4b O 159/10 – Herstellung lithographischer Druckplatten

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1771

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 22. November 2011, Az. 4b O 159/10

Rechtsmittelinstanz: 2 U 112/11

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft am jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen,

positive fotoempfindliche lithographische Druckplatten mit einer positiven fotoempfindlichen Zusammensetzung mit keiner Fotoempfindlichkeit gegenüber ultraviolettem Licht, welche einen Löslichkeitsunterschied in einem alkalischen Entwickler zwischen einem belichteten Teil und einem unbelichteten Teil aufweist, welche als Komponenten zum Hervorrufen des Löslichkeitsunterschieds umfasst a) einen lichtabsorbierenden Farbstoff mit einem Absorptionsfrequenzbereich, welcher einen Teil oder die Gesamtheit des Wellenlängenbereichs von 650 bis 1.300 nm abdeckt, als fotothermisches Umwandlungsmaterial, und b) eine hochmolekulare Verbindung, deren Löslichkeit in einem alkalischen Entwickler hauptsächlich durch eine Änderung, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet, veränderbar ist, welche auf einem Träger ausgebildet ist, worin die fotoempfindliche Zusammensetzung weiterhin enthält c) ein löslichkeitsunterdrückendes Mittel, welches zum Senken der Auflösungsrate der Mischung, umfassend einen lichtabsorbierenden Farbstoff der Komponente (a) und eine hochmolekulare Verbindung der Komponente (b) in dem alkalischen Entwickler in der Lage ist, worin das löslichkeitsunterdrückende Mittel (c) mindestes einen Bestandteil, ausgewählt aus Sulfonsäureestern, Phosphorsäureestern, aromatischen Carbonsäureestern, Carbonsäure-anhydriden, aromatischen Ketonen, aromatischen Aldehyden, aromatischen Aminen und aromatischen Ethern, darstellt,

Dritten zur Nutzung in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten oder zu liefern,

die geeignet sind, für ein Verfahren zur Herstellung lithographischer Druckplatten verwendet zu werden, welches einen Schritt des Scannens und Belichtens umfasst, mittels einer Lichtstrahlung, welche zu einem Wellenlängenbereich von 650 bis 1.300 nm gehört und welche eine Lichtintensität von mindestens 2×106 mJ/s . cm2 aufweist, die zur Ausbildung eines Bildes durch die hochmolekulare Verbindung ausreicht;

2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.6.2008 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologischen Verzeichnisses unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Druckplatten gemäß Ziffer 1. sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,

c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und ggf. Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei

– die Beklagte zum Nachweis der Angaben zu a) und b) die entsprechenden Belege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen hat,

– der Beklagten auf Antrag vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger und der privaten Abnehmer statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in Deutschland vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in den Angebotsaufstellungen enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 12.6.2008 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 500.000.

V. Der Streitwert wird auf EUR 500.000 festgesetzt.

T a t b e s t a n d

Die Klägerin ist seit dem 12.6.2008 eingetragene Inhaberin des in englischer Verfahrenssprache veröffentlichten europäischen Patents 0 823 XXX B 1 („Klagepatent“, Anlage K 3; deutsche Übersetzung in Anlage K 4), das am 5.8.1997 unter Inanspruchnahme von Prioritäten der JP 20701XXX(6.8.1996), der JP 30272XXX (14.11.1996) und der JP 926XXX (22.1.1997) durch die A angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 10.11.2004. Zu den benannten Vertragsstaaten gehört auch die Bundesrepublik Deutschland. Im Jahre 2008 übertrug die A das Klagepatent auf die Klägerin.

Mit Urteil vom 10.12.2009 (Anlage K 1) hielt das Bundespatentgericht auf die vom chinesischen Unternehmen B eingereichte Nichtigkeitsklage (3 Ni 24/08 (EU)) hin das Klagepatent eingeschränkt aufrecht. Gegen das Urteil des Bundespatentgerichts legte die Klägerin Berufung ein, über die bislang noch nicht entschieden ist.

Der Anspruch 1 des Klagepatents hat in der vorliegend von der Klägerin allein geltend gemachten eingeschränkten Fassung gemäß Urteil des Bundespatentgerichts in deutscher Übersetzung folgenden Wortlaut:

„Verfahren zur Herstellung einer lithographischen Druckplatte, welches einen Schritt des Scannens und Belichtens einer positiven fotoempfindlichen Zusammensetzung mit keiner fotoempfindlichkeit gegenüber ultraviolettem Licht, welche einen Löslichkeitsunterschied in einem alkalischen Entwickler zwischen einem belichteten Teil und einem unbelichteten Teil aufweist, umfasst, welche als Komponenten zum Hervorrufen des Löslichkeitsunterschieds umfasst

a) einen lichtabsorbierenden Farbstoff mit einem Absorptionsfrequenzbereich, welcher einen Teil oder die Gesamtheit des Wellenlängenbereichs von 650 bis 1.300 nm abdeckt, als fotothermisches Umwandlungsmaterial, und

b) eine hochmolekulare Verbindung, deren Löslichkeit in einem alkalischen Entwickler hauptsächlich durch eine Änderung, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet, veränderbar ist, welche auf einem Träger ausgebildet ist,

mittels einer Lichtstrahlung, welche zu einem Wellenlängenbereich von 650 bis 1.300 nm gehört und welche eine Lichtintensität von mindestens 2×106 mJ/s . cm2 aufweist, die zur Ausbildung eines Bildes durch die hochmolekulare Verbindung ausreicht,

worin die fotoempfindliche Zusammensetzung weiterhin c) ein löslichkeitsunterdrückendes Mittel, welches zum Senken der Auflösungsrate der Mischung, umfassend einen lichtabsorbierenden Farbstoff der Komponente (a) und eine hochmolekulare Verbindung der Komponente (b) in dem alkalischen Entwickler in der Lage ist,

wobei das löslichkeitsunterdrückende Mittel (c) mindestes einen Bestandteil, ausgewählt aus Sulfonsäureestern, Phosphorsäureestern, aromatischen Carbonsäureestern, Carbonsäure-anhydriden, aromatischen Ketonen, aromatischen Aldehyden, aromatischen Aminen und aromatischen Ethern, darstellt.“

Die Beklagte bewirbt und vertreibt deutschlandweit Druckplatten des Typs „C“ (nachfolgend: „angegriffene Ausführungsform“), welche von dem chinesischen Unternehmen D Co. Ltd. hergestellt werden. Auf der Internetseite www.E.de der Beklagten wird ein Druckzubehör-Katalog zum Download bereitgehalten (siehe auszugsweise den Abschnitt „Druckplatten CTP“ in Anlage K 7). Das Unternehmen B empfiehlt die Verwendung des alkalischen Entwicklers DV-F2 (vgl. das Sicherheitsdatenblatt gemäß Anlage K 10).

Die Klägerin mahnte die Beklagte vorgerichtlich erfolglos ab (vgl. Anlagen K 2a, K 2b).

