4b O 260/09 – Plasma-Erzeuger II

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1598

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. März 2011, Az. 4b O 260/09

I.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

1. EUR 163.471,04 nebst 5 % Zinsen aus EUR 8.531,90 für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008, aus EUR 25.710,54 für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2008, aus EUR 35.785,85 für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2008, aus EUR 83.938,88 für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008, aus EUR 9.503,86 für die Zeit vom 11.10.2007 bis zum 31.12.2008 sowie aus EUR 163.471,04 ab dem 1.1.2009 zu zahlen;

2. weitere EUR 6.764,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.1.2010 zu zahlen.

II.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

III.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
IV.
Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

V.
Der Streitwert beträgt EUR 344.111,93.

T a t b e s t a n d :

Die Klägerin ist alleinige und ausschließlich verfügungsberechtigte, eingetragene Inhaberin des u.a. für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 761 XXX („Klagepatent“, Anlage L 1a). Das Klagepatent, das eine Priorität vom 1. September 1995 in Anspruch nimmt, wurde am 29.8.1996 angemeldet. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 31.10.2001 bekanntgemacht.

Gegen die Erteilung des Klagepatents legte u.a. die A GmbH Einspruch ein. In der Beschwerdeinstanz, in welcher die Beklagte beitrat, wies die Technische Beschwerdekammer die Sache an die Einspruchsabteilung zurück mit der Anordnung, das Klagepatent nach Maßgabe eines von der hieRen Klägerin gestellten Hilfsantrages eingeschränkt aufrechtzuerhalten. Der von der technischen Beschwerdekammer für gewährbar erachtete Patentanspruch 1 lautet demnach wie folgt:

„Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit der Oberfläche von Werkstücken mit FlüsRkeiten, durch Oberflächen-vorbehandlung mittels elektrischer Entladung, bei dem durch eine Plasmaentladung unter Zufuhr eines Arbeitsgases ein gebündelter Strahl eines reaktiven Mediums erzeugt wird, bei dem die Plasmaentladung als Bogenentladung erzeugt wird und bei dem die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks mit diesem Strahl überstrichen wird,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Bogenentladung mit Hilfe einer Hochfrequenz-Wechselspannung betrieben wird und dass das Werkstück mit dem Strahl des reaktiven Mediums ohne Übertragung der Bogenentladung überstrichen wird.“

Die nachfolgende Abbildung (Figur 1 der Klagepatentschrift) verdeutlicht den Gegenstand der Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Das Unternehmen B GmbH reichte beim Bundespatentgericht eine gegen den deutschen Teil des Klagepatents gerichtete Nichtigkeitsklage beim Bundespatentgericht ein (Anlage B3).

In dem vorangegangen Parallelverfahren vor der Kammer (Az.: 4b O XXX/05) wurde unter anderem festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents infolge des Vertriebs eines Plasma-Erzeugers mit der Bezeichnung „C“ (vgl. Produktbeschreibung gemäß Anlage L 5) Schadensersatz zu leisten und dementsprechend Rechnung zu legen (Urteil vom 13.7.2006, Anlage L 2). Auf die beiderseitige Berufung der Parteien hin bestätigte das Oberlandesgericht Düsseldorf die erstinstanzliche Entscheidung mit rechtskräftigem Urteil vom 29.5.2008 (Anlage L 3).

Vor Durchführung des Parallelverfahrens hatte die Klägerin die Beklagte unter Einschaltung ihrer hieRen Prozessbevollmächtigten sowie von Patentanwälten mit Schreiben vom 22.7.2005 abmahnen lassen (Anlage L 11).

Letztmalig mit Schreiben vom 21.4.2009 legte die Beklagte Rechnung (Anlage B 4). Demnach vertrieb die Beklagte in der Zeit von August 2003 bis Oktober 2007 „Cs“.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen die Beklagte – in Anwendung der Grundsätze zur Berechnung des sog. Verletzergewinns – ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung von EUR 302.020,89 nebst Zinsen in Höhe von EUR 42.091,40 für die Zeit vom 1.1.2004 bis einschließlich zum 31.12.2008 sowie ab dem 1.1.2009 Zinsen in Höhe von 5 % p.a. aus einem Betrag von EUR 302.020,89 zu. Abzustellen sei hierbei auf die Gesamtvorrichtung und nicht etwa bloß auf die Plasmadüsen. Zur Berechnung führt die Klägerin unter Bezugnahme auf die Anlage B 4 aus: Der hier maßgebliche Gesamtumsatz mit dem C für die Zeit vom 4.8.2003 bis zum 10.10.2007 belaufe sich auf EUR 1.038.107,00. Nach Abzug der Herstellungskosten betrage der relevante Gewinn daher EUR 503.368,13, wobei zu berücksichtigen sei, dass die von der Beklagten angegebenen Lohnkosten ihn Höhe von EUR 27.451,20 nicht abzugsfähig seien; denn die Beklagte habe – unstreitig – mit dem aus Anlage B 7 ersichtlichen Schreiben mitgeteilt, dass sich alle ihre betreffenden Mitarbeiter auch mit anderen Produkten befassten. Die Klägerin behauptet, der relevante Verletzergewinn der Beklagten beruhe hier zu einem ganz wesentlichen Teil auf der Verletzung des Klagepatents. Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Klagepatents sei der zuordenbare Anteil mit 60 % anzusetzen. Insoweit trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das klagepatentgemäße Verfahren biete erhebliche Vorteile gegenüber vorbekannten Verfahren, da das erzeugte Plasma so reaktiv sei, dass die Oberfläche effektiv behandelt werden könne. Wegen der niedrigen Temperatur des Plasmastrahls werde eine Beschädigung empfindlicher Oberflächenteile vermieden. Die Bedeutung des Klagepatents komme auch darin zum Ausdruck, dass sein Rechtsbestand – unstreitig – von mehreren Wettbewerbern angegriffen worden sei. Zudem habe sie – unstreitig – eine Vielzahl von Verletzungsverfahren angestrengt. Die Verletzungsform sei für eine Vielzahl von Werkstücken einsetzbar. In den maßgeblichen Abnehmerkreisen werde der Nutzen des Klagepatents als außerordentlich hoch eingestuft (vgl. Anlagenkonvolut L 18). Das klagepatentgemäße Verfahren habe die Verhältnisse auf dem betreffenden Markt erheblich beeinflusst. Ihr selbst sei es gelungen, mit diesem neue Kunden zu gewinnen und Großaufträge zu erhalten. Weder im Prioritätszeitpunkt noch im gesamten hier maßgeblichen Verletzungszeitraum habe es eine patentfreie Ausweichmöglichkeit gegeben. Die Klägerin meint, es sei der Beklagten verwehrt, im Höheverfahren „neue Nichtverletzungsargumente“ vorzutragen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf habe im Parallelverfahren mit Verbindlichkeit auch für den vorliegenden Rechtsstreit festgestellt, dass bei Einstellung bis 400 Watt sowie im Bereich von 400 bis 800 Watt das klagepatentgemäße Verfahren verwirklicht werde, da keine Bogenentladungen aus der Plasmadüse auf das Werkstück aufträten, und zwar nicht einmal bei hohem Gasdurchsatz. Der Senat habe dabei bewusst offen gelassen, ob bei der Verletzungsform eine Leistung von mehr als 800 Watt eingestellt werden könne. Zumindest im Leistungsbereich bis 800 Watt komme es unabhängig vom Abstand zwischen Düsenkopf und Substratoberfläche nicht zu einer Bogenentladung auf ein Werkstück. Die Beklagte habe bei sämtlichen streitgegenständlichen Lieferungen übliche Spitzdüsenköpfe ausgeliefert; abgesehen davon komme es auch bei der Verwendung von Düsen mit größerer Öffnung nicht zu Bogenentladungen auf das Werkstück. Sämtliche Abnehmer der Verletzungsform „C“ mit den Typenbezeichnungen „D“, „E“ und „F“ hätten vom klagepatentgemäßen Verfahren Gebrauch gemacht. In Bezug auf die an die Abnehmer B, G, H und I zur Behandlung von D-Profilen gelieferten Plasmaanlagen „J“, „K“ und „L“ sei eine Inbetriebnahme über 800 Watt schlechthin ausgeschlossen, weil D-Profile mit M-Generatoren behandelt würden – das seien Generatoren für eine Düse mit maximal 500 Watt Nutzleistung. Insoweit verweist die Klägerin auch auf einen Messbericht vom 21.7.2005 betreffend eine Anlage des Abnehmers G (Anlage L 13). Auch die von der Beklagten vertriebenen Verletzungsformen der Kategorie N und E eigneten sich nicht für eine patentfreie Nutzung: Insoweit sei bereits zweifelhaft, ob ein Abnehmer eine Inbetriebnahme mit einer Energieleistung von 800 Watt in Betracht ziehen würde (Verweis auf TÜV-Bericht gemäß Anlage L 14). Zudem belege die aus Anlage L 15 ersichtliche Bildserie, dass selbst bei der Einstellung einer maximalen Leistung des Q-Generators keine Bogenentladung aus der Düse austrete – dies ergebe sich daraus, dass keine lilafarbene Bogenentladung und Funken vor der Düsenöffnung erkennbar seien. Die Düse des E-Typs arbeite bei Einstellungen über 800 Watt auch nicht stabil und es komme in diesem Bereich zu einem hohen Verschleiß der Düse. Der C mit der Typbezeichnung F sei zwar auf Leistungen bis zu 1000 Watt einstellbar, jedoch hätten Untersuchungen ihres Patentanwalts ergeben, dass sich bei Verwendung der gleichen Düse keine Unterschiede zum E-Typ ergäben. Das Unternehmen H habe E-Anlagen zur Vorbehandlung von D-Profilen eingesetzt. Das Unternehmen O habe eine N-Plasmaanlage zur Aktivierung eingesetzt. Das Unternehmen P GmbH & Co.KG habe eine Q-Anlage zur Aktivierung vor dem Auftrag von M Klebebändern genutzt. Das Unternehmen R habe S Plasmaanlagen unter Einstellung von Leistungsbereichen zwischen 300 und 800 Watt klagepatentgemäß eingesetzt, um die Haftung der Siegelnaht an der Verpackung zu verbessern. Es sei im Übrigen als selbstverständlich anzusehen, dass die Abnehmer von den Wahlmöglichkeiten Gebrauch machten und zumindest auch im Leistungsbereich unter 800 Watt arbeiteten. Im Gegenzug sei es höchst unwahrscheinlich, dass eine Einstellung über 800 Watt gewählt werde, ohne zuvor die unteren Bereiche zumindest zu testen. Das gelte erst recht mit Rücksicht auf die Produktbeschreibung der Beklagten (Anlage L 5), welche – unstreitig – ausführe, dass zur Oberflächenbehandlung bereits 500 Watt pro Düse genügen. Eine unmittelbare Patentverletzung liege auch dann vor, wenn ein Abnehmer sich nicht für eine Oberflächenbehandlung, sondern für eine andere in der Produktbeschreibung genannte Anwendungsmöglichkeit entscheide, da zumindest vorab auch dort immer eine Oberflächenbehandlung stattfinde. In Bezug auf die Abnehmerin R könne dahinstehen, ob eine spätere Verschweißung durch eine Oberflächenbehandlung tatsächlich erschwert werde, da nach dem eigenen Vortrag der Beklagten eine derartige Behandlung stattfinde; selbst wenn R die Verletzungsform mit einer Leistung im Bereich über 800 Watt nutze, stelle das gleichwohl eine Patentverletzung dar.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz in Höhe von EUR 302.020,89 nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 % p.a. aus EUR 24.487,79 für die Zeit vom 1.1.2004 bis zum 31.12.2008, aus EUR 25.710,52 für die Zeit vom 1.1.2005 bis zum 31.12.2008, aus EUR 125.007,01 für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 31.12.2008, aus EUR 111.202,98 für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008, aus EUR 15.612,59 für die Zeit vom 11.10.2007 bis zum 31.12.2008 sowie aus EUR 302.020,89 seit dem 1.1.2009 zu zahlen.

