4b O 270/10 – Leflunomid

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1561

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. Februar 2011, Az. 4b O 270/10

I. Den Verfügungsbeklagten wird aufgegeben, Rechtsanwalt Dr. A und Rechtsanwältin B die für die Zwecke des arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens betreffend die Produkte C angefertigten Aufzeichnungen über die Ergebnisse der Haltbarkeitsversuche gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 14 AMG sowie die Unterlagen zur analytischen Prüfung gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 AMG, einscAstießlich der Angaben gemäß Modul 3, und zwar des Moduls 3.2.P.5.1, 3.2.P.5.2, 3.2.P.5.4, 3.2.P.5.5 sowie 3.2.P.8 des „Common Technical Documents (CTD), einscAstießlich der Aufzeichnungen über den Gehalt des Nebenprodukts A-771726 („Teriflunomid“), binnen zwei Wochen nach Zustellung der Anordnung zur Einsichtnahme und Fertigung von Kopien unter anscAstießender Rückgabe durch die Verfügungsklägerin vorzulegen.

II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens tragen die Verfügungsklägerin 30 %, die Verfügungsbeklagten 70 %.

T a t b e s t a n d

Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patentes 0 896 XXX (Anlage AST 1, nachfolgend Verfügungspatent). Die Anmeldung des Verfügungspatentes erfolgte am 7. März 1997 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentschrift 196 10 XXX vom 20. März 1996. Die Veröffentlichung und Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 18. August 1999. Das Verfügungspatent steht in Deutschland in Kraft. Gegen den Rechtsbestand des Verfügungspatentes erhoben die Verfügungsbeklagten Nichtigkeitsklage zum Bundespatentgericht. Mit Urteil vom 4. August 2009 (Anlage AST 3) wies das Bundespatentgericht die Klage ab und erklärte das Verfügungspatent in vollem Umfang für rechtsbeständig.

Das Verfügungspatent betrifft ein Kombinationspräparat, enthaltend 5-Methylisoxazol-4-carbonsäure-(4-trifluormethyl)-anilid und N-(4-Trifluormethylphenyl)-2-cyan-3-hydroxycrotonsäureamid. Der für das vorliegende Verfahren maßgebliche Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Feste Zubereitung, enthaltend

die Komponente 1) 5-Methylisoxazol-4-carbonsäure-(4-trifluormethyl)-anilid

die Komponente 2), die Verbindung der Formel I

und/oder eine stereoisomere Form der Verbindung der Formel I und/oder ein physiologisch verträgliches Salz der Verbindung der Formel I, und

3) einen pharmazeutisch verträglichen Träger,

dadurch gekennzeichnet, dass der Gehalt der Komponente 1 von 2 bis 20 mg beträgt und der Gehalt der Komponente 2) von 0,3 % bis 50 % der Komponente 1) beträgt.“

Dabei wird die Komponente 1) als Leflunomid und die Komponente 2) als Teriflunomid bezeichnet. Leflunomid weist die Besonderheit auf, dass es nicht nur nach der Einnahme im menschlichen Körper zu Teriflunomid metabolisiert wird, sondern auch während der Verarbeitung und Lagerung der Verbindung außerhalb des Körpers. Dies zeigen auch Untersuchungen der Patentanmeldung WO 2007/118XXX A1 der C GmbH & Co. KG. Auf die als Anlage AST 10 vorlegte Patentanmeldung wird insoweit Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland das Arzneimittel D®, welches als arzneilich wirksamen Bestandteil Leflunomid in einer Konzentration von 10 mg, 20 mg oder 200mg enthält (vgl. Fachinformation Anlage AST 8). Stabilitätsuntersuchungen des Arzneimittels der Verfügungsklägerin aus dem Jahre 2007 haben ergeben, dass die erste Charge („batch 146“) des Arzneimittels in den Klimazonen I und II nach 12 Monaten das Arzneimittel einen Gehalt von 0,3 % Teriflunomid enthielt, nach 18 bis 24 Monaten wurde ein Gehalt von 0,4 % gemessen und nach 36 Monaten von 0,8 %. Im Rahmen der Klimazonen III und IV wurde nach 12 Monaten Lagerzeit ein Teriflunomidgehalt von 0,5 % gemessen und von 0,9 % und 1,7 % nach 18 bis 24 Monaten. Wegen der weiteren Ergebnisse der Stabilitätstests wird auf die Anlage AST 11 verwiesen.