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze das Klagepatent mittelbar durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform, die geeignet sei, für das patentgemäße Verfahren zur Herstellung lithographischer Druckplatten verwendet zu werden. Insbesondere zeige die angegriffene Ausführungsform keine Fotoempfindlichkeit gegenüber ultraviolettem Licht. Der Fachmann wisse, dass es keine fotoempfindlichen Druckplatten geben könne, die gegenüber jedweder UV-Strahlung unempfindlich sind. Für die Verwirklichung dieses Merkmals des Anspruchs 1 genüge es, dass die angegriffene Ausführungsform unter Tageslicht bzw. unter natürlichem oder künstlichem Umgebungslicht, wie es in Druckereien vorherrsche, bearbeitbar sei, so dass ein Arbeiten unter Gelb- bzw. Sicherheitslicht sich erübrige. Die fehlende Fotoempfindlichkeit sei als Unempfindlichkeit gegenüber inzidentem UV-Licht im Tageslicht bzw. als Tageslichtstabilität zu verstehen. Im Sonnenlicht und im Umgebungslicht (künstlich oder natürlich), wie es in belichteten Räumen vorherrsche, sei nicht nur sichtbares Licht, sondern auch UV-Licht enthalten. Leuchtstofflampen, mit denen künstliches Licht für Fertigungs- und Arbeitsräume erzeugt werde, emittierten auch Anteile von langwelligem Licht. Demzufolge enthalte natürliches und künstliches Umgebungslicht, wie es in Druckereiräumen normalerweise vorhanden sei, einen Anteil an UV-Strahlung, der die Qualität UV-empfindlicher Druckplatten bei der Handhabung im Druckraum beeinträchtigen könne. Dass die angegriffene Ausführungsform in diesem Sinne unempfindlich gegenüber UV-Licht sei, ergebe sich schon aus der deutschen Produktbeschreibung der Herstellerin. Die betreffende Herstellerangabe habe sich in von ihr – der Klägerin – durchgeführten Untersuchungen bestätigt (vgl. den Analysebericht gemäß Anlage K 11c), wobei die insoweit verwendeten Lampen UV-Licht ausstrahlten (vgl. das Emissionsspektrum gemäß Anlage K 23). Der Test der Beklagten gemäß Anlagen B7, 7a sei ungeeignet, da die Druckplatten – unstreitig – direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt worden seien. Die angegriffene Ausführungsform umfasse als Komponente zum Hervorrufen des Löslichkeitsunterschieds unter anderem eine hochmolekulare Verbindung, deren Löslichkeit in einem alkalischen Entwickler hauptsächlich durch eine Änderung, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet, veränderbar sei. Eine derartige nicht-chemische Änderung müsse nicht zwangsläufig eine Konformationsänderung sein. Anhand von sieben verschiedenen Analysetechniken, mittels derer sie die chemische Identität der angegriffenen Ausführungsform vor und nach Belichtung verglich, habe sich ergeben, dass die Belichtung keine chemische Änderung hervorrufe. Gerade die Kombination der verschiedenen Messmethoden, die jeweils verschiedene mögliche Änderungen offenbarten, schließe es aus, dass wesentliche Änderungen in der chemischen Zusammensetzung der fotoempfindlichen Schicht unentdeckt blieben. Insbesondere führe die Belichtung nicht zu einer Verringerung des Verhältnisses der Azoverbindungen. Diese Ergebnisse seien auch dadurch bestätigt wurden, dass sich in einem weiteren Test erwiesen habe, dass das Phänomen des „Verblassens des latenten Bildes“ auch bei der angegriffenen Ausführungsform auftrete, so dass diese der Formel B

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt, wobei sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.10.2011 ihren ursprünglichen Klageantrag, der auf eine Feststellung der Schadenersatzverpflichtung und entsprechend auf Verurteilung zur Auskunft/Rechnungslegung bereits für die Zeit seit dem 10.12.2004 gerichtet gewesen ist, teilweise zurückgenommen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Verletzungsvorwurf im Wesentlichen wie folgt entgegen: „Ultraviolettes Licht“ sei im Klagepatent entsprechend seinem allgemeinen physikalischen Bedeutungsgehalt so zu verstehen, dass ultraviolette Strahlung mit einem Wellenlängenbereich von 10 nm bis ca. 400 nm gemeint sei. Insbesondere sei das entsprechende klagepatentgemäße Verständnis nicht auf einen bestimmten Ausschnitt von Wellenlängenbereichen – etwa auf 300 nm bis 400 nm – eingeschränkt. Der Fachmann verstehe Unempfindlichkeit gegenüber UV-Licht im Hinblick auf den Stand der Technik so, dass erfindungsgemäße Druckplatten auch über längere Zeit unter direkter Sonnenbestrahlung zu bearbeiten sein müssten. Durch Lampen gemäß dem in Absatz [0115] des Klagepatents beschriebenen Sicherheitslichttest werde so gut wie gar kein UV-Licht ausgestrahlt, so dass sie nicht geeignet seien, eine Empfindlichkeit gegenüber UV-Licht zu testen. Aufgrund unterlassener Anpassungen der Beschreibung des Klagepatents im Anschluss an die – insoweit unstreitig – im Erteilungsverfahren erfolgte Einschränkung des ursprünglichen Anspruchs 1 des Klagepatents (siehe die ursprüngliche Patentanmeldung gemäß Anlage B 6), der – unstreitig – ursprünglich auch UV-empfindliche Druckplatten umfasste, seien eine Vielzahl der in der Beschreibung des Klagepatents beschriebenen Ausführungsbeispiele nicht mehr anspruchsgemäß. Der Fachmann erkenne vor diesem Hintergrund, dass der Sicherheitslichttest gemäß Absatz [0115] allein im Zusammenhang mit den nicht mehr beanspruchten Beispielen UV-empfindlicher Materialien stehen könne. Selbst wenn man das klägerische Verständnis von UV-Licht als richtig unterstelle, seien die betreffenden Anforderungen bei der angegriffenen Ausführungsform nicht erfüllt. Hierzu verweist die Beklagte auf den Untersuchungsbericht gemäß Anlagen B7, 7a; dieser sei realitätsnah, da auch in Fotolaboren direktes Sonnenlicht vorkomme, wenn man an offenem Fenster arbeite. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die weiteren Tests gemäß Anlagen B9, 9a sowie B 12. Die von der Klägerin zu Testzwecken eingesetzten Lampen emittierten kein UV-Licht. Weißes Licht aus Leuchtstoffröhren enthalte kein UV-Licht, weil bei den meisten weißen Leuchtstoffröhren Strahlung mit den Wellenlängen des UV-Lichts herausgefiltert werde. Die von der Klägerin durchgeführten Tests zwecks Ermittlung, ob eine Belichtung eine chemische Änderung zur Folge habe, seien ungeeignet; aufgrund der komplexen Mischung könne zwangsläufig nicht jede Änderung identifiziert werden. Insbesondere würden Säure-Base-Reaktionen durch die klägerischen Untersuchungen nicht erfasst. Die Klägerin müsse angeben, welche konkrete nicht-chemische Änderung bei der angegriffenen Ausführungsform zugrunde liege. Der in Absatz [0031] beschriebene Reversibilitätstest sei ungeeignet, da insbesondere der dort erwähnte Effekt auf reinen Vermutungen basiere. Die Abschnitte [0103] bis [0112] des Klagepatents lehrten den Fachmann, wie er (am besten) nachprüfen könne, ob eine nicht-chemische Änderung hauptursächlich sei. Dass dies nicht der Fall sei, ergebe sich anhand des von ihr vorgelegten Tests gemäß Anlagen B8, 8a; dessen Ergebnisse seien unabhängig vom eingesetzten Entwickler. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Tests gemäß Anlagen B 10 und B 12. Es entspreche der Lehre des Klagepatents, den verbleibenden Anteil der fotoempfindlichen Schicht genau und ausschließlich nach 30 Sekunden zu messen. Die Ergebnisse gemäß Anlage K 22 seien nicht aussagekräftig, weil der Test gemäß Absätzen [0103] ff. insoweit nicht korrekt durchgeführt worden sei. Wasserstoffbrücken würden in der Fachwelt durchaus als chemische Bindungen verstanden und besäßen in manchen Fällen sogar einen partiell kovalenten Charakter. Weder diese noch Konformationsänderungen seien mit den Analysemethoden der Klägerin nachweisbar.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Da die angegriffene Ausführungsform mittelbaren, wortsinngemäßen Gebrauch von der technischen Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents macht (§ 10 PatG) und zugleich die Voraussetzungen eines sog. Schlechthin-Verbotes vorliegen, stehen der Klägerin die aus dem Tenor näher ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu.

I.

Das Klagepatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung einer positiven fotoempfindlichen lithographischen Druckplatte unter Verwendung einer positiven fotoempfindlichen Zusammensetzung, die geeignet ist zur direkten Plattenherstellung mittels eines Halbleiter-Lasers oder eines YAG-Lasers.