2. wie zu Ziffer I.2. des Urteilstenors erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,
hilfsweise, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage der Fa. B GmbH auszusetzen.

Die Beklagte meint, die Urteile der Kammer und des Oberlandesgerichts im Parallelverfahren mit dem erstinstanzlichen Aktenzeichen 4b O XXX/05 hätten sich nur auf Plasmadüsen, mithin nicht auf Plasmaanlagen bezogen; deshalb sei auch nur der Umsatz relevant, welchen sie mit Plasmadüsen erzielt habe. Sie sei der Klägerin nur für den Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der durch etwaige unmittelbare Patentverletzungen ihrer – der Beklagten – Abnehmer entstanden sei. Es sei nicht automatisch so, dass immer dann, wenn der C mit einer Leistung bis zu 800 Watt betrieben werde, das Klagepatent verletzt werde. Hierbei komme es vielmehr auch auf den Abstand zwischen der Plasmadüse und dem Werkstück an – erst bei einem Abstand von mindestens 20 mm finde keine Übertragung der Bogenentladung auf das Werkstück statt. Sie habe die Verletzungsform mit unterschiedlich großen Düsenköpfen ausgeliefert; die Verwendung großer Düsenköpfe erleichtere die Übertragung der Bogenentladung auf das Werkstück. D-Anlagen könnten auch zum Glasspleisen genutzt werden – in diesem Falle liege keine Verletzung des Klagepatents vor. Allgemein sei zu beachten, dass man mit dem C nicht nur vorbehandeln könne. Die Anwender der Geräte der Kategorie E benötigten hohe Leistungseinstellungen im Bereich von über 800 Watt, um Arbeiten außerhalb einer Vorbehandlung durchzuführen. Insbesondere das Unternehmen R mache von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch: Dort werde mit einer Leistungseinstellung in einem Bereich von über 850 Watt gearbeitet und es würden spezielle Düsenköpfe verwandt, wobei der Abstand zum Werkstück 10 mm betrage; Ziel sei dabei das Wegschmelzen von P, um danach zu verschweißen. R führe keine Vorbehandlung durch, weil vorbehandelte Folien nicht verschweißt werden könnten. Der C werde von R ausschließlich mit hoher Energie verwendet, so dass es zu einer Übertragung der Bogenentladung auf das Werkstück komme; es werde kein Vorbehandlungseffekt erzielt. Im Übrigen bestreite die Beklagte mit Nichtwissen, dass es zu unmittelbaren Patentverletzungen durch ihre Abnehmer gekommen sei; sie wisse nicht, wie ihre Abnehmer die Verletzungsform einsetzten. Der auf der Verletzung des Klagepatents beruhende Anteil am Verletzergewinn betrage weniger als 10 %, und zwar bezogen auf den Umsatz mit Plasmadüsen. Das Klagepatent biete keine Vorteile gegenüber vorbekannten Verfahren. Die angeblich dem Klagepatent zugrunde liegende Idee entspreche dem Stand der Technik. Das klagepatentgemäße Verfahren sei für die Wettbewerber der Klägerin ohne jede Relevanz. Zudem habe sie die Verletzungsform inzwischen so abgewandelt, dass diese – unstreitig patentfrei – mit Gleichstrom betrieben werde; auch dabei weise der Plasmastrahl eine niedrige Temperatur auf, so dass die Gefahr der Beschädigung empfindlicher Oberflächen vermieden werde. Der Umbau einer Anlage auf Gleichspannung koste – unstreitig – etwa EUR 120.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen gemäß Beweisbeschluss vom 23.9.2010 (Blatt 100 ff. GA) in Verbindung mit dem Ergänzungsbeweisbeschluss vom 15.11.2010 (Blatt 142 f. GA) und dem Ergänzungsbeweisbeschluss vom 10.1.2011 (Blatt 162 GA). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.1.2011 (Blatt 209 ff. GA) verwiesen.

