2 U 41/11 – Leflunomid/Teriflunomid II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1735

Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. November 2011, Az. 2 U 41/11

Vorinstanz: 4b O 30/11

I.

Die Berufung gegen das am 14. April 2011 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass sich das Unterlassungsgebot auch auf solche Zubereitungen bezieht, bei denen sich das Teriflunomid erst nachträglich, aber vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums der pharmazeutischen Zusammensetzung durch Umlagerung von Leflunomid bildet.

II.

Die Verfügungsbeklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die von der Verfügungsklägerin zu erbringende Vollziehungssicherheit wird auf 2.500.000,– € festgesetzt.

IV.

Der Streitwert wird auf 1.000.000,– € festgesetzt.

G r ü n d e :

I.

Von einer Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass das streitbefangene Arzneimittel „A“ das Verfügungspatent widerrechtlich verletzt und dass die Verfügungsklägerin, nachdem das Bundespatentgericht die gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatents geführten Angriffe zurückgewiesen hat, beanspruchen kann, dass weitere Verletzungshandlungen der Verfügungsbeklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes unterbunden werden.

1.
Das Verfügungspatent betrifft eine feste Zubereitung zur Behandlung immunologischer Erkrankungen, welche die Wirkstoffe Leflunomid und Teriflunomid kombiniert enthält.

Nach den Erläuterungen der Verfügungspatentschrift ist es aus der europäischen Patentanmeldung 0 013 XYY bekannt, dass Leflunomid (5-Methylisoxazol-4-carbonsäure-(4-trifluormethyl)-anilid) antirheumatisch, antiphlogistisch, antipyretisch und analgetisch wirkt und gegen multiple Sklerose eingesetzt werden kann, wobei für die orale Applikation Dosen von 25 bis 150 mg vorgesehen sind. Aus der europäischen Patentanmeldung 0 217 XXY ist ferner geläufig, dass Teriflunomid (N-(4-Trifluormethylphenyl)-2-cyan-3-hydroxycrotonsäureamid) immunmodulierende Eigenschaften hat und sich zur Behandlung u.a. von Autoimmunerkrankungen eignet. Erwähnt werden pharmazeutische Präparate, die eine der vorgenannten Wirkstoffe enthalten, und zwar in einer Dosis von 10 bis 200 mg bei Injektionslösungen in Ampullenform sowie in einer Dosierung von 50 bis 300 mg bei rektaler Verabreichung. Die orale Applikation von 5 mg/kg oder 10 mg/kg eines der genannten Wirkstoffe habe – so heißt es – jeweils alleine keine signifikante Wirkung hervorgebracht.

Ausgehend hiervon liegt dem Verfügungspatent die Aufgabe zugrunde, eine pharmazeutische Zusammensetzung auf Basis von Leflunomid und Teriflunomid für die immunsuppressive Therapie bereit zu stellen, die bei geringerer Dosierung ein verbessertes Wirkungsprofil zeigt.

Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Anspruch 1 des Verfügungspatentes die Kombination folgender Merkmale vor:

(1) Feste Zubereitung, enthaltend

(a) 5-Methylisoxazol-4-carbonsäure-(4-trifluormethyl)-anilid (= Leflunomid)

und

(b) N-(4-Trifluormethylphenyl)-2-cyan-3-hydroxycrotonsäureamid (= Teriflunomid) und/oder eine stereoisomere Form und/oder ein physiologisch verträgliches Salz von Teriflunomid

und

(c) einen pharmazeutisch verträglichen Träger.

(2) Der Gehalt von Leflunomid beträgt 2 bis 20 mg.

(3) Der Gehalt von Teriflunomid beträgt 0,3 bis 50 % des Gehalts von Lefluno-mid.

Nach den Ausführungen der Verfügungspatentschrift basiert die Erfindung auf der Erkenntnis, dass ein Kombinationspräparat, welches sowohl Leflunomid als auch Teri-flunomid enthält, überraschend günstige immunsuppressive Effekte aufweist. Der Zusatz geringer Mengen von Teriflunomid zu der Hauptwirkkomponente Leflunomid führe zu einer deutlichen Wirkungssteigerung des Kombinationspräparates. Infolge dessen ließen sich Anwendungsbereiche erschließen, die einer immunsuppressiven Therapie durch die Einzelkomponenten bislang verschlossen gewesen seien. Die ohne Wirksamkeitsverluste mögliche Dosisreduzierung erhöhe außerdem die Anwendungssicherheit und senke gleichzeitig die Therapiekosten in nennenswertem Umfang.

2.
Zutreffend ist das Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass das angegriffene Arzneimittel „A“ dem Wortsinn nach widerrechtlichen Gebrauch von der technischen Lehre des Verfügungspatents macht und dass die Beklagte deshalb weitere Verletzungshandlungen zu unterlassen hat (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG).