Einleitend führt das Klagepatent aus, dass zusammen mit dem Fortschritt in der Bildbearbeitungs-Technologie durch Computer die Aufmerksamkeit auf ein fotoempfindliches oder wärmeempfindliches direktes Plattenherstellungssystem gerichtet wurde, bei welchem ein Resist-Bild direkt aus digitaler Bildinformation durch einen Laserstrahl oder einen Thermo-Schreibkopf ohne Verwendung einer Silbersalz-Markierungsschicht gebildet wird. Insoweit sollten Hochleistungs-Halbleiterlaser oder YAG-Laser zum Einsatz kommen, um die Größe des umgebenden Lichts während des Plattenherstellungsvorgangs zu verringern und die Herstellungskosten zu senken. Als herkömmliche Techniken, bei denen Laser-Fotoempfindlichkeit oder Wärmeempfindlichkeit zum Einsatz kommt, erwähnt das Klagepatent ferner: Bilderzeugungsverfahren mittels eines sublimierten Transferfarbstoffs und Herstellungsverfahren für lithografische Druckplatten mittels der Aushärtungsreaktion einer Diazoverbindung oder mittels der Abbaureaktion von Nitrozellulose.

An letzteren kritisiert das Klagepatent ebenso wie an weiteren in Absatz [0004] und Absatz [0005] wiedergegebenen Lösungen: Unter praktischen Gesichtspunkten seien deren Leistungen nicht angemessen. Üblicherweise erforderten sie einen zusätzlichen Hitzebehandlungsschritt; die Stabilität der Bildqualität sei dabei unzureichend. Soweit im Einzelfall dieser zusätzliche Schritt nicht vorgesehen sei, fehle es an der Angabe spezifischer Beispiele / Verfahren sowie an einem Tatsachenbeweis für den Erhalt eines positiven Bildes. Zudem sei das fotoempfindliche Material gegenüber ultraviolettem Licht empfindlich, so dass es notwendig sei, die Verfahrensweise unter Gelblicht, welches kein ultraviolettes Licht enthalte, auszuführen. Letzteres sei unter dem Gesichtspunkt der Betriebseffizienz problematisch.

An der weiterhin erwähnten US 5,491,XXX kritisiert das Klagepatent, dass dort kein Beispiel für ein positives Bild angegeben sei.

Ein derartiges Bild werde im Wesentlichen durch einen Löslichkeitsunterschied in einem Entwickler zwischen einem belichteten Teil und einem nicht belichteten Teil erzeugt. Damit ein derartiger Unterscheid hervorgerufen wird, sei es üblich gewesen, dass eine der Komponenten in der Zusammensetzung eine chemische Veränderung durchläuft, und zur Herbeiführung einer solchen chemischen Veränderung sei häufig ein Zusatzstoff erforderlich gewesen, wodurch das System kompliziert werde.

Wegen weiterer Angaben des Klagepatents zum Stand der Technik im Einzelnen wird auf Absätze [0010] bis [0017] Bezug genommen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent unter anderem die Teilaufgaben (siehe Absätze [0021] und [0023]), ein Verfahren zur Herstellung einer positiven fotoempfindlichen Druckplatte vorzusehen,

– das zu einer Druckplatte führt, welche hinsichtlich ihrer Konstruktion einfach ist, welche zur direkten Aufzeichnung z.B. mittels eines Halbleiter-Lasers oder eines YAG-Lasers geeignet ist und welche eine hohe Empfindlichkeit sowie eine hervorragende Aufbewahrungsstabilität besitzt;

– welches kein Vorgehen unter Gelblicht erfordert, wodurch die Vorgehensweise unter gewöhnlichem weißem Licht, enthaltend ultraviolettes Licht, durchgeführt werden kann.

Wegen weiterer Teilaufgaben bzw. Ziele der Erfindung wird auf die Absätze [0020], [0022] und [0023] des Klagepatents Bezug genommen.

Zur Lösung dieser technischen Probleme schlägt der Anspruch 1 des Klagepatents in der vorliegend geltend gemachten Fassung folgendes Verfahren vor:

1. Das Verfahren zur Herstellung einer lithographischen Druckplatte umfasst einen Schritt des Scannens und Belichtens einer positiven fotoempfindlichen lithographischen Druckplatte.

2. Die positive fotoempfindliche Druckplatte verfügt über eine positive fotoempfindliche Zusammensetzung.

3. Die positive fotoempfindliche Zusammensetzung

a. weist keine Fotoempfindlichkeit gegenüber ultraviolettem Licht auf,

b. weist einen Löslichkeitsunterschied in einem alkalischen Entwickler zwischen einem belichteten und einem unbelichtetem Teil auf,

c. umfasst als Komponenten zum Hervorrufen des Löslichkeitsunterschiedes

aa. einen lichtabsorbierenden Farbstoff mit einem Absorptionsfrequenzbereich, welcher einen Teil oder die Gesamtheit des Wellenlängenbereichs von 650 bis 1.300 nm abdeckt, als fotothermisches Umwandlungsmaterial, und

bb. eine hochmolekulare Verbindung, deren Löslichkeit in einem alkalischen Entwickler hauptsächlich durch eine Änderung, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet, veränderbar ist.

4. Die positive fotoempfindliche Zusammensetzung ist auf einem Träger ausgebildet.

5. Die Belichtung erfolgt mittels einer Lichtstrahlung,

a. welche eine Lichtintensität von mindestens 2x 106 mJ/s . cm2 aufweist,

b. die zur Ausbildung eines Bildes durch die hochmolekulare Verbindung ausreicht.

II.

1.
Wie zwischen den Parteien zu Recht unstreitig ist, erweist sich die angegriffene Ausführungsform als objektiv geeignet im Hinblick auf die erfindungsgemäßen Anforderungen des gelehrten Verfahrens, soweit es um die Merkmale 1, 2, 3b), 3c) aa), 4 und um die Merkmalsgruppe 5 geht, so dass insoweit nähere Ausführungen der Kammer entbehrlich sind. Allerdings besteht die entsprechende objektive Eignung im Sinne von § 10 PatG auch im Hinblick auf die technischen Anforderungen gemäß Merkmalen 3a) und 3c) bb).

a)
Laut Merkmal 3a) weist die positive fotoempfindliche Druckplatte keine Fotoempfindlichkeit gegenüber ultraviolettem Licht auf.

„Keine Fotoempfindlichkeit“ bedeutet, dass eine bestimmte Lichtart nicht in der Lage ist, eine unerwünschte Belichtung der Druckplatte durchzuführen, weil sie trotz Absorption keine chemische Wirksamkeit hervorruft bzw. nicht in Wärme umgewandelt werden kann. Dem Klagepatent geht es im Merkmal 3a) gerade um eine entsprechende Unempfindlichkeit der Zusammensetzung gegenüber UV-Licht. Fehlende Fotoempfindlichkeit gegenüber UV-Licht versteht der Fachmann in der Weise, dass die Druckplatte unempfindlich ist gegenüber UV-Licht, das in natürlichem oder künstlichem Umgebungslicht, wie es in Druckereien üblicherweise vorherrscht, enthalten ist, so dass sich ein Arbeiten unter Gelb- bzw. Sicherheitslicht erübrigt.

aa)
Zwar gehörte es unstreitig zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns (unstreitig ein Diplom-Chemiker oder -Physiker, der mit Herstellung von Materialien für die Fotografie vertraut ist und über Kenntnisse/Erfahrungen verfügt, wie sich diese Materialien auf die Herstellung von Druckplatten übertragen lassen) im Zeitpunkt der Priorität des Klagepatents, dass UV-Licht eine Wellenlänge von 10 nm bis zumindest 380 nm (die Klägerin lässt offen, ob nicht sogar bis 400 nm) hat, während sichtbares Licht einen Wellenlängenbereich von 380 bis 780 nm hat und dann in Infra-Rot-Licht übergeht.

