4b O 35/10 – Waage mit Tragplatte

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1593

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 31. Mai 2011, Az. 4b O 35/10

Rechtsmittelinstanz: 2 U 60/11

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

Waagen mit einer Tragplatte zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit einer elektrischen Schaltvorrichtung zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage

in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,

bei denen die Schaltvorrichtung einen kapazitiven Näherungsschalter mit einer an der Trägerplatte angeordneten Elektrode zur Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode aufweist;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 17.1.2004 begangen haben, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses zu folgenden Angaben:

a) der Herstellungsmengen und –zeiten, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach den Angebotsmengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger;

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhen, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– hinsichtlich der Angaben zu a) und b) Rechnungen oder Lieferscheine vorzulegen sind,

– die Angaben zu e) nur für die Zeit ab dem 5.12.2009 zu machen sind,

– es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse gemäß Ziffer 1. an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;

4. die vorstehend zu 1. bezeichneten, seit dem 5.12.2009 in den Verkehr gelangten und im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit hiesigem Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 1 371 XXX erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und ihnen ein Angebot zur Rücknahme dieser Erzeugnisse durch die Beklagten unterbreitet wird und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Erstattung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises bzw. eines sonstigen Äquivalents für die zurückgerufenen Erzeugnisse sowie die Übernahme der Verpackungs- und Transport- bzw. Versendungskosten für die Rückgabe zugesagt wird, sowie die zurückgerufenen und ihr zurückgegebenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;

5. an die Klägerin EUR 3.454,60 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.3.2010 zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind,

1. der Klägerin für die in Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen, soweit sie in der Zeit vom 17.1.2004 bis zum 4.12.2009 begangen worden sind, eine angemessene Entschädigung zu zahlen;

2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziffer I.1. seit dem 5.12.2009 bereits entstanden ist oder zukünftig noch entstehen wird.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin ¼ und die Beklagten ¾ zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 400.000 und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

V. Der Streitwert beträgt

– bis zum 25.1.2011: EUR 400.000,

– ab dem 26.1. bis einschließlich 10.5.2011: EUR 500.000.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 1 371 XXX (Anlage K 1, im Folgenden: „Klagepatent“), das unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 14.6.2002 (DE 10226XXX) sowie vom 27.2.2003 (DE 10308XXX) am 7.6.2003 angemeldet wurde. Die Anmeldung wurde am 17.12.2003 und die Erteilung des Klagepatents am 5.11.2009 veröffentlicht. Zu den benannten Vertragsstaaten gehört unter anderem die Bundesrepublik Deutschland. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim DPMA unter dem Aktenzeichen 50311XXX geführt. Das Klagepatent steht in Kraft.

Die Beklagte zu 2) legte mit Schriftsatz vom 21.6.2010 (Anlagenkonvolut B1) Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents ein. Daneben gibt es weitere Einsprüche Dritter (vgl. Anlage B 5).

Der Anspruch 1 des Klagepatents lautet ohne Bezugszeichen:

„Waage mit einer Tragplatte zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit einer elektrischen Schaltvorrichtung zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage,

dadurch gekennzeichnet, dass

die Schaltvorrichtung einen kapazitiven Näherungsschalter mit einer an der Trägerplatte angeordneten Elektrode zur Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode aufweist.“

Die nachfolgend (verkleinert) wiedergegebene Figur 1 zeigt eine patentgemäße Waage in perspektivischer Ansicht.

Die Beklagte zu 2) vertreibt von der Beklagten zu 1) hergestellte Waagen mit folgenden Artikelnummern (nachfolgend auch: „angegriffene Ausführungsformen“): „A“, „B“, „C“, „D“, „E“, „F“. Als Anlagenkonvolut K 4 hat die Klägerin Abbildungen zu den angegriffenen Ausführungsformen eingereicht, wobei sie zwecks Erläuterung der ihrer Ansicht nach anzunehmenden Verletzung des Klagepatents in den betreffenden Erläuterungstexten Zahlen entsprechend den Bezugsziffern des Klagepatents eingefügt hat.

Die Klägerin ließ die Beklagten vorprozessual abmahnen (Anlage K 5).

Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent in wortsinngemäßer Weise. Insbesondere sei bei diesen eine Elektrode an der Tragplatte angeordnet. In einem am 13.5.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage behauptet sie insoweit, bei allen angegriffenen Ausführungsformen sei die Elektrode mittels Kleber an der Tragplatte angeordnet, so dass eine „unmittelbare Anordnung“ an derselben gegeben sei, wobei sie die Ansicht vertritt, auf eine unmittelbare Anordnung komme es patentgemäß gar nicht an.

Die Klägerin beantragt, nachdem sie ihre zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 24.1.2011 angekündigte Klageerweiterung (Blatt 54 – 56 GA), mit der sie ihr Begehren auch auf das Gebrauchsmuster DE 203 21 XXX gestützt hat, im Termin vom 10.5.2011 vor Antragstellung wieder zurückgenommen hat,

im Wesentlichen wie erkannt, wobei ihr Klageantrag keinen Wirtschaftsprüfervorbehalt vorgesehen hat und sie ursprünglich auch ein Entfernen aus den Vertriebswegen begehrt hat.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen die Erteilung des Klagepatents gerichteten Einspruch der Beklagten zu 2) auszusetzen.

Die Beklagten stellen eine Verwirklichung der technischen Lehre des Anspruchs 1 damit in Abrede, dass es an einer Anordnung der Elektrode an der Tragplatte fehle, weil keine – ihrer Ansicht nach notwendige – „unmittelbare“ Anordnung der Elektrode an der Tragplatte gegeben sei: Denn entweder sei Kleber dazwischen (so indes nur bei der Waage „B“, „angegriffene Ausführungsform 1“) oder „Luft“ (so bei allen anderen angegriffenen Waagen, „angegriffene Ausführungsform 2“). Ferner habe sich die Klägerin die Patenterteilung durch bewusste Irreführung des zuständigen Prüfers erschlichen, indem sie im – unstreitigen – Schreiben gemäß Anlage B 3 an das EPA fälschlich geltend gemacht habe, die US 4,932,XXX D1 offenbare keinen kapazitiven Näherungsschalter. Letzteres stelle einen gravierenden Marktmissbrauch dar; die Klägerin sei marktbeherrschend auf dem Markt für Personen- und Küchenwaagen. Hilfsweise wenden die Beklagten ein, ihnen stehe ein privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG zu, wobei sie hierzu behaupten: Im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents sei bereits eine Waage G des chinesischen Herstellers H bekannt gewesen, die sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents aufgewiesen habe; insoweit nehmen die Beklagten Bezug auf das „Statement“ des Herrn I, welches aus Anlage E1 des Anlagenkonvoluts B1 ersichtlich ist. Diese Waage sei im Jahre 2001 entwickelt und verschiedenen deutschen und europäischen Waagenanbietern angepriesen worden, darunter auch der Klägerin und den Beklagten. Ihren weiter hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag begründen die Beklagten im Wesentlichen wie folgt: Die technische Lehre des Klagepatents sei bereits nicht neu, wobei sie insbesondere eine offenkundige Vorbenutzung unter Hinweis auf die oben erwähnte Waage G einwenden. Jedenfalls fehle es der technischen Lehre des Klagepatents an der notwendigen Erfindungshöhe. Zumindest müsse das oben genannte vermeintlich missbräuchliche Verhalten der Klägerin im Erteilungsverfahren, als diese bereits die vermeintlich vorbenutzte Waage gekannt habe, zur Aussetzung führen. Ein missbräuchliches Verhalten der Klägerin sei zudem darin begründet, dass sie sich eine anderweitig bekannte Technologie, deren Übertragung und Anwendung im eigenen Markt naheliege, habe schützen zu lassen, um so die eigene Marktmacht abzusichern. Die vermeintliche Erfindung erschöpfe sich darin, anstelle von mechanischen Bedienelementen weithin bekannte kapazitive Näherungsschalter auch für Waagen einzusetzen; eine solche „Übertragungserfindung“ sei nicht schutzfähig. Selbst wenn die Erteilung zu Recht erfolgt sei, falle der Klägerin jedenfalls ein vom Kartellrecht missbilligter Behinderungswettbewerb zur Last.

Die Klageschrift ist den Beklagten jeweils am 26.3.2010 zugestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die zulässige Klage ist in ihrem zuletzt noch zur Entscheidung gestellten Umfang begründet.

