4a O 143/10 – Ranibizumab

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1756

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. November 2011, Az. 4a O 143/10

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR – er-satzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insge-samt zwei Jahren, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen

pharmazeutische Zusammensetzungen, die das durch ein Verfahren zur Herstellung eines Moleküls, das in Bezug auf ein spezielles Target Bindungsspezifität aufweist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis Ranibizumab enthalten, wobei das Ver-fahren umfasst:

1.1 das Herstellen einer Population filamentöser Bakteriophagenpartikel, die an ihrer Oberfläche eine Po-pulation von Bindungsmolekülen mit einer Bandbreite von Bindungseigenschaften präsentieren,

1.1.1. die Bindungsmoleküle Antigenbin-dungsdomänen für spezifische kom-plementäre Bindungspaarelemente aufweisen,

1.1.1.a die Bindungsmoleküle werden auf der Oberfläche der filamentösen Bakteriophagenpartikel durch die Fusion mit einem Gen-III-Protein der filamentösen Bakteriophagenpartikel präsentiert,

1.1.2. jedes filamentöse Bakteriophagenpartikel ent-hält Nucleinsäure, die für das Bindungsmole-kül kodiert,

1.1.3. das Bindungsmolekül wird aus der Nucleinsäure exprimiert und von dem Partikel auf der Oberfläche präsentiert;

1.2 das Selektieren eines filamentösen Bakteriophagen-partikels, das ein Bindungsmolekül mit einer gewünschten Bindungseigenschaft präsentiert, durch Kontaktieren der Population filamentöser Bakteriophagenpartikel mit einem bestimmten Target, so dass einzelne Bindungsmoleküle mit der gewünschten Bindungseigenschaft, die auf filamentösen Bakteriophagenpartikeln präsentiert werden, an das Tar-get binden;

1.3 das Trennen von gebundenen filamentösen Bakteriophagenpartikeln von dem Target;

1.4 das Gewinnen abgetrennter filamentöser Bakterio-phagenpartikel, die ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bindungseigenschaft präsentieren;

1.5 das Isolieren von Nucleinsäure, die für das Bindungsmo-lekül kodiert, aus den abgetrennten filamentösen Bakteriophagenpartikeln;

1.6 das Insertieren von für das Bindungsmolekül kodierender Nucleinsäure oder ein Fragment oder Derivat davon mit Bindungsspezifität in Bezug auf das Target in einem re-kombinanten System; und

1.7 das Produzieren eines von den filamentösen Bakteriophagenpartikeln getrennten Moleküls mit Bin-dungsspezifität für das Target in dem rekombinanten System, worin das Molekül das Bindungsmolekül oder ein Fragment oder Derivat davon mit Bindungsspezifität für das Target ist,

in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;

2. der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 03.09.2009 begangen haben, und zwar unter Angabe

a) der Menge der erhaltenen der bestellten Erzeugnisse so-wie der Namen und Anschriften der Hersteller, Liefe-ranten und anderer Vorbesitzer sowie der bezahlten Preise,

b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufge-schlüsselt nach Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, einschließlich der Ver-kaufsstellen, für welche die Erzeugnisse bestimmt waren,

c) der einzelnen Angebote aufgeschlüsselt nach Angebots-mengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfän-ger,

d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbe-trägern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüssel-ten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, wobei die Angaben zu dieser Ziffer erst hinsichtlich der seit 28.11.2009 begangenen, in Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen zu leisten sind,

wobei die Beklagten hinsichtlich der Angaben zu Ziffern a) und b) die Rechnungen in Kopie vorzulegen haben, wobei geheimhaltungswürdige Details außerhalb der rechnungs-pflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,

und wobei den Beklagten nach ihrer Wahl vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin ei-nem von der Klägerin zu bezeichnenden, zur Verschwiegen-heit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermäch-tigen und verpflichten, der Klägerin darüber Auskunft zu er-teilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Rech-nungslegung enthalten ist.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner ver-pflichtet sind,

1. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 28.11.2009 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;

2. der Klägerin für die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 03.09.2009 bis 27.11.2009 begangenen Handlungen eine an-gemessene Entschädigung zu zahlen.

III. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I. 1. be-zeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben.

IV. Im Übrigen wird die Klage abweisen.

V. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamt-schuldnern auferlegt.

VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Mitinhaberin des europäischen Patents EP 2 055 XXX B1 (im Folgenden: Klagepatent), wobei die Klägerin hinsichtlich des der weiteren Mit-inhaberin A zustehenden Teils des Klagepatents exklusive Lizenznehmerin ist.

Das Klagepatent wurde am 10.07.1991 unter Inanspruchnahme der Priorität der GB 9015XXX vom 10.07.1990, der GB 9022XXX vom 19.10.1990, der GB 9024XXX vom 12.11.1990, der GB 9104XXX vom 06.03.1991 sowie der GB 9110XXX vom 15.05.1991 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Veröffentlichung der Erteilung des Klagepatents erfolgte am 28.10.2009. Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 691 33 XXX) ist am 10.07.2011 abgelaufen. Jedoch wurde am 26.04.2010 auf der Grundlage des Klagepatents als Grundpatent und unter Bezugnahme auf die erste Zulassung für das Arzneimittel „Ranibizumab“ eine SPC-Anmeldung durch die Klägerin und A beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht, woraufhin das ergänzende Schutzzertifikat am 02.02.2011 (Az. DE 12 2010 000 XXX.2; nach-folgend: Schutzzertifikat) erteilt wurde. Mit Schriftsatz vom 28.07.2010 hat die Beklagte zu 2) Einspruch gegen die Erteilung des Klagepatents eingelegt. Über diesen Einspruch wurde bisher ebenso wenig entschieden wie über die durch die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 22.07.2011 gegen das in Kraft stehende ergänzende Schutzzertifikat erhobene Nichtigkeitsklage.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Verfahren zur Herstellung von spezifi-schen Bindungspaargliedern“ („Methods for producing members of specific binding pairs“). Die Klägerin beruft sich vorliegend auf eine Verletzung von Patentanspruch 1, der wie folgt gefasst ist:

„A method for producing a molecule with bindung specifity for a particular target, which method comprises:

producing a population of filamentous bacteriophage particles displaying at their surface a population of binding molecules having a range of bin-ding properties, wherein the binding molecules comprise antibody antigen-binding domains for complementary specific binding pair members, wherein the binding molecules are displayed at the surface of the filamentous bacteriophage particles by fusion with a gene III protein of the filamentous bacteriophage particles, and wherein each filamentous bacteriophage particle contains nucleic acid encoding the binding molecule expressed from the nucleid acid and displayed by the particle at its surface;

selecting for a filamentous bacteriophage particle displaying a binding molecule with a desired binding property by contacting the population of filamentous bacteriophage particles with a particular target so that indivi-dual binding molecules displayed on filamentous bacteriophage particles with the desired binding property bind to said target;

separating bound filamentous bacteriophage particles from the target;

recovering separated filamentous bacteriophage particles displaying a binding molecule with the desired binding property;

isolating nucleic acid encoding the binding molecule from separated filamentous bacteriophage particles;

inserting nucleic acid encoding the binding molecule, or a fragment or derivative thereof with binding specificity for the target, in a recombinant system; and

producing in the recombinated system separate from filamentous bacteriophage particles a molecule with binding specificity for the target, wherein the molecule is said binding molecule or a fragment or derivative thereof with binding specificity for the target.“

Patentanspruch 1 lautet in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

„Verfahren zur Herstellung eines Moleküls, das in Bezug auf ein spezielles Target Bindungsspezifität aufweist, wobei das Verfahren Folgendes umfasst:

das Herstellen einer Population filamentöser Bakteriophagenpartikel, die an ihrer Oberfläche eine Population von Bindungsmolekülen mit einer Reihe von Bindungsspezifitäten präsentieren, worin die Bindungsmoleküle Antigenbindungsdomänen für spezifische komplementäre Bindungspaarelemente aufweisen, worin die Bindungsmoleküle auf der Oberfläche der filamentösen Bakteriophagenpartikel durch die Fusion mit einem Gen-III-Protein der filamentösen Bakteriophagenpartikel präsentiert werden und worin jeder filamentöse Bakteriophagenpartikel Nucleinsäure enthält, die für das aus der Nucleinsäure exprimierte und von dem Partikel auf seiner Oberfläche präsentierte Bindungsmolekül kodiert;

das Selektieren eines filamentösen Bakteriophagenpartikels, das ein Bindungsmolkül mit einer gewünschten Spezifität präsentiert, durch Kon-taktieren der Population filamentöser Bateriophagenpartikel mit einem be-stimmten Target, so dass einzelne Bindungsmoleküle mit der gewünsch-ten Bindungseigenschaft, die auf filamentösen Bakteriophagenpartikeln präsentiert werden, an das Target binden;

das Trennen von gebundenen filamentösen Bakteriophagenpartikeln von dem Target;

das Gewinnen abgetrennter filamentöser Bakteriophagenpartikel, die ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bindungseigenschaft präsentieren;

das Isolieren von Nukleinsäure, die für das Bindungsmolekül kodiert, aus den abgetrennten filamentösen Bakteriophagenpartikeln;

das Insertieren von für das Bindungsmolekül kodierender Nucleinsäure oder einem Fragment oder Derivat davon mit Bindungsspezifität in Bezug auf das Target in ein Rekombinationssystem; und

das Produzieren eines von den filamentösen Bakteriophagenpartikeln getrennten Moleküls mit Bindungsspezifität für das Target in dem Rekombinationssystem, worin das Molekül das Bindungsmolekül oder ein Fragment oder Derivat davon mit Bindungsspezifität für das Target ist.“