Die Verfügungsbeklagten bieten an und vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Oktober 2010 ein Arzneimittel unter der Bezeichnung „C“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Die Verfügungsklägerin zu 1) stellt die angegriffene Ausführungsform her und ist für die Endfreigabe verantwortlich. Die Verfügungsbeklagte zu 2) ist als pharmazeutischer Unternehmer Inhaberin der arzneimittelrechtlichen Zulassung und bietet die Präparate in der Bundesrepublik Deutschland an. Die angegriffene Ausführungsform weist die gleichen Inhaltsstoffe wie das Arzneimittel der Verfügungsklägerin D® auf. D® diente bei der Zulassung der angegriffenen Ausführungsform als Referenzarzneimittel gemäß § 24 b AMG. Nach den Fachinformationen der angegriffenen Ausführungsform (vgl. Anlage AST 7b, Ziffer 6.3) weist diese eine Haltbarkeit von bis zu drei Jahren auf.

Die Verfügungsklägerin erwarb die angegriffene Ausführungsform und ließ sie auf ihren Teriflunomidgehalt hin untersuchen. Die Messungen ergaben, dass der Teriflunomidgehalt der Präparate unmittelbar nach Erwerb vom Großhändler bei 0,16 % (für 10 mg Tabletten) bzw. 0,15 % (für 20 mg Tabletten) liegt.

Die Verfügungsklägerin meint, dass die angegriffene Ausführungsform mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Lehre nach dem Verfügungspatent Gebrauch mache. Dadurch dass die angegriffene Ausführungsform die gleichen Inhaltsstoffe aufweise wie das Arzneimittel D® der Verfügungsklägerin und für dieses Stabilitätsuntersuchungen ergeben hätten, dass in der Klimazone I und II, d.h. bei 25 +/- 2 °C / 60 +/- 5 % RH (relative Humidity)), nach 12 Monaten ein Gehalt von 0,3 % Teriflunomid bezogen auf den Gehalt an Leflunomid vorliege, spreche viel dafür, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform ein vergleichbarer Wert für den Teriflunomidgehalt einstelle. Da die angegriffene Ausführungsform eine Haltbarkeit von drei Jahren aufweise, bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die angegriffene Ausführungsform innerhalb dieses Zeitraums von drei Jahren einen Teriflunomidgehalt in dem patentgemäßen Bereich von 0,3 % bis 50 % bezogen auf den Leflunomidgehalt aufweise.

Die Verfügungsklägerin beantragt, zu erkennen wie geschehen,

sowie zusätzlich die Vorlage von Aufzeichnungen betreffend die Module 3.2.S.3.2 und 3.2.S.7

hilfsweise

den Verfügungsbeklagten aufzugeben, an die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin lesbare Kopien dieser Unterlagen herauszugeben.

Die Verfügungsbeklagten beantragen,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Vollstreckbarkeit einer einstweiligen Verfügung von einer angemessenen Sicherheit abhängig zu machen.