Die Klageschrift ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 7.1.2010 zugestellt worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen mittelbarer Patentverletzung in Höhe von EUR 163.471,04 zuzüglich aus dem Tenor näher ersichtlicher Zinsen zu. Daneben hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Kosten in Höhe von EUR 6.764,00 nebst Verzugszinsen seit dem 7.1.2010. Ein Anlass für eine Aussetzung des Rechtsstreits besteht nicht.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit von Werkstücken mit Flüssigkeiten durch Oberflächen-Vorbehandlung. Soll ein Werkstück oberflächenbeschichtet, lackiert oder geklebt werden, ist häufig eine Vorbehandlung erforderlich, durch die Verunreinigungen von der Oberfläche entfernt werden und dadurch die Molekülstruktur – insbesondere bei Werkstücken aus Kunststoff – so verändert wird, dass die Oberfläche mit Flüssigkeiten wie Kleber, Lacken und dergleichen benetzt werden kann. Ein solches bekanntes Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs beschreibt der Artikel „Surface Treatment of Plastics by C“, bei dem die Bogenentladung mit einer Gleichspannung betrieben wird. Ein weiteres bekanntes Verfahren besteht darin, eine Korona-Entladung auf die Folienoberfläche einwirken zu lassen und zu diesem Zweck die Folie durch einen schmalen Spalt zwischen den Korona-Elektroden hindurchzuführen. Die Klagepatentschrift bemerkt dazu, dass dieses Verfahren nur bei relativ dünnen Folien anwendbar ist. Sie kritisiert, dass es zu einer unerwünschten Vorbehandlung der Rückseite der Folie kommen kann, beispielsweise wenn sich zwischen der rückseitigen Elektrode und der Folie eine Luftblase bildet, in der eine weitere Entladung stattfindet.

Schließlich wird in der DE 43 25 XXX eine Korona-Düse beschrieben, die zum Vorbehandeln der Oberfläche von dickeren Folien oder massiven Werkstücken dient und bei der zwischen den Elektroden ein oszillierend oder umlaufend geführter Luftstrom austritt, so dass man eine flächige Entladungszone erhält, in der die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks mit den Korona-Entladungsbüscheln überstrichen werden kann. Das Klagepatent kritisiert daran, dass die beschriebene Korona-Düse sich nicht für die Vorbehandlung von Werkstücken mit einem verhältnismäßig tiefen Relief eignet, da Innenecken, tiefe Nuten und dergleichen mit der flächig ausgedehnten Entladungszone dieser Düse nicht oder nur schwer zu erreichen sind. Weiter kritisiert sie, dass diese bekannte Korona-Düse eine verhältnismäßig aufwendige und sperrige Konstruktion besitzt, da für die Erzeugung des oszillierenden bzw. umlaufenden Luftstroms ein Motorantrieb erforderlich ist.

Ausgehend von dem dargestellten Stand der Technik liegt dem Klagepatent die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, ein Verfahren zur Vorbehandlung von Werkstückoberflächen mittels elektrischer Entladung anzugeben, das sich auch bei Werkstückoberflächen mit einem relativ komplizierten Relief anwenden lässt, und bei dem eine Schädigung der Werkstück-Oberfläche vermieden wird.

Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Patentanspruch 1 in der Fassung gemäß der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer vom 12.12.2006 die Kombination folgender Merkmale vor:

1.
Verfahren zur Erhöhung der Benetzbarkeit der Oberfläche von Werkstücken mit Flüssigkeiten durch Oberflächen-Vorbehandlung mittels elektrischer Entladung.

2.
Es wird durch
a) eine Plasmaentladung
b) unter Zufuhr eines Arbeitsgases
c) ein gebündelter Strahl
d) eines reaktiven Mediums erzeugt.

3.
Die Plasmaentladung wird als Bogenentladung erzeugt.

4.
Die zu behandelnde Oberfläche des Werkstücks wird mit diesem Strahl überstrichen.

5.
Die Bogenentladung wird mit Hilfe einer Hochfrequenz-Wechselspannung betrieben.

6.
Das Werkstück wird mit dem Strahl des reaktiven Mediums ohne Übertragung der Bogenentladung überstrichen.

Die Klagepatentschrift hebt hervor, dass sich das patentgemäße Verfahren zur Behandlung sowohl von leitenden als auch von nichtleitenden Werkstücken, insbesondere von Werkstücken aus Kunststoff eignet. Sie führt weiter aus, es habe sich gezeigt, dass sich auf die beschriebene Weise ein Strahl erzeugen lässt, der einerseits chemisch so aktiv ist, dass eine wirksame Oberflächen-Vorbehandlung erreicht wird, dieser andererseits jedoch eine so niedrige Temperatur besitzen kann, dass auch empfindliche Oberflächen nicht beschädigt werden (Absatz [0008] des Klagepatents).

II.

Wie das Oberlandesgericht Düsseldorf im Parallelverfahren rechtskräftig bestätigt hat, steht der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen mittelbarer Verletzung des Klagepatents zu, weil die Beklagte Geräte des Typs „C“ in Deutschland Abnehmern anbot und an diese lieferte, die ihrerseits zur Anwendung des durch das Klagepatent geschützten Verfahrens nicht berechtigt sind (Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 10, 9 Nr. 3, 139 Abs. 3 PatG).

1)
Die Klägerin hat ihr Wahlrecht betreffend die Berechnung des ihr entstandenen Schadens dahingehend ausgeübt, dass sie ihren Schaden nach der in § 139 Abs. 2 S. 2 PatG ausdrücklich vorgesehenen Methode des Verletzergewinns berechnet wissen möchte. Es handelt sich hierbei um eine auch gewohnheitsrechtlich anerkannte Berechnungsmethode, die damit begründet wird, dass der Verletzer das Schutzrecht lediglich in Geschäftsführung für den Inhaber benutzt und daher unter rechtsähnlicher Anwendung der §§ 687 Abs. 2, 667 BGB das durch die Verletzung Erlangte herauszugeben habe. Bei dieser Berechnungsart kommt es nicht darauf an, ob der Verletzte den herausverlangten Gewinn selbst hätte erzielen können; entsprechendes wird vielmehr fingiert. Es handelt sich um einen Anspruch auf „Entschädigung“ für eine schuldhafte Patentverletzung (BGH GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil).

Grundsätzlich ist der Verletzergewinn nach folgender Formel zu berechnen:

Gewinn = Umsatz ./. Kosten.

Relevant ist derjenige Umsatz, den der Verletzer im Rahmen seines Geschäftsbetriebes mit der patentgeschützten Vorrichtung oder dem patentgeschützten Verfahren erzielt hat. Für seine Schadensberechnung kann der Gläubiger auf die Rechnungslegung des Verletzers zurückgreifen, welche die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat (Kühnen/Geschke, Die Durchsetzung von Patententen in der Praxis, 4. Auflage, Rn 1425).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil) darf der Verletzer von dem auf der Schutzrechtsverletzung beruhenden Umsatz Gemeinkosten lediglich insoweit abziehen, als sie den schutzrechtsverletzenden Gegenständen unmittelbar zugerechnet werden können. Diese vom I. Zivilsenat des BGH für das Geschmacksmusterrecht aufgestellten und später auf den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz erstreckten (BGH GRUR 2007, 431 – Steckverbindergehäuse) Grundsätze sind auch für die Schadensberechnung nach einer Patentverletzung heranzuziehen (vgl. OLG Düsseldorf InstGE 5, 251 – Lifter). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass typische Gemeinkosten im Einzelfall den Verletzungsprodukten unmittelbar zuzuordnen seien, also ohne die patentverletzende Produktion nicht angefallen wären, trägt der Verletzer (BGH GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil; LG Düsseldorf, InstGE 8, 257 – Tintentankpatrone).