Die Beklagte zu 1) bietet an und vertreibt für die Beklagte zu 2), deren 100-pro-zentiges Tochterunternehmen sie ist, in der Bundesrepublik Deutschland unter anderem über die Internetseite www.B.de das Arzneimittel „B“, welches den Wirkstoff Ranibizumab enthält (im Folgenden: angegriffene Aus-führungsform). „B“ dient insbesondere der Behandlung der feuchten al-tersbedingten Makuladegeneration, einer Augenerkrankung, die zum Sehverlust führen kann. Der aktive pharmazeutische Bestandteil in „B“ ist Ranibizumab, das während der Entwicklung auch als „C“ bezeichnet wurde. Es handelt sich bei Ranibizumab um ein Antikörperprodukt (bzw. genauer den Fab-Teil eines Antikörpers), das an den Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) bindet und ihn dadurch blockiert. Dies verhindert die unerwünschte Neubildung von Gefäßen in der Netzhaut und den damit einhergehenden Verlust an Sehkraft.

Ranibizumab wurde von dem Unternehmen D, Inc. im Zeitraum 1995 bis 1997 in den USA entwickelt und wird dort ebenfalls produziert. D, Inc. ist Inhaberin mehrerer Patente, die unter anderem das Antikörperprodukt Ranibizumab sowie ein Verfahren zur Herstellung von Ranibizumab betreffen. Die Beklagten vermarkten „B“ in Lizenz von D, Inc.

Nach Auffassung der Klägerin verletzen die Beklagten durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland sowohl das Klagepatent als auch das Schutzzertifikat, da es sich bei Ranibizumab um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG handele. Während der Entwicklung von Ranibizumab habe D, Inc. siebenmal das Phage Display Verfahren nach dem Klagepatent angewandt. Dass es sich bei Ranibizumab um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis handele, werde bereits dadurch bestätigt, dass das DPMA in Bezug auf Ranibizumab ein ergänzendes Schutz-zertifikat erteilt habe, obwohl die Beklagte zu 2) im Schutzzertifikats-Er-teilungsverfahren zweimal Stellung genommen und sich dabei im Wesentlichen auf die gleiche Argumentation wie im Verletzungsverfahren berufen habe.

Die Klägerin beantragt daher,

zu erkennen wie geschehen,

jedoch mit der Maßgabe, dass auch die Beklagte zu 2) verurteilt werden soll, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter I. 1. des Tenors bezeichneten Erzeugnisse zu ver-nichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 2) – Kosten herauszugeben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch auszusetzen;

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung der ge-gen das ergänzende Schutzzertifikat DE 12 2010 000 XXX erhobenen Nichtigkeitsklage auszusetzen;

hilfsweise: Vollstreckungsschutz.

Die Klägerin ist den Aussetzungsanträgen in der Sache entgegen getreten.

Die Beklagten tragen im Wesentlichen vor, bei dem hier streitgegen-ständlichen Patentanspruch 1 des Klagepatents handele es sich um einen sog. „Durchgriffsanspruch“ („Reach Through“). Mit solchen Ansprüchen werde typischerweise versucht, über die eigentliche Erfindung hinaus, die etwa ein Testverfahren betreffe, Schutz für kommerziell interessante Produkte zu erlangen, bei deren Herstellung das Testverfahren genutzt worden sei, und zwar auch dann, wenn die Erfindung keinen wirklichen Beitrag zur Beschaffenheit oder Herstellung der Produkte leiste. Bei dem beanspruchten „Phage Display“ handele es sich um ein Auswahlverfahren (Screening-Verfahren) und damit um ein reines Forschungswerkzeug, mit dem Bindungsmoleküle aufgrund ihrer Bindungseigenschaften ausgewählt werden könnten. Geltend gemacht werde aber nicht ein Patentschutz für dieses Werkzeug – das Screening-Verfahren wurde und werde (unstreitig) nicht von den Beklagten und ihrer Lieferantin im Geltungsbereich des Klagepatents angewandt – sondern für jegliche Verwendung der aufgrund der Anwendung des Werkzeugs erhaltenen Produkte. Die Klägerin unternehme den Versuch, über ein Screening-Verfahren Schutz für die bei dem Screening aufgefundenen Produkte zu erlangen und diesen Schutz weiterhin auch noch auf solche Produkte auszudehnen, deren Vorstufen bei dem Screening ausgewählt worden seien.

Des Weiteren werde Ranibizumab auch nicht laufend unter Anwendung des patentgemäßen Verfahrens produziert. Soweit Phage Display-Schritte bei der komplexen Entwicklung von Ranibizumab angewandt worden seien, sei dies lange vor der Erteilung des Klagepatents erfolgt. Die Anwendung der Phage-Display-Schritte sei schon aus diesem Grund nicht rechtswidrig.

Ferner sei Ranibizumab auch nicht das unmittelbare Produkt eines Phage Display-Verfahrens. Phage Display-Verfahren hätten vielmehr lediglich eine Rolle gespielt, um Vorstufen von Ranibizumab zu erhalten. Bei diesen Bindungsmolekülen handele es sich um die Moleküle Y0238-3 und Y0243-1. Auf diese Weise sei auch die genetische Information (Nukleinsäure) für die Vorstufen erhalten und isoliert worden. Die genetische Information sei in ein rekombinantes System eingeführt worden, um die genannten Bindungsmoleküle zu exprimieren. Die genetische Abwandlung von Y0238-3 und Y0243-4 zum Y0313-1 und schließlich zum bindungsstärkeren Ranibizumab sei jedoch später nach der Expression im rekombinanten System erfolgt. Dabei seien durch Analyse der exprimierten Bindungsmoleküle gewonnene Informationen herangezogen worden, wobei das endgültige Molekül Ranibizumab durch Manipulation von Y0313-1 erhalten worden sei, indem in Y0313-1 weitere Mutationen eingeführt worden seien. Die Entwicklung lasse sich daher wie folgt darstellen:

Die sich an das Selektieren der Bindungsmoleküle Y0238-3 und Y-0243-1 an-schließenden Verfahrensschritte würden das Zwischenprodukt verändern und in einen neuen Stoff umwandeln, dessen chemische und physikalische Eigenschaften und Verwendbarkeiten andere als diejenigen der Zwischenprodukte seien. Ranibizumab sei ein neues Molekül und weise gegenüber den Zwischenprodukten Y0238-3 und Y-0243-1 Änderungen in der Aminosäuresequenz in Bereichen auf, die für die Bindung wesentlich seien. Infolgedessen sei die Bindungsstärke von Ranibizumab dem Wachstumsfaktor VEGF gegenüber im Vergleich zu den Zwischenprodukten stark erhöht. Insbesondere aufgrund dieser erhöhten Bindungsstärke könne C als therapeutischer Antikörper eingesetzt werden.

Im Übrigen sei das patentgemäße Verfahren bei der Entwicklung von Ranibizumab auch nicht zum Einsatz gekommen.

Insbesondere müsse nach der technischen Lehre des Klagepatents ein voll-ständiges Gen-III-Protein verwendet werden, wobei in der Klagepatentbe-schreibung ausgeführt werde, dass ein Gen-III-Protein mehrere Molekülberei-che aufweise, und zwar (i) eine Signalsequenz, durch die das Protein zur Zell-membran gelenkt werde; (ii) eine Domäne, mit der das Protein in der Phagenhülle verankert werde; und (iii) eine Domäne, die spezifisch an den Phagenrezeptor des Wirtsbakteriums binde. Demgegenüber habe – unstreitig – das bei der Entwicklung von „Ranibizumab“ verwendete Fusionsprotein nur einen Anteil des vollständigen Gen III-Proteins, und zwar die C-terminale Anker-Domäne mit den Aminosäuren 249 bis 406, nicht aber die für die Infektiosität verantwortlichen Domänen, die an die Rezeptoren des Wirtsbakteriums binden, enthalten.