Sie sind der Ansicht, dass die Voraussetzungen einer Urkundenvorlage nicht vorliegen würden. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Verletzung des Verfügungspatentes liege bereits nicht vor, da das Verfügungspatent eine feste Zubereitung unter Schutz stelle, eine solche stelle die angegriffene Ausführungsform jedoch nicht dar, da sie kein Kombinationspräparat mit den beiden arzneilichen Wirkstoffen Leflunomid und Teriflunomid herstellen und vertreiben würden. Zum Zeitpunkt des Vertriebes der angegriffenen Ausführungsform, d.h. mit Übergabe der Verfügungsgewalt für das angegriffene Arzneimittel an eine andere Person wie einen Großhändler, sei auch kein Arzneimittel vorhanden, welches von den Merkmalen nach dem Verfügungspatent Gebrauch mache. Soweit zu einem späteren Zeitpunkt, was bestritten werde, von dem Verfügungspatent Gebrauch gemacht werde, sei dies ohne Relevanz, da jedenfalls zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens eine Verletzung nicht vorliege. Im Übrigen würden sie geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, um eine Umwandlung von Leflunomid in Teriflunomid im Laufe des Haltbarkeitszeitraumes zu verhindern.
Sollte jedoch die Auffassung vertreten werden, dass eine Patentverletzung auch vorliege, wenn erst im Laufe der Zeit von allen Merkmalen des Verfügungspatentes Gebrauch gemacht werde, sei der Rechtsbestand des Verfügungspatentes nicht hinreichend gesichert. Denn das Bundespatentgericht habe in seinem Nichtigkeitsurteil vom 4. August 2009 das Verfügungspatent dahingehend ausgelegt, dass die beiden Wirkstoffe von Anfang an in der pharmazeutischen Zusammensetzung vorhanden sein müssten, zumindest jedoch eine planmäßige Umwandlung stattfinden müsse.
Ein Anspruch auf Vorlage von Angaben zu dem Modul 3.2.S. bestehe nicht, da in diesem Modul die Stabilitäten des Wirkstoffs an sich dargelegt sind; Gegenstand des Verfügungspatentes ist jedoch eine Zubereitung, so dass es auf die Stabilitäten der einzelnen Wirkstoffe nicht ankomme. Im Übrigen bestehe auch insoweit ein besonderes Geheimhaltungsinteresse, weil mit den Daten zum Wirkstoff auch sonstiges Know-how offenbart würde.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Antrag vom 29. November 2010 auf Vorlage einer Urkunde im Wege der einstweiligen Verfügung ist zulässig und begründet. Die Verfügungsklägerin hat einen Anspruch auf Vorlage gemäß § 140 c Abs. 1 und 3 PatG der im Tenor genauer bezeichneten Urkunden ebenso dargetan und glaubhaft gemacht wie die Voraussetzung für den Erlass einer entsprechenden Anordnung im einstweiligen Verfügungsverfahren.

Nach § 140 c PatG Abs. 1 kann der Schutzrechtsinhaber die Vorlage einer Urkunde von demjenigen begehren, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen den §§ 9 bis 13 PatG eine patentierte Erfindung benutzt, wenn dies zur Begründung von Ansprüchen erforderlich ist. Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Wahrscheinlichkeit bedeutet zunächst, dass zwar letztlich ungewissen sein darf, ob eine Rechtsverletzung vorliegt, dass die Besichtigung allerdings nicht wahllos, d.h. ins Blaue hinein erfolgen kann. Erforderlich sind konkrete Anhaltspunkte, die die Möglichkeit der Rechtsverletzung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nahe legen (Schulte/Kühnen, PatG mit EPÜ, 8. Aufl. Rn. 13). Ob die gewisse Wahrscheinlichkeit hinreichend ist, entscheidet sich auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung, in welche einzustellen sind die Frage, ob andere und zumutbare Möglichkeiten der Aufklärung bestehen, der Grad der Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung, welche Maßnahme – Besichtigung oder Vorlage – angeordnet werden muss sowie ob und ggfs. welche Geheimhaltungsinteressen auf Seiten des mutmaßlichen Verletzers bestehen und Geheimnisschutz gewährleistet werden kann.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verletzung des Verfügungspatentes durch die angegriffene Ausführungsform ist vorliegend gegeben. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht unstreitig die Merkmale 1 bis 5.a) und beinhaltet darüber hinaus auch den Wirkbestandteil Teriflunomid. Untersuchungen der angegriffenen Ausführungsform durch die Verfügungsklägerin unmittelbar nachdem die angegriffene Ausführungsform an den Großhändler ausgeliefert wurde, haben ergeben, dass 0,16 % Teriflunomid (10 mg Tabletten) bzw. 0,15 % (20 mg Tabletten) vorhanden ist. Unklar ist lediglich, zu welchem Zeitpunkt der Gehalt von Teriflunomid in der angegriffenen Ausführungsform ein Niveau erreicht, welches der im Merkmal 5.b) unter Schutz gestellten Menge entspricht. Zur Klärung dieses Umstandes begehrt die Verfügungsklägerin die Vorlage von Urkunden. Für den Umstand, dass sich bei der angegriffenen Ausführungsform ein dem Merkmal 5.b) entsprechender Gehalt im Laufe der garantierten Haltbarkeit einstellt, sprechen die Haltbarkeitsstudien, welche an dem Produkt der Verfügungsklägerin D® durchgeführt wurden. Danach stellte sich bei Lagerung unter den Bedingungen der Klimazonen I und II nach 12 Monaten ein Teriflunomidgehalt von 0,3 %, unter den Bedingungen der Klimazonen III und IV von 0,5 % ein. Da es sich bei dem Arzneimittel D® um das Referenzarzneimittel für die Zulassung der angegriffenen Ausführungsform handelt und beide Arzneimittel nach der Fachinformation die gleiche Inhaltsstoffe aufweisen, spricht viel dafür, dass auch bei der angegriffenen Ausführungsform innerhalb des Haltbarkeitszeitraums ein Teriflunomidgehalt von 0,3 % bis 50 % vorhanden ist.