2)
Die Zuerkennung bezifferten Schadensersatzes wegen mittelbarer Patentverletzung setzt – soweit es nicht etwa nur um den Ersatz von Rechtsverfolgungskosten geht – voraus, dass der Verletzte im Höheprozess dartut und notfalls beweist, dass Abnehmer des mittelbaren Patentverletzers unmittelbare Patentverletzungen begangen haben. Dies gilt ungeachtet dessen, dass § 139 Abs. 2 PatG einen Schadensersatzanspruch gegen den mittelbaren Patentverletzer scheinbar allein an die objektive und subjektive Verwirklichung des § 10 PatG knüpft, während von einer unmittelbaren Patentverletzung des Abnehmers nicht (ausdrücklich) die Rede ist. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Patentinhaber nur Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch das betreffende Angebot oder die Lieferung des fraglichen Mittels entstanden ist (vgl. überzeugend Scharen, in: GRUR 2008, 944, 948): Eine solche Kausalität ist ohne Weiteres nur gegeben, wenn und soweit der Patentinhaber wegen des Angebots oder der Lieferung Kosten aufgewendet hat, also etwa einen Rechtsanwalt zur Verfolgung des vorgekommenen Verstoßes eingeschaltet hat. Hinsichtlich der Feststellung anderer Schäden ist jedoch zu beachten, dass das Vermögen des Patentinhabers in Gestalt des zu ihm gehörenden Ausschließlichkeitsrechts erst tangiert wird, wenn es tatsächlich zu einer Benutzung der patentgemäßen Lehre kommt – eine Kausalkette, die zu einer Vermögensbeeinträchtigung in Folge des Verstoßes gegen § 10 PatG führt, entsteht deshalb erst dadurch, dass ein Belieferter das hierzu geeignete Mittel tatsächlich in patentgemäßer Weise verwendet. Der BGH hat in der Entscheidung „Antriebsscheibenaufzug“ (GRUR 2005, 848, 854) ausgeführt, der im Falle der mittelbaren Patentverletzung zu ersetzende Schaden sei derjenige, welcher durch die unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers des Mittels entstehe. Zwar hat der BGH diesen Grundsatz in der Entscheidung „Deckenheizung“ (GRUR 2006, 839, 842) abgeschwächt, indem er ausführte, für die Feststellung der Schadensersatzpflicht bei mittelbarer Patentverletzung genüge es, wenn dargetan werde, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden sei – dieser könne sich daraus ergeben, dass es im Anschluss an die mittelbare Patentverletzung zu unmittelbaren Verletzungshandlungen gekommen sei. Allerdings ist diese Entscheidung nicht der (derzeitige) Schlusspunkt der Ausführungen des BGH zur Dogmatik des Schadensersatzes wegen mittelbarer Patentverletzung. Vielmehr hat der BGH – was die Klägerin im Rahmen ihrer Ausführungen zu „dogmatischen Bedenken“ gegen die Kammeransicht (vgl. Seiten 8 ff. des Schriftsatzes vom 1.9.2010) nicht erwähnt – seine Ansicht in weiteren Entscheidungen (BGH, GRUR 2007, 679, 684 – Haubenstretchautomat; BGH, GRUR 2007, 773, 777 – Rohrschweißverfahren“) dahingehend präzisiert, dass – soweit nicht sonstige Schadenspositionen wie etwa die Kosten der Rechtsverfolgung gegeben seien – der wegen mittelbarer Patentverletzung zu ersetzende Schaden derjenige sei, welcher durch die unmittelbare Patentverletzung des Abnehmers des Mittels entstehe. Dies hat der BGH überzeugend damit begründet, dass § 10 PatG dem Patentinhaber kein ausschließliches Recht dahingehend einräume, dass nur er Mittel anbieten und liefern dürfe, die geeignet sind, bei der Erfindungsbenutzung verwendet zu werden, wenn sie auch patentfrei benutzt werden könnten; § 10 PatG schütze den Patentinhaber nur im Vorfeld einer unmittelbaren Patentverletzung durch die Angebotsempfänger und Belieferten.

Während es demnach für die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach ausreicht, dass entweder konkrete Schadenspositionen wie Rechtsverfolgungskosten in Frage stehen oder dass zumindest die Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Patentverletzung durch Abnehmer gegeben ist, gelten im Höheprozess, in welchem der Verletzte bezifferten Schadensersatz wegen mittelbarer Verletzung jenseits von Rechtsverfolgungskosten geltend macht, weitergehende Anforderungen: Hier muss das Verletzungsgericht die Überzeugung i.S.v. § 286 ZPO gewinnen, dass die mittelbaren Patentverletzungen unmittelbare Verletzungshandlungen der Abnehmer zur Folge hatten; Letzteres stellt eine anspruchsbegründende Voraussetzung dar.

Hinsichtlich des Nachweises einer unmittelbaren Patentverletzung durch die Abnehmer ist der Patentinhaber – insoweit ist der Klägerin zuzustimmen – selbstverständlich nicht gehalten, diesen mittels Vorlage entsprechender rechtskräftiger Verurteilungen der Abnehmer zu führen. Im Hinblick auf die nur inter partes eintretende Rechtskraft würden diese das Gericht im Höheprozess gegen den mittelbaren Patentverletzer ohnehin nicht binden (§ 325 ZPO). Der Patentinhaber hat sich allerdings Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die vom mittelbaren Patentverletzer im Rahmen der Rechnungslegung genannten Abnehmer die technische Lehre des Patents unmittelbar benutzen (vgl. insoweit auch die bereits erwähnte Entscheidung „Haubenstretchautomat“ des BGH) und im Höheverfahren entsprechend vorzutragen sowie ggf. Beweis anzutreten. Soweit die Abnehmer sich nicht freiwillig zur Art und Weise der Verwendung des erhaltenen Mittels erklären und auch der mittelbare Verletzer sich unter Beachtung seiner Wahrheitspflicht auf ein Bestreiten mit Nichtwissen zurückziehen kann, muss der Verletzte notfalls gegen die Abnehmer beispielsweise ein Besichtigungsverfahren anstrengen, um sich die erforderlichen Erkenntnisse zu verschaffen. Darauf ist der Verletzte nicht einmal beschränkt, denkbar ist es beispielsweise auch, die Abnehmer bzw. deren Mitarbeiter pp. im Höheprozess als Zeugen zum Beweis der Tatsache unmittelbarer Benutzungshandlungen zu benennen. Insoweit setzt die Rechtsauffassung der Kammer den Verletzten keinen unzumutbaren Belastungen für die Geltendmachung von Schadensersatz wegen mittelbarer Patentverletzung aus.

Soweit die Klägerin – unter anderem – dahingehend argumentiert, es sei bereits rechtskräftig im Vorprozess durch das Oberlandesgericht entschieden worden, dass die Abnehmer der Beklagten die technische Lehre des Klagepatents unmittelbar benutzten, vermag die Kammer diese Rechtsauffassung nicht zu teilen. Zunächst ist nochmals zu betonen, dass weder die Kammer noch das Oberlandesgericht dem ursprünglichen Begehren der Klägerin auf Verhängung eines Schlechthinverbotes entsprechen wollten, und damit von patentfreien Benutzungsmöglichkeiten des streitgegenständlichen Mittels ausgingen. Zum anderen verkennt die Klägerin, dass das Oberlandesgericht sich im Vorprozess im Einklang mit den oben erwähnten Grundsätzen damit begnügen durfte, die bloße Wahrscheinlichkeit einer (einzigen!) unmittelbaren Patentverletzung zu bejahen, um dem Grunde nach eine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten festzustellen. Schließlich trat der Großteil der konkreten Lieferungen erst anschließend im Rahmen der Rechnungslegung der Beklagten zutage. Demzufolge ist es der Beklagten nicht verwehrt, im Höheprozess vermeintlich „neue Tatsachen“ vorzutragen, um zu belegen, dass ihre Abnehmer die Erfindung nicht unmittelbar benutzten.

Ob die Auffassung der Kammer – im Falle ihrer praktischen Umsetzung – möglicherweise zur Folge hätte, dass mittelbare Patentverletzer dann keinen Anlass mehr hätten, sich zu vergleichen, ist hinsichtlich der Allgemeingültigkeit dieser These fraglich und jedenfalls kein taugliches dogmatisches Argument dafür, vom Erfordernis des Nachweises unmittelbarer Patentverletzungen abzusehen.