Die Antragsfassung ist entsprechend der gefestigten Rechtsprechung der Kammern des Landgerichts Düsseldorf und des Patentsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf nicht zu beanstanden. Es genügt im Falle der Geltendmachung einer wortsinngemäßen Verletzung die Wiedergabe des Anspruchswortlauts. Die nach § 253 ZPO erforderliche Konkretisierung der Verletzungsgegenstände erfolgte durch Angabe der Artikelnummern der angegriffenen Waagen.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht, Vernichtung, Rückruf aus den Vertriebswegen und auf Erstattung vorprozessualer Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Abmahnung der Beklagten zu. Für eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO besteht kein Anlass.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Waage mit einer Tragplatte zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse und mit einer elektrischen Schaltvorrichtung zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage.

Einleitend erwähnt das Klagepatent es als bekannt, dass eine elektrische Personenwaage mittels einer Schaltvorrichtung ein- und ausgeschaltet werden kann, so dass der Bedarf an elektrischer Energie auf den reinen Mess- und Anzeigevorgang beschränkt werden kann. Zur Auslösung des Schaltvorgangs verfügt diese Waage über einen Kontaktschalter, der von der Person mit einem Fuß betätigt werden kann. An diesem Kontaktschalter kritisiert das Klagepatent, dass er aufwendig zu verkabeln sei und den Nutzer zwinge, genau auf diesen zu zielen.

An alternativ eingesetzten Akustikschaltern bemängelt das Klagepatent, dass diese nicht nur auf beabsichtigte Aktionen des Nutzers, sondern unkontrolliert auch auf Fremdgeräusche reagieren würden.

Als weiteren Stand der Technik beschreibt das Klagepatent ständig in Betrieb befindliche Messsysteme, die einen besonders nachteiligen hohen Energieverbrauch hätten.

Schließlich führt das Klagepatent Waagen mit einer Kalibriervorrichtung (US 4,932,XXX), Näherungssensoren bzw- dektoren, sprachgesteuerten Sensoren und mechanischen Schaltern sowie sprechende Waagen an, ohne insoweit eine ausdrückliche Kritik zu formulieren.

Vor diesem technischen Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine Waage der oben genannten Art zu schaffen, die eine einfache Schaltmöglichkeit von hoher Funktionssicherheit bei gleichzeitig niedrigen Herstell- und Betriebskosten aufweist.

Zur Lösung dieses technischen Problems schlägt der Anspruch 1 des Klagepatents eine Waage mit folgenden Merkmalen vor:

1. Waage

a) mit einer Tragplatte (4) zur Aufnahme einer zu wiegenden Masse
b) mit einer elektrischen Schaltvorrichtung (16, 24) zur Aus- oder Anwahl einer Funktion der Waage (1).

2. Die Schaltvorrichtung (16, 24) weist einen kapazitiven Näherungsschalter auf.

3. Eine Elektrode (18, 28, 38, 44) ist an der Tragplatte (4) zur Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode (18, 28, 38, 44) angeordnet.

Als Vorteile dieser Lösung hebt das Klagepatent hervor (vgl. Absatz [0009]): Der kapazitive Näherungsschalter reagiere allein auf die Annäherung von Gegenständen mit anderen dielektrischen Eigenschaften als jenen der stationären Umgebung. Die gelehrte Waage sei besonders bedienungssicher, da ein genaues Treffen des Schalters nicht notwendig sei. Weil auf mechanische, bewegliche Bauteile verzichtet werden könne, sei die Waage sehr betriebssicher und verschleißunanfällig. Die Schaltvorrichtung mit einem kapazitiven Näherungsschalter führe zu einem niedrigen Energiebedarf. Aufgrund des einfachen Aufbaus mit wenigen Elementen sei die Waage auch in Großserienfertigung kostengünstig herzustellen. Schließlich zeichne sich die Waage durch eine hohe Verschmutzungssicherheit aus.

II.

Sämtliche angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents in wortsinngemäßer Weise Gebrauch, und zwar auch von jener des Merkmals 3, dessen Verwirklichung die Beklagten erstmals im Haupttermin in Abrede stellten.

1)
Letzteres gilt zunächst im Hinblick auf die Waagen entsprechend der angegriffenen Ausführungsform 1.