Die Verfügungsbeklagten haben zwar vorgetragen, dass Gegenmaßnahmen ergriffen würden, um die Umwandlung von Leflunomid zu Teriflunomid zu verhindern. Nach dem Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung, dass dieses Vorbringen zu konkretisieren sei, wurde vorgetragen, dass als Gegenmaßnahmen lediglich das „C Patent“ sowie die eigene Patentanmeldung nach Anlage Ag 5 bekannt seien, beide Maßnahmen seien jedoch erst nach Priorität des Verfügungspatentes bekannt geworden. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde keine Lehre verwirklicht, welche am Prioritätstag des Verfügungspatentes nicht bekannt gewesen wäre. Die Kammer vermag diesem „nebulösen“ Vorbringen lediglich zu entnehmen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, welche eine Umwandlung von Leflunomid in Teriflunomid verhindern. Denn wenn zum Prioritätstag des Verfügungspatentes keine Gegenmaßnahmen bekannt waren und bei der angegriffenen Ausführungsform nur solche Maßnahmen ergriffen werden, welche am Prioritätstag bekannt waren, kann dies nur bedeuten, dass keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, so dass dieser Einwand ohne Erfolg bleibt.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, dass das Verfügungspatent ein Vorhandensein der beiden Wirkstoffe in erfindungsgemäßer Konzentration in einer festen Zubereitung von Beginn an, d.h. unmittelbar nach der Herstellung in Tabletten vorsieht. Dies lässt sich der Verfügungspatentschrift nicht entnehmen. Denn bei dem vorliegend maßgeblichen Patentanspruch 1 handelt es sich um einen Vorrichtungsanspruch, der keine Vorgaben zur Herstellung der Komponente 2), d.h. Teriflunomid, macht. Dies kann auch dem Begriff „feste Zubereitung“ nicht entnommen werden. Der Begriff feste Zubereitung im Sinne des Verfügungspatentes dient allein als Oberbegriff für verschiedene Arten solcher Zubereitungen, darunter Kapseln, Tabletten oder Zäpfchen (vgl. Anlage AST 1, Absatz [0012]). Die Herstellung von Formulierungen, die die berechneten Mengen der beiden Wirkstoffe zusammen mit dem jeweils gewünschten pharmazeutischen Träger enthalten, ist lediglich als besonderes vorteilhafte und einfache Herstellungsweise der geschützten Zubereitung genannt (vgl. Anlage AST 1, Absatz [0012] Zeilen 21 bis 23). Es ist auch nicht zu erkennen, dass es für die Funktion/Wirkung des Kombinationspräparates bzw. der Komponente 2) einen Unterschied macht, wie die Komponente 2) außerhalb des menschlichen Körpers entsteht, d.h. zielgerichtet hergestellt und mit der Komponente 1) in eine Darreichungsform verpackt oder durch Umwandlungsreaktion der Komponente 1) in die Komponente 2).

