4a O 250/10 – Thermometerflüssigkeit

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 1685

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 28. Juli 2011, Az. 4a O 250/10

Die einstweilige Verfügung vom 19.11.2010 wird aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Verfügungsklägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 477 XXX B1 (nachfolgend „Verfügungspatent“) im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung und Herausgabe zur Verwahrung in Anspruch.

Das Verfügungspatent wurde unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 15.05.2003 am 13.05.2004 angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung erfolgte am 07.11.2007. Ursprünglich war Herr Gerd A als Inhaber des Verfügungspatents und als Erfinder eingetragen. Eingetragene Inhaberin des Verfügungspatents ist nunmehr seit 2009 die B GmbH, eine 100 %-ige Tochter der Verfügungsklägerin. Die Verfügungsklägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin. Das Patent steht in Kraft. Das Einspruchsverfahren, welches die Verfügungsklägerin gegen das Verfügungspatent – gestützt auf mangelnde erfinderische Tätigkeit – eingeleitet hatte, ist beendet, nachdem die Verfügungsklägerin den Einspruch zurückgenommen hat.

Das Verfügungspatent bezieht sich auf die Verwendung metallischer Galliumlegierungen als Thermometerflüssigkeit. Der von der Verfügungsklägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Verfügungspatents lautet:

„Verwendung metallischer Galliumlegierungen als Thermometerflüssigkeit, bestehend als Mehrstoffsystem aus Gallium, Indium, Zinn, mit einem Anteil von Gallium unter 65 Massen %, dadurch gekennzeichnet,

– dass die Legierungen folgende Metallkomponenten mit Anteilen in Masse % enthalten:

GA 50,0 – 64,9 %
In 10,0 – 24,9 %
Sn 10,0 – 29,0 %
Zn 0 – 29,0 %
Pb 0 – 10,0 %

– dass sie frei von Gaseinschlüssen und anderen Metalloxiden sind,

– dass ihre Schmelztemperatur bei Normaldruck unter 0 °C und im Hochvakuum unter -19 °C liegt und

– dass ihr Temperaturmessbereich in Flüssigkeitsglasthermometern -15 °C bis +1200 °C umfasst.“

Die Verfügungsbeklagte vertreibt Medizinprodukte, unter anderem auch ein Fieberthermometer, welches von der C D (nachfolgend C) in China hergestellt wird und auf dessen Rückseite sowie auf dessen Verpackung die Nummer des Verfügungspatents abgebildet ist (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“). Zwischen der C und Herrn A kam unter dem 22.11.2007 – als Herr A noch sowohl als Erfinder, als auch als Inhaber des Verfügungspatents eingetragen war – eine Vereinbarung zustande, nach welcher Herr A eine Lizenz hinsichtlich des Verfügungspatents erteilte. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Anlage AG 2 Bezug genommen. Die E GmbH erwirkte gegen die C vor dem Landgericht Erfurt eine einstweilige Verfügung, welche jedoch mangels Vollziehung aufgehoben wurde. Die angegriffene Ausführungsform bot die Verfügungsbeklagte am 17.11.2010 auf der Medizinmesse F in G an. Vorher bot sie die angegriffene Ausführungsform unstreitig zumindest in Italien an. Dies geschah ab Frühjahr 2010 mit einer Verpackung, deren Beschriftung neben anderen Sprachen auch auf Deutsch erfolgte. Die Verfügungsklägerin ließ in Italien erworbene Muster der angegriffenen Ausführungsform begutachten. Das Gutachten kam unter dem 06.10.2010 zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Thermometer eine Legierung aus 62, 2 – 63, 2 % Gallium, 21,4 – 21,9 % Indium sowie 15,4 – 15,9 % Zinn aufwiesen (vgl. Anlage ASt 5). Ein vorher von der Verfügungsklägerin eingeholtes Gutachten kam unter dem 31.05.2010 zu dem Ergebnis, dass die für dieses Gutachten untersuchten Thermometer eine Indium-Konzentration von 25,2 %, bzw. 26,1 % enthielten (vgl. Anlage AG 1).

Die Verfügungsklägerin geht gegen den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Verfügungsbeklagte in Italien aus einem anderen Patent (EP 0 657 XXX B1) bereits seit September 2009 rechtlich vor. Sie beantragte gegen die Verfügungsbeklagte aus dem italienischen Teil des Verfügungspatents beim Tribunale di Milano den Erlass einer einstweiligen Verfügung; das Tribunale di Milano wies den Antrag zurück.

Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer am 19.11.2010 eine einstweilige Verfügung mit folgendem Tenor erlassen:

I. Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung – wegen der besonderen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung – untersagt,

analoge Fieberthermometer

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

mit einer metallischen Galliumlegierung als Thermometerflüssigkeit, bestehend als Mehrstoffsystem aus Gallium, Indium und Zinn, mit einem Anteil von Gallium unter 65 Masse %, wobei

die Legierung folgende Metallkomponenten mit Anteilen in Masse % enthält:
Gallium: 50,0 – 64,9 %
Indium: 10,0 – 24,9 %
Zinn: 10,0 – 29,0 %;
Zink: 0 – 29,0 %
Blei 0 – 10,0 %

die Legierung frei von Gaseinschlüssen und anderen Metalloxiden ist;

ihre Schmelztemperatur bei Normaldruck unter 0°C und im Hochvakuum unter -19°C liegt und

ihr Temperaturmessbereich in Flüssigkeitsglasthermometern -15°C bis +1200°C umfasst.

II. Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, angedroht, wobei die Ordnungshaft an dem gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerin zu vollstrecken ist.

III. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die unter I. bezeichneten Gegenstände an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung herauszugeben, die andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, sie biete die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Internetseite bereits seit 2009 auf Italienisch, Französisch und Englisch an, wobei die Internetseite sich auch an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland richte. Die angegriffene Ausführungsform habe sie zudem schon 2009 in Deutschland auf der Messe F in G angeboten. Die Abmahnung sei nicht auf Handlungen innerhalb Italiens beschränkt gewesen.

Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Verfügungspatents keinen Gebrauch, da ihre Thermometerflüssigkeit nicht die erforderliche Konzentration an Indium aufweise. Das von der Verfügungsklägerin eingereichte Gutachten sei nicht ergiebig, weil es sich auf andere, in Italien erworbene Thermometer, beziehe. Auch die Erfüllung der übrigen Merkmale des Verfügungspatents habe die Verfügungsklägerin nicht hinreichend dargelegt, bzw. glaubhaft gemacht. Insbesondere habe die Antragstellerin nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass der Schmelzpunkt der Legierung bei Normaldruck unter 0 °C und im Hochvakuum unter -19 °C liege. Es sei vielmehr von einem Schmelzpunkt von ca. +10,7 °C auszugehen. Das Verfügungspatent sei zudem nicht schutzfähig, wie die Verfügungsklägerin durch die Einleitung des Einspruchsverfahrens gegen das Verfügungspatent selbst zu erkennen gegeben habe. Zudem habe sie offensichtlich kein Interesse an der Durchsetzung einer einstweiligen Verfügung, was schon daran zu erkennen sei, dass sie die einstweilige Verfügung, welche sie vor dem Landgericht Erfurt erlangt habe, nicht vollzogen habe. Die Dringlichkeit sei schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 19.11.2010 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

den Widerspruch zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsklägerin behauptet, sie habe vor dem Anbieten der angegriffenen Ausführungsform auf der F am 17.11.2010 keine Kenntnis davon gehabt, dass die Verfügungsbeklagte die angegriffene Ausführungsform auch in Deutschland anbiete. Insbesondere hätte sie dies nicht daraus herleiten können müssen, dass die Verpackung der angegriffenen Ausführungsform auch schon im Frühjahr 2010 unter anderem mit einer Beschriftung auf Deutsch versehen gewesen sei. Hinsichtlich der Testergebnisse gebe es im Hinblick auf die üblichen Lieferzeiten und Liefermengen derartiger Thermometer hinreichende Anhaltspunkte, um anzunehmen, dass die Thermometer, welche in Italien von der Verfügungsklägerin erworben worden seien und auf die sich das Gutachten vom 06.10.2010 beziehe, aus derselben Produktcharge stammten wie die Thermometer, welche die Verfügungsbeklagte auf der F 2010 angeboten habe. Außerdem sei bereits durch den auf der angegriffenen Ausführungsform aufgedruckten Hinweis auf das Verfügungspatent deutlich gemacht, dass die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Verfügungspatents wortsinngemäß verwirkliche. Die gegen die C erwirkte einstweilige Verfügung sei lediglich aufgrund praktischer Hindernisse mit der Zustellung in China nicht vollzogen worden. Herr A sei nicht Erfinder des Verfügungspatents; er sei zu Unrecht als solcher eingetragen worden. Der Einspruch gegen das Verfügungspatent sei lediglich im Rahmen der allgemeinen Strategie gegen Herrn A eingelegt worden.

Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die der C erteilte Lizenz sei unwirksam; ein gutgläubiger Erwerb finde hinsichtlich der Lizenz an einem Patent nicht statt. Dass das EPA das Einspruchsverfahren nach Rücknahme des Einspruchs seitens der Verfügungsklägerin nicht weiter betrieben habe, zeige, dass das Verfügungspatent schutzfähig sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 19.11.2010 ist aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückzuweisen, da es der Verfügungsklägerin zumindest nicht gelungen ist, den erforderlichen Verfügungsanspruch glaubhaft zu machen. Die Verfügungsklägerin hat insbesondere einen Anspruch auf Unterlassung gem. Art. 64 EPÜ, §§ 139 Abs. 1, 9 S. 2 PatG nicht glaubhaft gemacht.

I.
Das Verfügungspatent betrifft eine Verwendung metallischer Galliumlegierungen als Thermometerflüssigkeit. Diese soll als nicht quecksilberhaltige metallische Thermometerflüssigkeit in einem weiten Temperaturbereich von ca. -15 °C bis ca. +1000 °C in Flüssigkeitsglasthermometern eingesetzt werden können.

In der Beschreibung des Verfügungspatents wird ausgeführt, dass es im Stand der Technik bekannt gewesen sei, dass diese nicht quecksilberhaltigen metallischen Thermometerflüssigkeiten wegen ihrer hohen Oberflächenspannung nicht benetzend seien und im thermometrischen System eines Kapillarthermometers in einem weiten Temperaturbereich flüssig blieben. Diese Thermometerflüssigkeiten seien niedrig schmelzende Mehrstoffsysteme mit eutektischen Eigenschaften, bestehend aus jeweils 3 der Elemente Gallium, Indium, Zinn sowie Spuren von Verunreinigungen der Elemente Zink und Blei. Legierungen mit den für Thermometer geeigneten Eigenschaften seien bekannt. Vorzugsweise würden solche Legierungen als umweltschonende, ungiftige Alternative zum Quecksilber in Flüssigkeitsglasthermometern eingesetzt, wenn benetzende in der Regel organische Flüssigkeiten mit definierter linearer Ausdehnung nicht eingesetzt werden könnten. Der lineare Ausdehnungskoeffizient α sei bei den bekannten Legierungen gegenüber dem Quecksilber um 1/3 geringer, was zur Folge habe, dass das einzusetzende Materialvolumen im Thermometer gegenüber dem Quecksilber um 1/3 höher sein müsse.

In der europäischen Patentschrift EP 0 657 XXX B1 seien Legierungen mit den Komponenten Gallium (65 bis 95 Gewicht -%) genannt. Als weitere Legierungselemente seien Wismuth und alternativ Antimon als mögliche vierte Komponente in geringer Konzentration bekannt.

Die eutektische Galliumlegierung könne außerdem Spuren von Verunreinigungen der Elemente Zink und Blei enthalten. Im technischen Datenblatt für die Legierung „Galinstan“ werde eine spezielle Legierung innerhalb des oben genannten Bereiches angegeben, welche einen Phasenübergang von der flüssigen in die feste Phase erst bei einer Temperatur unter -15 °C bei normalen atmosphärischen Bedingungen garantiere. In der oben angegebenen Patenschrift werde für diesen Phasenübergang eine Temperatur von -19,8 °C angegeben. Die Eigenschaften dieser eutektischen Galliumlegierungen seien geeignet, sowohl in Kapillarthermometern mit Anzeige des Maximums, vorzugsweise in Fieberthermometern, als auch in Kapillarthermometern für Labors bzw. technische Anlagen das gesundheitsschädliche Quecksilber zu ersetzen.

Der Nachteil besteht laut Verfügungspatenschrift jedoch darin, dass diese Thermometer als Massen- und Gebrauchsartikel durch den Einsatz der beschriebenen eutektischen Galliumlegierung mit dem hohen Anteil von Gallium sehr kostenintensiv seien.