Des Weiteren verlange Merkmal 1.1.2. der nachfolgenden Merkmalsgliederung, dass jedes filamentöse Bakteriophagenpartikel Nukleinsäure enthalte, die für das Bindungsmolekül kodiere. Nach diesem Merkmal sei es erforderlich, dass im Verfahren keine fehlerhaft gereiften Bakteriophagen-Teilchen ohne Phagemid-Genom erzeugt würden, also Teilchen, die nicht die vollständige genetische Information einschließlich der Information für das Bindungsmolekül enthalten. Das im Klagepatent beanspruchte Verfahren sei also dahingehend verbessert, dass eine Ausschlussquote Genom-freier Phagen-Teilchen vermieden werde. In den durch die Klägerin herangezogenen Dokumenten finde sich jedoch keine Aussage, dass jedes Bakteriophagen-Teilchen der erzeugten Population ein Phagemid-Genom enthalte. Für den Fachmann sei anhand der Dokumente vielmehr klar, dass dort routinemäßig auch fehlerhaft gereifte Bakteriophagen-Teilchen ohne Phagemid-Genom erzeugt würden. Dies habe seinen Grund darin, dass die angewandte Technik mit einem sogenannten Helferphagen arbeite, der genetische Information für bestimmte native Phagenproteine beisteuere, aber nicht die genetische Information für ein Bindungsmolekül ent-halte. Bei der Phagenbildung werde nun in vielen Fällen das Genom des Hel-ferphagen in die sich bildende Phagenhülle gepackt. Die so entstandenen Phagen würden kein Phagemid-Genom mit der genetischen Information für das Bindungsmolekül enthalten.

Überdies würden die durch die Klägerin vorgelegten Dokumente auch keinen Isolierungsschritt zum Isolieren von Nukleinsäure im Sinne von Merkmal 1.5. der nachfolgenden Merkmalsgliederung offenbaren. Die Klägerin könne sich insoweit nicht lediglich darauf berufen, es handele sich bei dem Isolieren um eine „routinemäßige Handlung“. Anspruchsgemäß müsse die Isolierung viel-mehr nach dem Abtrennen und Gewinnen der selektierten Bakteriophagen-Teilchen gemäß der Merkmale 1.3. und 1.4. erfolgen, und zwar aus den nach diesen Schritten erhaltenen Bakterien.

Im Übrigen fehle es insbesondere auch an einer Verwirklichung der Merkmale 1.6. und 1.7. der nachfolgenden Merkmalsgliederung, da Ranibizumab gegen-über den Bindungsmolekülen Y0238-3 und Y0243-1 gerade Sequenzänderungen in den sog. CDR-Bereichen aufweise. Diese Bereiche würden auch als die die Komplementarität bestimmenden Bereiche bezeichnet („Complementary Determining Region“). Sie spielten für die Spezifität des Antikörpers die entscheidende Rolle und würden den Bereich darstellen, der für die große Bindungsvariabilität der Antikörper an eine Vielzahl von Antigenen verantwortlich sei. Eine Änderung dieser Bereiche gehe zwangsläufig mit einer Änderung der Bindungseigenschaften einher. Zudem sei Ranibizumab auch deshalb nicht als Derivat im Sinne des Patentanspruchs anzusehen, weil nach der technischen Lehre des Klagepatents der Begriff „Derivat mit Bindungsspezifität“ so zu verstehen sei, dass die Derivatisierung bereits vor dem Einführen der Nukleinsäure in das rekombinante System auf der Ebene der isolierten Nukleinsäure erfolgen müsse. Der Klagepatentanspruch umfasse demgegenüber keinesfalls Ände-rungen, die wiederum das Isolieren der Nukleinsäure des Bindungsmoleküls aus dem rekombinanten System erfordern, um im Anschluss an die rekombi-nante Herstellung eine Derivatisierung vorzunehmen.

Außerdem könne sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf das ergänzende Schutzzertifikat berufen. Grundlage für die Schaffung des ergänzenden Schutzzertifikats sei gewesen, dass die Patentlaufzeit aufgrund von Verzögerungen bei der Einholung der Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht mehr zum Schutz des in Verkehr zu bringenden Produktes ausreiche. Sinn und Zweck des ergänzenden Schutzzertifikates sei es mithin, den Vertrieb anderer Produkte zu unterbinden, die mit demjenigen Produkt konkurrieren, für das die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden sei. Dieser Sinn und Zweck werde in das Gegenteil verkehrt, wenn die Erteilung des ergänzenden Schutzzertifikates dazu führe, dass gerade das Produkt, für das die Zulassung erteilt worden sei, auf dem das ergänzende Schutzzertifikat beruhe, nunmehr am Vertrieb gehindert werden solle.

Schließlich werde sich das Klagepatent im Einspruchs- und das erteilte ergänzende Schutzzertifikat im Nichtigkeitsverfahren auch nicht als rechtsbeständig erweisen. Der Inhalt von Patentanspruch 1 gehe über den Inhalt der Stammanmeldung hinaus. Zudem offenbare Patentanspruch 1 die beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Darüber hinaus werde Patentanspruch 1 des Klagepatents im Stand der Technik auch naheliegend offenbart, wobei das Klagepatent insbesondere auch die Priorität der als Prioritätsdokumente aufgeführten Schriften nicht wirksam in Anspruch nehme.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Zunächst handele es sich bei dem beanspruchten Verfahren um ein Herstel-lungsverfahren, das sich nicht in einem Screening-Verfahren erschöpfe. Viel-mehr sei es für die Erfindung essentiell, dass vor der Selektion eine Population neuer Moleküle, nämlich die „Phagen-Antikörper“, bereitgestellt würden. Zudem werde durch ein reines „Screening-Verfahren“ nicht die Verbindung des Bindemoleküls mit der Erbinformation ermöglicht, die das Bindungsmolekül kodiere. Schließlich ermögliche ein reines „Screening-Verfahren“ auch nicht die Herstellung des erstmals identifizierten und selektierten Antikörper-Fragments (oder eines Derivats davon) aus der isolierten Nukleinsäure aus dem Phagen-System. Ein Screening-Verfahren stelle dementsprechend lediglich die Information über die Bindungseigenschaften des Bindungsmoleküls selbst bereit. Die Selektion durch das klagepatentgemäße Phage Display-Verfahren weiche somit signifikant und in vorteilhafter Weise dadurch von dem einen Screening-Verfahren ab, dass der Klon, der das gewünschte Bindungsmolekül herstelle, direkt und unmittelbar aus einer Population ausgewählt werden könne und somit gleichzeitig die genetische Information selektiert werde und zur industriellen Produktion im großtechnischen Maßstab des Bindungsmoleküls oder Derivats davon verwendet werden könne.

Des Weiteren seien durch die Verwendung des erfindungsgemäßen Verfahrens aus einer großen Zahl der Mitglieder der Ausgangspopulation geeignete Vorstufen von Ranibizumab erhalten worden, so dass die Erfindung einen wesentlichen Beitrag zur Herstellung von Ranibizumab geleistet habe. Dass Verfahrensschritte im Ausland stattgefunden hätten, sei dabei ebenso unschädlich wie die Tatsache, dass einzelne Verfahrensschritte vor der Erteilung des Klagepatents erfolgt seien. Letzteres sei unstreitig nicht für das Erzeugen des Bindungsmoleküls bzw. Fragments oder Derivats hiervon im rekombinanten System der Fall, die bis heute stattfinde. Für eine Verletzung des Klagepatents durch ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis spiele es demgegenüber keine Rolle, wann oder wo die Produkte hergestellt worden seien.