Unerheblich ist auch, dass zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der angegriffenen Ausführungsform möglicherweise noch nicht der erfindungsgemäße Gehalt an Teriflunomid in der pharmazeutischen Zubereitung vorhanden ist. Zwar muss eine angegriffene Ausführungsform grundsätzlich im Augenblick der Benutzung alle Anspruchsmerkmale verwirklichen. Nach den Grundsätzen der Entscheidung „Traktionshilfe“ des Oberlandesgerichtes Düsseldorf vom 29. Juli 2010 (InstGE 12, 213), welche vorliegend Anwendung finden, genügt es jedoch, wenn sich die Verhältnisse in Zukunft verlässlich und vorhersehbar ändern und sich infolge dessen demnächst eine Situation einstellt, bei der es sicher zur Merkmalsverwirklichung kommt. Auch im vorliegenden Fall spricht viel dafür, was durch die begehrte Vorlage der Urkunden aufgeklärt werden soll, dass sich das erfindungsgemäße Mengenverhältnis verlässlich und vorhersehbar einstellt. So weist die angegriffene Ausführungsform, wie die Untersuchungen durch die Verfügungsklägerin ergeben haben, schon zum Zeitpunkt des Erwerbs durch den Großhändler einen Teriflunomidgehalt von 0,16 % (für 10 mg Tabletten) bzw. 0,15 % (für 20 mg Tabletten) auf. Es spricht viel dafür, was die Untersuchungen an dem Arzneimittel D® der Verfügungsklägerin gezeigt haben, dass der Gehalt an Teriflunomid auf dem Weg bis zur Einnahme durch den Patienten derartig ansteigt, dass die untere erfindungsgemäße Bandbreite von 0,3 % erzielt wird. Es ist auch nicht zu erkennen und von den Verfügungsbeklagten nicht vorgetragen worden, dass der erfindungsgemäße Bereich von 0,3 bis 50 % während der dreijährigen Haltbarkeit des Arzneimittels verlassen wird. Die Haltbarkeitsstudien der Verfügungsklägerin zum Arzneimittel D® (Anlage AST 11) haben dies nicht ergeben. Die Untersuchungen zur Haltbarkeit unter den Bedingungen der Klimazone I und II zeigen nach 36 Monaten einen gehalt von 0,8 % Teriflunomid in der 20 mg Tablette und unter den Bedingungen der Klimazone III und IV von 1,7 %, also weit entfernt von dem höchsten erfindungsgemäßen Teriflunomidgehalt von 50 %. Die Verfügungsbeklagten vermochten auf Nachfrage der Kammer in der mündlichen Verhandlung auch nicht zu bestätigten, dass Lagerbedingungen vorhanden sein könnten, welche zu einem Verlassen der erfindungsgemäßen Bandbreite führen könnten.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Verfügungspatentes liegt daher vor.

Es ist auch nicht zu erkennen und auch von den Verfügungsbeklagten nicht vorgetragen worden, dass der Verfügungsklägerin andere zumutbare Möglichkeiten der Aufklärung zur Seite stehen. Die Durchführung eigener Untersuchungen über den dreijährigen Haltbarkeitszeitraum der angegriffenen Ausführungsform zur Aufklärung der offenen Frage des Teriflunomidgehaltes ist der Verfügungsklägerin nicht zuzumuten. Auch stellt sich die Vorlage von Urkunden durch die Verfügungsbeklagten als milderes Mittel gegenüber einer Besichtigung dar. Soweit die Verfügungsbeklagten sich auf Geheimhaltungsinteressen berufen haben und eine Schwärzung von Daten verlangt haben, kann dem nicht entsprochen werden, da die Verfügungsbeklagten nicht dargelegt haben, welche Daten in den Urkunden vorhanden sind, die einer besonderen Geheinhaltung bedürfen. Im Übrigen wird den Vertraulichkeitsinteressen der Verfügungsbeklagten insoweit Genüge geleistet als lediglich eine Vorlage an die im Tenor bezeichneten Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin ausgesprochen wird.