a)
Dass den angegriffenen Ausführungsformen Teriflunomid nicht bereits bei der Herstellung der Arzneimittel zugegeben wird, sondern sich erst nachträglich dadurch bildet, dass sich der zunächst allein vorhandene Monowirkstoff Leflunomid unter den im Vertriebsgebiet herrschenden Lagerbedingungen (25 ° C, 60 % Luftfeuchtigkeit) zum Teil in Teriflunomid umlagert, wobei sich der vom Verfügungspatent geforderte Teriflunomidanteil von 0,30 % des Leflunomidgehaltes bei den 10 mg-Tabletten innerhalb von ca. 6 Monaten und bei den 20 mg-Tabletten jedenfalls nach 9 Monaten einstellt, ist angesichts einer maximalen Haltbarkeit der streitbefangenen Tabletten von 3 Jahren unerheblich. Bereits das Landgericht hat völlig richtig darauf hingewiesen, dass der im Patentanspruch verwendete Begriff der „festen Zubereitung“ keinerlei Festlegung dahingehend enthält, dass die vom Patentanspruch geforderten Einzelbestandteile bereits bei der Zubereitungsherstellung planmäßig eingebracht werden. Die Bezugnahme auf eine „feste Zubereitung“ bestimmt nach Art eines Oberbegriffs lediglich diejenige Darreichungsform, für die Patentschutz begehrt werden soll (Kapseln, Tabletten, Zäpfchen) und die von anderen, nicht beanspruchten (z.B. flüssigen) Darreichungsformen abzugrenzen ist. Auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es sich vorliegend um einen Sachanspruch handelt, der unabhängig vom konkreten Herstellungsprozess des Erzeugnisses absoluten Patentschutz vermittelt, gibt es keine Rechtfertigung dafür, bei Präparaten, die die vom Verfügungspatent vorausgesetzten Inhaltsstoffe in den jeweils geforderten Mengen beinhalten, danach zu differenzieren, weshalb die jeweilige Zubereitung die anspruchsgemäße Zusammensetzung aufweist. Schließlich hängen auch die vom Verfügungspatent beschriebenen vorteilhaften immunsuppressiven Effekte nicht davon ab, dass der Teriflunomidanteil auf eine bestimmte Weise in die Zubereitung gelangt, hier insbesondere planmäßig zugesetzt worden ist; entscheidend für das Wirkungsprofil der Zubereitung ist allein, dass in ihr neben dem hauptsächlichen Wirkstoff Leflunomid auch ein bestimmter Anteil (0,3 bis 50 % des Leflunomidgehaltes) Teriflunomid vorhanden ist, wie auch immer er in die Zubereitung gelangt ist.

Um patentverletzend zu sein, muss die angegriffene Ausführungsform zwar grundsätzlich im Augenblick der Angebots- oder Vertriebshandlung alle Anspruchsmerkmale verwirklichen. Mit der Herstellung und dem Vertrieb eines Erzeugnisses wird allerdings auch dann von der Lehre eines Vorrichtungspatents Gebrauch gemacht, wenn ein Merkmal des Patentanspruchs noch nicht bei der fertigen aber ungebrauchten Vorrichtung in Erscheinung tritt, sondern erst dann und dadurch gebildet wird, dass sich die Vorrichtung in Zukunft verlässlich und vorhersehbar ändert (Senat, GRUR 1978, 425 – Umlenktöpfe; InstGE 12, 213 – Traktionshilfe). Exakt ein solcher Sachverhalt liegt – wie das Landgericht zutreffend gesehen hat – im Streitfall vor. Die Beklagte selbst räumt ein, dass sich im Anschluss an die Herstellung ihrer Arzneimittelzubereitung während der Lagerung ein Teil des Leflunomidwirkstoffs in Teriflunomid umlagert, so dass sich nach ca. 6 bzw. 9 Monaten eine Situation ergibt, bei der die Tabletten einen Gehalt von 0,3 % Teriflunomid der in der Zubereitung vorhandenen Leflunomidmenge aufweisen. Mangels irgendwelcher Gegenmaßnahmen ergibt sich die Umlagerung von Leflunomid in Teriflunomid zwangsläufig und unausweichlich, so dass weit vor Ablauf des jeweiligen Haltbarkeitsdatums für die Tabletten ein Kombinationspräparat vorliegt, das den Vorgaben von Anspruch 1 des Verfügungspatents entspricht. Nicht nur Tabletten, die erst nach mengenmäßig hinreichender Umlagerung von Leflunomid in Teriflunomid von der Beklagten angeboten und vertrieben werden, sind daher als patentverletzend anzusehen. Das Gleiche gilt in Bezug auf solche Präparate, bei denen die Umlagerung im Zeitpunkt der Angebots- oder Vertriebshandlung noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass die vom Verfügungspatent geforderte Mindestmenge Teriflunomid gegeben ist, denen aber die Eigenschaft immanent ist, im Zuge der weiteren Lagerung einen anspruchsgemäßen Teriflunomidanteil zu bilden. Auch die Beklagten machen nicht geltend, dass ihre Tabletten in jedem Fall beim Endverbraucher angekommen und vom Patienten eingenommen sind, bevor ein Teriflunomidgehalt im patentgemäßen Mengenbereich erreicht ist. Das Zustandekommen einer gebrauchsfertigen Zubereitung mit kombiniertem Wirkstoff, wie ihn das Verfügungspatent lehrt, ist daher nicht bloß theoretischer Natur, sondern von praktischer Relevanz.

In der Entscheidung „Traktionshilfe“ (InstGE 12, 213) war nicht abschließend zu entscheiden, ob das Abstellen auf eine sich erst in Zukunft ergebende Merkmalsverwirklichung als Folge einer substantiellen Veränderung des angebotenen Gegenstandes zu unterbleiben hat, wenn und soweit damit Gegenstände in den Patentschutz einbezogen werden, die zu dem für das Klagepatent maßgeblichen Stand der Technik gehören. Die dahingehenden Erwägungen der damaligen Verletzungsbeklagten waren schon deshalb gegenstandslos, weil sich im Falle einer Nacharbeitung desjenigen, was der vorbekannte Stand der Technik den Durchschnittsfachmann gelehrt hat, eine patentgemäße Anordnung (eines bestimmten Übermaßes der textilen Traktionshilfe gegenüber dem äußeren Umfang des Fahrzeugreifens) überhaupt nicht ergeben konnte. Auch im Streitfall besteht kein Anlass, die eingangs aufgeworfene Frage endgültig zu beantworten.