In zulässiger Weise hat die Beklagte es ganz überwiegend mit Nichtwissen bestritten (§ 138 Abs. 4 ZPO), dass es zu unmittelbaren Verletzungshandlungen ihrer Abnehmer kam. Es handelt sich hierbei um Vorgänge, welche sich außerhalb der eigenen Wahrnehmung der Beklagten abspielen. Soweit die Klägerin behauptete, die Beklagte kenne die Verfahrensweisen ihrer Abnehmer insoweit, als dass sie die von ihr gelieferten Anlagen warte, vermochte die Klägerin diese Behauptung nicht zu beweisen. Die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anlage BA9 wurde verspätet eingereicht (§ 296a ZPO), so dass dahinstehen kann, ob sich anhand dieser gegenteilige Anhaltspunkte ergeben könnten. Anerkanntermaßen trifft einen mittelbaren Patentverletzer keine Pflicht, bei seinen Abnehmern nachzufragen, in welcher Weise diese einen bestimmten Gegenstand verwenden. Seine Rechnungslegungsverpflichtung kann der mittelbare Patentverletzer insoweit durch eine Nullauskunft erfüllen, da eine weitergehende Ermittlungspflicht nicht mit der Rechtsnatur der Auskunft als Wissenserklärung vereinbar wäre (OLG Karlsruhe, InstGE 11, 61 – Multifeed II). Dieser Grundsatz würde umgangen, wenn man im Höheverfahren gleichwohl von einer Erkundigungspflicht des mittelbaren Patentverletzers ausginge. Es ist – wie noch einmal zu betonen ist -, im Falle der mittelbaren Patentverletzung Aufgabe des Berechtigten, sich darüber Gewissheit zu verschaffen, ob einzelne Abnehmer die Erfindung benutzt haben.

3)
Die unter Ziffern 1) und 2) geschilderten rechtlichen Maßstäbe berücksichtigend, beträgt der durch mittelbare Verletzungen des Klagepatents erzielte Gewinn der Beklagten insgesamt EUR 272.451,73.

Es lassen sich nämlich allein folgende unmittelbaren Verletzungshandlungen der Abnehmer der Beklagten feststellen:

a)
Es steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass das Unternehmen H von der technischen Lehre des Klagepatents unmittelbaren Gebrauch machte. Insbesondere hat die Kammer keine Zweifel daran, dass H auch den im Merkmal 6 gelehrten Verfahrensschritt wortsinngemäß durchführte.

Nach dem Merkmal 6 ist es notwendig, dass das Werkstück mit dem Strahl des reaktiven Mediums ohne Übertragung der Bogenentladung überstrichen wird. Damit wird gelehrt, dass allein der Plasmastrahl auf das zu behandelnde Werkstück trifft, der Plasmastrahl also keine Bogenentladung bzw. Funken enthalten soll. Bei der Bogenentladung entstehende Funken erreichen demnach das Werkstück nicht, so dass eine Schädigung der Werkstückoberfläche vermieden wird.

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts treten zumindest bei einer elektrischen Leistung bis zu 800 Watt keine Bogenentladungen aus der Plasmadüse der angegriffenen Ausführungsform aus, und zwar nicht einmal bei hohem Gasdurchsatz. Das Oberlandesgericht hat seine Feststellungen insoweit auf den dort von der Klägerin als Anlage L 23 (hier: Anlage L 12) vorgelegten Untersuchungsbericht gestützt und den gegenteiligen Beklagtenvortrag als unsubstantiiert zurückgewiesen, weil diese keine eigenen Untersuchungen angestellt habe (vgl. S. 31 des OLG-Urteils, Anlage L 3). Das im vorliegenden Verfahren als Anlage B 10 eingereichte Sachverständigengutachten, welches das Oberlandesgericht in einem anderweitigen Rechtsstreit eingeholt hat, gibt im Ergebnis keinen Anlass von den Feststellungen des Oberlandesgerichts im zwischen den Parteien geführten Parallelverfahren abzuweichen. Zwar führt der Sachverständige im Gutachten gemäß Anlage B 10 aus, dass bis zu einem Abstand von 10 mm mehrere 100 Volt im Plasma auftreten können (S. 22 unten) und eine Potentialfreiheit erst bei Abständen ab 20 mm gesichert sei (vgl. Tabelle auf Seite 24 zu Merkmal 6). Allerdings ist zu beachten, dass sich die gutachterlichen Ausführungen auf eine andere Verletzungsform, nämlich den „S“, beziehen. Die Ausführungen des Sachverständigen können nicht einfach 1:1 auf den „C“ übertragen werden. Insofern liegen nach wie vor keine eigenen Untersuchungen der Beklagten bezüglich der hier angegriffenen Ausführungsform vor, weshalb die Kammer für Leistungsbereiche bis zu 800 Watt davon ausgeht, dass das klagepatentgemäße Verfahren – insbesondere das Merkmal 6 – wortsinngemäß verwirklicht wird, und zwar unabhängig vom eingesetzten Gasdurchlass und dem Abstand zwischen Austritt der Plasmadüse und dem Werkstück. Des Weiteren nimmt die Kammer mangels substantiierter Darlegungen der Beklagten gerade in Bezug auf den „C“ an, dass – vor allem bei Abständen über 10 mm – die Nichtübertragung einer Bogenentladung auf das Werkstück mit dem bloßen Auge zuverlässig beobachtet und daher auch mittels geeigneten Lichtbildern nachgewiesen werden kann und es keines entsprechenden Nachweises mittels einer Strommessung bedarf.

aa)
Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen T (S. 35 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 243 ff. GA) setzte H eine U-Anlage zur Vorbehandlung von D-Profilen ein. Auf Vorhalt der Seite 2 der Anlage L 5 erinnerte sich der Zeuge auch daran, dass das Gerät so ähnlich aussah wie das in der genannten Anlage abgebildete Gerät. Insoweit ist die Kammer davon überzeugt, dass bei H eine Anlage mit M-Generatoren zur Anwendung kam. Nach der eigenen Produktbeschreibung der Beklagten handelt es sich bei einem M-Generator um einen solchen mit einer Düse mit maximal 500 Watt Nutzleistung für Mehrdüsenaufwendungen, so dass die Anlage auch maximal mit einer Wattleistung von 500 Watt betrieben worden sein kann. Daher ist es unschädlich, dass der Zeuge zur konkreten Wattleistung keine Angaben machen konnte. Es ist in jedem Falle ausgeschlossen, dass H ausschließlich in einem Leistungsbereich von mehr als 800 Watt arbeitete.

Ferner bekundete der Zeuge T, der die Anlage am 4.12.2004 auch einmal im Betrieb beobachten konnte, glaubhaft, dass der Abstand zwischen der Plasmadüse und dem Werkstück etwa 10 bis 14 mm betrug. Mit Rücksicht darauf, dass die gewählte Leistung maximal 500 Watt betragen haben kann, hat die Kammer keine vernünftigen Zweifel daran, dass es hierbei nicht zu einer Übertragung der Bogenentladung auf das Werkstück kam. Soweit die Beklagte einwendet, der Zeuge T habe die Anlage nur von weitem sehen können, hat er solches indes nicht bekundet.

Der Zeuge T ist glaubwürdig. Dies ergibt sich für die Kammer insbesondere daraus, dass er zu jeder Zeit auf eine wahrheitsgetreue Aussage bedacht war. Wenn er sich hinsichtlich Details unsicher war, legte er das ohne weiteres offen. Seine Aussage wies keinerlei einseitige Belastungstendenz zum Nachteil der Beklagten auf.

Allerdings bezog sich die Aussage des Zeugen T nur auf D-Anlagen. In den Anlagen des Typs E kommen unstreitig andere Generatoren zum Einsatz. Nach den eigenen Darlegungen der Klägerin weisen deren Generatoren eine maximale Leistung von 1200 Watt und damit eine erheblich höhere auf als der Generator M. Bei einer derartigen Leistung hält die Kammer es nicht für ausgeschlossen, dass es zu Übertragungen der Bogenentladung auf das Werkstück kommt. Die Versuche der Klägerin gemäß Anlage L 15 sind im Ergebnis nicht geeignet, diese Zweifel auszuräumen. Angesichts der sachverständigen Ausführungen im Gutachten gemäß Anlage B 10, welche dem Oberlandesgericht im Zeitpunkt der Entscheidung im Parallelverfahren zwischen den Parteien noch nicht bekannt waren, kann die Kammer bei derart hohen Leistungsbereichen – also über 800 Watt – nicht ausschließen, dass es in Abhängigkeit vom Abstand zwischen Plasmadüsenaustritt und Werkstück sowie nach dem verwendeten Gasdurchlass zu Übertragungen auf die Werkstückoberfläche kommen kann. Es ist auch nicht unvorstellbar, dass H hier stets eine Leistung von mehr als 800 Watt einstellte, wie beispielsweise der unten näher ausgeführte Fall des Unternehmens P ausdrücklich bestätigt. Da der Zeuge T keine Angaben zu Wattzahlen machen konnte, kann eine Verwirklichung des Merkmals 6 hinsichtlich Anlagen des Typs E nicht tatrichterlich festgestellt werden. Entsprechendes gilt für Anlagen des Typs F, der über eine maximale Leistung von 1000 Watt verfügt.