Gleichwohl erkennt der Fachmann, dass sich dieses allgemeine Verständnis von UV-Licht entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht mit dem allein maßgeblichen technischen Wortsinn, wie er dem Klagepatent immanent ist, deckt. Anerkanntermaßen stellt ein Patent nämlich sein eigenes Lexikon dar (BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig). Zunächst ist der Beklagten in ihrer Prämisse zu widersprechen, der Patentanspruch 1 gebe zwingende Zahlenangaben in Bezug auf die erfassten Wellenlängen vor. Ersichtlich fehlt es insoweit – wie auch die Beklagte ihrerseits einräumt – an einer ausdrücklichen Zahlenangabe. Aber auch mittelbar enthält der Anspruch keine zahlenmäßigen Vorgaben in Bezug auf Lichtwellenlängen, gegenüber denen Unempfindlichkeit gegeben sein soll. Das gilt selbst in Anbetracht des Umstandes, dass der Anspruch andernorts (vgl. Merkmal 3c)aa)) in anderem Kontext bezifferte Anforderungen an Lichtwellenlängen postuliert. Daraus wird der Fachmann nicht den Umkehrschluss ziehen, dass hinsichtlich UV-Licht deshalb der gesamte Wellenlängenbereich gemeint sei, der entsprechend seinem allgemeinen Fachwissen darunter fallen würde. Der Fachmann versteht das Merkmal 3a nicht losgelöst vom Anspruch, sondern betrachtet es im Kontext mit der gesamten technischen Lehre des Klagepatents, welches die Herstellung von Druckplatten betrifft. Der Fachmann wird den vorerwähnten Umkehrschluss schon deshalb a priori verwerfen, weil es – unstreitig – ebenso Gegenstand seines allgemeinen Fachwissens ist, dass jedwedes Licht mit einer Wellenlänge bis 200 nm von der Erdatmosphäre absorbiert wird. Wellenlängen in jenem Bereich wird der Fachmann im Rahmen der Auslegung des Klagepatents daher sogleich als irrelevant ausschließen. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass jegliches organisches Material von Licht mit Wellenlängen von 10 nm zerstört würde. Aufgrund dieses fachlichen Bewusstseins erkennt der Fachmann spätestens, dass hier – wie stets – keine rein philologische Auslegung des Anspruchs vorgenommen werden darf. Ansonsten würde das Klagepatent technisch nicht erfüllbare Anforderungen stellen, denen insbesondere keines der bevorzugten Ausführungsbeispiele des Klagepatents genügen würde.

bb)
Zudem sprechen folgende Passagen der Beschreibung des Klagepatents, die bei der Auslegung des Klagepatents zu berücksichtigen sind (Art. 69 EPÜ), für die Maßgeblichkeit des oben wiedergegebenen Verständnisses von UV-Licht:

Im Zusammenhang mit der Kritik des Klagepatents am Stand der Technik und den damit verbundenen Problemen im Zusammenhang mit der Tageslichtstabilität erkennt der Fachmann den Vorteil der Erfindung u.a. darin, dass das klagepatentgemäße Verfahren eine Bearbeitung unter Gelblicht (Sicherheitslicht) entbehrlich macht. Zunächst erfährt der Fachmann allgemein im Absatz [0002] des Klagepatents, dass es bei Bildung von Resist-Bildern direkt aus digitaler Bildinformation durch einen Laserstrahl u.a. auf den „Gesichtspunkt des umgebenden Lichts während des Plattenherstellungsvorgangs“ ankommt. Sodann wird im Absatz [0006] des Klagepatents hinsichtlich vorbekannter Druckschriften kritisiert, dass deren fotoempfindliches Material ebenfalls empfindlich gegenüber ultraviolettem Licht sei; es sei daher insoweit notwendig, die Verfahrensweise unter Gelblicht, welches kein UV-Licht enthält, auszuführen. Dies sei unter dem Gesichtspunkt der Betriebseffizienz problematisch. Ebenfalls wird der im Absatz [0012] des Klagepatents genannte Stand der Technik kritisiert, weil er u.a. empfindlich gegenüber UV-Licht sei. Selbiges gilt in Bezug auf den Stand der Technik gemäß Absätzen [0013] und [0017] des Klagepatents.

Diese Kritik mündet in die in Absatz [0021] des Klagepatents formulierte Teilaufgabe, wonach es ein (weiteres) Ziel der Erfindung sei, ein Verfahren bereitzustellen, bei dem kein Vorgehen unter Gelblicht erforderlich ist, wodurch die Vorgehensweise unter gewöhnlichem weißem Licht, enthaltend ultraviolettes Licht, durchgeführt werden kann. Hier kommt zum einen (negativ) die Abgrenzung zu Gelblicht zum Ausdruck. Zum anderen wird die Eignung für eine Bearbeitung bei weißem Licht, das (inzident) UV-Licht enthält, positiv hervorgehoben.

In Absatz [0034] des Klagepatents wird ausgeführt, dass schwache UV-Strahlung in Weißlicht enthalten sein kann. Zudem heißt es in Absatz [0058] des Klagepatents, dass fotoempfindliches Material, welches für den Betrieb während einer langen Zeitdauer in einer Weißlichtumgebung stabil ist, unter praktischen Gesichtspunkten einen wesentlichen Nutzen bringe.

cc)
Soweit die Beklagte demgegenüber auf die Druckplatte „E“ von F (Anlage B1) verweist, veranlasst deren Ausgestaltung nicht zu einem abweichenden Begriffsverständnis.

Im Hinblick darauf, dass auch die Klägerin diese Druckplatte als – im Absatz [0004] des Klagepatents – gewürdigten Stand der Technik betrachtet, handelt es sich zwar um relevantes Auslegungsmaterial. Indes spricht die technische Ausgestaltung dieser vorbekannten Druckplatte ebenfalls für – und nicht etwa gegen – die Richtigkeit der hiesigen Auslegung. Denn die betreffende Platte war gerade nicht unter normalem, weißglühendem oder fluoreszierendem Licht bearbeitbar. Dafür spricht zunächst, dass F insoweit gerade eine Bearbeitung unter Gelblicht empfahl (vgl. Anlagen K 17, K 18). Erst ein späteres Modell (G) wurde von F als bei vollem Tageslicht handhabbar eingestuft (vgl. Anlagen K 19 und K 20).

dd)
Im Ergebnis gilt Entsprechendes auch in Bezug auf den Stand der Technik, wie er sich aus dem „Lehrbuch der Druckindustrie“ aus dem Jahre 1990 (Anlage K 15) ergibt. Da die Parteien den entsprechenden Inhalt dieses Lehrbuches übereinstimmend als allgemeines Fachwissen im Prioritätszeitpunkt ansehen, kommt auch diesem Relevanz für die Auslegung des Klagepatents zu. Allerdings ist auch in Anbetracht dieses Standes der Technik keine engere Auslegung des Klagepatents im Sinne der Beklagten geboten, wie sich aufgrund folgender Gründe ergibt:

Es heißt in Anlage K 15, S. 95, linke Spalte, 3. Absatz, dass die betreffenden Druckplatten gegenüber Licht mit Wellenlängenbereichen von 340 nm – 500 nm empfindlich sind. Es wird sogar empfohlen, gelbe Leuchtstoffröhren einzusetzen oder die Blenden von Leuchtstoffröhren mit gelb-orangen Kunststoffteilen auszulegen. Allein im Notfall sollen andere Leuchtstoffröhren zum Einsatz kommen, während für eine längere Bearbeitung Gelbraum-Beleuchtung unerlässlich sei (K 15, S. 95, linke Spalte, 5. Abs.; vgl. auch Abb. 8.1 in K 15, auch als Anlage K 15 A vorgelegt). Ferner reagieren die betreffenden Druckplatten auch auf indirekt einfallendes Tageslicht empfindlich (siehe K 15, S. 95, rechte Spalte, 1. Abs.); es werden sogar explizit Schutzmaßnahmen nahegelegt.

ee)
Auch der Einwand der Beklagten, die Beschreibung des Klagepatents enthalte allein deshalb (noch) Angaben zu Tests mit Weißlicht, weil die Beschreibung nicht daran angepasst worden sei, dass ursprünglich auch noch UV-empfindliche Platten Gegenstand der Anmeldung waren, verfängt nicht. Die oben wiedergegebenen Passagen zum Stand der Technik und zur Aufgabenstellung betreffen die allgemeine technische Lehre, wie sie Gegenstand des jetzigen Anspruchs 1 des Klagepatents, das von der Existenz von inzidentem UV-Licht in Weißlicht ausgeht, ist. Insofern ist kein Widerspruch zwischen den maßgeblichen Beschreibungspassagen und den Ansprüchen des Klagepatents zu erkennen, so dass sich schon im Ansatz nicht die Frage stellt, ob erstere für die Auslegung des Klagepatents herangezogen dürfen (vgl. dazu BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung). Entgegen der Ansicht der Beklagten lassen sich der Anspruch und die Beschreibung ohne Weiteres in einem technisch sinnvollen, übereinstimmenden Sinne verstehen, indem – insbesondere im Einklang mit der Aufgabenstellung in Absatz [0021] – nur solche UV-Wellenlängen als relevant angesehen werden, wie sie üblicherweise in Druckereien vorherrschen.