Hinsichtlich dieser ist es in tatsächlicher Hinsicht als unstreitig zu behandeln, dass zwischen Tragplatte und Elektrode Kleber befindlich ist. Denn die Klägerin hat insoweit allein eine vermeintliche Verspätung des erstmals im Haupttermin erfolgten Beklagtenvortrages gerügt, wonach es aus diesem Grunde an einer unmittelbaren Anordnung im Sinne von Merkmal 3 fehle. Auch auf Hinweis des Vorsitzenden, dass eine Verspätung a priori nur in Bezug auf streitigen Vortrag in Betracht komme (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Auflage, § 296 Rn 13), beschränkte die Klägerin sich weiter darauf, eine Verspätung geltend zu machen und argumentierte hilfsweise, dass selbst bei Richtigkeit des Beklagtenvortrages aus Rechtsgründen eine Verletzung anzunehmen sei; auch ein Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO wurde seitens der Klägerin nicht beantragt. Das erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 13.5.2011 erfolgte Bestreiten in tatsächlicher Hinsicht ist gemäß § 296a S. 1 ZPO unbeachtlich. Es ist insoweit auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung geboten (§§ 296a S. 2, 156 ZPO), weil im Ergebnis auch unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrages eine Verletzung aufgrund der nachfolgenden Erwägungen gegeben ist:

Dass sich zwischen Tragplatte und Elektrode Kleber befindet, steht der Verwirklichung des Merkmals 3 nicht entgegen. Ausweislich des Wortlautes des Anspruchs ist entgegen der Auffassung der Beklagten keine „unmittelbare“ Anordnung der Elektrode an der Tragplatte gefordert. Die mit einer elektronischen Auswerteeinheit verbundene Elektrode dient der Überwachung der Umgebungskapazität der Elektrode, wobei die Umgebungskapazität über die Zeit ausgewertet wird und die Auswerteeinheit bei bestimmten typischen Änderungen der Umgebungskapazität durch ein Signal an nachfolgende Schaltungsteile reagiert (Sp. 2, Zeilen 13 ff. des Klagepatents). Der Näherungsschalter reagiert auf die Annäherung von Gegenständen mit anderen dielektrischen Eigenschaften als jenen der stationären Umgebung des Nährungsschalters. Ein solcher Gegenstand mit anderen dielektrischen Eigenschaften kann beispielsweise ein menschlicher Fuß sein. Wie das Klagepatent in Absatz [0010] betont, ist die Ausbildung der Elektrode nicht beschränkt. Es ist lediglich vorteilhaft, also nicht zur Umsetzung der erfindungsgemäßen Lehre zwingend erforderlich, „eine Druckschicht zum Beispiel im Siebdruckverfahren unmittelbar auf die Oberfläche der Tragplatte aufzubringen“ (Spalte 2, Zeilen 44 – 46 des Klagepatents sowie Unteranspruch 2). Bereits dem entnimmt der Fachmann, dass auch solche Ausgestaltungen patentgemäß sind, bei denen keine Elektrodenteile unmittelbar an der Tragplatte angebracht sind. Diese Sichtweise wird auch bestätigt durch die Fassung des Unteranspruchs 5, welcher in Bezug auf eine Wägezelle, von der mindestens ein Element die Elektrode bildet, lediglich alternativ eine unmittelbare Anordnung an der Tragplatte verlangt. Auch hier führt ein Umkehrschluss dazu, dass auch eine mittelbare Verbindung zwischen Tragplatte und Elektrode patentgemäß ist. Davon abgesehen ergeben jedenfalls die Ausführungen des Klagepatents betreffend die Figur 3 in Absatz [0020], dass ein Verkleben der Elektrode an der Tragplatte sogar Gegenstand eines vom Klagepatent bevorzugten Ausführungsbeispiels ist: Dort verhält es sich nämlich so, dass die Elektrode in Gestalt eines elektrisch leitenden Metallelements von unten an die Rückseite der Tragplatte angeklebt ist. Insofern sieht der Fachmann, dass zwischen Tragplatte und Elektrode befindlicher Kleber der Verletzung des Klagepatents nicht entgegen stehen kann, jedenfalls solange dieser die Überwachungsfunktion der Elektrode nicht hindert.