Was zunächst die EP 0 797 XXX betrifft, so kann zu Gunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die im dortigen Beispiel 2 beschriebene Tablettenformulierung derjenigen Zusammensetzung entspricht, wie sie bei den angegriffenen Ausführungsformen verwendet wird, wobei der von den Beklagten zusätzlich aufgebrachte Filmüberzug für die vorliegend interessierenden Umlagerungserscheinungen bedeutungslos ist, so dass bereits die in der EP 0 797 XXX offenbarte Tablette dieselbe Umlagerung des Leflunomidwirkstoffs in Teriflunomid zeigt, wie sie für die streitbefangenen Präparate der Beklagten kennzeichnend ist. Da die EP 0 797 XXX erst am 01.10.1997 veröffentlicht wurde, gehört sie im Vergleich zum Verfügungspatent, welches eine Priorität vom 20.03.1996 genießt, nicht zum Stand der Technik. Mit Blick auf die EP 0 797 XXX kann die Ausdehnung des Verfügungspatents auf Zubereitungen mit einem sich erst im Nachhinein bildenden Teriflunomidgehalt schon deswegen nicht dazu führen, dass in das Verfügungspatent Erzeugnisse einbezogen werden, die dem Fachmann bereits aufgrund des vorbekannten Standes der Technik zur Verfügung gestanden haben.

Im Ergebnis dieselbe Beurteilung gilt für die am 08.04.1987 veröffentlichte (und damit zweifelsfrei einen vorbekannten Stand der Technik bildende) europäische Patentanmeldung 0 217 XXY. Die Schrift verhält sich u.a. zu einer Tablettenformulierung, die als Wirkstoff Leflunomid in einer Dosierung von 10 bis 200 mg, bevorzugt von 50 bis 100 mg, enthält (S. 10, Zeilen 20 bis 30) und bei deren Herstellung „gewöhnliche Hilfsmittel wie Trägerstoffe, Spreng-, Binde-, Überzugs-, Quellungs-, Gleit- oder Schmiermittel, Geschmacksstoffe, Süßungsmittel, Puffersubstanzen, Antioxidantien und/oder Lösungsvermittler Verwendung finden“, wobei als „häufig verwendete Hilfsstoffe (beispielhaft) Magnesium- oder Calciumkarbonat, Calciumphosphate, Titandioxid, Mannit, Laktose und andere Zucker, Talkum, Milcheiweiß, Gelantine, Stärke, Vitamine, Cellulose und ihre Derivate, tierische und pflanzliche Öle, Polyäthylenglykole und physiologisch unbedenkliche Lösungsmittel wie steriles Wasser, Alkohole, Glycerin und andere mehrwertige Alkohole (genannt sind)“ (S. 10, Zeilen 1 bis 18). Abgesehen davon, dass die ausdrücklich als bevorzugt gekennzeichneten Dosierungsangaben (50 bis 100 mg) den Fachmann von der Überlegung wegführen, den Leflunomidgehalt im genau entgegengesetzten Bereich von 2 bis 20 mg zu wählen, wie ihn das Verfügungspatent vorsieht, enthält die EP 0 217 XXY keinerlei konkrete Anweisungen dahingehend, als Füllstoffe Laktose und Maisstärke, als Bindemittel Povidon, als Sprengmittel Crospovidon sowie als Fließregulierungs- und Schmiermittel Siliziumdioxid und Magnesiumstearat zu verwenden, und dies zudem in einer Menge, dass es im Anschluss an die Arzneimittelzubereitung innerhalb der vorgesehenen Haltbarkeit zu einer dem Verfügungspatent entsprechenden Umlagerung von Leflunomid in Teriflunomid kommt. Die Rezeptur der angegriffenen Ausführungsformen mag insoweit unter die allgemein gehaltenen Herstellungshinweise der EP 0 217 XXY fallen; genau das gleiche würde aber auch für eine Vielzahl anderer abweichender Rezepturen gelten, die freilich allein wegen der als bevorzugt herausgestellten Wirkstoffdosierung von 50 bis 100 mg wesentlich wahrscheinlicher wären als die Zubereitung, wie sie bei den angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht ist. Allein dass die dort verwendete Zusammensetzung vom breiten Beschreibungsinhalt der EP 0 217 XXY miterfasst wird, besagt ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die angegriffenen Ausführungsformen in den weiten Schutzbereich von Anspruch 1 der EP 0 217 XXY fallen, der ganz allgemein die Verwendung von Leflunomid und/oder Teriflunomid zur Herstellung von Arzneimitteln gegen Autoimmunerkrankungen schützt. Gegenüber der EP 0 217 XXY stellt das Verfügungspatent eine abhängige Erfindung dar, mit der die allgemeine technische Lehre einer Heranziehung von Leflunomid und/oder Teriflunomid zur Behandlung bestimmter Krankheitsbilder näher konkretisiert wird, indem aus der Fülle der möglichen Zubereitungen nach der EP 0 217 XXY ganz bestimmte, besonders vorteilhafte Zusammensetzungen herausgegriffen werden, nämlich solche, die beide Wirkstoffe in bestimmter Menge und in einem festgelegten Verhältnis zueinander kombinieren. Es entspricht gefestigter Auffassung, dass die Weiterentwicklung einer allgemeinen technischen Lehre des Standes der Technik erfinderisch sein kann und dass ein Erzeugnis, welches der fortentwickelten Technik entspricht, gleichzeitig von beiden Schutzrechten Gebrauch machen kann – dem grundlegenden Ausgangspatent, in Bezug auf das die Fortentwicklung einen Ausschnitt aus dem umfassend geschützten Bereich darstellt, und dem darauf aufbauenden, konkretisierenden Patent für die Weiterentwicklung. Der Eingriff in zwei Schutzbereiche ist von daher in Konstellationen einer abhängigen Erfindung prinzipiell nichts Außergewöhnliches. Er kann sich auch in Bezug auf eine Zubereitung einstellen, die von vornherein und planmäßig der patentgemäßen Lehre entspricht und deswegen keinen Grund dafür liefern, von einer Ausdehnung des Schutzbereichs durch Erfassung solcher Erzeugnisse abzusehen, die ihre patentgemäße Erscheinung erst im Anschluss an den eigentlichen Herstellungsakt und ggf. erst nach der Angebots- oder Vertriebshandlung erhalten.