Der ebenfalls zum Beweisthema 3 vernommene Zeuge U (S. 42 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 250 ff. GA) konnte zwar keine detaillierten Angaben machen. Er vermochte indes aus eigener Anschauung zu bestätigen, dass bei H Profile behandelt wurden. Insofern machte der Zeuge U zwar keine Angaben, die weitergehende Feststellungen als die Bekundungen des Zeugen T zuließen, jedoch auch keine solchen, die Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen T begründen könnten.

Dass sich die Bekundungen des Zeugen T letztlich nur auf eine einzige D-Anlage beziehen, ist unschädlich. Die Kammer hat keine vernünftigen Zweifel daran, dass alle von der Beklagten gelieferten D-Anlagen mit M-Generatoren in gleicher Weise eingesetzt wurden. Es ist nicht ersichtlich, warum H hier in unterschiedlicher Weise von D-Anlagen Gebrauch gemacht haben sollte.

Insgesamt sind daher folgende Lieferungen an H schadensersatzpflichtig, so dass sich bezüglich dieses Abnehmers nach Abzug von Herstellungskosten ein Gewinn in Höhe von EUR 50.770,74 ergibt. Insoweit ist festzuhalten, dass die Klägerin zu Recht den Gesamtumsatz mit den Plasmaanlagen und nicht nur mit den Plasmadüsen in Ansatz gebracht hat. Zum einen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf in dem als Anlage L 6 vorgelegten Beschluss klargestellt, dass sich Urteile in dem erwähnten Parallelverfahren zwischen den Parteien auf den vollständigen Plasma-Generator bezogen, so dass dies insbesondere auch für die Feststellung der Schadensersatzpflicht galt. Zum anderen gilt nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (InstGE 7, 194, 196 – Schwerlastregal II), dass für patentgeschützte Vorrichtungen, die nicht für sich Gegenstand des Handelsverkehrs sind, sondern Teil einer allein am Markt gehandelten Gesamtvorrichtung sind, der mit der Gesamtvorrichtung erzielte Umsatz maßgeblich ist. So verhält es sich nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin auch hier, was letztlich auch anhand der Auskunft/Rechnungslegung der Beklagten gemäß Anlage L 4 bestätigt wird.

Ferner war zu beachten, dass die von der Beklagten geltend gemachten Lohnkosten nicht abzugsfähig sind, weil die betreffenden Mitarbeiter der Beklagten unstreitig (vgl. Schreiben der Beklagten gemäß Anlage L 7) auch in anderen Bereichen eingesetzt waren (vgl. BGH, GRUR 2007, 431, 434 – Steckverbindergehäuse).

Die Einzelheiten zur Ermittlung des relevanten Gewinns aufgrund von Lieferungen an H ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle:

b)
Auch das Unternehmen G verletzte das Klagepatent wortsinngemäß. Das steht für die Kammer im Hinblick auf die Aussage des Zeugen V (S. 22 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 230 ff. GA) fest.

Dieser bekundete glaubhaft, anlässlich eines Besuchs des Unternehmens G gesehen zu haben, dass dort ein Generator des Typs M mit einer Leistung von 480 Watt für eine Vorbehandlung von D-Profilen benutzt wurde, um hernach ein Beflocken durchführen zu können. Den Watt-wert konnte der Zeuge selbst am betreffenden Gerät ablesen. Es kann dahinstehen, ob diese Anlage dem Originalzustand im Zeitpunkt der Auslieferung entsprach. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass sich die etwaige Veränderung der Anlage auf die Verwirklichung des Merkmals 6 auswirkte. Von einer wortsinngemäßen Verwirklichung ist vielmehr stets bei einer Verwendung im Leistungsbereich bis zu 800 Watt auszugehen. Insofern ist auch der Abstand, welchen der Zeuge im Bereich von 8 – 10 mm angab, unerheblich; dies gilt umso mehr, als dass G nach den Bekundungen des Zeugen V Düsen verwendete, die denen der Klägerin entsprachen.

Es ist unschädlich, dass der Zeuge selbst keine Untersuchung im engeren Sinne durchführte. Er konnte die Anlage zumindest mit eigenen Augen sehen und diverse Details wahrnehmen. Ebenso wenig ist es von Belang, dass er selbst keine Bilder von der Anlage anfertigte.

Die Glaubwürdigkeit des Zeugen V unterliegt keinen Bedenken. Er war erkennbar um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht.

Die Aussage des Zeugen W (Seite 37 des Protokolls, Blatt 245 GA) war unergiebig. Er konnte keine Angaben zum Beweisthema 1) machen.

In Bezug auf den Abnehmer G ergibt sich unter Berücksichtigung der Herstellungskosten ein Gewinn von EUR 7.919,88 für die Lieferung einer K-Anlage am 28.1.2004.

c)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht auch kein Zweifel daran, dass das Unternehmen B das Klagepatent unmittelbar verletzte. Die Überzeugungsbildung gründet sich insoweit auf die Aussagen der Zeugen T und W.

Der Zeuge T bekundete (Seite 32 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 240 ff. GA), am 20.9.2006 anlässlich eines Besuchs des Unternehmens B eine U-Anlage im Betrieb beobachtet zu haben, mit welcher D vorbehandelt wurde. Zwar vermochte er keine konkrete Wattzahl anzugeben, jedoch erinnerte er sich daran, dass die von ihm beobachteten Anlagenteile jenen entsprachen, die auf Seite 2 der Anlage L 5 abgebildet sind. Insofern lässt sich anhand seiner Aussage feststellen, dass M-Generatoren zum Einsatz kamen, die maximal mit 500 Watt betrieben wurden. Nach den einleitenden Ausführungen unter 3) ist daher von einer wortsinngemäßen Verletzung auszugehen, ohne dass es noch im Einzelnen auf den Düsenaustritt und dessen Abstand zum Werkstück ankäme.

Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen T kann auf die Ausführungen unter a) verwiesen werden.

Im Kern decken sich die Bekundungen des Zeugen T mit denen des Zeugen W (Seite 37 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 245 ff. GA). Anlässlich eines Wartungsauftrages bei B schaute der Zeuge W sich eine U-Anlage an, von der er auch Fotos anfertigte. In die Anlage waren D-Profile eingesteckt. Anhand des vom Zeugen angefertigten Fotos gemäß Seite 1 der Anlage BA1 ergibt sich in einem Vergleich mit der Seite 2 der Produktbeschreibung der Beklagten (Anlage L 5) zweifelsohne, dass in dieser Anlage M-Generatoren zum Einsatz kamen, also solche, die eine Leistung von maximal 500 Watt aufweisen.

Auch der Zeuge X ist glaubwürdig. Insbesondere glaubt die Kammer dem Zeugen W, dass er die Fotos gemäß Anlage BA 1 bereits im März 2004 anfertigte. Dass in der Anlage die – wohl als Datum zu verstehenden – Zahlenangaben „2005-07-17“ abgebildet sind, erklärte der Zeuge nachvollziehbar damit, dass es sich dabei um ein Datum handeln muss, unter welchem er die betreffende elektronische Datei später noch einmal aufgerufen hatte. Insofern ist es auch der Sache nach glaubhaft, dass er den betreffenden Bericht unmittelbar nach seiner Besichtigung entwarf.

Die Aussage des Zeugen U (Seite 44 ff, Blatt 252 ff. GA) war insoweit weitgehend unergiebig.

Eine unmittelbare Verletzung lässt sich nur bezüglich der an B gelieferten D-Anlagen feststellen, nicht jedoch hinsichtlich der am 4.11.2004 gelieferten Anlage „F“. Insoweit gilt die unter a) vorgenommene Begründung entsprechend.

