Verständnis der beteiligten Verkehrskreise an, sondern ob das Angebot einen patentgemäßen Gegenstand betrifft. Dies ist aufgrund der vorstehenden Gründe nicht der Fall. Es ist nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform eine Schneckendrehzahl von mindestens 800 Upm erreicht. Im Übrigen stellt Werbung für ein Erzeugnis, das patentfrei genutzt werden kann, kein unzulässiges Anbieten im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG dar.

b) Die Antragstellerin hat weiterhin nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass der für die angegriffene Ausführungsform verwendete H Controller zur Steuerung des Frequenzumrichters von den Abnehmern der Antragsgegnerin so programmiert werden kann, dass Schneckendrehzahlen von mindestens 800 Upm erreicht werden können. Sie hat lediglich allgemein zu den verwendeten Controllern vorgetragen, dass diese frei programmierbar und konfigurierbar seien. Die Controller seien für die verschiedensten Anwendungen geeignet und könnten auch von den Kunden programmiert werden. Insbesondere könne die Steuerung so programmiert werden, dass der Extruder mit Drehzahlen von 800 Upm und mehr betrieben werden könne. Darauf hat die Antragsgegnerin in der Duplik erwidert, dass die Beschränkung der Schneckendrehzahl in der Steuerung der Frequenzumrichter mittels einer Parametersperre erzielt werde, die nur mit Hilfe eines „Parameterschlüssels“ aufgehoben werden könne. Den Parameterschlüssel kenne ausschließlich die Herstellerin der Extruder, A, die ihn Dritten grundsätzlich nicht bekannt gebe. Auch sie – die Antragsgegnerin – kenne den für die Änderung der Steuerungssoftware erforderlichen Parameterschlüssel nicht.

Nach diesem gegnerischen Vorbringen hat die Antragstellerin ihren Vortrag nicht weiter substantiiert. Sie hat lediglich unter Verweis auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Parameterliste zur Steuerung des Frequenzumrichters G 440 (Anlage AG16) erklärt, für alle Parameter könnten wieder die werkseitigen Voreinstellungen aktiviert werden. Dafür würden 60 Sekunden benötigt (S. 27 und S. 28 der Anlage AG16). Es ist jedoch nicht dargelegt, dass gerade die Antragsgegnerin oder deren Abnehmer die Parameter auf die werkseitigen Voreinstellungen zurücksetzen können und dass ihnen – im Fall der Aktivierung der werkseitigen Voreinstellungen – eine Änderung der maximalen Schneckendrehzahl von 799 Upm möglich ist. Letztlich basiert der Vortrag der Antragsgegnerin auf Vermutungen, da ihr die angegriffene Ausführungsform aus Untersuchungen oder anderen Erkenntnissen nicht bekannt ist. Das gilt insbesondere auch für den Vortrag in der mündlichen Verhandlung, die in der Anlage AG17 wiedergegebene Steuerung sei von der Steuerung des Frequenzumrichters zu unterscheiden, so dass die Abnehmer in der Lage seien, die Steuerung so umzuprogrammieren, dass Schneckendrehzahlen über 800 Upm gefahren werden könnten. Die Antragsgegnerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass in der Anlage AG17 die Bedienoberfläche abgebildet sei, über die der gesamte Doppelschneckenextruder einschließlich Frequenzumrichter gesteuert werde. Eine davon separate Programmierung des Frequenzumrichters sei bei der angegriffenen Ausführungsform nicht möglich. Dies hat die Antragstellerin nicht weiter angegriffen.

Im Ergebnis hat die Antragstellerin nicht dargelegt, dass die von der Antragsgegnerin angebotene angegriffene Ausführungsform eine Schneckendrehzahl von 800 Upm erreicht oder zumindest von den Abnehmern so programmiert werden kann. Soweit sie hilfsweise die Unterlassung des Vertriebs von Schneckenextrudern verlangt, die mit 799 Upm betrieben werden können, hat auch dieses Begehren keinen Erfolg, da der Drehzahlbereich von 799 Upm nicht vom Wortsinn des Verfügungspatentanspruchs erfasst ist. Eine Verletzung mit äquivalenten Mitteln hat die Antragstellerin nicht im Einzelnen geltend gemacht und dargelegt.