b)
Mit seinem Verständnis von Anspruch 1 des Verfügungspatents hat sich das Landgericht nicht in einen Widerspruch zu derjenigen Deutung gesetzt, die das Bundespatentgericht seiner Nichtigkeitsentscheidung vom 4. August 2009 zugrundegelegt hat. Die von der Beklagten für ihre gegenteilige Auffassung herangezogenen Textpassagen (BPatG-Urteil S. 13, 14) befassen sich nicht (unmittelbar) mit der Auslegung des Verfügungspatents, sondern sie erörtern im Rahmen der Neuheitsprüfung den Offenbarungsgehalt, den der Durchschnittsfachmann der EP 0 797 XXX zumisst. Die genannte Schrift betrifft feste Arzneistoffzubereitungen, die nach einer Lagerung von 6 Monaten bei 40 ° C und 75 % Luftfeuchtigkeit einen Teriflunomidgehalt von 1 bis 4,5 % bzw. 8,3 % aufweisen. Hierauf hatte die Nichtigkeitsklägerin den Einwand gestützt, dass feste Leflunomidzubereitungen zwangsläufigerweise einen Teriflunomidanteil in dem vom Verfügungspatent beanspruchten Bereich aufgewiesen haben. Das Bundespatentgericht hat dem eine Absage erteilt mit dem Hinweis darauf, dass die Lagerung nach der EP 0 797 XXX unter Stressbedingungen erfolgt sei, um innerhalb überschaubarer Zeit diejenige Belastungssituation nachzustellen, der das Arzneimittel während seiner gegenüber dem Prüfungszeitraum längeren Haltbarkeitsdauer ausgesetzt sein kann, um daraus Rückschlüsse auf das Haltbarkeitsdatum und die einzuhaltenden Lagerungsbedingungen zu ziehen. Da lediglich festgestellt werde, wie hoch der Wirkstoffgehalt am Ende des Prüfungszeitraumes ist, erhalte der Fachmann aus dem Stresstest keine Erkenntnisse zur Lage, die während des Prüfungszeitraumes bestehe. Der Test gebe infolge dessen keine Informationen dazu, zu welchem Zeitpunkt innerhalb des Prüfintervalls der Wirkstoff und seine Abbauprodukte in welchen Mengenverhältnissen vorliegen. Weiter heißt es im BPatG-Urteil (S. 13):

„Die im Dokument (EP 0 797 XXX) angegebenen Daten lassen es daher nicht zu, aus diesem rückschließend davon auszugehen, Teriflunomid liege in festen Zubereitungen von Leflunomid zwangsläufig stets von Beginn an in den streitpatentgemäßen Anteilen, zumindest aber in einem Anteil von 0,3 % bezogen auf Leflunomid, vor.“