Auch der Rechtsbestand des Verfügungspatentes ist hinreichend gesichert. Entgegen der Auffassung der Verfügungsbeklagten finden die vom Oberlandesgericht Düsseldorf in der Harnkatheterset-Entscheidung aufgestellten Voraussetzungen auf die vorliegende Vorlageanordnung nach § 140 c PatG keine Anwendung. Die in der Harnkatheterset-Entscheidung aufgestellten Anforderungen gelten bei einer Unterlassungsverfügung, bei welcher grundsätzlich eine andere Situation gegeben ist. Die Eingriffe bei Erlass einer Unterlassungsverfügung in die Rechte eines Verfügungsbeklagten sind von deutlich anderer Qualität als die bei einer Vorlage (Schulte/Kühnen, a.a.O. § 140 c Rn. 9). Im Hinblick auf die geringere Eingriffsqualität erscheint es daher sachgerecht im Rahmen einer Vorlageanordnung von Urkunden an den Rechtsbestand keine besonderen Anforderungen zu stellen (so auch Schulte/Kühnen, a.a.O.) und das von dem für die Erteilung zuständigen, fachkundigen Prüfer geprüfte Verfügungspatent so hinzunehmen wie es erteilt wurde. Nur dann, wenn sich ausnahmsweise auf Grund des Sach- und Streitstandes vom Verletzungsgericht verlässlich und eindeutig erkennen lässt, dass das Verfügungspatent keinen Bestand haben kann, so dass sich bereits jedwede Anordnung zur Sachverhaltsaufklärung oder Beweissicherung basierend auf dem Schutzrecht verbietet, ist das Vorlagebegehren zu untersagen. Zweifel am Rechtsbestand genügen mithin nicht. Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn – wie hier – eine kontradiktorische Entscheidung vorliegt, in dem der Rechtsbestand des Verfügungspatentes vollumfänglich bestätigt worden ist. Lediglich dann, wenn erkennbar ist, dass es sich um eine offensichtlich unzutreffende, nicht haltbare Fehlentscheidung handelt, ist die Vorlagepflicht zu verneinen.

Dass das Urteil des Bundespatentgerichtes vom 4. August 2009 (Anlage AST 3), mit welchem das Verfügungspatent für uneingeschränkt schutzfähig erachtet wurde, offensichtlich unrichtig ist, ist nicht zu erkennen. Für die vom Bundespatentgericht vertretene Ansicht lassen sich jedenfalls vernünftige Argumente finden. Es ist nicht zu sehen, dass der Bundesgerichtshof auf die Berufung der Verfügungsbeklagten auf jeden Fall diese Entscheidung aufheben wird. Dies gilt zum einen für den von den Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung aufgezeigten möglichen Fehler auf Seite 16 Absatz 2 Mitte, wo in Bezug auf die Verfügungspatentschrift ein Gehalt von 0,1 % Teriflunomid angesprochen wird, während das Verfügungspatent wohl von einem Gehalt von 1 % Teriflunomid ausgeht. Dass dieser behauptete Fehler zu einer offensichtlich unrichtigen Entscheidung führt, haben selbst die Verfügungsbeklagten nicht vorgetragen. Nichts anderes gilt für das Vorbringen, dass das Bundespatentgericht fälschlich davon ausgegangen sei, dass die Erfindung nach dem Verfügungspatent einen Synergismus der Wirkungen von Leflunomid und Teriflunomid aufzeige, was jedoch nicht der Fall sei, da in der Tabelle 1 der Verfügungspatentschrift lediglich das Ergebnis der Wirkung einer Mischung von Leflunomid und Teriflunomid und Leflunomid dargestellt werde, hierdurch ergebe sich jedoch kein Synergismus. Es werde nur gezeigt, dass zwei Wirkstoffe größere Wirksamkeit zeigen als einer allein. Auch dieser Einwand führt nicht zu einer offensichtlichen Unrichtigkeit der Entscheidung, da die Versuche jedenfalls zeigen, dass die Verwendung einer Kombination der Wirkstoffe Leflunomid und Teriflunomid wirksamer ist als Leflunomid allein.