2)
Entsprechendes gilt hinsichtlich Waagen gemäß der angegriffenen Ausführungsform 2, bezüglich derer die Beklagten – bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ebenfalls unwidersprochen – vorgebracht haben, zwischen Elektrode und Tragplatte befinde sich „Luft“. Auch insoweit gilt, dass eine unmittelbare Anordnung der Elektrode an der Tragplatte anspruchsgemäß nicht erforderlich ist. Es genügt, dass in einem solchen Umfang Kontakt zwischen Elektrode und Tragplatte besteht, dass die Elektrode funktionsgemäß arbeiten kann. Da der Beklagtenvortrag gewiss nicht so zu verstehen ist, dass gar kein Kontakt zwischen den genannten Teilen herrsche und keine Auswertung stattfinde, ist die Verletzung auch insoweit ohne Weiteres zu bejahen.

Das Klagepatent verlangt namentlich keinen vollflächigen Kontakt zwischen Elektrode und Tragplatte, so dass nicht schon jeder Zwischenraum zwischen diesen Teilen aus der Verletzung führt. Selbst wenn dem klägerischen Vortrag im Erteilungs- und nun im Einspruchsverfahren ein derartiges Verständnis beizumessen wäre – worauf die Beklagten erstmals im Schriftsatz vom 18.5.2011 abstellen – hätte dies schon mit Rücksicht auf das das deutsche Patentsystem beherrschende Trennungsprinzip keine Bindung der Kammer im Verletzungsprozess zur Folge. Insbesondere ist es der Klägerin nicht nach § 242 BGB verwehrt, eine Verletzung bezüglich Waagen geltend zu machen, bei denen sich zwischen Tragplatte und Elektrode Kleber oder Luft befindet. Die engen Voraussetzungen gemäß dem BGH-Urteil „Weichvorrichtung II“ (BGH, NJW 1997, 3377 ff.) liegen ersichtlich nicht vor. Es führt nicht schon jeder Widerspruch zwischen Ausführungen im Erteilungsverfahren, die keinen Niederschlag in der Patentschrift gefunden haben, und solchen im Verletzungsprozess zu einem Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Die Klägerin hat im Erteilungsverfahren nicht geltend gemacht, dass für Waagen, bei denen zwischen Tragplatte und Elektrode Kleber oder „Luft“ enthalten ist, kein Schutz beansprucht werde. Solche konkreten Ausführungsformen waren nicht Gegenstand der dortigen Erörterung, so dass die Beklagten nicht darauf vertrauen durften, die Herstellung und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen würden keinen Verletzungsvorwurf nach sich ziehen. Überdies ergibt sich aus dem Vortrag der Beklagten auch nicht, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen gerade im Vertrauen auf den Hergang des Erteilungsverfahrens in einer ganz bestimmten Wiese herstellten und vertrieben.

Schließlich irren die Beklagten – wie ein kurzer Blick in Art. 69 EPÜ unschwer zeigt -, wenn sie meinen, maßgebliche Grundlage für die Verletzungsbeurteilung durch die Kammer seien nicht der Patentanspruch, die Beschreibung und die Zeichnungen, sondern das demgegenüber (vermeintlich) engere Verständnis der Klägerin von der technischen Lehre des Klagepatents. Richtig ist zwar, dass der Streitgegenstand durch Klageanträge und Lebenssachverhalt bestimmt wird, jedoch nicht durch Rechtsansichten der Klägerin (dies entgegen der Meinung der Beklagten, wie sie offenbar in Ziffer VII. des Schriftsatzes von 18.5.2011 zum Ausdruck kommen soll).

III.

Ohne Erfolg bleiben auch die weiteren Einwendungen der Beklagten, die auf eine Klageabweisung gerichtet sind.

1)
Den Beklagten steht kein privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG zu.