Soweit die Beklagte einwendet, das Merkmal 3 sei ursprünglich nur im abhängigen Anspruch 9 enthalten gewesen, der so formuliert war, dass es „having substantially no photosensivity to ultraviolet light“ hieß, ist auch das unerheblich. Abgesehen davon, dass Hergänge des Erteilungsverfahrens grundsätzlich im Verletzungsrechtsstreit nicht berücksichtigt werden können (BGH, GRUR 2002, 511 – Kunststoffrohrteil), ergibt sich aus den vorerwähnten Gründen auch unter Berücksichtigung des neuen, eingeschränkten Anspruchs 1, dass nicht jegliches UV-Licht gemeint sein kann, wenn dieser nicht mehr die Einschränkung „substantially“ aufweist.

Unerheblich ist auch der Hinweis auf den unstreitigen Umstand, dass große Teile der Beschreibung nicht mehr passten, weil ursprünglich auch noch UV-licht-empfindliche Platten (vgl. S. 37, Z. 18 – 23 der ursprünglichen Anmeldung in Anlage B 6) gelehrt worden waren. Es kann unterstellt werden, dass die Beispiele 1 – 19, 36, 50 – 52 und 78 und überwiegend Bsp. 17 nicht erfindungsgemäß sind und Beispiele 44 – 46 Belichtungen unter Gelblicht betreffen. Insoweit weist die Klägerin aber zu Recht darauf hin, dass die nunmehr gelehrte, eingeschränkte Fassung den in der allgemeinen Beschreibung genannten wünschenswerten Vorteilen (siehe oben) entspricht, so dass es auf die betreffenden Passagen für die Auslegung nicht entscheidend ankommt. Zudem hat auch das Bundespatentgericht in seinem Urteil im Nichtigkeitsverfahren entschieden, dass der Schluss darauf, aufgrund des Umstandes, dass in manchen Beispielen Platten unter Gelblicht behandelt werden, könnten diese allein unter Gelblicht bearbeitet werden, nicht durchgreife (siehe Anlage K 1, S. 15).

ff)
Gegen das hier angenommene Verständnis des Klagepatents von „UV-Licht“ in dem Sinne, dass entsprechende Fotoempfindlichkeit nur insoweit ausgeschlossen sein muss, als es um Lichtbedingungen geht, wie sie normalerweise in einer Druckerei vorherrschen, sprechen auch nicht die folgenden Argumente der Beklagten:

aaa)
Nach Absatz [0121] wird das Ziel gemäß Absatz [0021] des Klagepatents durch die gelehrte Druckplatte erreicht. Wie die Beklagte selbst einräumt, ist Absatz [0021] so zu verstehen, dass der Verzicht auf eine Bearbeitung unter Gelblicht so zu interpretieren ist, dass das Verfahren unter weißem Licht, enthaltend UV-Licht, ausgeführt werden kann (vgl. S. 10 unten, 11 oben der Replik). Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich daraus jedoch gerade nicht, dass insoweit das gesamte Wellenlängenspektrum von UV-Licht eingeschlossen sei. Der betreffende Absatz spricht insbesondere nicht explizit von UV-Licht mit kürzeren Wellen.

bbb)
Nicht überzeugend ist auch der Hinweis der Beklagten darauf, wonach das Klagepatent objektiv mehr leisten wolle als eine (bloße) Unempfindlichkeit gegenüber UV-Licht in seiner mit vorliegendem Urteil vertretenen Bedeutung: Zwar würde (theoretisch!) auch eine Druckplatte das Klagepatent verletzen, die unempfindlich ist gegenüber UV-Licht mit einer Wellenlänge von 10 nm – 200 nm oder mit Wellenlängen, wie sie zwar auf der Erde, jedoch (zumindest üblicherweise) nicht in Druckereien vorherrschen. Indes macht das Klagepatent keine derartige zwingende Vorgabe. In jedem Falle wären – die Richtigkeit des Verständnisses der Beklagten einmal unterstellt – Druckplatten, die unempfindlich gegenüber UV-Licht sind, wie es in Druckereien üblicherweise herrscht, als sog. „verschlechterte Ausführungsformen“ anzusehen, da sie zumindest in hinreichender Weise von dem Erfindungsgedanken Gebrauch machen und dessen Vorteile im Wesentlichen erzielen; das reicht bereits für die Bejahung einer wortsinngemäßen Verletzung. Der Absatz [0021] gibt insoweit vor, welchen Vorteil die Erfindung (subjektiv) zumindest erzielen soll und diese Vorgabe hält die Erfindung auch objektiv ein (vgl. zu dieser Anforderung BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung).

gg)
Auch die Absätze [0113] ff. des Klagepatents, die sich mit Sicherheitslichteigenschaften beschäftigen, lassen sich für die obige Auslegung anführen:

Als Nachweis wird in Absatz [0115] ein Test genannt, der als „safe light property“ bezeichnet wird und bei dem eine Platte über 5 Stunden durch zwei weiße Lampen von 40 W belichtet wird. Diese Testprozedur belegt ebenfalls, dass es dem Klagepatent gerade nicht um eine Unempfindlichkeit gegenüber jeder Art von UV-Licht geht, sondern solches UV-Licht, das inzident in Weißlicht enthalten ist und wie es unter normalen Arbeitsbedingungen in einer Druckerei vorkommt.

Ohne Erfolg wendet die Beklagte diesbezüglich ein, die betreffenden Lampen sendeten kein (nennenswertes) UV-Licht aus. Der von ihr in diesem Zusammenhang herangezogene Lexikonauszug gemäß Anlage B 5 gibt gerade nicht her, dass die im Test verwendeten Lampen überhaupt kein UV-Licht ausstrahlten. Dagegen spricht insbesondere die dortige Formulierung, dass „kaum UV-Licht“ nach außen strahle. Im Übrigen weist die Klägerin auch zu Recht darauf hin, dass die Anlage B 5 sich gerade nicht in spezifischer Weise mit der UV-Empfindlichkeit von Druckplatten beschäftigt. Soweit die Be-
klagte geltend macht, die vom Klagepatent vorgesehenen Testlampen des Typs H von I (vgl. Absatz [0087] des Klagepatents) emittierten kein UV-Licht und diesbezüglich auf den Katalogauszug gemäß Anlage B11, 11a verweist, verfängt dies nicht, weil dieser nicht auf die klagepatentgemäß vorgesehene Lampe bezogen ist. Während die Anlage B 11 nämlich eine Lampe des Typs J betrifft, bezieht sich das Klagepatent auf den Typ H. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung überzeugend widerlegen können, dass alle Lampen J die gleichen Eigenschaften hätten und insbesondere kein UV-Licht emittierten: Während die Lampe gemäß Anlage B11 einen Ra-Wert von 61 hat, beträgt jener der klagepatentgemäßen Lampe 84. Unwidersprochen hat die Klägerin zudem darauf aufmerksam gemacht, dass das Spektrum der klagepatentgemäßen Lampe anders ausfalle, weil sie einen anderen Phosphor verwende.

hh)
Das hier gewonnene Ergebnis zum erfindungsgemäßen Verständnis von UV-Licht steht im Einklang mit der Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren (Anlage K 1).