Auch vor dem Hintergrund der von der Kammer vertretenen Auslegung des Verfügungspatentes, wonach das Vorhandensein beider Wirkstoffe von Anfang an in einer festen Zubereitung von dem Verfügungspatent nicht vorausgesetzt wird, wird die Entscheidung des Bundespatentgerichtes nicht offensichtlich unrichtig. Die Auslegung der Kammer führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Frage der Neuheit der Erfindung nach dem Verfügungspatent. Die EP-A 0 797 XXX der Verfügungsklägerin (Anlage Ag 5), welche die Umwandlung von Leflunomid in Teriflunomid bei der Lagerung beschreibt, ist sowohl anmelde- als auch prioritätsjünger, so dass Zweifel bestehen, ob die Druckschrift als Stand der Technik im Rahmen des Art. 54 Abs. 3 EPÜ hätte berücksichtigt werden dürfen. Selbst wenn das Urteil des Bundespatentgerichtes insoweit fehlerhaft wäre, würde dies keine Zweifel am Rechtsbestand nach sich ziehen, da die genannte Druckschrift dann auch nicht als neuheitsschädlich in Betracht hätte gezogen werden können.

Auch der Verweis der Verfügungsbeklagten auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 18. November 2010 (Xa ZR 149/07 – Fentanyl-TTS), in Verbindung mit dem Hinweis, dass zum Prioritätszeitpunkt des Verfügungspatentes der Fachmann – unstreitig – in der Lage war ein Leflunomid-Präparat herzustellen, führt nicht zu einer offenkundig fehlerhaften Entscheidung des Bundespatentgerichtes. Die Verfügungsbeklagten haben in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Fachmann in der Lage gewesen sei, ein Präparat zu erhalten, bei welchem sich durch Lagerung im Laufe der Zeit ein Teriflunomidanteil, wie im Verfügungspatent angegeben bildet. Darauf, ob dem Fachmann diese Eigenschaft bewusst war, komme es dann nicht an. Sie nehmen hiermit Bezug auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofes in Rn. 45 der Fentanyl-TTS-Entscheidung, wo es wie folgt heißt:

„Ob diese Eigenschaften von D der Fachwelt am Prioritätstag durch Veröffentlichungen des Herstellers oder Dritter zugänglich waren, ist unerheblich. Der Senat hat im Hinblick auf den im Jahr 1999 und damit geraume Zeit vor dem Prioritätstag gedruckten Prospekt Ag12 und die Angaben der gerichtlichen Sachverständigen keine Zweifel daran, dass das Material im Jahr 2001 am Markt erhältlich war. Damit war der Fachmann in der Lage, die in Ag21 beschriebenen Pflaster herzustellen und auf diesem Weg ein System in die Hand zu bekommen, das die in Merkmalsgruppe 2 beschriebenen Eigen-schaften aufweist. Darauf, dass dem Fachmann diese Eigenschaften bewusst waren und dass er die Möglichkeit hatte, sie durch geeignete Analysen in Erfahrung zu bringen, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht an. Für eine die Neuheit eines Stoffes ausschließende Offenbarung reicht es aus, wenn ein bestimmtes Material benannt wird, das alle beanspruchten Merkmale auf-weist. Eine wissenschaftliche Begründung dafür, weshalb der Einsatz eines solchen Materials den patentgemäßen Erfolg eintreten lässt, ist nicht erforderlich (Senatsurteil vom 13. Juli 2010 – Xa ZR 10/07 Rn. 48).“