Wenn an der zitierten Stelle von Teriflunomid die Rede ist, das in einem Anteil von 0,3 % des Leflunomidgehalts „von Beginn an“ vorliegt, so zielt die Bemerkung fraglos auf das Verfügungspatent ab. Und dessen Lehre besteht – ebenso zweifellos – darin, die Arzneimittelzubereitung mit dem besagten Teriflunomidanteil als kombiniertem Wirkstoff zu versehen. Typischerweise ist die Situation hierbei dadurch gekennzeichnet, dass die geforderten Zutaten und Mengenverhältnisse von vornherein entsprechend der technischen Lehre des Verfügungspatents eingestellt werden. In Übereinstimmung damit wurde oben dargelegt, dass eine Ausführungsform grundsätzlich nur dann als patentverletzend zu bewerten ist, wenn sämtliche Anspruchsmerkmale bereits zum Zeitpunkt der Vornahme der Benutzungshandlung (d.h. des Herstellens, Anbietens oder Inverkehrbringens) verwirklicht sind, was in Bezug auf das Verfügungspatent bedeutet, dass die Zubereitung die kombinierten Wirkstoffe im richtigen Mengen- und Anteilsverhältnis bereits im Moment der Benutzungshandlung (des Herstellens, Anbietens oder Inverkehrbringens) aufweist. Dieser Regelfall schließt es nicht aus, dass eine Patentverletzung – ausnahmsweise – auch unter anderen Umständen vorliegen kann, nämlich dann, wenn sich ein Anspruchsmerkmal zwar erst nachträglich, dafür aber mit vorhersehbarer Gewissheit einstellt. Diese auf der Benutzungsebene relevante Sonderkonstellation bleibt auf der Offenbarungsebene bedeutungslos, weswegen sie das Bundespatentgericht auch nicht in seine Erwägungen einbeziehen musste. Bei der Frage, ob dem Durchschnittsfachmann eine bestimmte technische Anweisung – hier: das Versehen der festen Zubereitung mit einem genau definierten Teriflunomidanteil als Zweitwirkstoff – offenbart ist, geht es darum, ob die in Rede stehende Druckschrift (EP 0 797 XXX) Informationen enthält, die dem Fachmann die fragliche Kenntnis beim Nacharbeiten unmittelbar und zwangsläufig vermittelt haben. Da das Verfügungspatent die Wirkstoffmenge des Leflunomids (2 bis 20 mg) und des Teriflunomids (0,3 bis 50 % des Leflunomidgehalts) exakt festlegt, kommt es darauf an, ob der Fachmann durch die EP 0 797 XXX zur Einhaltung dieser Mengen- und Anteilsverhältnisse angehalten wird. Das Bundespatentgericht hat dies mit der Überlegung verneint, dass es, um eine entsprechende Zubereitung zu erhalten, einer Auswahlentscheidung bedurft hat, für die die EP 0 797 XXX keinen Anhalt biete. Ausgehend vom Informationsgehalt der EP 0 797 XXX gibt es mithin keinen unmittelbaren und zwangsläufigen Weg zu der speziellen Arzneimittelzubereitung des Verfügungspatents, völlig unabhängig davon, ob die Mengen- und Anteilsverhältnisse der kombinierten Wirkstoffe Leflunomid und Teriflulomid von vornherein wie beansprucht eingestellt sind oder ob stattdessen die Anordnung so getroffen ist, dass sich die Mengen- und Anteilsverhältnisse mit Gewissheit nachträglich ergeben. Auch die zuletzt genannte Form der Erfindungsausführung wird erst möglich, wenn die technische Erkenntnis gefasst ist, dass eine Kombination der Wirkstoffe Leflunomid und Teriflulomid im richtigen (patentgemäßen) Mengen- und Anteilsverhältnis sinnvoll und vorteilhaft ist. So sehr die besagte Erkenntnis auch Voraussetzung für die Benutzung durch eine „nachträgliche Merkmalsverwirklichung“ ist, so wenig Sinn macht es, bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts der EP 0 797 XXX in Bezug auf eine sofortige oder erst nachträgliche Merkmalsverwirklichung zu differenzieren. Wenn die EP 0 797 XXX – wovon das Bundespatentgericht bei seiner Argumentation ausgegangen ist – den Fachmann nicht lehrt, Leflunomid und Teriflulomid in bestimmten Mengen und Anteilsverhältnissen kombiniert einzusetzen, so ist es gänzlich überflüssig, Überlegungen zum möglichen Zeitpunkt – sofort oder nachträglich – anzustellen, zu dem die überhaupt nicht offenbarten Mengen- und Anteilsverhältnisse des Verfügungspatents gegeben sein könnten. Im Rahmen der vom Bundespatentgericht allein vorgenommenen Offenbarungsdiskussion gab es infolge dessen keinen Grund, irgendeine Aussage darüber zu treffen, ob nur planmäßig hergestellte Zubereitungen dem Patentschutz unterfallen oder auch solche, bei denen sich die beanspruchten Mengen- und Anteilsverhältnisse von Leflunomid und Teriflulomid im Nachhinein einstellen. Eine Festlegung dieses Inhalts kann dem Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts deshalb bei sinngemäßem Verständnis auch nicht entnommen werden.

Dieselbe Beurteilung hat für die weitere Begründungspassage (BPatG-Urteil S. 14) zu gelten, die sich ebenfalls mit der EP 0 797 XXX befasst:

„Zum anderen handelt es sich bei der behaupteten, im Rahmen der Lagerung der festen Zusammensetzungen erfolgenden Umlagerung von Leflunomid in Teriflulomid um einen Prozess, der unkontrolliert abläuft. Selbst wenn sich im Zuge dessen ggf. Konzentrationsverhältnisse einstellen sollten, wie sie auch vorliegend im verteidigten Patentanspruch 1 genannt werden, handelt es sich dabei nicht um die Folge eines planmäßigen Handelns, das in diesem Fall im Einhalten einer definierten Einstellungsregel zu sehen ist, sondern um zufällige, bis zum Prioritätstag augenscheinlich noch nicht beschriebene und damit für den Fachmann unbekannte Erscheinungsformen … .“

Der Sache nach argumentiert das Bundespatentgericht hier ebenfalls mit der Überlegung, dass dem Fachmann die im Verfügungspatent beanspruchten Mengen- und Anteilsverhältnisse von Leflunomid und Teriflunomid nur dann offenbart wären, wenn sich ihre Einhaltung nicht nur zufällig bei der Nacharbeit der EP 0 797 XXX ergeben würde, sondern wenn der Fachmann aus der Schrift Informationen erhielte, die ihn zu einer dahingehenden Auswahlentscheidung innerhalb des beschriebenen größeren Zusammensetzungsbereichs für die feste Arzneimittelzubereitung anhalten könnten. Weil es solche Informationen in der EP 0 797 XXX nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts nicht gibt, kann der Fachmann – völlig unabhängig vom Zeitpunkt eines etwaigen Vorliegens der patentgemäßen Mengen- und Anteilsverhältnisse (sofort oder nachträglich) – überhaupt keine Erwägungen dahingehend anstellen, dass eine ganz bestimmte Wirkstoffkombination vorteilhaft sein könnte. Fehlt es bereits an dieser grundlegenden Offenbarung, ist es gänzlich obsolet, der Frage nachzugehen, ob – wenn die betreffende Erkenntnis durch die EP 0 797 XXX vermittelt worden wäre – die fraglichen Mengen- und Anteilsverhältnisse planmäßig von Beginn an herbeigeführt werden müssen oder sich auch nachträglich aufgrund von Umlagerungsreaktionen einstellen dürfen. Hierzu war für die im Nichtigkeitsverfahren zu klärenden Fragen keine Stellung zu beziehen und hierzu hat das Bundespatentgericht bei sinnvollem Verständnis seiner Entscheidungsgründe auch keine Aussage getroffen.