Die schadensersatzpflichtigen Lieferungen an B ergeben sich nach alledem aus der nachfolgenden Tabelle:

Der Gewinn nach Abzug einschlägiger Herstellungskosten beträgt daher EUR 25.826,64.

d)
Ebenso wendete das Unternehmen I das klagepatentgemäße Verfahren an. Diese Feststellung hat ihre Grundlage in der Aussage des Zeugen W zum betreffenden Beweisthema.

Der Zeuge W bekundete diesbezüglich (Seite 40 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 248 ff. GA), dass er die von ihm vorgefundene Anlage zwar nicht im Betriebszustand gesehen habe, sich jedoch in der betreffenden Halle von I einige D-Profile befanden. Insofern hat die Kammer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte keinen Zweifel daran, dass diese Anlage – unstreitig eine D-Anlage – zur Vorbehandlung von D-Profilen eingesetzt wurde. Da der Zeuge bei Öffnung der Schaltschränke der Anlage Module wie beim Unternehmen B erblicken konnte, steht für die Kammer ferner fest, dass auch bei I ein M-Generator zum Einsatz kam, so dass die Anlage mit einer Leistung von maximal 500 Watt betrieben wurde. Von einer wortsinngemäßen Verletzung ist deshalb auszugehen, ohne dass es noch auf Details bezüglich des Abstandes zwischen verwendeten Plasmadüsen und dem Abstand zwischen diesen und dem Werkstück ankäme.

Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit des Zeugen W kann auf die Ausführungen unter c) Bezug genommen werden.

Die Bekundungen des Zeugen T zu diesem Beweisthema waren unergiebig.

Nach alledem ist die Beklagte schadensersatzpflichtig für die Lieferung einer K-Anlage an I am 18.5.2005. Der Gewinn beträgt unter Berücksichtigung der abzugsfähigen Herstellungskosten EUR 7.919.88.

e)
Dass auch das Unternehmen O das klagepatentgemäße Verfahren anwendete, steht aufgrund der Aussage des Zeugen Dr. Y fest, welcher Geschäftsführer dieses Unternehmens ist.

Der Zeuge bekundete, dass die von der Beklagten gelieferte Anlage F dazu verwendet wurde, um ein Gitterrost zu behandeln, dessen Benetzbarkeit verbessert werden sollte, wobei insoweit eine Leistung von 430 Watt eingestellt wurde. Vor diesem Hintergrund ergibt sich ohne weiteres eine wortsinngemäße Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents, ohne dass es noch auf Details in Bezug auf die verwendeten Düsen oder den gewählten Abstand ankäme. Unerheblich ist insbesondere, dass der Zeuge nicht bestätigen konnte, dass D-Profile vorbehandelt wurden. Denn die technische Lehre des Klagepatents ist auf ein derartiges Anwendungsgebiet keineswegs beschränkt; insoweit kann sinngemäß auf die den Parteien geläufigen Ausführungen des Oberlandesgerichts im Parallelverfahren verwiesen werden (Urteil gemäß Anlage L 7, Seite 28 oben).

An der Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. Y bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil er sich durch seine Aussage letztlich selbst belastete, indem er einräumte, dass es unter seiner Geschäftsführung zu Patentverletzungen kam.

Insofern hat die Beklagte der Klägerin Schadensersatz zu leisten für die Lieferung einer F-Anlage an O am 11.2.2003. Der Gewinn beträgt unter Berücksichtigung abzugsfähiger Herstellungskosten EUR 11.680,61.

f)
Schließlich konnte die Kammer sich davon überzeugen, dass auch das Unternehmen R von der technischen Lehre des im Klagepatent gelehrten Verfahrens Gebrauch machte.

Diese Überzeugung lässt sich bereits allein auf die Bekundungen des von der Beklagten gegenbeweislich benannten Zeugen Z (Seiten 15 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 223 ff. GA) gründen. Dieser sagte aus, dass der „C“ vom Unternehmen A1 GmbH für die Behandlung von Materialien für Verpackungskartons eingesetzt wurde, um ein besseres Anhaften im Längsnahtschweißprozess zu erzielen. Insoweit bekundete er, dass er selbst im Rahmen von Untersuchungen festgestellt hatte, dass der Einsatz des Cs im Bereich von 400 bis 800 Watt empfehlenswert sei. Laut Aussage des Zeugen Z wurden die Anlagen der Beklagten jedenfalls auch im Bereich von unter 800 Watt betrieben; soweit er bei Besuchen feststellte, dass in höheren Leistungsbereichen gearbeitet wurde, ordnete er sogar explizit eine Einstellung von 500 Watt an. Insofern hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass R sämtliche Anlagen in einem Leistungsbereich verwendete, der ohne weiteres zur Annahme einer wortsinngemäßen Verletzung führt. Es ist unschädlich, dass daneben wohl auch höhere Leistungswerte von Mitarbeitern eingestellt wurden und keine ständige Kontrolle der eingestellten Wattwerte durchgeführt wurde. Hinzu kommt hier noch, dass der Zeuge Z Abstände zwischen der Austrittsöffnung der Plasmadüse von bis zu 20 mm nicht ausschließen konnte.

Insofern ist der der Klägerin obliegende Beweis bereits allein aufgrund der Aussage des von der Beklagten selbst benannten Zeugen Z erbracht. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, ob der Beweis auch mit den Bekundungen der hauptbeweislich benannten Zeugen erbracht wäre. Jedenfalls sind diese mit den Bekundungen des Zeugen Z im Kern in Einklang zu bringen. Insbesondere kann dahinstehen, ob bei den Anlagen, welche die Zeugen B1 und C1 später im Betrieb der Klägerin untersuchten, die Watteinstellung dem ursprünglichen Zustand entsprach oder ggf. beim Transport bzw. der Lagerung verändert wurde. Unabhängig von alledem besteht aufgrund der Aussage des Zeugen Z kein vernünftiger Zweifel daran, dass R die von der Beklagten gelieferten Anlagen klagepatentgemäß einsetzte.

Allerdings ist zu beachten, dass der Zeuge Z sich sicher war, dass R für Deutschland insgesamt „nur“ 21 Anlagen von der Beklagten erhielt. Da nicht bekannt ist, welche 21 Anlagen der insgesamt unstreitig 34 an R gelieferten Anlagen in Deutschland eingesetzt wurden, schätzt die Kammer den relevanten Umsatz der Beklagten gemäß § 287 ZPO in der Weise, dass 21/34 des auf Seite 9 der Anlage L 4 (dort sind 34 Anlagen aufgeführt) bezüglich R ausgewiesenen Gesamtumsatzes anzusetzen sind. Dementsprechend sind auch 21/34 der gesamten Herstellungskosten (HK) abzuziehen sowie 21/34 aller Lohnkosten zu addieren.

Insoweit ergibt sich ein relevanter Umsatz nach Lieferungen an R von EUR 168.333,98 (EUR 284.241,17 + EUR 4334,4 – EUR 120.241,6).

Soweit die Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17.2.2011 erstmals den Einwand einer konkludenten Lizenzerteilung vorbringt sowie die Einrede der Verjährung erhebt, ist dieses Vorbringen gemäß § 296a ZPO unbeachtlich. Im Übrigen steht es einer der Beklagten vorwerfbaren Verletzungshandlung nicht entgegen, dass die R (auch) von der Klägerin stammende Düsenköpfe einsetzte.

g)
Weitergehende unmittelbare Benutzungshandlungen seitens der Abnehmer der Beklagten sind hingegen nicht tatrichterlich feststellbar.

aa)
In Bezug auf das Unternehmen P waren die Aussagen der von der Klägerin benannten Zeugen D1 (Seiten 28 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 236 ff. GA) und E1 (Seiten 31 ff. des Beweisaufnahmeprotokolls, Blatt 239 ff. GA) negativ ergiebig, weil sie deren Vortrag nicht bestätigten.

Insbesondere bekundete der Zeuge E1, dass bei P mit einer Wattleistung von 1150 gearbeitet wurde. Auf dieser Grundlage lässt sich im Hinblick auf die einleitenden Ausführungen unter 3a) keine wortsinngemäße Verwirklichung des klagepatentgemäßen Verfahrens feststellen.