Zwar sind die einschlägigen Entscheidungsgründe des Bundespatentgerichts entgegen der Annahme der Klägerin nicht als Ersatz für nicht mehr passende frühere Beschreibungspassagen anzusehen. Denn dafür wäre es erforderlich, dass das Merkmal 3a) von einer teilweisen Änderung des ursprünglich erteilten Anspruch 1 gerade durch die Aufnahme von Unteransprüchen im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens betroffen wäre. Die hier relevanten Einschränkungen in Bezug auf das Merkmal 3a) erfolgten jedoch bereits im Erteilungsverfahren. Allerdings sind die betreffenden Entscheidungsgründe von der Kammer als sachverständige Stellungnahme zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 1998, 895, 896 – Regenbecken).

Auf Seite 13, Ziffer 2. des Urteils des BPatG wird als Aufgabe des Klagepatents u.a. hervorgehoben, dass „die Belichtung bei gewöhnlichem weißen Licht möglich sein soll…“. Nach dem Verständnis des Bundespatentgerichts geht das Klagepatent davon aus, dass in Weißlicht Ultraviolettstrahlungsanteile vorhanden sein können (S. 15 der Anlage K 1, mehrfach). Zudem sieht das Bundespatentgericht das Merkmal 3c)bb) als neuheitsschädlich vorweggenommen an durch eine Entgegenhaltung, die implizit offenbare, dass einfallende UV-Strahlung, welche sowohl Bestandteil von Sonnenlicht als auch künstlicher Lichtquellen sein kann und daher in Weißlicht vorkomme, die Löslichkeit der Beschichtungszusammensetzung nicht beeinflusse (Anlage K 1, S. 20 unten f. im Zusammenhang mit der D1 (WO 97/39XXX) bzw. deren prioritätsbegründenden Anmeldungen).

ii)
Das mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 15.11.2011 übersandte Gutachten des vom Bundesgerichtshof im Nichtigkeitsverfahren beauftragten Sachverständigen Prof. K gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Auslegung. Die von der Beklagten herangezogene Passage auf S. 7, Mitte, des Gutachtens bezieht sich auf die japanische, in Absatz [0010] des Klagepatents erwähnte Patentschrift S56-69XXXA, welche der Kammer nicht (in deutscher Übersetzung) vorliegt, so dass die Kammer nicht beurteilen kann, was dort mit „Tageslichtvereinbarkeit“ gemeint ist. In der ferner von der Beklagten in Bezug genommenen Passage auf S. 16, unteres Drittel, dieses Gutachtens geht es um „kontrolliertes Kunstlicht“, wobei dieses gerade nicht mit dem vom Klagepatent genannten „Weißlicht, enthaltend UV-Licht“ gleichgesetzt wird.

jj)
Ausgehend von vorstehender Auslegung genügt die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß den Anforderungen des Merkmals 3a).

aaa)
Diese Feststellung lässt sich zum einen auf den von der Klägerin durchgeführten Test gemäß Absatz [0115] des Klagepatents, der – wie oben erläutert – zum Nachweis der Voraussetzungen des Merkmals 3a) geeignet ist, stützen (Anlage K 11, Ziffer 28 – 31, Ziffer 53; K 11b, S. 16 f.; K 11c, S. 8).

Entgegen der Einwendung der Beklagten hat die Klägerin die in Absatz [0115] des Klagepatents vorgegebene Testprozedur in technisch korrekter Weise umgesetzt. Der im Haupttermin überreichten Anlage K 26, die nachfolgend auszugsweise eingeblendet ist (nämlich, soweit dort das Spektrum der von der Klägerin eingesetzten Lampe (vgl. dazu auch Anlage K 23) über dasjenige der klagepatentgemäßen Testlampe gelegt ist), ist zu entnehmen, dass beide Lampen u.a. Licht mit einer Wellenlänge von weniger als 400 nm – mithin UV-Licht – ausstrahlen. Ausweislich der Anlage K 23 befindet sich bei der Testlampe der Klägerin eine erste Emissionsspitze bei 368 nm, mithin im UV-Licht-Bereich. Jedenfalls weist das Spektrum der eingesetzten Testlampe mindestens soviel UV-Licht wie jenes der klagepatentgemäßen Lampe (vgl. Absatz [0115]) auf.

bbb)
Zum anderen verweist die Klägerin zu Recht auch auf die Werbeaussage der chinesischen Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform, welche diese in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform abgab (Anlage K 7): Danach ist diese „tageslichtstabil“. Soweit die Beklagte diese Herstellerangabe dadurch zu relativieren versucht, dass ohne Schutzvorrichtung nur eine kurzfristige Handhabung in einer Druckerei möglich sei, überzeugt das nicht. Eine derartige Einschränkung ergibt sich aus dem Wortlaut der Anlage K 7 gerade nicht. Soweit die Beklagte wiederum einwendet, in Druckereien herrsche gar kein bzw. kaum UV-Licht vor, steht dies im Widerspruch zu ihrer vorgenannten Einschränkung, die laut der Beklagten angeblich in Bezug auf das Verständnis der Herstellerangabe geboten sein soll. Wenn das richtig wäre, würde eine entsprechende Einschränkung überhaupt keinen Sinn ergeben.

ccc)
Die Ergebnisse der eigenen Tests der Beklagten sind nicht erheblich gegenüber dem Verletzungsvorwurf:

Das gilt hinsichtlich des Tests gemäß Anlage B 7 zunächst deshalb, weil die angegriffene Ausführungsform hierbei direktem Sonnenlicht ausgesetzt wurde und demgemäß evident keine üblicherweise in Druckereien herrschenden Verhältnisse zugrunde lagen – und zwar selbst dann nicht einmal, wenn man zugunsten der Beklagten annimmt, dort werde zuweilen bei geöffnetem Fenster gearbeitet.

Zudem kritisiert die Klägerin zu Recht am Test gemäß Anlage B 7, dass keine vorherige Entwicklung der getesteten Platten vorgenommen wurde.

ddd)
In Bezug auf den Test gemäß Anlage B 9 hat die Klägerin unwidersprochen vorgebracht, der dort zum Einsatz gekommene UV-Plattenbelichter sei intensiver als eine direkte Sonneneinstrahlung. Dementsprechend ist dieser Test erst recht nicht geeignet, dem Verletzungsvorwurf die Berechtigung zu nehmen, da ersichtlich keine Verhältnisse zugrundelagen, die der hier vertretenen Auslegung des Merkmals 3a) entsprechen.

eee)
Schließlich ist der Test gemäß Anlage B 12 – soweit auf das Merkmal 3a) bezogen – nicht geeignet, die Berechtigung des Verletzungsvorwurfs zu entkräften. Denn er unterliegt im Ergebnis den gleichen Bedenken wie der Test gemäß Anlage B7. Auch in diesem Test prüft die Beklagte Unempfindlichkeit der angegriffenen Ausführungsform gegenüber UV-Licht, wie es im Sonnenlicht enthalten ist. Nach der hier vertretenen Auslegung des Merkmals 3a) kommt es aber bloß auf eine Unempfindlichkeit gegenüber in Weißlicht enthaltenem UV-Licht an. Solches UV-Licht weist ein Spektrum mit höheren Wellenlängen als die maximal 330 nm im Test gemäß Anlage B 12 auf. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, inwiefern das Testergebnis gemäß Anlage B 12 ggf. dadurch beeinflusst wurde, dass auch IR-Strahlung auf die Platte einwirkte.

b)
Nach Merkmal 3c)bb) umfasst die positive fotoempfindliche Zusammensetzung eine hochmolekulare Verbindung, deren Löslichkeit in einem alkalischen Entwickler hauptsächlich durch eine Änderung, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet, veränderbar ist.

aa)
Das Merkmal 3c)bb) setzt eine Veränderbarkeit der Löslichkeit der hochmolekularen Verbindung in einem alkalischen Entwickler voraus, die hauptsächlich auf eine Veränderung zurückzuführen ist, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet. Anders formuliert, d.h. positiv ausgedrückt, bedeutet das, dass die Veränderbarkeit der Löslichkeit hauptsächlich auf eine nicht-chemische Änderung zurückzuführen sein muss. Insoweit stimmen die Parteien zu Recht darin überein, dass der Fachmann „nicht-chemisch“ im Sinne von „physikalisch“ versteht.