Darüber hinaus handele es sich bei Ranibizumab auch um ein unmittelbares Produkt des beanspruchten Verfahrens. Die Durchführung des klagepatentge-mäßen Herstellungsverfahrens führe nach Merkmal 1.4. der nachfolgenden Merkmalsgliederung zur Gewinnung abgetrennter filamentöser Bakteriophagen-partikel, die ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bin-dungseigenschaft präsentieren. Dieses Bindungsmolekül sei hier einerseits Y0243-1 und andererseits Y0238-3. Im Anschluss werde dann die Nuklein-säure, die für das Bindungsmolekül, also für Y0243-1 bzw. Y0238-3, kodiere, von den abgetrennten filamentösen Bakteriophagen-Teilchen isoliert. Die nachfolgenden Schritte nach Merkmalen 1.6. und 1.7. würden zwei alternative Vorgehensweisen umfassen, nämlich einerseits die Verwendung der unveränderten Nukleinsäure, die für Y0243-1 bzw. Y0238-3 kodiere, zur Herstellung des Bindungsmoleküls im rekombinanten System und andererseits die Verwendung eines Derivats oder Fragmentes dieser Nukleinsäure. Vorliegend sei Ranibizumab das „Derivat“ sowohl von Y0243-1 als auch von Y0238-3. Die Tatsache, dass Y0313-1 als Teil eines Derivatisierungsprozesses erzeugt werde, ändere nichts daran, dass Ranibizumab ein Derivat im Sinne der Merkmale 1.6. und 1.7. der nachfolgenden Merkmalsgliederung sei.

Ferner wäre Ranibizumab auch dann, wenn man unterstellen wollte, dass „Bindungsmolekül“ im Sinne des einleitenden Teils des Patentanspruchs wäre hier nicht Ranibizumab, sondern dessen beide Vorläufermoleküle Y0243-1 und Y0238-3, ein unmittelbares Produkt des beanspruchten Herstellungsverfahrens. Die Bindungsmoleküle Y0243-1 und Y0238-3 würden sich bereits nach dem Vortrag der Beklagten von Ranibizumab und der Zwischenstufe Y0313-1 durch ihre Bindungsstärke unterscheiden. Wie sich aus den durch die Klägerin vorgelegten Dokumenten ergebe, betrage die Bindungsstärke von Ranibizumab gegenüber Y0243-1 in etwa das 7-fache, gegenüber Y0238-3 sei sie in etwa auf das 2-fache erhöht. Diese Erhöhung stelle im Vergleich zum Ausgangspunkt des Herstellungsverfahrens das Ergebnis einer kontinuierlichen Verbesserung eben dieser Bindungsspezifität dar.

Darüber hinaus sei das patentgemäße Verfahren bei der Herstellung von Ranibizumab auch zum Einsatz gekommen. Insbesondere verlange Merkmal 1.1. der nachfolgenden Merkmalsgliederung bereits nach seinem Wortlaut, dass auf der Oberfläche der Bakteriophagenpartikel eine Population von Bindungsmolekülen mit einer Reihe von Bindungseigenschaften präsentiert werde, wobei unter den Begriff „Bindungseigenschaften“ ohne Weiteres auch die „Bindungsaffinität“ fallen würde. Zudem bedeute die Formulierung „jedes filamentöse Bakteriophagenpartikel…“ nicht, dass sämtliche hergestellten Teilchen die durch den Patentanspruch aufgestellten Kriterien erfüllen müssten. Vielmehr könnten auch Teilchen hergestellt werden, die keine Bindungsmoleküle auf ihrer Oberfläche präsentieren und/oder kein Phagemid-Genom enthalten. Diese Teilchen würden einfach aus der Population ausgeschlossen.

Des Weiteren erfasse die technische Lehre des Klagepatents sowohl die Ver-wendung eines vollständigen Gen-III-Proteins, als auch die Verwendung eines defizienten Gen-III-Proteins für die Fusion mit einem Bindungsmolekül bei gleichzeitiger Vorsehung eines vollständigen Gen-III-Proteins durch einen Helferphagen für die Bindung an ein Bakterium. In diesem Zusammenhang gelte es zu berücksichtigen, dass die Fusion des Bindungsmoleküls mit dem Gen-III-Protein des filamentösen Bakteriophagenpartikels ausschließlich dazu führen solle, dass das Bindungsmolekül auf der Oberfläche des filamentösen Bakteriophagenpartikels präsentiert werde. Diese Funktion sei dann erfüllt, wenn das Gen-III-Protein einerseits mit dem Bindungsmolekül verbunden sei und andererseits, das Gen-III-Protein diesen Abschnitt aufweise, der es mit der Oberfläche des Bakteriophagenpartikels verbinde. Dieser Abschnitt sei die sogenannte „Anker-Domäne“. Es genüge daher, dass diese Anker-Domäne mit dem Bindungsmolekül verbunden sei, denn nur hierdurch werde eine Prä-sentation des Bindungsmoleküls auf der Oberfläche des Bakteriophagenpartikels erreicht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Par-teien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache ganz überwiegend Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung, Schadenersatz und Vernichtung im tenorierten Umfang aus Art. 64 EPÜ i. V. m. §§ 16a, 139 Abs. 1 und 2, 140a, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu.

I.
Die vorliegende Erfindung betrifft Verfahren zur Herstellung von Bestandteilen von spezifischen Bindungspaaren sowie die durch diese Verfahren hergestell-ten biologischen Bindemoleküle.

Wie das Klagepatent einleitend ausführt, stellte das Aufkommen von monoklo-nalen Antikörpern aufgrund ihrer hohen Spezifität für ein bestimmtes Antigen einen bedeutenden technischen Durchbruch mit wichtigen sowohl wissen-schaftlichen als auch wirtschaftlichen Konsequenzen dar. Monoklonale Antikörper würden herkömmlicherweise hergestellt, indem eine immortalisierte Säugetierzelllinie etabliert werde, die aus einer einzelnen, Immunglobuline produzierenden Zelle, die eine Form eines biologisch funktionellen Antikörpermoleküls mit einer bestimmten Spezifität sekretiere, stamme. Da die Antikörper herstellende Säugetierzelle immortalisiert sei, seien die Eigenschaften des Antikörpers von Charge zu Charge reproduzierbar. Die Schlüsseleigenschaften monoklonaler Antikörper seien deren Spezifität für ein bestimmtes Antigen und die Reproduzierbarkeit, mit der sie hergestellt werden könnten.

Strukturell umfasse der einfachste Antikörper (lgG) vier Polypeptidketten, zwei schwere (H) Ketten und zwei leichte (L) Ketten, die durch Disulfidbindungen miteinander verbunden seien (siehe Fig. 1).

Die leichten Ketten würden in zwei unterschiedlichen Formen, die kappa (K) und lambda (2v) genannt würden, existieren. Jede Kette weise eine konstante Region (C) und eine variable Region (V) auf. Jede Kette sei in eine Reihe von Domänen aufgeteilt. Die leichten Ketten hätten zwei Domänen, wobei eine der C-Region und die andere der V-Region entspreche. Die schweren Ketten wür-den vier Domänen aufweisen, wobei eine der V-Region entspreche und drei Domänen (1,2 und 3) sich in der C-Region befinden würden. Der Antikörper habe zwei Arme (jeder Arm stelle eine Fab-Region dar), wobei jeder davon eine VL- und eine VH-Region aufweise, die miteinander assoziiert seien. Es sei dieses Paar der V-Regionen (VL und VH), das sich von einem Antikörper zu einem anderen unterscheide (aufgrund der Aminosäuresequenzvariationen), und welche gemeinsam für die Erkennung des Antigens und die Bereitstellung einer Antigenbindestelle (ABS) verantwortlich seien. Noch detaillierter sei jede V-Region aus drei komplementaritäts-bestimmenden Regionen (CDR) aufgebaut, die von vier Gerüst- (framework-) Regionen (FR) getrennt würden. Die CDR‘s seien der variabelste Teil der variablen Regionen und würden die entscheidende Antigenbindefunktion erfüllen. Die CDR-Regionen würden aus potentiellen Keimliniensequenzen über einen komplexen Vorgang erhalten, an dem Re-kombination, Mutation und Selektion beteiligt seien.

Es habe sich gezeigt, dass die Antigenbindefunktion von Fragmenten eines ganzen Antikörpers erfüllt werden könne. Obwohl die zwei Domänen des Fv-Fragments von verschiedenen Genen kodiert würden, sei gezeigt worden, dass es durch rekombinante Verfahren möglich sei, einen synthetischen Linker herzustellen, der es ihnen ermögliche, als einzelne Proteinkette hergestellt zu werden.

Obwohl monoklonale Antikörper, deren Fragmente und Derivate enorme Vor-teile mit sich gebracht hätten, gebe es nach wie vor eine Anzahl von damit ver-bundenen Einschränkungen.

Zunächst seien die therapeutischen Anwendungen monoklonaler Antikörper, die von menschlichen, immortalisierten Zelllinien hergestellt würden, sehr viel-versprechend für die Behandlung eines weiten Bereichs von Erkrankungen. Allerdings seien menschliche Zelllinien, die immortalisierte Antikörper produzieren, sehr schwierig zu erhalten und würden eine geringe Ausbeute an Antikörpern ergeben (etwa 1 pg/ml). Im Gegensatz dazu würden Nagetierzelilinien hohe Mengen an Antikörpern (etwa 100 pg/mI) ergeben. Die wiederholte Verabreichung dieses fremden Nagetierproteins an Menschen könne jedoch zu schädlichen Überempfindlichkeitsreaktionen führen. Daher seien diese, aus Nagetieren stammenden, monoklonalen Antikörper zumeist nur eingeschränkt therapeutisch verwendbar.