Insofern kann zu ihren Gunsten ihr betreffender tatsächlicher Vortrag als zutreffend unterstellt werden, da nicht einmal dann die Voraussetzungen des § 12 PatG erfüllt sind. Selbst wenn sie über den erforderlichen Erfindungsbesitz verfügt haben sollten, so fehlt es jedenfalls an dem weiteren Erfordernis des § 12 PatG, wonach zur Anmeldung bzw. zum Prioritätszeitpunkt (vgl. § 12 Abs. 2 PatG) die Erfindung bereits in Benutzung genommen sein muss oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen sein müssen. An beidem mangelt es hier: Wie die Beklagten selbst vortragen, wiesen die von Herrn I vermeintlich angebotenen Waagen technische Schwierigkeiten in der Weise auf, dass die betreffenden Näherungsschalter einen hohen Energiebedarf hatten und so die Lebensdauer der Batterien stark eingeschränkt war. Deshalb erschien den Beklagten ein „unmittelbares Inverkehrbringen“ solcher batteriebetriebenen Waagen zunächst nicht erfolgversprechend. Sie führen insoweit aus, mit den streitgegenständlichen Waagen sei es nach einer Entwicklung bis zur Marktreife gelungen, die in der Waage G bereits verkörperte Idee mit einem wirtschaftlich einsetzbaren kapazitiven Näherungsschalter umzusetzen. Dem ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagten schon vor dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt (14.6.2002) zumindest Veranstaltungen zur Benutzung trafen. Denn solches würde unter anderem erfordern, dass die Beklagten eine alsbaldige Umsetzung des Benutzungsentschlusses in die Tat vorbereiteten, wobei es nicht auf die rein subjektive Willenslage, sondern darauf ankommt, ob aus der Sicht eines unbefangenen Betrachters zu erkennen war, dass die Benutzungsaufnahme alsbald bevorstand (vgl. Kühnen/Geschke, 4. Auflage, Rn 982). Derartige Feststellungen lässt der Beklagtenvortrag nicht zu, da nicht ersichtlich ist, wann die Beklagten über bedienungsfreundlichere, sparsamere Näherungsschalter verfügten und wann die Entwicklungsarbeiten der Beklagten bis zur Marktreife abgeschlossen waren.

Insbesondere genügt es auch nicht, dass Herr I für das chinesische Herstellerunternehmen bis zum Prioritätszeitpunkt Benutzungshandlungen (vermeintlich) vorgenommen hatte. Denn ein privates Vorbenutzungsrecht ist streng betriebsbezogen; es haftet akzessorisch an dem Betrieb, in dem es durch Benutzung oder Veranstaltungen zur alsbaldigen Nutzung entstanden ist (vgl. BGH, GRUR 2005, 567 – Schweißbrennerreinigung). Selbst wenn man anzunehmen hätte, Herr I habe den Beklagten zugleich konkludent z.B. eine Know-how-Lizenz an der vermeintlich von ihm getätigten Erfindung eingeräumt, wäre dies im Ergebnis unerheblich. Denn im Falle der Lizenzeinräumung durch einen Berechtigten im Sinne von § 12 PatG vor dem Prioritätszeitpunkt kommt es bei jedem Lizenznehmer darauf an, ob er alsdann (auch) selbst durch Aufnahme oder Vorbereitung von Benutzungshandlungen vor dem Prioritätszeitpunkt ein eigenes Weiterbenutzungsrecht erworben hat (vgl. Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, § 34 II c) unter 3.). Letzteres ist – wie ausgeführt – in Bezug auf die Beklagten indes gerade nicht tatrichterlich feststellbar.

2)
Unerheblich ist der – unter mehreren Gesichtspunkten – vorgebrachte Einwand der Beklagten, der Klägerin falle ein kartellrechtlich relevanter Missbrauch zur Last.

Diesem Vorbringen ist schon deshalb im Ansatz jeweils der Erfolg zu versagen, weil die Beklagten trotz ausdrücklichen Hinweises zu Protokoll der mündlichen Verhandlung am 10.5.2011 keine näheren Ausführungen zur angeblichen marktbeherrschenden Stellung der Klägerin machten.

3)
Soweit die Beklagten darüber hinausgehend auch einen allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Missbrauchseinwand (§ 242 BGB) geltend machen, überzeugt auch das nicht. Im Ansatz trifft es zwar zu, dass niemand aus einer unredlich – also mittels eines gesetz-, sitten- oder vertragswidrigen Verhaltens – erworbenen Rechtsstellung Rechte herleiten darf (vgl. statt aller Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 242 Rn 43 m.w.N.).