c) Die Antragstellerin hat weiterhin nicht dargelegt, dass die angegriffene Ausführungsform zur Anwendung des geschützten Verfahrens im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG bestimmt ist. Neben der objektiven Eignung zur Anwendung des geschützten Verfahrens setzt § 10 Abs. 1 PatG in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Dritte weiß oder es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der geschützten Erfindung verwendet zu werden. Die Bestimmung zur Benutzung der geschützten Erfindung ist ein in der Sphäre des Abnehmers liegender Umstand. Gleichwohl wird der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung nicht erst dann erfüllt, wenn der Abnehmer die Bestimmung zu patentverletzenden Verwendung des Mittels tatsächlich bereits getroffen hat und der Anbieter oder Lieferant dies weiß. Er greift vielmehr schon dann ein, wenn eine Bestimmung der Mittel zur patentverletzenden Verwendung für den Anbieter oder Lieferanten den Umständen nach offensichtlich ist. Für die Offensichtlichkeit ist maßgeblich, ob im Zeitpunkt des Angebots oder der Lieferung nach den gesamten Umständen des Falls die drohende Patentverletzung aus der Sicht des Anbieters oder Lieferanten so deutlich erkennbar war, dass ein Angebot oder eine Lieferung der wissentlichen Patentgefährdung gleichzustellen ist (BGH GRUR 2007, 679 (684) – Haubenstretchautomat). Es genügt, wenn aus der Sicht des Dritten mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentgemäßer Weise verwenden wird (BGH GRUR 2006, 839 (841) – Deckenheizung). Regelmäßig liegt der notwendig hohe Grad der Erwartung einer Patentverletzung dann vor, wenn der Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat.

Nach diesen Grundsätzen ist eine Bestimmung zur Benutzung selbst dann zu verneinen, wenn die angegriffene Ausführungsform – wie von der Antragstellerin behauptet – von den Abnehmern so umprogrammiert werden kann, dass die Doppelschneckenextruder mit einer Drehzahl von mindestens 800 Upm betrieben werden können. Denn es ist nicht dargelegt, dass die Antragsgegnerin weiß, dass die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform diese in patentgemäßer Weise verwenden werden. Ebenso wenig ist dies nach dem Vortrag der Antragstellerin offensichtlich.

Die Antragstellerin hat nur allgemein vorgetragen, dass sich die für die Drehzahlsteuerung verwendete Programmiersoftware für eine Programmierung der Steuerung durch die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform eigne und teilweise auch eine Programmierung durch Kunden erfolge. Die Abnehmer hätten große Erfahrung bei der Einstellung und Veränderung von Betriebsparametern der von ihnen betriebenen Extruder, weil diese regelmäßig an die durchzuführenden Aufbereitungsprozesse angepasst werden müssten. Dafür stehe fachkundiges Betriebspersonal zur Verfügung. Den Herstellern und Lieferanten von Extrudern sei bekannt, dass ihre Kunden über solches Know How verfügten und regelmäßig die Betriebsparameter in der Software einstellen und verändern. Dieses Vorbringen der Antragstellerin lässt offen, ob mit hinreichender Sicherheit eine Anwendung des geschützten Verfahrens durch die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform zu erwarten ist. Denn es ist unklar, welche konkreten Betriebsparameter verändert werden. Ebenso wenig ist vorgetragen, dass im Falle einer Veränderung des Drehzahlbereichs die Steuerung so eingestellt wird, dass die Drehzahlen im Bereich von mindestens 800 Upm liegen und dadurch das geschützte Verfahren angewendet wird. Da die Einstellung der Betriebsparameter unstreitig vom jeweiligen Aufbereitungsprozess abhängig ist, ist weiterhin unklar, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Betrieb der angegriffenen Ausführungsform im Drehzahlbereich von 800 Upm und höher zu erwarten ist.

Ob und in welcher Form die Steuerung der angegriffenen Ausführungsform umprogrammiert wird, ist letztlich eine Entscheidung des Abnehmers. Es sind keine Tatsachen vorgetragen, die mit hinreichender Sicherheit die Erwartung begründen, dass der Betrieb der angegriffenen Ausführungsform mit mindestens 800 Upm erfolgen wird. Auch aus Sicht der Antragsgegnerin ist nicht offensichtlich, dass mit der angegriffenen Ausführungsform das geschützte Verfahren angewendet werden wird. Sie bietet an und liefert Doppelschneckenextruder, die aufgrund der Steuerung der Drehzahl gerade nicht für die Anwendung des geschützten Verfahrens bestimmt sind. Ebenso wenig hat die Antragsgegnerin einen Hinweis oder eine Anleitung gegeben, die Steuerung der angegriffenen Doppelschneckenextruder so umzuprogrammieren, dass Schneckendrehzahlen von 800 Upm erreicht werden. Die von der Antragstellerin beanstandete Handlung der Antragsgegnerin besteht allein darin, Doppelschneckenextruder mit der Drehzahlangabe 799 Upm im Internet beworben zu haben. Diese Angabe gibt jedoch keinen Hinweis auf eine Verwendung der angegriffenen Ausführungsform mit einer Drehzahl von 800 Upm und höher. Zwar werden Drehzahlen üblicherweise als Vielfaches von 100 angegeben. Aber eine Werbung mit einer Drehzahl von 799 Upm macht deutlich, dass eine Schneckendrehzahl von 800 Upm gerade nicht erreicht wird und auch nicht erreicht werden soll.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: 200.000,00 EUR