Des Weiteren sei es ein Schlüsselaspekt bei der Isolierung der monoklonalen Antikörper, wieviele verschiedene Klone der antikörperproduzierenden Zellen mit verschiedenen Spezifitäten praktisch etabliert und geerntet werden könnten, im Vergleich dazu, wieviele theoretisch geerntet werden müssen, um eine Zelle zu isolieren, die Antikörper mit den gewünschten Spezifitätseigenschaften produziert.

Dieses Problem sei in einem gewissen Ausmaß bei Labortieren durch die Ver-wendung von Immunisierungsmodellen vermindert worden. Wenn man mono-klonale Antikörper mit einer Spezifität gegen ein bestimmtes Epitop herstellen möchte, werde ein Tier mit einem Immunogen, das dieses Epitop exprimiert, immunisiert. Das Tier baue dann eine Immunreaktion gegen das Epitop auf und es gebe eine Vermehrung von Lymphozyten, die Spezifität gegen dieses Epitop aufweisen würden. Aufgrund dieser Vermehrung der Lymphozyten mit der gewünschten Spezifität werde es einfacher, diese im Ernteverfahren auf-zufinden. Dieser Ansatz sei jedoch nicht in allen Fällen erfolgreich, da möglicherweise ein geeignetes lmmunogen nicht zur Verfügung stehe. Weiters sei, wenn man menschliche monoklonale Antikörper herstellen möchte (z.B. zur therapeutischen Verabreichung wie oben besprochen), solch ein Ansatz praktisch oder ethisch nicht durchführbar.

In den letzten Jahren, so das Klagepatent weiter, seien diese Probleme zum Teil durch die Anwendung von rekombinanten DNA-Verfahren zur Isolierung und Produktion von z.B. Antikörpern und Fragmenten von Antikörpern mit Antigenbindefähigkeit, in Bakterien wie z.B. E.coli in Angriff genommen worden.

Dieser einfache Ersatz von immortalisierten Zellen durch Bakterienzellen als “Fabrik“ vereinfache die Verfahren zur Herstellung großer Mengen von Binde-molekülen beträchtlich. Ferner gebe ein rekombinantes Produktionssystem Raum für die Herstellung von zurechtgeschnittenen Antikörpern und Fragmenten davon. Beispielsweise sei es möglich, chimäre Moleküle mit neuen Kombinationen von Binde- und Effektorfunktionen, „humanisierte“ Antikörper (z.B. variable Regionen aus Mäusen kombiniert mit konstanten Domänen aus Menschen, oder Antikörper-CDR‘s aus Mäusen auf menschliche FR aufgepfropft) und neue Antigenbindemoleküle zu produzieren. Außerdem weise die Verwendung der Polymerasekettenreaktions- (“polymerase cham reaction“, PCR-) Amplifikation zur Isolierung von antikörper- produzierenden Sequenzen aus Zellen (z.B. Hybridome und B-Zellen) ein großes Potential zur Beschleunigung des Zeitmaßstabs, mit dem Spezifitäten isoliert werden können, auf. Amplifizierte VH- und VL-Gene würden direkt in Vektoren zur Expression in Bakterien oder Säugetierzellen kloniert. Von Bakterien sekretierte lösliche Antikörper-fragmente würden dann auf Bindeaktivität gescreent.

Wie das Produktionssystem, das auf immortalisierten Zellen basiere, weise je-doch auch das rekombinante Produktionssystem noch den Nachteil des zuvor diskutierten Selektionsproblems auf und vertraue daher auf die Immunisierung, um den Anteil an Zellen mit der gewünschten Spezifität zu erhöhen. Außerdem könnten einige dieser Verfahren die Screeningprobleme verschlimmern. Beispielsweise würden große getrennte Bibliotheken der H- und L-Ketten aus immunisierten Mäusen hergestellt und vor dem Screenen nach einem statistischen Kombinationsverfahren miteinander kombiniert. Jedoch gehe dabei die in jeder Zelle enthaltene Information, nämlich die ursprüngliche Paarung einer bestimmten L-Kette mit einer bestimmten H-Kette, verloren. Dies führe zum Verlust einiger der durch die Verwendung von Immunisierungstechniken bei Tieren erlangten Vorteile. Derzeit würden nur Bibliotheken, die aus einzelnen VH-Domänen stammen, diesen Nachteil nicht aufweisen. Da jedoch nicht alle Antikörper-VH-Domänen Antigen binden könnten, müssten mehr gescreent werden. Zusätzlich verbleibe das zu lösende Problem, viele verschiedene Spezifitäten in Prokaryoten direkt zu screenen.

Somit bestehe ein Bedarf an einem Screeningsystem, das eines oder mehrere der obigen oder andere Probleme vermindere oder beseitige. Das ideale Sys-tem würde das Ernten einer sehr großen Anzahl an Spezifitäten (z.B.: 106 und mehr), ein rasches Sortieren bei jeder Klonierungsrunde und einen raschen Transfer des für das Bindemolekül kodierenden genetischen Materials von ei-ner Stufe des Produktionsprozesses zur nächsten Stufe gestatten.

Die attraktivsten Kandidaten für diesen Screeningtyp wären prokaryotische Organismen (da diese schnell wachsen, einfach handzuhaben seien und eine große Anzahl an Klonen gebildet werden könne), die an ihrer Oberfläche eine funktionelle Bindedomäne ex- primieren und aufweisen, z.B. einen Antikörper, Rezeptor, Enzym usw.

Im UK-Patent GB-2137XXXB würden Verfahren zur Co-Expression der Gene der variablen H- und L- Ketten von Immunoglobulinen in einer einzigen Wirts-zelle offenbart. Doch das Protein sei intrazellulär exprimiert worden und sei unlöslich gewesen. Ferner habe das Protein eine ausgedehnte Verarbeitung erfordert, um Antikörperfragmente mit Bindeaktivität zu bilden. Dies habe zu ei-nem Material mit nur einem Bruchteil der Bindeaktivität geführt, die für Antikör-perfragmente bei dieser Konzentration erwartet worden sei. Es sei bereits ge-zeigt worden, dass Antikörperfragmente mit dem geeigneten Signalpeptid durch bakterielle Membranen sekretiert werden könnten mit einem darauffolgenden Anstieg der Bindeaktivität der Antikörperfragmente. Diese Verfahren würden das Screenen der einzelnen Klone auf Bindeaktivität in der-selben Art wie die monoklonalen Antikörper aus Mäusen erfordern.

Wie das Klagepatent weiter ausführt, sei jedoch nicht gezeigt worden, wie eine funktionelle Bindedomäne, z.B. ein Antikörper, Antikörperfragment, Rezeptor, Enzym, etc., auf der Oberfläche des Bakteriums in einer Konfiguration, die das Ernten, z.B. seiner Antigenbindefragmente, und die Selektion auf Klone mit gewünschten Eigenschaften gestatte, gehalten werden könne. Zu einem großen Teil sei dies deshalb der Fall, weil die Oberfläche des Bakteriums eine komplexe Struktur aufweise. Bei den gram-negativen Organismen gebe es eine Außenwand, was die Position weiter kompliziere. Darüber hinaus sei nicht gezeigt worden, dass sich zum Beispiel eine Antikörperdomäne korrekt falte, wenn sie als Fusion mit einem Oberflächenprotein von Bakterien oder Bakteriophagen exprimiert werde.

Bakteriophagen seien für diesen Screeningtyp attraktive, mit Prokaryoten ver-wandte Organismen. Im Allgemeinen weise ihre Oberfläche eine relativ einfa-che Struktur auf, sie könnten leicht in großer Zahl gezüchtet werden, seien der praktischen Handhabung, die bei vielen potentiellen Massenscreenprogrammen angewendet werde, leicht zugänglich, und würden die genetische Information für ihre eigene Synthese innerhalb einer kleinen einfachen Verpackung tragen. Die Schwierigkeit habe darin bestanden, praktisch das Problem zu lösen, wie Bakteriophagen auf diese Weise verwendet werden könnten.