c)
Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Beklagten, der Klägerin sei es wegen eines in der Nichtigkeitsverhandlung vor dem Bundespatentgericht geschaffenen Vertrauenstatbestandes verwehrt, die angegriffenen Ausführungsformen als Patentverletzung zu beanstanden. Richtig ist zwar, dass Äußerungen im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren für den Verletzungsprozess im Hinblick auf die Gebote von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Bedeutung haben können, nämlich dann, wenn der Patentinhaber (z.B. in Bezug auf eine bestimmte mögliche Ausführungsform der Erfindung) schutzbereichsbeschränkende Erklärungen abgegeben hat, die Beschränkung Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents war und der spätere Verletzungsbeklagte bereits am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren teilgenommen hat (BGH, GRUR 1993, 886 – Weichvorrichtung I; BGH, Mitt 1997, 364 – Weichvorrichtung II). Unter derartigen Umständen stellt die spätere Erhebung und Verfolgung einer Verletzungsklage gegen denjenigen, der am Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren beteiligt war, wegen einer von der schutzbereichsbeschränkenden Erklärung erfassten Ausführungsform ein treuwidriges Verhalten dar. Unerheblich ist dabei, ob die schutzbereichsbeschränkende Erklärung in der Einspruchs- oder Nichtigkeitsentscheidung urkundlich dokumentiert ist oder, weil es daran fehlt, durch Zeugenbeweis aufgeklärt werden muss (BGH, GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage). Zu beachten ist allerdings, dass noch nicht jede Äußerung des Patentinhabers z.B. zum Stand der Technik, der dem Klagepatent entgegengesetzt wird, eine schutzbereichsbeschränkende Erklärung darstellt. Vielfach und in aller Regel wird es sich bloß um eine Meinungsäußerung handeln, die – auch wenn die Einspruchsabteilung oder das Bundespatentgericht sie aufgreifen – keinen Einwand aus Treu und Glauben hervorbringen kann (BGH, Mitt 1997, 364, 365 – Weichvorrichtung II). Erforderlich ist vielmehr eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Schutzrechtsinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Abgrenzung zu einer bestimmten Ausführungsform festzulegen. Neben dem Wortlaut der Erklärung sind alle Begleitumstände sowie die Interessenlage zu berücksichtigen, unter der die Äußerung des Patentinhabers gemacht worden ist.

Vorliegend ist entscheidend, dass die herangezogenen Äußerungen, das Verfügungspatent werde nicht benutzt, lediglich im Rahmen der Erörterungen zum Streitwert des Nichtigkeitsverfahrens gefallen sind, um darzutun, dass der wirtschaftliche Wert des Verfügungspatents nicht besonders hoch angesetzt werden kann. Selbst wenn in diesem Zusammenhang als nichtbenutztes Erzeugnis der Sache nach auch das seinerzeit auf dem Markt befindliche eigene Produkt der Klägerin B angesprochen gewesen sein sollte, liegt ersichtlich keine Äußerung der Klägerin vor, die bei redlichem Verständnis irgendeinen Verzichtswillen in Bezug auf sich erst im Laufe der Lagerung ergebende Kombinationspräparate zutage treten ließe. Das gilt umso mehr angesichts der in der Schutzschrift selbst herausgestellten Tatsache, dass die Verfügungsklägerin sich gegenüber dem Nichtigkeitssenat unwissend über eine Umlagerung von Leflunomid während der Lagerung gezeigt hat.

3.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents in einem solchen Maße gesichert ist, dass der Klägerin der begehrte einstweilige Rechtsschutz nicht vorenthalten werden kann.

Grundsätzlich kommt der Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung wegen Patentverletzung nur in Betracht, wenn sowohl der Bestand des Verfügungspatents als auch die Frage der Patentverletzung im Ergebnis so eindeutig zu Gunsten des Verfügungsklägers zu beantworten sind, dass eine fehlerhafte, in einem etwaigen nachfolgenden Hauptsacheverfahren zu revidierende Entscheidung nicht ernstlich zu erwarten ist (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114 – Harnkatheterset; OLG Karlsruhe, InstGE 11, 143 – VA–LCD-Fernseher). Von einem hinreichenden Rechtsbestand des dem Verfügungsantrag zugrundegelegten Patents kann hierbei im allgemeinen nur ausgegangen werden, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (OLG Düsseldorf, InstGE 9, 140, 146 – Olanzapin; InstGE 12, 114 – Harnkatheterset). Aus der regelmäßigen Notwendigkeit einer positiven streitigen Rechtsbestandsentscheidung folgt – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – umgekehrt aber auch, dass, sobald sie vorliegt, der Bestand des Verfügungspatents grundsätzlich als ausreichend gesichert angesehen werden muss, um eine einstweilige Verfügung zu rechtfertigen. Mit dem Gebot eines effektiven vorläufigen Rechtsschutzes in Patentsachen (Art. 50 Abs. 1 TRIPS, Art. 9 Abs. 1a Enforcement-Richtlinie) wäre es nicht zu vereinbaren, wenn das Verletzungsgericht, bevor es einstweilige Maßnahmen zum Schutz des im Verfügungspatent verkörperten geistigen Eigentums anordnet, stets den rechtskräftigen Abschluss des Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens abwarten würde. Vielmehr hat es die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents hinzunehmen und, sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen, indem es zum Schutz des Patentinhabers die weitere Verletzungshandlungen unterbindenden Anordnungen trifft. Grund, die Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einem Unterlassungsgebot abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der mit dem Rechtsbehelf unternommene Angriff auf das Verfügungspatent auf (z.B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, welche die bisher mit der Sache befasste Stelle noch nicht berücksichtigt und beschieden hat. Demgegenüber ist es nicht angängig, den Verfügungsantrag trotz erstinstanzlich aufrecht erhaltenen Schutzrechtes allein deshalb zurückzuweisen, weil das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Begründung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt.