Der Fachmann erkennt, dass das Merkmal 3c)bb) der Lösung des im Absatz [0009] des Klagepatents angesprochenen Problems gewidmet ist: Dort ist ausgeführt, dass ein Bild im Wesentlichen durch einen Löslichkeitsunterschied in einem Entwickler zwischen einem belichteten Teil und einem nicht belichteten Teil erzeugt wird. Im Stand der Technik war es üblich, diesen Unterschied dadurch hervorzurufen, dass eine der Komponenten in der Zusammensetzung eine chemische Veränderung durchläuft. Zur Herbeiführung einer solchen chemischen Veränderung wurde häufig ein Zusatzstoff – z.B. ein Foto-Säuregenerator, ein Radikal-Initiator, ein Vernetzungsmittel oder ein Sensibilisator – eingesetzt. Das Klagepatent kritisiert daran, dass das System dadurch zu kompliziert werde. Damit korrespondiert die in Absatz [0019] des Klagepatents enthaltene Zielvorgabe, dass erfindungsgemäß eine Druckplatte „hinsichtlich ihrer Konstruktion einfach“ sein soll.

Demgemäß genügt für die wortsinngemäße Verwirklichung des Merkmals 3c)bb) jede Lösung, bei der die Veränderbarkeit der Löslichkeit hauptsächlich durch eine nicht-chemische – also physikalische – Änderung erfolgt, weshalb der Fachmann auf die ihm geläufigen Unterschiede zwischen chemischen und physikalischen Phänomenen abstellen wird. Das Wort „hauptsächlich“ bringt dabei zum Ausdruck, dass erfindungsgemäß teilweise auch noch chemische Änderungen an der Veränderung der Löslichkeit beteiligt sein dürfen, solange nur der Schwerpunkt auf einer nicht-chemischen Änderung liegt. Zu widersprechen ist der Beklagten demgemäß in ihrer Annahme, es dürfe überhaupt keine chemische Änderung mehr als betreffende Ursache zugrundeliegen.

Was das Klagepatent beispielsweise und nicht etwa abschließend unter einer chemischen Änderung versteht, ergibt sich anhand des im Absatz [0028] geschilderten Standes der Technik: Hinsichtlich des dort beschriebenen Systems nimmt der Erfinder an, dass nach Bestrahlung mit UV-Licht die Diazo-Einheit unter letztendlicher Bildung von Carbonsäure zersetzt wird, wodurch die Alkalilöslichkeit des Harzes zunimmt, so dass lediglich der belichtete Bereich sich in einem alkalischen Entwickler auflöst. Nach dem ebenfalls erwähnten JP `XXX trägt der fotozersetzbare Abbau des Oniumsalzes zur Löslichkeit des Harzes bei. In Absatz [0029] des Klagepatents heißt es, dass das klagepatentgemäße Verfahren unter Verwendung einer fotoempfindlichen Zusammensetzung fähig ist zur Ausbildung eines positiven Bildes mit einem sehr einfachen System eines fotothermischen Umwandlungsmaterials und eines alkalilöslichen Harzes, wobei „keine chemische Änderung erwartet wird“. Als Erklärung für den vorbeschriebenen Effekt des Klagepatents wird seitens des Erfinders „in Betracht gezogen“ (siehe Absatz [0030] des Klagepatents), dass durch das fotothermische Umwandlungsmaterial absorbierte Lichtenergie in Wärme umgewandelt wird, und das alkalilösliche Harz in dem Teil, der der Wärme unterzogen wird, einer anderen Änderung als einer chemischen Änderung unterliegt, wodurch die Alkalilöslichkeit in diesem Teil zunimmt. Als konkretes, für eine Erklärung denkbares Beispiel wird eine Konformationsänderung genannt. Das Klagepatent räumt indes selbst ein, dass das Phänomen nicht vollkommen verstanden sei und hält allein fest, dass ein solcher Effekt hauptsächlich einer von einer chemischen Änderung verschiedenen Änderung zuzuschreiben sei (Absatz [0031] des Klagepatents). Es wird insoweit im Klagepatent „vermutet“, dass der Effekt beispielsweise aus einem reversiblen Phänomen herrühre, so dass die Alkalilöslichkeit des belichteten Teils häufig zu einem Zustand zurückkehre, der dem Zustand vor der Belichtung nahekomme. Die Erfindung verwende eine positive fotoempfindliche Zusammensetzung, umfassend ein fotothermisches Umwandlungsmaterial und ein alkalilösliches Harz, welche eine Charakteristik aufweise, die darin bestehe, dass die Alkalilöslichkeit nach Erwärmen des belichteten Teils kleiner ist als die Löslichkeit in einem alkalischen Entwickler an einem belichteten Teil der Zusammensetzung (A).

In den Referenzbeispielen ab Absatz [0103] ff. des Klagepatents wird die Verschiedenheit der Erfindung von dem herkömmlichen, ein Positivbild erzeugenden Mechanismus, der auf einer fotochemischen Änderung beruht, damit begründet, dass das Phänomen der erhöhten Löslichkeit eines Teils, das einem Laser ausgesetzt wurde, durch Wärmebehandlung ohne Weiteres vermindert werde oder verschwinde. Als Erklärung führt das Klagepatent einen thermophysikalischen Veränderungsmechanismus an, der von einer fotochemischen Veränderung verschieden sei (Abschnitt [0112]).

Zusammenfassend erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent anspruchsgemäß jede physikalische Änderung genügen lässt, die hauptsächlich für die veränderte Löslichkeit sorgt. Es wird insbesondere keine abschließende Vorgabe gemacht, welcher konkreten Natur die hauptsächliche wirkende physikalische Änderung zu sein habe. Das Klagepatent bzw. dessen Erfinder kennt die genauen technischen Zusammenhänge nicht einmal. Letzteres ist (unter dem Gesichtspunkt der Erteilungsfähigkeit) auch unschädlich, da Gegenstand eines Patents nicht etwa auch die theoretische Begründung für eine Lehre zum technischen Handeln zu sein braucht (vgl. BGH, GRUR 1994, 357 (358) – Muffelofen). Insbesondere ist die Lehre des Klagepatents nicht auf den – lediglich im Rahmen eines Ausführungsbeispiels als Erklärung vermuteten – reversiblen Effekt beschränkt. Eine entsprechende Reversibilität kann die Voraussetzungen erfüllen, ist aber nicht zwingend erforderlich, stellt mithin eine hinreichende, keineswegs aber notwendige Bedingung für die Verwirklichung des Merkmals 3c)bb) dar.

bb)
Grundsätzlich obliegt es der Klägerin, alle Voraussetzungen eines Anspruchsmerkmals darzutun / zu beweisen, da es sich um anspruchsbegründende Tatsachen handelt.

aaa)
Zwar hat die Klägerin keine konkrete physikalische Wirkung als Ursache der veränderten Löslichkeit bei der angegriffenen Ausführungsform vorgetragen. Insoweit hat sie nämlich allenfalls die Vermutung aufgestellt (vgl. Anlage K 11, S. 9, unter Nr. 43), dass eine Spaltung von Wasserstoffbrücken zugrunde liege.