Die „Indium Corporation of America“ biete laut Offerte als Quecksilberersatz die Legierung Ga 61 Gew%, In 25 Gew%, Sn 13 Gew% und Zn 1 Gew% mit einem Schmelzpunkt von 7 °C und die Legierung Ga 62,5 Gew%, In 21,5 Gew% und Sn 16 Gew% mit einem Schmelzpunkt von 11 °C an. Die Reduzierung des Galliumanteils sichere die Reduzierung der Kosten bei gleichem Ausdehnungskoeffizienten. Für diese Kostenreduzierung werde eine Erhöhung des Schmelzpunktes gegenüber den in obiger Patentschrift offenbarten Legierungen als technischer Nachteil in Kauf genommen.

Vor diesem Hintergrund hat es sich das Verfügungspatent zur Aufgabe (zum technischen Problem) gesetzt, die Verwendung metallischer Galliumlegierungen als Thermometerflüssigkeit unter Vermeidung der bisherigen Nachteile so weiter zu entwickeln, dass die Zusammensetzung der Galliumlegierungen an Metallkomponenten eine Erweiterung des Temperaturmessbereichs von Flüssigkeitsglasthermometern für tiefe und für hohe Temperaturen und damit einen weiteren Quecksilberersatz bei gleichzeitiger Kostenverringerung ermöglicht wird.

Dies geschieht gemäß Patentanspruch 1 des Verfügungspatents mit dem im Tatbestand wiedergegebenen Patenanspruch 1, auf dessen Inhalt zwecks Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

II.

Die Verfügungsklägerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Verfügungspatentanspruchs wortsinngemäß verwirklicht.

Der Verfügungspatentschrift ist zu entnehmen, dass es auf die Einhaltung der in Patentanspruch 1 festgelegten Masseanteile hinsichtlich der Stoffe Gallium, Indium sowie Zinn zur Lösung des technischen Problems, welches sich das Verfügungspatent gesetzt hat, maßgeblich ankommt, während Zink und Blei beigemischt werden können, aber nicht müssen.

Die Verfügungsklägerin hat dargelegt und mittels Vorlage eines Gutachtens (Anlage ASt 5) belegt, dass Muster der angegriffenen Ausführungsform, welche die Verfügungsklägerin in Italien erworben hat, eine Zusammensetzung der Indikatorlegierung aus Hg (= Quecksilber) 0,0040 %, Ga (= Gallium) 62,2 %, In (= Indium) 21,9 % und Sn (= Zinn) 15,9 % aufweisen. Die Konzentration der Stoffe Gallium, Indium und Zinn dieser getesteten Muster liegt mithin im Bereich der vom Verfügungspatent vorgesehenen Zusammensetzung.

Die Verfügungsbeklagte hat jedoch dargelegt und mittels Vorlage eines ebenfalls von der Verfügungsklägerin eingeholten Gutachtens vom 31.05.2010 (Anlage AG 1), welches die gleiche Prüfmethode (Untersuchung der Füllflüssigkeit mittels ICP) anwendete, belegt, dass dort getestete Muster der angegriffenen Ausführungsform eine Zusammensetzung der Indikatorlegierung aus Hg 0,0063% bzw. 0,0021%, Ga 60,2% bzw. 61,1%, In 25,2% bzw. 26,1% und Sn 14.6% bzw. 12,7 %. Die Indium-Konzentration ist nach diesen Testergebnissen zu hoch, um die Lehre des Verfügungspatents zu verwirklichen.

Auf diese Abweichungen in den Testergebnissen geht die Verfügungsklägerin dahingehend ein, dass „mit Blick auf die üblichen Lieferzeiten und Liefermengen derartiger Thermometer davon auszugehen sei“, bzw. „hinreichender Grund für die Annahme“ bestehe, „dass die vorab (in Italien erworbenen und) getesteten Produkte aus derselben Produktionscharge wie die auf der Messe angebotenen Thermometer stammten“. Dies ist auch vor dem Hintergrund nicht hinreichend, dass die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung selbst ausgeführt hat, dass sie den Markt seit längerem beobachtet und die Werte in den Thermometern, welche die Verfügungsbeklagte vertreibt, stark schwanken.

Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass die angegriffene Ausführungsform die nach dem Verfügungspatent erforderliche Stoffzusammensetzung aufweist, hat die Verfügungsklägerin mithin weder hinreichend dargelegt, noch glaubhaft gemacht.

Dass die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Rückseite sowie auf ihrer Verpackung mit dem Verfügungspatent wirbt, indem es auf die Patentnummer Bezug nimmt, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Dies ist zwar ein Indiz dafür, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs wortsinngemäß Gebrauch macht und letztlich auch der Grund dafür, warum die Kammer, in Unkenntnis des vorherigen Gutachtens, die einstweilige Verfügung erlassen hat. Die Wirkung dieses Indizes wird allerdings schon dadurch entkräftet, dass Proben anderer Muster, auf deren Rückseite ebenfalls auf das Verfügungspatent Bezug genommen wurde (siehe Bl. 3 des Gutachtens, Anlage AG 1), die erforderliche Indium-Konzentration nicht aufwiesen und folglich die Lehre des Verfügungspatents gerade nicht wortsinngemäß verwirklichten.

Auch von einer Erstbegehungsgefahr mit Hinblick auf die etwaigen stark schwankenden Werte in der Legierungszusammensetzung kann vorliegend nicht ausgegangen werden, weil nicht mit dem erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass die Schmelztemperatur der Legierung in der angegriffenen Ausführungsform der Schmelztemperatur des Anspruchs 1 des Verfügungspatents entspricht. Diesbezüglich hat die Verfügungsklägerin zwecks Glaubhaftmachung lediglich eine eidesstattliche Versicherung des Herrn N überreicht, aus welcher sich ergibt, dass ihm aufgrund der von ihm durchgeführten Versuchsreihen bekannt sei, „dass die von C Fl Factory verwendeten Eutektika aus Gallium, Indium und Zinn in dem Mengenverhältnis, wie sie aus den Analysen der O research hervorgehen, unter atmosphärischen Bedingungen einen Schmelzpunkt von unter 0° Celsius und im Hochvakuum bis unter -20° Celsius aufweisen können und einen Temperaturbereich abdecken können, der von -15° Celsius bis -1200° Celsius reichen kann.“ Welche konkreten Versuche durchgeführt wurden, legt die Verfügungsklägerin demgegenüber ebenso wenig dar wie die konkreten Ergebnisse der Versuchsreihe, so dass der Wert dieser eidesstattlichen Versicherung im Hinblick auf die Glaubhaftmachung gering ist.

Die Verfügungsbeklagte hat demgegenüber in der mündlichen Verhandlung Internetausdrucke der Seiten zweier verschiedener Vertreiber von Eutektika überreicht, aus denen hervorgeht, dass ein zu 99,99% reines Eutektikum aus nahezu derselben Gallium / Indium / und Zinnkonzentration, die nach Vortrag der Verfügungsklägerin in der angegriffenen Ausführungsform enthalten sein soll, einen Schmelzpunkt von 10,7 °C hat (vgl. Anlagen AG 18 und 19). Mithin einen Schmelzpunkt, der erheblich über den Schmelzpunkt hinausgeht, welchen die Legierung nach der Lehre des Verfügungspatents aufweist.

Auch wenn die Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Angaben in den Anlagen AG 18 und 19 seien nicht auf die Nachkommastelle genau, hier gebe es nur eine 104 –er Reinheit, während für Thermometer lediglich Legierungen mit einer Reinheit von 105 oder 106 verwendet würden, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Schmelzpunkt der angegriffenen Ausführungsform im Rahmen des Verfügungspatents liegt. Dies wirkt sich zulasten der insofern darlegungs- und glaubhaftmachungsbelasteten Verfügungsklägerin aus.

Der nach der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 22.07.2011 bot keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

III.

Da die Verfügungsklägerin bereits nicht hinreichend darlegen und glaubhaft machen konnte, dass die angegriffene Ausführungsform das Verfügungspatent verletzt, bzw. zumindest eine Erstbegehungsgefahr vorliegt, kann dahinstehen, ob die Rechte der Verfügungsklägerin mit Hinblick auf die von Herrn A erteilte Lizenz erschöpft sind und ob ein Verfügungsgrund vorliegt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Streitwert: 100.000,00 EUR