Der Zeuge D1 konnte sich an die eingestellte Wattzahl nicht erinnern. Er bekundete allerdings, dass er bloß ein „jämmerliches Plasma“ beobachten konnte.

bb)
Hinsichtlich der übrigen Abnehmer F1, G1, H1, I1, J1, K1 und L1 fehlt es – trotz der Hinweise im Kammerbeschluss vom 23.9.2010 – bereits im Ansatz an einer hinreichenden Darlegung konkreter Benutzungshandlungen. Insoweit hat die Klägerin daher ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht genügt, so dass die Klage diesbezüglich unbegründet ist.

5)
Der Verletzer muss nur denjenigen Gewinn herausgeben, der bei wertender Betrachtung auf der Rechtsverletzung beruht, wobei die erforderlichen Kausalitätserwägungen Gegenstand einer Schätzung (§ 287 ZPO) sein können (BGH GRUR 2006, 419 – Noblesse; BGH, Urteil v. 14.5.2009 – I ZR 98/06 – Tripp-Trapp-Stuhl). Dementsprechend ist die oben erwähnte Formel insoweit zu ergänzen, dass der im Einzelfall einschlägige Kausalanteil der Verletzungshandlungen am Verletzergewinn berücksichtigt wird:

Verletzergewinn = Umsatz ./. Kosten
————————————————-
Kausalanteil

Den Anteil der Verletzung des Klagepatents am von der Beklagten erzielten Gewinn gemäß Ziffer 3) hat die Klägerin vorliegend im Ergebnis zutreffend mit 60 % bemessen. Bei der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Anteilsschätzung ist die Frage zu klären, in welchem Umfang der Gewinn in ursächlichem Zusammenhang mit der vom Klagepatent geschützten Lehre steht (vgl. nur OLG Düsseldorf, InstGE 5, 251, 266 ff. – Lifter): Dabei sind im Rahmen einer wertenden Beurteilung alle Umstände des Einzelfalles und die Faktoren, die den Kaufentschluss der Abnehmer beeinflusst haben, gegeneinander abzuwägen.

a)
Dem Klagepatent ist eine grundsätzliche Bedeutung zu attestieren, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, ob es sich um ein sog. „Grundlagenpatent“ handelt. Im Stand der Technik waren zwar bereits Verfahren zur Vorbehandlung von Oberflächen bekannt (vgl. oben unter Ziffer I.), jedoch weist das klagepatentgemäße Verfahren den ganz erheblichen Vorteil auf, dass der erzeugte Plasmastrahl so reaktiv ist, dass die Werkstückoberfläche effektiv behandelt werden kann, ohne dass es zu Beschädigungen derselben kommt. Folgerichtig hat die Beklagte in ihrer Produktbeschreibung gemäß Anlage L 5 auf Seite 1 dieses Verfahren selbst als „innovatives Verfahren zur Behandlung und Modifizierung von Oberflächen“ bezeichnet. Auch stellen die aus Anlagenkonvolut L 18 u.a. ersichtlichen Artikel Dritter aus Fachzeitschriften die besondere Bedeutung des Klagepatents heraus; der hiergegen gerichtete, pauschale Hinweis der Beklagten, solche Artikel seien selten objektiv verfasst, ist unerheblich, weil keine konkreten Bedenken gegen die betreffenden Ausführungen vorgebracht werden.

b)
Zu Recht verweist die Klägerin auch darauf, dass zwei ihrer Wettbewerber Einspruch gegen dessen Erteilung einlegten. Dies belegt die hohe Bedeutung des Klagepatents auf dem betreffenden Markt. Dabei hat die Technische Beschwerdekammer das Klagepatent im oben wiedergegebenen Umfang aufrechterhalten (Anlage L 8). Darüber hinaus legte B unstreitig eine Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents ein. Ohne Erfolg argumentiert die Beklagte insoweit, das Klagepatent hebe sich nicht vom Stand der Technik ab. Davon ist angesichts der Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer gerade nicht auszugehen. Auch in dem Nichtigkeitsverfahren der B gegen das Klagepatent, die zwischenzeitlich nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien ohnehin zurückgenommen wurde, wurde ganz überwiegend kein neuer Stand der Technik angeführt.

c)
Soweit die Beklagte einwendet, es habe mit Rücksicht darauf, dass die Möglichkeit der Verwendung von Gleichstrom bestanden habe, eine Umgehungslösung bestanden, verfängt auch dieser Einwand nicht. Unabhängig von der Frage, ob im Stand der Technik bereits Verfahren unter der Verwendung von Gleichstrom allgemein bekannt waren, verhält es sich jedenfalls so, dass die Beklagte eine solche gerade auf das klagepatentgemäße Verfahren gemünzte „Umgehungslösung“ erst nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts im Parallelverfahren in den Verkehr brachte. Insofern kann nicht festgestellt werden, dass es im hier maßgeblichen Zeitraum der Jahre 2003 bis 2007 eine mit Gleichstrom funktionierende Alternative zum klagepatentgemäßen Verfahren gab. Unstreitig war die Spannungsversorgung der seinerzeitigen von der Beklagten verwendeten Düse nicht auf die Erzeugung von Gleichstrom ausgerichtet.

d)
Dass es daneben eine Vielzahl von auf das Klagepatent gestützten Verletzungsverfahren gibt, veranlasst nicht zur Annahme eines höheren Anteilsfaktors; insbesondere ist der Ausgang dieser Streitigkeiten noch offen.

Auch die noch verbleibende relativ lange Laufzeit des Klagepatents bis Ende August 2016 ist für den Anteil am Verletzergewinn nicht von Bedeutung. Diese steht nämlich in keinerlei Bezug zur Höhe des konkreten Verletzergewinns.

Unter Berücksichtigung des Kausalanteils von 60 % beträgt der herauszugebende Verletzergewinn daher insgesamt EUR 163.471,04 (60 % von EUR 272.451,73).

III.

Ferner stehen der Klägerin bis zum 10.8.2009 die aus dem Urteilstenor zu I.1 näher ersichtlichen Verwendungszinsen gemäß § 668 BGB analog zu (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 251, 274 – Lifter; InstGE 7, 194, 204 – Schwerlastregal II), deren Höhe gemäß § 352 HGB mit 5 % zu veranschlagen ist, weil die Benutzungshandlungen jeweils Handelsgeschäfte i.S.v. § 343 HGB waren. Unstreitig kam es im Zeitraum vom 4.8.2003 bis zum 10.10.2007 zu mittelbaren Verletzungshandlungen der Beklagten (vgl. Seiten 8 und 9 der Anlage L 4). Bezüglich der Lieferungen an R hat die Kammer nach § 287 ZPO zugunsten der Beklagten angenommen, dass erst mit den 21 zuletzt gelieferten Anlagen unmittelbare Benutzungshandlungen in Deutschland begangen wurden. Ab dem 1.1.2009 stehen der Klägerin entsprechende Zinsen aus dem gesamten ihr zustehenden Gewinnanteil zu.

IV.

Der unter Ziffer I.2. des Urteilstenors zuerkannte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten folgt aus Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 3 PatG, Ziffer 2400 RVG. Unstreitig ließ die Klägerin die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten und Patentanwälte mit Schreiben vom 22.7.2005 abmahnen. Zu Recht macht die Klägerin insoweit – unter Berücksichtigung von Teil 3 VV RVG, Vorbemerkung 3, 4. Abs. – im Ergebnis jeweils noch eine 0,75 Gebühr geltend, da es sich um eine patentrechtliche Streitigkeit handelte. Die Gebühren sind auf der Grundlage des im Parallelverfahren festgesetzten Streitwertes von EUR 1.000.000 (vgl. Anlage L 2, S. 20) zu berechnen. Hinzu kommen jeweils Auslagenpauschalen von EUR 20,00. Insgesamt beträgt der zu erstattende Betrag daher EUR 6.764,00. Der insoweit zuerkannte Anspruch auf Entrichtung von Verzugszinsen ab Klagezustellung ergibt sich aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB.

V.

Anlass, den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO auszusetzen, besteht nicht. Wie beide Parteien übereinstimmend, wenn auch nach Schluss der mündlichen Verhandlung mitteilten, ist die Nichtigkeitsklage von der B zurückgenommen worden.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 17.2.2011 (Klägerin und Beklagte) sowie vom 22.2.2011 (Klägerin) und vom 24.2.2011 (Beklagte) gaben jeweils keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).