a)
Das der Verfügungsklägerin günstige Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts vom 4. August 2009 hat nicht deshalb als verlässliche Grundlage für die Beurteilung des Rechtsbestandes auszuscheiden, weil ihm ein anderes Verständnis vom Gegenstand und Inhalt des Verfügungspatents zugrunde liegt als es bei der Behandlung der Verletzungsfrage angewendet worden ist. Oben wurde im Einzelnen dargelegt, dass die Begründungserwägungen des BPatG im Zusammenhang mit der Offenbarungsdiskussion der Parteien zu verstehen sind und vor diesem Hintergrund keine Aussage dahingehend treffen, dass sich das Verfügungspatent abschließend nur auf solche Arzneistoffzubereitungen bezieht, die von Anfang an und planmäßig mit Leflunomid und Teriflunomid als kombinierten Wirkstoffen in den beanspruchten Mengen- und Anteilsverhältnissen versehen worden sind.

b)
Soweit das Bundespatentgericht in Bezug auf das Verfügungspatent die Neuheit und erfinderische Tätigkeit bejaht hat, hält der Senat die sorgfältigen Begründungserwägungen auch angesichts der Berufungsangriffe für überzeugend, mit denen kein neuer Stand der Technik aufgezeigt wird.

aa)
Aus der EP 0 217 XXY ergibt sich lediglich, dass zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen die Wirkstoffe Leflunomid und Teriflunomid entweder einzeln oder in Kombination miteinander verwendet werden können, wobei für feste Zubereitungen als Dosis ein Mengenbereich von 10 bis 200 mg angegeben wird, der im Falle einer Wirkstoffkombination für die Gesamtdosis beider Wirkstoffe gilt. Irgendeine nähere Angabe dazu, in welchem Verhältnis zueinander Leflunomid und Teriflunomid in besonders vorteilhafter, nämlich wirkungsvoller Weise zum Einsatz kommen können, enthält die Schrift unstreitig nicht. Infolge dessen finden auch die vom Verfügungspatent beanspruchten Mengen- und Anteilsverhältnisse (Leflunomid: 2 bis 20 mg; Teriflunomid: 0,3 bis 50 % des Leflunomidgehalts) in der EP 0 217 XXY keine Erwähnung. Sie sind dem Fachmann – anders als die Beklagte meint – auch nicht bereits dadurch offenbart, dass die Mengenverhältnisse des Verfügungspatents einen Ausschnitt aus der Masse aller denkbaren Kombinationen von Leflunomid und Teriflunomid in irgendeinem Verhältnis zueinander darstellen, wie sie die Entgegenhaltung mangels irgendwelcher einschränkender Vorgaben zulässt. Zu Unrecht stützt sich die Beklagte für ihre gegenteilige Auffassung auf die BGH-Entscheidung „Inkrustierungsinhibitoren“ (GRUR 2000, 591). Sie besagt lediglich, dass die Angabe eines geschlossenen Bereichs durch Nennung eines Anfangs- und eines Endwertes alle dazwischen liegenden Werte mit offenbart, weil entsprechend den Regeln der Arithmetik die Benennung eines Mengenbereiches lediglich eine vereinfachte Schreibweise der zahlreichen möglichen, zwischen dem unteren und dem oberen Grenzwert liegenden Zwischenwerte darstellt. Ein solcher Sachverhalt liegt hier schon im Tatsächlichen nicht vor, weil die EP 0 217 XXY sich gänzlich unspezifiziert zu einer beliebigen Wirkstoffkombination von Leflunomid und Teriflunomid verhält, aber – jedenfalls expressis verbis – keine beiderseits geschlossenen numerischen Mengenbereiche definiert. Selbst wenn man aber annehmen wollte, die in das Belieben gestellte Beteiligung der Einzelwirkstoffe Leflunomid und Teriflunomid bei der Formulierung eines Arzneimittels werde vom Fachmann sinngemäß als verschlüsselte Angabe eines jeweiligen Mengenbereiches von 0,1 bis 99,9 % verstanden, ist damit immer noch nichts über das Mischungsverhältnis der kombinierten Wirkstoffe gesagt. Zu ihm stellt die EP 0 217 XXY keinerlei konkrete Parameter auf. Der Stand der Technik offenbart dem Fachmann somit allenfalls einen völlig undifferenzierten Gesamtbereich möglicher Wirkstoffkombinationen. Bei einer derartigen Sachlage entspricht es der von der Verfügungsklägerin herangezogenen BGH-Rechtsprechung (GRUR 1981, 812 – Etikettiermaschine), dass eine Bemessungsregel neu ist, wenn sie erstmals die Bedingungen für eine Auswahl aus dem im Stand der Technik undifferenziert mitgeteilten Gesamtbereich benennt. Exakt dies ist mit Blick auf das Verfügungspatent der Fall, weil nicht nur die geeignete Wirkstoffmenge für Leflunomid gelehrt, sondern darüber hinaus auch die Menge des damit zu kombinierenden Wirkstoffs Teriflunomid als prozentualer Anteil des Leflunomidgehaltes angegeben wird.

Mit dem Einwand, dass sich auch bei einem Leflunomid-Monopräparat des Standes der Technik nach der EP 0 013 XYY im Laufe der Lagerzeit ein patentgemäßes Kombinationspräparat ergibt, weil sich Leflunomid unweigerlich in Teriflunomid umlagert, hat sich das Bundespatentgericht ausführlich befasst. Es hat dem von der Nichtigkeitsklägerin nachgearbeiteten Verfahrensbeispiel der EP 0 013 XYY einen relevanten Aussagewert abgesprochen, weil der in der Entgegenhaltung für das Leflunomid-Verfahrenserzeugnis mitgeteilte Schmelzpunkt (153,6 ° C) signifikant von demjenigen Schmelzpunkt (166,5 ° C) abweicht, der für das im Zuge der Nacharbeitung erhaltene Verfahrenserzeugnis ausgewiesen ist. Diese Unstimmigkeit, die gegen eine Stoffidentität spricht, ist im Nichtigkeitsberufungsverfahren nicht ausgeräumt worden, so dass auch kein Anlass besteht, die Schlussfolgerungen des BPatG in Zweifel zu ziehen.