Diese Ausführungen berücksichtigend wäre es daher ohne Relevanz, ob dem Fachmann bekannt gewesen wäre, dass bei Lagerung einer festen Zubereitung von Leflunomid Teriflunomid entsteht. Hierdurch wird dennoch der Gegenstand der Lehre nach dem verfügungspatent nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Zwar mag dem Fachmann auf Grund des „Leflunomidpatentes“ die Herstellung einer arzneilichen Leflunomid-zubereitung möglich gewesen sein. Der Fachmann hatte jedoch keine Kenntnis, in welchem Verhältnis sich Leflunomid verändert, d.h. ob eine Umwandlung stattfindet, welche zu dem in Merkmal 5.b) genannten Mengenverhältnis führt. Dass es hierauf nicht ankommt, kann der Fentanyl-TTS-Entscheidung nicht entnommen werden. Die Verfügungsbeklagten haben eine automatische Umwandlung in Teriflunomid mit einer Menge von 0,3 % bis 50 % im Verhältnis zu Leflunomid in Bezug auf ihre angegriffene Ausführungsform gerade in Abrede gestellt. Würde sich diese Menge stets automatisch einstellen, bedürfte es des vorliegenden Vorlageverfahrens nicht. Es ist zudem weder zu erkennen noch vorgetragen, dass zum Prioritätszeitpunkt Kenntnis über den mengenmäßigen Umfang der Umwandlung von Leflunomid in Teriflunomid bestanden hat. Die von der Verfügungsklägerin an dem Arzneimittel D® durchgeführten Stabilitätsuntersuchungen stammen aus dem Jahre 2007.

Unter Berücksichtigung aller eingangs genannten Anforderungen liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Verfügungspatentes vor. Vorzulegen sind daher die Urkunden gemäß der Abschnitte 3.2.P.5.1, 3.2.P.5.2, 3.2.P.5.4, 3.2.P.5.5 und 3.2.P.8 des Common Technical Document (CTD)-Format, welche die Beschreibung und Zusammensetzung des Fertigarzneimittels, die analytischen verfahren, Angaben zur „Batch Analyse“, der Beschreibung der Verunreinigungen sowie Angaben zur Haltbarkeit des Fertigarzneimittels enthalten. Gemäß §§ 22, 26 AMG in Verbindung mit den Arzneimittelprüfrichtlinien (Anlage zu den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zur Anwendung der Arzneimittelprüfrichtlinien (VwV-ArneimittelprüfRL)) muss jeder Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels den Anforderungen der Arzneimittelprüfrichtlinien entsprechend. Gemäß den allgemeinen Anforderungen müssen die Angaben und Unterlagen, die dem Antrag auf Zulassung beizufügen sind, in Form von fünf sogenannten Modulen im CTD-Format vorgelegt werden. Modul 3 des CTD enthält chemische, pharmazeutische und biologische Informationen.

Ohne Erfolg bleibt der Antrag auf Urkundenvorlage gemäß Modul 3.2.S.3.2 und 3.2.S.7, welche Angaben zu den Verunreinigungen, also im vorliegenden Fall Teriflunomid, und zur Stabilität des Wirkstoffs enthalten. Es ist nicht zu erkennen, aus welchem Grund die Verfügungsklägerin zur Überprüfung des Vorliegens einer möglichen Verletzung des Verfügungspatentes Angaben zu den einzelnen Wirkstoffen benötigt, da maßgeblich lediglich das Fertigarzneimittel ist.

Auch die Voraussetzungen für die Vorlage der genauer bezeichneten Urkunden im einstweiligen Verfügungsverfahren liegen vor. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung besteht keine Veranlassung. Zwar kann die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung gemäß §§ 921 S. 2, 936 ZPO nur gegen Sicherheitsleistung gestattet werden(vgl. OLG Düsseldorf I-2 U 111/08; vgl. Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patenten in der Praxis, 4. Auflage, Rn 1120). Eine derartige Anordnung ist in der Regel geboten und sinnvoll bei Erlass einer Unterlassungsverfügung, damit gewährleistet ist, dass der Unterlassungsausspruch nicht unter geringeren Bedingungen vollstreckbar ist, als er bei einem entsprechenden erstinstanzlichen Hauptsacheurteil wäre. Vorliegend handelt es sich hingegen nicht um einen Unterlassungsausspruch, sondern eine Vorlageanordnung, welche eine weitaus geringere Eingriffsintensität aufweist als ein Unterlassungsausspruch. Dass im vorliegenden Fall eine vergleichbare Interesselage gegeben ist, haben auch die Verfügungsbeklagten nicht vorgetragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Der Streitwert beträgt 30.000,- EUR.