Die WO 88/06XXX habe vorgeschlagen, dass der Bakteriophage λ ein geeignetes Vehikel für die Expression von Antikörpermolekülen sei. Jedoch fehle es an einer Offenbarung der Art und Weise der Ausführung dieser Idee. Beispielsweise zeige die WO 88/06XXX nicht, dass irgendwelche Sequenzen

(a) als Fusion mit dem λ -Gen exprimiert worden seien;
(b) auf der Oberfläche von λ exprimiert worden seien;
(c) so exprimiert worden seien, dass das Protein biologische Aktivität beibehalte.

Ferner sei nicht gezeigt worden, wie man nach geeigneten Fusionen screene. Da die λ-Virionen innerhalb der Zelle angeordnet würden, werde das Fusions-protein intrazellulär exprimiert. Daher sei angenommen worden, dass es inaktiv sei.

Bass et al., Dezember 1990 (nach der frühesten Priorität der vorliegenden An-meldung) beschreibe die Deletion eines Teils des Gens III des filamentösen Bakteriophagen M13 und die Insertion der Kodiersequenz des menschlichen Wachstumshormons (hGH) an der N-terminalen Stelle des Gens. Das von M13 präsentierte Wachstumshormon habe sich als funktionell erwiesen. Zusätzlich sei immer, wenn diese Fusion exprimiert worden sei, eine funktionelle Kopie des Gens III vorhanden gewesen.

Als weiteren Stand der Technik nennt das Klagepatent die WO 90/02XXX. Diese schlage die Insertion der Kodiersequenz des Rinderpankreastrypsinhibitors (BPTI) in das Gen VIII von M 13 vor. Es habe sich jedoch gezeigt, dass dieser Vorschlag nicht funktioniere. Beispielsweise sei nicht gezeigt worden, dass die BPTI-Sequenzen als Fusionen mit dem Gen III exprimiert und an der Oberfläche von M13 gezeigt würden. Ferner lehre dieses Dokument, dass, wenn eine Fusion mit dem Gen III durchgeführt werde, es notwendig sei, eine zweite synthetische Kopie des Gens III zu verwenden, so dass auch unverändertes Gen III-Protein vorhanden sei. Die Ausführungsformen würden dies nicht tun. In Ausführungsformen, in denen das Phagemid mit dem M13K07-Gen lIl-Deletions-Phagen gewonnen bzw. wiederhergestellt (‘rescued‘) werde, sei kein unverändertes Gen III vorhanden. Die WO 90/02XXX lehre auch, dass Phagemide, die nicht das vollständige Ge-nom von M13 enthalten und die Wiederherstellung („rescue“) durch Co-In-fektion mit einem Helferphagen erfordern, nicht für diese Zwecke geeignet seien, da die Co-Infektion zur Rekombination führen könne. In allen Ausführungsformen, bei denen die Anmelder des Klagepatents Phagemide verwendet hätten, hätten sie einen Helferphagen verwendet und die einzigen Sequenzen, die in den Phagemiden aus filamentösen Bakteriophagen stammen, seien der Replikationsursprung und die Gen III-Sequenzen.

Die WO 90/02XXX lehre auch, dass deren Verfahren Informationen, wie z. B. die Nukleotidsequenz des Startmoleküls und dessen dreidimensionale Struktur, erfordere. Die Verwendung eines bereits existenten Repertoires an Bindemolekülen, um nach einem Bindebestandteil zu screenen, werde nicht offenbart. Auch werde nicht die Bevorzugung der Vielfalt ihrer Bindemoleküle in natürlichen Variationsblöcken, wie z.B. CDR‘s von Immunglobulinen, um die Bildung von verbesserten Molekülen zu bevorzugen und unvorteilhafte Variationen zu vermeiden, offenbart. Die WO 90/02XXX schließe auch spezifisch die Anmeldung ihres Verfahrens zur Produktion von scFv-Molekülen aus.

In jedem der oben angesprochenen Patente (WO 88/06XXX und WO 90/02XXX), so das Klagepatent weiter, sei das zur Präsentation vorge-schlagene Protein eine einzelne Polypeptidkette. Es gebe keine Offenbarung eines Verfahrens, das ein dimeres Molekül durch Expression eines Monomers als Fusion mit einem Capsidprotein und das andere Protein in freier Form präsentiere.

Die WO 91/17XXX beschreibe die Insertion eines Proteins in ein Hüllenprotein eines Bakteriophagen und die Verwendung von Affinitätsreinigungsverfahren, um Phagenpartikel zu selektieren.

Die WO 92/06XXX schlage das Präsentieren heteromerer Rezeptorproteine an der Oberfläche von Zellen vor, wobei filamentöse Bakteriophagen als bevor-zugte Ausführungsform genannt würden.

Eine weitere Offenbarung, veröffentlicht im Mai 1991, beschreibe die Insertion der Kodiersequenzen einer der zwei Ketten des Fab-Abschnitts eines Antikör-pers in Gen VIII von M13 mit einer Co-Expression des anderen aus einem Plasmid. Es sei gezeigt worden, dass die zwei Ketten als funktionelles Fab-Fragment auf der Oberfläche des Phagen exprimiert worden seien. Es fehle jedoch an einer Offenbarung der lnsertionsstelle in Gen VIII und der Assay auf pAb-Bindeaktivität durch ELISA habe ein Reagens benutzt, das für die L-Kette eines Antikörpers und nicht für einen Phagen spezifisch sei.

Darüber hinaus beschreibe eine weitere Offenbarung, die im März 1991 veröf-fentlicht worden sei, die Insertion eines Fragments des gag-Proteins des AIDS-Virus in den N-terminalen Abschnitt des Gen III des Bakteriophagen fd. Die Ex-pression des gag-Proteins sei durch immunologische Verfahren nachgewiesen worden, aber es sei nicht gezeigt worden, ob das Protein in einer funktionellen Form exprimiert worden sei.

Das Problem, wie Bakteriophagen auf diese Weise zu verwenden seien, sei tatsächlich schwierig. Das Protein müsse in den Phagen in einer Weise insertiert werden, dass die Integrität der Phagenhülle nicht verletzt werde, und das Protein selbst solle funktionell sein und seine biologische Aktivität bezüglich der Antigenbindung beibehalten. Somit solle, wenn das Protein der Wahl ein Antikörper sei, dieser sich korrekt und effizient falten und zur Antigenbindung präsentiert werden. Eine Lösung des Problems für Antikörpermoleküle und -fragmente würde auch ein allgemeines Verfahren für ein beliebiges Biomolekül, das ein Bestandteil eines spezifischen Bindepaares ist, z.B. Rezeptormoleküle und Enzyme, bereitstellen.

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, die im Stand der Technik vorhandenen Nachteile zu beseitigen.

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

1. Verfahren zur Herstellung eines Moleküls, das in Bezug auf ein spezielles Target Bindungsspezifität aufweist, wobei das Verfahren folgendes umfasst:

1.1 das Herstellen einer Population filamentöser Bakteriophagenpartikel, die an ihrer Oberfläche eine Population von Bindungsmolekülen mit einer Reihe von Bindungseigenschaften präsentieren,

1.1.1. die Bindungsmoleküle weisen Antigenbindungsdomänen für spezifische komplementäre Bindungspaarelemente auf,

1.1.1.a die Bindungsmoleküle werden auf der Oberfläche der filamentösen Bakteriophagenpartikel durch die Fusion mit einem Gen-III-Protein der filamentösen Bakteriophagenpartikel präsentiert,

1.1.2. jedes filamentöse Bakteriophagenparti-kel enthält Nucleinsäure, die für das Bindungsmolekül kodiert,

1.1.3. das Bindungsmolekül wird aus der Nucleinsäure exprimiert und von dem Partikel auf der Oberfläche präsentiert;

1.2 das Selektieren eines filamentösen Bakteriophagenpartikels, das ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bindungseigenschaft präsentiert, durch Kontaktieren der Population filamentöser Bakteriophagenpartikel mit einem bestimmten Target, so dass einzelne Bindungsmoleküle mit der gewünschten Bindungseigenschaft, die auf filamentösen Bakteriophagenpartikeln präsentiert werden, an das Target bin-den;

1.3 das Trennen von gebundenen filamentösen Bakteriophagenpartikeln von dem Target;

1.4 das Gewinnen abgetrennter filamentöser Bakteriopha-genpartikel, die ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bindungseigenschaft präsentieren;

1.5 das Isolieren von Nucleinsäure, die für das Bindungsmolekül kodiert, aus den abgetrennten filamentösen Bakteriophagenpartikeln;

1.6 das Insertieren von für das Bindungsmolekül kodierender Nucleinsäure oder ein Fragment oder Derivat davon mit Bin-dungsspezifität in Bezug auf das Target in einem rekombinan-ten System; und

1.7 das Produzieren eines von den filamentösen Bakteriophagenpartikeln getrennten Moleküls mit Bin-dungsspezifität für das Target in dem rekombinanten System, worin das Molekül das Bindungsmolekül oder ein Fragment oder Derivat davon mit Bindungsspezifität für das Target ist.