Welche Erkenntnisse der Fachmann der EP 0 797 XXX genau entnehmen konnte, bedarf keiner abschließenden Betrachtung. Ihr Inhalt hat schon deshalb außer Betracht zu bleiben, weil es sich bei der EP 0 797 XXX um eine nicht nur nachveröffentlichte, sondern auch prioritätsjüngere Druckschrift handelt, die infolgedessen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vorbekannten Stand der Technik in Bezug auf das Verfügungspatent repräsentiert. Es mag deswegen sein, dass sich bei der Nacharbeitung eines in der EP 0 797 XXX beschriebenen Herstellungsbeispiels eine Umlagerung von Leflunomid in Teriflunomid und daraus resultierend ein Kombinationspräparat ergibt, wie es der Lehre des Verfügungspatents entspricht. Das betreffende Wissen um die möglicherweise geeignete Verfahrensführung stand dem Fachmann am Prioritätstag des Verfügungspatents indessen – wie dargetan – überhaupt noch nicht zur Verfügung, weil es erst zeitlich danach zum Stand der Technik geworden ist. Soweit das Herstellungsbeispiel der EP 0 797 XXX unter die generelle Zubereitungsanleitung fallen sollte, die dem Fachmann mit der EP 0 217 XXY (S. 9-10) gegeben wird, folgt daraus ebenfalls nichts für den Rechtsbestand des Verfügungspatents. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich die patentgemäßen Mengen- und Anteilsverhältnisse infolge einer Umlagerung von Leflunomid in Teriflunomid bei jeder beliebigen Tablettenformulierung einstellen, zu der die in der EP 0 217 XXY aufgelisteten Hilfsstoffe irgendwie herangezogen werden. Wenn jedoch nur eine gezielte Auswahl und Rezeptur eine dem Verfügungspatent entsprechende Zubereitung hervorbringt, auf die die EP 0 217 XXY keinerlei Hinweise enthält, so kann der Druckschrift auch nicht die Offenbarung einer eben solchen, sich allenfalls rein zufällig ergebenden Arzneistoffzubereitung entnommen werden.

bb)
Warum die technische Lehre des Verfügungspatents in Anbetracht des vorbekannten Standes der Technik dem Fachmann nicht nahegelegt war, hat das Bundespatentgericht mit ausführlicher Begründung dargetan. Außer ihrer abweichenden eigenen Wertung hat die Beklagte dem nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Nach Auffassung des Senats überzeugt insbesondere die Überlegung, dass der Fachmann am Prioritätstag davon ausgehen musste, dass zwar Leflunomid und Teriflunomid gleichermaßen geeignete Wirkstoffe darstellen, dass bei einer Verabreichung von Leflunomid in festen Formulierungen dieses jedoch fast vollständig zu Teriflunomid metabolisiert, so dass letztlich in jedem Fall Teriflunomid für die pharmakologische Wirkung der Arzneistoffzubereitung verantwortlich ist. Bei einem solchen Wissensstand konnte sich der Fachmann von einer Wirkstoffkombination in der Tat keine besonders vorteilhaften Wirkungen versprechen; erst Recht gab es für ihn keine Anhaltspunkte dahingehend, dass sich günstige immunsuppressive Effekte bei einem ganz bestimmten Mengenverhältnis der beiden kombinierten Wirkstoffe einstellen. Dass die Kombination geringer Teriflunomid-mengen als Zweitwirkstoff neben Leflunomid tatsächlich zu einem verbesserten Wirkungsprofil gegenüber dem Monopräparat führt, belegen die in der Verfügungspatentschrift referierten Untersuchungsresultate. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die berichteten Ergebnisse nicht zutreffen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ob sich die verbesserten Wirkungseffekte für alle beanspruchten Kombinationspräparate einstellen, ist rechtlich unerheblich, weil eine ggf. unangemessene Anspruchsbreite für sich betrachtet keinen Nichtigkeitsgrund schafft.

4.
Nachdem somit feststeht, dass die angegriffenen Präparate der Beklagten das Verfügungspatent wortsinngemäß verletzen und dieses darüber hinaus zumindest erstinstanzlich ein streitiges Rechtsbestandsverfahren überstanden hat, wobei die gegen die Aufrechterhaltung des Verfügungspatents gerichteten Angriffe keine nennenswerte Erfolgsaussicht bieten, gibt es ungeachtet der bestehenden Marktverhältnisse und der jeweils betroffenen wirtschaftlichen Interessen beider Parteien keinen Grund, der Klägerin eine Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu verweigern und damit der Beklagten eine Fortsetzung ihres rechtswidrigen Verhaltens zu ermöglichen. Zu widersprechen ist der Verfügungsbeklagten in ihrer Auffassung, es habe in jedem Fall eine Interessenabwägung stattzufinden, wobei sich die Notwendigkeit der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht schon aus der Patentverletzung als solcher ergeben könne. Sind die Verletzungsfrage und der Rechtsbestand klar zugunsten des Schutzrechtsinhabers zu beantworten, so begründet schon die Eindeutigkeit der Rechtslage für sich die Notwendigkeit, dem deliktischen Verhalten des Verletzers mithilfe des vorläufigen Rechtsschutzes Einhalt zu gebieten.

5.
Die Vollziehungssicherheit war entsprechend der verlängerten Laufzeit des gegen die Verfügungsbeklagte verhängten Unterlassungsgebotes angemessen zu erhöhen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.