Allerdings gibt es keine Grundlage, auf der es berechtigt wäre, der Klägerin ein solches Verhalten zur Last zu legen. Eine Irreführung des Prüfers im Erteilungsverfahren ist nicht feststellbar. Wie der als Anlage K 9 vorgelegte Bescheid des EPA zeigt, ging der Prüfer bereits vor der Stellungnahme der Klägerin gemäß Anlage B 3 davon aus, dass die Entgegenhaltung D1 einen kapazitiven Näherungsschalter zeige; gleichwohl nahm er an, diese Druckschrift könne der Erteilung nicht entgegen stehen, weil das Klagepatent eine Anordnung eines solchen an der Tragplatte lehre. Damit ist schon in objektiver Hinsicht keine Fehlvorstellung des EPA entstanden, so dass nicht näher auszuführen ist, dass es auch an einem Täuschungswillen der Klägerin fehlte.

IV.

Nach alledem stehen der Klägerin die mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten in folgendem Umfang zu:

Der zuerkannte Unterlassungsanspruch beruht auf § 139 Abs. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Darüber hinaus hat die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus Art. II § 1 IntPatÜG sowie Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die insoweit erhobene Feststellungsklage ist zulässig und begründet. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung der Ansprüche droht. Die Beklagten haben die Patentverletzung schuldhaft (§ 276 BGB) begangen. Einem Fachunternehmen war die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennbar. Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgt aus §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Entsprechend dem Antrag der Klägerin sind ihr Angaben zum Gewinn und den Gestehungskosten erst für die Zeit ab dem 5.12.2009 zugesprochen worden. Den Beklagten war ferner von Amts wegen ein aus dem Tenor zu I.2. am Ende näher ersichtlicher Wirtschaftsprüfervorbehalt in Bezug auf die Angebotsempfänger (nicht jedoch die gewerblichen Abnehmer) zu gewähren, da aus den Umständen erkennbar ist, dass die Aufdeckung der Geschäftsbeziehungen zu den Angebotsempfängern so schwerwiegende Nachteile mit sich brächte, dass sie das Interesse der Klägerin an einer lückenlosen unmittelbaren Unterrichtung überwiegen (vgl. Kühnen/Geschke, 4. Auflage, Rn 782 – 784). Der zuerkannte Vernichtungsanspruch folgt aus § 140a Abs. 1 PatG, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, derjenige auf Rückruf aus den Vertriebswegen aus § 140a Abs. 3 Var. 1 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Der Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten infolge der Abmahnung ergibt sich wiederum aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG, wobei die Beklagten der Berechnung der Klägerin auf der Basis einer 1,3-Gebühr zu Recht nicht entgegen getreten sind; der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.

V.

Für eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf den Einspruch der Beklagten zu 2) besteht keine Veranlassung. Denn es ist nicht in hohem Maße wahrscheinlich, dass die Erteilung des Klagepatents widerrufen werden wird (vgl. zu diesem Erfordernis für eine Aussetzung BGH, GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug).

1)
Soweit die Beklagten fehlende Neuheit der technischen Lehre des Klagepatents einwenden, stützen sie sich ausschließlich auf eine vermeintliche offenkundige Vorbenutzung durch das Unternehmen H bzw. Herrn I. Eine Aussetzung kann darauf bereits deshalb nicht gestützt werden, weil ihre betreffenden tatsächlichen Behauptungen nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt sind, sondern sie jedenfalls auch auf Zeugenbeweis angewiesen sind (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 1979, 636 f. – Ventilanbohrvorrichtung). Die Klägerin hat nämlich in zulässiger Weise mit Nichtwissen bestritten, dass die betreffende Waage in 2001 bereits entwickelt und diversen deutschen bzw. europäischen Unternehmen angeboten worden war.

Im Übrigen geht aus Ziffer 4. der Ladung der Einspruchsabteilung (Anlage B 9) in aller Deutlichkeit hervor, dass nach deren (vorläufiger) Einschätzung die Neuheit gegeben ist.

2)
Es ist nach Aktenlage ferner keine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass die Einspruchsabteilung zu der Ansicht gelangen wird, es fehle dem Klagepatent an der notwendigen erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die diesbezüglich eingewandten diversen Kombinationen der Entgegenhaltung E 2 (Prospekt des Unternehmens J) bzw. dem EP 0 852 XXX A1 (Anlage B 7, vgl. Auch Anlage B 8, = E 11 im Einspruchsverfahren) mit anderen Entgegenhaltungen:

In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass die Entgegenhaltung E 3 bzw. E 8 (US-Patent 4,932,XXX) einen im Erteilungsverfahren schon gewürdigten Stand der Technik darstellt. Vor diesem Hintergrund ist das von der Kammer im Rahmen der Aussetzungsentscheidung auszuübende Ermessen noch weiter eingeschränkt, weil bei dieser Sachlage erforderlich wäre, dass der Erteilungsbehörde ein Fehler evidenten Ausmaßes unterlaufen sein müsste. Zumindest eine solche Kon-stellation vermag die Kammer nicht zu erkennen: Es ist vielmehr durchaus möglich, dass die Einspruchsabteilung mit der Klägerin zu dem Ergebnis kommen wird, dass die E 3 nur einen solchen kapazitiven Näherungsschalter zeigt, welcher vor und nicht an der Tragplatte angeordnet ist. Soweit die Beklagten diesbezüglich darauf verweisen, dass die E 2 Waagen mit in die Wägeplatte eingelassenen (anderen) Schaltern zeigt, ist zumindest der Kombinationsanlass nicht in einem solchen Umfang dargetan, dass die Bejahung der Erfindungshöhe evident ausgeschlossen wäre. So ergibt sich aus der Ladung der Einspruchsabteilung gemäß Anlage B 9 (dort unter Ziffer 5.) allein, dass nach Ansicht der Einspruchsabteilung die erfinderische Tätigkeit zu diskutieren sein wird; das Ergebnis dieser Prüfung ist mithin zumindest offen und es ist gerade keine Präferenz der Ansicht der Beklagten erkennbar.

Letzteres gilt entsprechend für die anderen Druckschriften, welche die Beklagten ebenfalls mit der E 2 kombiniert wissen wollen: Die E 4 (DE 29 20 XXX U1) und die E 5 (DE 295 21 XXX U1) zeigen zwar kapazitive Näherungsschalter, jedoch nicht in Verbindung mit Waagen. Es ist – gerade angesichts der offenen Formulierung in der Ladung gemäß Anlage B 9 – durchaus möglich, dass die Einspruchsabteilung die Übertragung auf Waagen als erfinderisch ansehen wird, ohne dass es darauf ankommt, ob dies nur für eine „direkte“ Anordnung der Elektrode an der Tragplatte gilt, worauf das Klagepatent entsprechend den obigen Ausführungen nach Auffassung der Kammer zum Merkmal 3 nicht beschränkt ist.

3)
Soweit die Beklagten im Schriftsatz vom 18.5.2011 nunmehr eine unzureichende Offenbarung gemäß Art. 100 EPÜ einwenden, hat dieser Einwand schon deshalb unberücksichtigt zu bleiben, weil nicht ersichtlich ist, dass selbiger – erst recht nicht zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Verletzungsprozess – auch Gegenstand des Einspruchsverfahrens ist (vgl. Kühnen/Geschke, a.a.O., Rn 1045).

4)
Eine Aussetzung ist schließlich nicht etwa deshalb geboten, weil die Klägerin den Prüfer im Erteilungsverfahren bewusst in die Irre geführt hätte. Von einer solchen Fallkonstellation kann hier nicht ausgegangen werden; insoweit wird auf die den Missbrauchseinwand der Beklagten betreffenden Ausführungen verwiesen.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Da in der Gewährung des in der Klageschrift nicht vorgesehenen Wirtschaftsprüfervorbehaltes keine teilweise Klageabweisung zu sehen ist (vgl. BGH, GRUR 1978, 52 – Fernschreibverzeichnisse), bleibt die insoweit von Amts wegen vorgenommene Gewährung ohne Kostenfolge.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich jeweils aus § 709 ZPO.

Den Beklagten war im Hinblick auf den klägerischen Schriftsatz vom 4.5.2011, welcher erst nach der mündlichen Verhandlung auf der Geschäftsstelle der Kammer einging, kein Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO zu gewähren, weil der dazu erforderliche Antrag erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Klarstellend merkt die Kammer an, dass der Inhalt dieses Schriftsatzes ohnehin ohne Einfluss auf die vorliegende Entscheidung blieb. Es entsprach bereits dem Ergebnis der Vorberatung der Kammer, die in Unkenntnis dieses Schriftsatzes erfolgte, dass eine Aussetzung nicht veranlasst ist.

Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze der Klägerin vom 13.5.2011 sowie der Beklagten vom 18.5.2011 fanden – soweit neuen Tatsachenvortrag enthaltend – jeweils keine Berücksichtigung und gaben der Kammer keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).