In den unterstrichenen Teilen weicht die eingetragene deutsche Übersetzung von der englischen Fassung ab, wobei der Merkmalsgliederung Letztere zu-grunde liegt.

II.
Bei der Herstellung der angegriffenen Ausführungsform wurde das durch Pa-tentanspruch 1 beanspruchte Verfahren angewendet.

1.
Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, bei der Herstellung von Ranibizumab könne das patentgemäße Verfahren bereits deshalb nicht zur Anwendung ge-kommen sein, weil dort Bindungsmoleküle mit unterschiedlichen Bindungsstärken („Affinitäten“) an ein vorgegebenes Molekül, nämlich den Wachstumsfaktor VEGF, untersucht worden seien.

Merkmal 1.1. verlangt nach seinem Wortlaut lediglich das Herstellen einer Po-pulation von Bindungsmolekülen mit einer Reihe von Bindungseigenschaften („a range of binding properties“). Da Merkmal 1.1. bereits begrifflich nicht auf „Bindungsspezifitäten“ beschränkt ist, hat der Privatgutachter der Beklagten im englischen Parallelverfahren, C, zu Recht festgestellt, dass dieser Begriff nicht nur eine Bandbreite von Bindungsspezifitäten, sondern auch eine Bandbreite von Bindungsaffinitäten abdeckt (vgl. Anlage B 24a, S. 88, oben).

Soweit Patentanspruch 1 in den Merkmalen 1. sowie 1.6. und 1.7. gleichwohl den Begriff der „Bindungsspezifität“ verwendet, rechtfertigt auch dies es nicht, eine Selektion auf der Basis von „Bindungsaffinitäten“ vom Schutzumfang des Klagepatents auszuschließen. Vielmehr erkennt der Fachmann bereits aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten, dass Patentanspruch 1 zwischen der Bindungsspezifität des herzustellenden Moleküls in Bezug auf ein spezielles Target einerseits (Merkmale 1., 1.6. und 1.7.) und dem Selektionsvorgang andererseits unterscheidet (Merkmalsgruppen 1.1., 1.2. und 1.4.), im Rahmen dessen an der Oberfläche der Bakteriophagenpartikel eine Population von Bindungsmolekülen mit einer Reihe von Bindungseigenschaften präsentiert werden soll und wo ein filamentöses Bakteriophagenpartikel selektiert wird, das ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bindungseigenschaft präsentiert.

Dass die Begriffe „Bindungseigenschaft“ und „Bindungsspezifität“ nicht gleichzusetzen sind, bestätigt dem Fachmann zudem die Patentbeschreibung, wo sich nicht nur Beispiele für eine Selektion auf Affinitätsbasis finden (vgl. etwa die Beispiele 19, 28 und 29), sondern wo darüber hinaus ein bevorzugtes Verfahren zur Selektion eines Phagen, der ein Proteinmolekül mit der gewünschten Spezifität oder Affinität präsentiert, beschrieben wird (vgl. Anlage KB 5, S. 23, Z. 21 – 23). Das Klagepatent unterscheidet somit begrifflich zwischen der Spezifität und der Affinität, lässt jedoch gleichwohl in den Merkmalsgruppen 1.1., 1.2. und 1.4. allgemein eine Selektion nach „Bindungseigenschaften“ ausreichen, so dass dem Fachmann klar ist, dass darunter sowohl die Spezifität, als auch die Affinität fällt.

2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht es der Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nicht entgegen, dass das bei der Entwicklung von Ranibizumab verwendete Fusionsprotein nur einen Anteil des vollständigen Gen-III-Proteins, und zwar die C-terminale Anker-Domäne mit den Aminosäuren 249 bis 406, enthielt.

Merkmal 1.1.1.a verlangt nach seinem Wortlaut, dass die Bindungsmoleküle auf der Oberfläche der filamentösen Bakteriophagenpartikel durch die Fusion mit einem Gen-III-Protein der filamentösen Bakteriophagenpartikel präsentiert werden. Eine dahingehende Vorgabe, dass die Fusion mit einem vollständigen Gen-III-Protein erfolgen muss, lässt sich der Formulierung des Patentanspruchs demgegenüber nicht entnehmen. Vielmehr deutet bereits der Wortlaut des Patentanspruchs darauf hin, dass die Fusion mit einem Gen-III-Protein unter Berücksichtigung der gebotenen funktionsorientierten Auslegung zum Ziel hat, die Bindungsmoleküle auf der Oberfläche der filamentösen Bakteriophagenpartikel zu präsentieren. Entsprechend kommt es entscheidend darauf an, dass der Bereich, der diese Präsentation ermöglicht, vorhanden ist.

Soweit die Beklagten demgegenüber meinen, aus der Klagepatentbeschreibung ergebe sich zwingend etwas anders, überzeugt dies nicht.

Zwar findet der Fachmann dort in Absatz [0110] = S. 19, Z. 14 ff. der Überset-zung, dass das durch das Gen III kodierte Protein mehrere Domänen aufweist, einschließlich einer Signalsequenz, die das Protein zur Zellmembran lenkt und die dann abgespalten wird, einer Domäne, die das reife Protein in der bakteriellen Zellmembran und ebenso in der Phagenhülle verankert, und einer Domäne, die sich spezifisch an den Phagenrezeptor, den F-Pilus des Wirtsbakteriums, bindet. Dies bedeutet jedoch nicht ohne Weiteres, dass das dort beschriebene Gen-III-Protein nach der technischen Lehre des Klagepatents zwingend vollständig vorhanden sein müsste. Für die technische Funktion, welche dem Gen-III-Protein nach Patentanspruch 1 zugewiesen ist, nämlich das Ermöglichen der Präsentation der Bindungsmoleküle auf der Oberfläche, kommt es vielmehr allein auf die Verankerung in der Phagenhülle an. Soweit die Beklagten demgegenüber darauf abstellen, klagepatentgemäß gehe es auch darum, die Struktur und damit auch die Funktionen des Gen III-Proteins nach der Fusion mit dem Bindungsmolekül zu erhalten, hebt das Klagepatent in den durch die Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Absätzen [0114] und [0115] zwar einerseits hervor, dass die meisten Funktionen des Gen-III-Proteins beibehalten werden sollen (vgl. Anlage KB 5, S. 20, Z. 15 – 18 und Z. 25). Zugleich erschließt sich dem Fachmann anhand dieser Ausführungen jedoch auch, dass das Klagepatent Änderungen an dem Gen-III-Protein durchaus zulässt.

Zudem finden sich in der Klagepatentbeschreibung sowohl Hinweise auf die Verwendung eines vollständigen Gen-III-Proteins für die Fusion mit einem Bindungsmolekül, als auch auf die Verwendung eines defizienten Gen-III-Proteins bei gleichzeitiger Vorsehung eines vollständigen Gen-III-Proteins durch einen Helferphagen für die Bindung an ein Bakterium. Dass beide Gestaltungen unter die technische Lehre des Klagepatents fallen, erkennt der Fachmann bereits aus den Absätzen [0070] und [0277] (= S. 13, Z. 16 ff. sowie S. 55, Z. 1 ff. der Übersetzung der Klagepatentschrift), wo einerseits die Verwendung eines Phagemids mit einem Gen-III-defizienten Helferphagen (M13K07 Gene III No. 3) und andererseits auch die Verwendung eines Phagemids mit einem Helferphagen, der ein vollständiges Gen-III-Protein enthält (M13K07), offenbart wird. Eine Beschränkung auf einen bestimmten Helferphagen enthält Patentanspruch 1 jedoch gleichwohl nicht. Vielmehr beschreibt auch das Ausführungsbeispiel 14 die Verwendung des Gen-III enthaltenden Helferphagen (vgl. Anlage KB 5, S. 55, Z. 1 ff.). Soweit das Klagepatent demgegenüber in Abschnitt [0087] verschiedene Bakteriophagen nennt (vgl. Anlage KB 5, S. 15, Z. 28 ff.), handelt es sich dabei lediglich um eine beispielhafte Aufzählung, auf welche die technische Lehre des Klagepatents nicht reduziert werden darf.