Sie hat jedoch ihrer entsprechenden Darlegungslast, zu der es vorliegend auch gehörte, aufzuzeigen, dass die Veränderung der Löslichkeit auf eine nicht-chemische Änderung zurückzuführen ist, jedenfalls dadurch genügt, dass sie Untersuchungen mit sieben verschiedenen Analysetechniken vorlegte (vgl. die entsprechende Schlussfolgerung gemäß Anlage K 11c, S. 9), mit denen alle in Betracht kommenden chemischen Ursachen ausgeschlossen wurden, wobei die chemische Identität der angegriffenen Ausführungsform vor und nach einer Belichtung verglichen wurde. Diese Art der Darlegung in Form eines Ausschlussverfahrens in Bezug auf (ernstlich) in Betracht kommende chemische Hauptursachen für den betreffenden Effekt stellt eine zulässige und hinreichende Darlegungsvariante dar. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Anspruch selbst insoweit „negativ“ formuliert ist, indem gerade nicht positiv eine physikalische Hauptursache postuliert wird, sondern lediglich vorgegeben wird, dass „… die Löslichkeit … hauptsächlich durch eine Änderung, die sich von einer chemischen Änderung unterscheidet, veränderbar ist“.

Die betreffenden Untersuchungen der Klägerin lassen die tatrichterliche Feststellung zu, dass die Anforderungen des Merkmals 3c)bb) durch die angegriffene Ausführungsform erfüllt sind. Es ist der Klägerin nämlich gelungen, sämtliche denkbaren chemischen Ursachen, die als Erklärung in Betracht kämen und von der Beklagten im Rahmen der sie treffenden sekundären Behauptungslast vorgetragen wurden, überzeugend zu widerlegen.

– Die Klägerin hat zum einen die schon vorgerichtlich eingewandte, vermeintliche Änderung der Diazo-Verbindung schlüssig widerlegt (vgl. dazu K 11, S. 6). Dem ist die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr entgegen getreten.

– Auch der Einwand der Beklagten, wonach die Analysen der Klägerin keine (schwer zu ermittelnden) Säure-Base-Änderungen erfassten, verfängt nicht. Der Hinweis darauf, dass die Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform neben Novolak auch Amine enthalte, wobei erstere als Säure und letztere als Basen wirken könnten und als Abgabe eines Protons sei dann der Übergang des Protons von der OH-Gruppe auf den Amin-Stickstoff zu verstehen, lässt bereits nicht erkennen, wie sich das auf die Löslichkeit auswirken sollte. Jedenfalls verhält es sich im Refernzbeispiel 21 des Klagepatents ebenfalls so, dass Novolak und Triphenylamin enthalten sind, wobei in diesem Zusammenhang gerade eine nicht-chemische Änderung veranschaulicht werden soll.

– Weitere konkrete Einwände in Richtung einer hauptsächlich nicht-chemischen Änderung nennt die Beklagte – trotz entsprechender Nachfrage der Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung – nicht. Insbesondere hat sie nicht konkret die Behauptung aufgestellt, dass es sich gerade bei der angegriffenen Ausführungsform so verhalte, dass es zur Entstehung / Brechung von Wasserstoffbrücken komme. Aufgrund dessen muss nicht entschieden werden, ob – wie die Beklagte meint – dies als ein chemisches und nicht etwa als ein physikalisches Phänomen anzusehen wäre.

bbb)
Der Test der Beklagten gemäß Anlagen B 8, 8a ist nicht geeignet, die vorstehenden Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Denn er widerspricht den Vorgaben der Abschnitte [0103] ff. des Klagepatents jedenfalls insoweit, als dass die dabei verwendete Platte nicht nur einer Belichtung und Entwicklung unterzogen wurde, sondern zusätzlich einem Wärmebehandlungsschritt nach der Belichtung, und zwar in beiden Tests, so dass er auch nicht als Ursache für die (im Übrigen: kaum) unterschiedlichen Ergebnisse herhalten kann.

Auch die Hinweise der Beklagten auf ihre Erläuterungen / Tests gemäß Anlagen B10 und B 12 (soweit letzterer auf das Merkmal 3c)bb) bezogen ist) greifen nicht durch:

Verfehlt wird in den Tests eine punktuelle Messung nach genau 30 Sekunden Entwicklungszeit durchgeführt, um zu messen, ob noch etwas und – wenn ja – wieviel von der fotoempfindlichen Zusammensetzung noch übrig ist. Demgegenüber gebietet Absatz [0108] des Klagepatents eine sequentielle Messung, was darin zum Ausdruck kommt, dass dieser von einer „Auflösungsrate“ spricht. Eine solche kann nur durch sequentielle Messungen ermittelt werden. Vor diesem Hintergrund kann der Hinweis der Beklagten auf den Absatz [0073] des Klagepatents, wo von einer 30 Sekunden langen Entwicklung die Rede ist, nicht verfangen; eine Festlegung des Zeitpunktes einer durchzuführenden Messung lässt sich daraus nicht ableiten. Im Übrigen lässt die Beklagte außer Acht, dass sie – insoweit unstreitig – für ihre Tests nicht denselben Entwickler wie den im Klagepatent angegebenen Entwickler verwendete. Der Fachmann erkennt jedoch, dass die im Einzelfall gebotenen Messzeitpunkte u.a. von der Aggressivität des eingesetzten Entwicklers abhängen. Soweit die Beklagte im Haupttermin argumentierte, die Schichtzusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform sei „dicker“, ist nicht nachvollziehbar, inwieweit dieser Umstand den Effekt aufgrund eines anderen Entwicklers vollständig kompensierte.

III.

Da die Beklagte – ohne über eine entsprechende Berechtigung zu verfügen – widerrechtlich in mittelbarer Weise von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht hat, ist sie der Klägerin zur Unterlassung des Anbietens und Lieferns der angegriffenen Ausführungsform verpflichtet (Art. 64 EPÜ, §§ 9, 10, 139 Abs. 1 PatG). Hinsichtlich der objektiven Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist auf die Ausführungen unter II. zu verweisen. Da Druckplatten ausdrücklicher Bestandteil der erfindungsgemäßen Lehre sind, handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein wesentliches Mittel im Sinne von § 10 PatG (vgl. BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren).
Die angegriffene Ausführungsform ist auch subjektiv dazu bestimmt, zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwendet zu werden. Die entsprechende subjektive Bestimmung ist aufgrund der Umstände vorliegend offensichtlich: Wie die Klägerin nämlich unwidersprochen dargetan hat, ist die angegriffene Ausführungsform technisch und wirtschaftlich sinnvoll lediglich in patentverletzender Weise nutzbar. Vor letztgenanntem Hintergrund ist mangels einer denkbaren, technisch und wirtschaftlich sinnvollen anderweitigen Verwendungsmöglichkeit der angegriffenen Ausführungsform auch ein sog. Schlechthinverbot des Anbietens und Lieferns der angegriffenen Ausführungsform berechtigt (vgl. OLG Düsseldorf, Mitt. 2003, 264, 268 – Antriebsscheibenaufzug). Die Geschäftsführer der Beklagten trifft hinsichtlich der Patentverletzungen auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden (§ 276 BGB), welches der Beklagten jeweils gemäß § 31 BGB zugerechnet wird. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten sie das Klagepatent kennen und dessen Verletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen voraussehen können. Die Beklagte haftet der Klägerin deshalb auf Schadensersatz (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG). Es ist in Anbetracht des unstreitigen Umstandes, dass die angegriffene Ausführungsform sinnvoll nur patentverletzend verwendbar ist, insbesondere auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass es in zumindest einem Falle zu einer unmittelbaren Verletzung des Klagepatents durch Abnehmer der Beklagten kam (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Da die genaue Schadenshöhe derzeit noch nicht feststeht, hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse daran, die Schadenersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen (§ 256 ZPO). Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, hat die Beklagte im zuerkannten Umfang Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (Art. 64 EPÜ, § 140b PatG, §§ 242, 259 BGB) und Belege vorzulegen (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 5, 249 – Faltenbalg), wobei – wie bereits im Klageschrift berücksichtigt – ihr die Möglichkeit eines Wirtschaftsprüfervorbehalts einzuräumen war.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 709 ZPO.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beklagten vom 15.11.2011 und der Klägerin vom 18.11.2011 gaben keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 156, 296a S. 2 ZPO).