Darüber hinaus rechtfertigt auch der durch die Beklagten zitierte Stand der Technik keine andere Bewertung. Zwar weist das Klagepatent in Abschnitt [0017] (= Anlage KB 5, S. 4, Z. 26 ff.) darauf hin, dass Bass et. al. die Deletion eines Teils des Gens III des filamentösen Bakteriophagen M13 und die Inser-tion der Kodiersequenz des menschlichen Wachstumshormoms (hGH) an der N-terminalen Stelle des Gens beschreiben, wobei zusätzlich immer, wenn diese Fusion exprimiert wurde, eine funktionelle Kopie des Gens III vorhanden gewesen sei. Weiterhin lehre die WO 90/02XXX, dass, wenn eine Fusion mit dem Gen-III durchgeführt werde, es notwendig sei, eine zweite, synthetische Kopie des Gens III zu verwenden, so dass auch unverändertes Gen-III-Protein vorhanden sei. Die Ausführungsformen der Anmeldung würden dies nicht tun. Jedoch stellt das Klagepatent sodann auf Ausführungsformen ab, in denen das Phagemid mit dem M13K07-Gen III Deletions-Phagen gewonnen bzw. wiederhergestellt wird (vgl. Anlage KB 5, S. 4, Z. 37 – 39), bei denen kein unverändertes Gen-III vorhanden sei. Dass das Klagepatent gleichwohl nicht auf derartige Ausführungsformen beschränkt ist, zeigt dem Fachmann die weitere Beschreibung des Klagepatents, wo sowohl die Verwendung eines Phagemids mit einem Gen-III-defizienten Helferphagen (M13K07 Gene III No. 3), als auch die Verwendung eines Phagemids mit einem Helferphagen, der ein vollständiges Gen-III-Protein enthält (M13K07, vgl. Anlage KB 5, S. 14, Z. 17 ff.), beschrieben wird.

Soweit die Beklagten schließlich in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen haben, der Anspruch des Klagepatents sei nicht auf Phagemide beschränkt, so dass auch Phagen erfasst seien, für die immer ein vollständiges Gen-III-Protein erforderlich sei, rechtfertigt auch dies bereits deshalb keine andere Bewertung, weil Patentanspruch 1, wie bereits dargelegt, die Verwendung eines vollständigen Gen-III-Proteins zwar nicht zwingend voraussetzt, aber gleichwohl zulässt.

3.
Des Weiteren führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus, dass im Rahmen der Herstellung von Ranibizumab unstreitig ein Phagemid-System mit dem Helfersphagen M13K07 verwendet wurde, was dazu führt, dass neben Bakteriophagenpartikeln, die das Bindungsmolekül auf der Oberfläche präsentieren, auch solche erzeugt werden, die kein Bindungsmolekül präsentieren (sog. „nackte Phagen“).

Zwar verlangt Merkmal 1.1.2., dass jedes filamentöse Bakteriophagenpartikel Nukleinsäure enthält, die für das Bindungsmolekül kodiert (Hervorhebung hin-zugefügt). Dies bedeutet aber nicht, dass – wie die Beklagten meinen – patent-gemäß eine einzige Population von Bakteriophagenpartikeln hergestellt wer-den müsste, in der jeder Bakteriophagenpartikel der Population Nukleinsäure enthalten muss.

Wie der Fachmann bereits der Formulierung der streitgegenständlichen Patentansprüche entnimmt, soll patentgemäß eine Population filamentöser Bakteriophagenpartikel erzeugt werden, auf deren Oberfläche eine näher defi-nierte Population von Bindungsmolekülen präsentiert wird, worin jedes filamentöse Bakteriophagenpartikel Nukleinsäure enthält, die für das Bin-dungsmolekül kodiert (Hervorhebung hinzugefügt). Bereits aufgrund der For-mulierung des Patentanspruchs ist dem Fachmann somit klar, dass lediglich all diejenigen Teilchen, die der Population gemäß Merkmal 1.1. zugehörig sind, also diejenigen, die ein Bindungsmolekül präsentieren, auch Nukleinsäure enthalten müssen. Dies schließt es bereits nach dem Wortlaut nicht aus, dass auch andere, „nackte“ Phagen vorhanden sind, die dann, mangels Präsentation einer Population von Bindungsmolekülen auf der Oberfläche, bereits nicht zu der in der Merkmalsgruppe 1 beschriebenen Population gehören. Das Vorliegen genau einer, abschließenden Population verlangt Patentanspruch 1 demgegenüber bereits nach seinem Wortlaut nicht.

Eine Bestätigung dieser Auslegung erhält der Fachmann aus der Klagepatent-beschreibung. Das Klagepatent offenbart in Abschnitt [0072] (= Anlage KB 5, S. 13) ausdrücklich die Verwendung eines Phagemids mit einem defizitären Helferphagen M13K07 Gen III Nr. 3) als auch gleichermaßen die Verwendung eines Phagemids mit einem Helferphagen, der ein vollständiges Gen-III-Protein („wild type“) enthält (MK13K07, vgl. Abschnitt [0072] i.V.m. Abschnitt [0323] = KB 5, S. 55, Z. 1 ff.). Soweit sich die Beklagten insoweit demgegen-über darauf berufen, in der Beschreibung des Klagepatents würde die Verwendung „nackter Phagen“ ausschließlich im Zusammenhang mit einer Selektion rein auf Basis der Affinität beschrieben, rechtfertigt auch dies keine andere Bewertung, da auch eine derartige Selektion – wie bereits im Zu-sammenhang mit Merkmal 1.1. ausgeführt – unter den Schutzbereich des Kla-gepatents fällt. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.

4.
Soweit die Beklagten die Verwirklichung von Merkmal 1.2. zunächst mit der Begründung in Frage gestellt haben, die Klägerin argumentiere insoweit aus-schließlich auf der Basis der „Affinität“ und nicht der „Spezifität“, steht dies der Verwirklichung der technischen Lehre nicht entgegen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu Merkmal 1.1. wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Überdies führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus, dass im Rahmen des bei der Entwicklung von Ranibizumab eingesetzten Verfahrens bei den Selektionsschritten jeweils Subpopulationen aus mehreren Teilchen mit unterschiedlichen Bindungsmolekülen selektiert wurden, so dass Subpopulationen aus mehreren Teilchen selektiert wurden, die Bindungsmoleküle mit gewünschten Bindungsaffinitäten präsentieren. Zwar ist es nach Merkmal 1.2. erforderlich, dass ein filamentöses Bakteriophagenpartikel selektiert werden soll. Anhaltspunkte dafür, dass dies zwingend voraussetzt, dass genau ein filamentöses Bakteriophagenpartikel selektiert werden soll, so dass die Bezeichnung „eines“ als Zahlwort und nicht lediglich als unbestimmter Artikel verstanden werden soll, bietet die Klagepatentschrift jedoch nicht. Vielmehr steht einer derartigen Auslegung bereits der Wortlaut des Patentanspruchs entgegen („einzelne Bindungsmole-küle“). Ferner ist eine derartige Auslegung auch nicht unter funktionalen Gesichtspunkten geboten, da bei einem Selektionsverfahren, wie es in den Merkmalsgruppen 1.1. und 1.2. beschrieben ist, in gleicher Weise mehrere Bakteriophagenpartikel gleichzeitig selektiert werden können.

5.
Des Weiteren fordert Merkmal 1.4. das Gewinnen abgetrennter filamentöser Bakteriophagenpartikel, auf denen ein Bindungsmolekül mit der gewünschten Bindungseigenschaft präsentiert wird. Die Beklagten haben die Verwirklichung dieses Merkmals in der Klageerwiderung ausschließlich unter Verweis auf die nach den Anlagen K 8 bis K 10 durchgeführte Selektion in Bezug auf die gewünschte Affinität in Frage gestellt. Da jedoch Merkmal 1.4. ebenso wie Merkmal 1.1. lediglich auf „Bindungseigenschaften“ abstellt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die entsprechenden Ausführungen zu Merkmal 1.1. Bezug genommen.

6.
Die Verwirklichung von Merkmal 1.5. haben die Beklagten mit der Begründung in Frage gestellt, die von der Klägerin vorgelegten Veröffentlichungen gemäß Anlagen KB 8 bis KB 10 würden keinen Isolierungsschritt beschreiben. Insbe-sondere sei in filamentösen Bakteriophagen nur einzelsträngige Nukleinsäure verpackt, so dass auch die aus den Bakteriophagenpartikeln isolierte Nuklein-säure einsträngig sein müsse. Nach dem in Anlage KB 8 beschriebenen Ver-fahren liege zwischen dem Schritt des Abtrennens der selektierten Phagen und dem Schritt der Nukleinsäureisolierung eine erneute Infektion von Bakterienzellen. Erst danach sei eine ausreichende Menge an Nukleinsäure isoliert worden. In den Anlagen K 9 und K 10 würde demgegenüber keine Isolierung der Nukleinsäure aus den Phagenpartikeln beschrieben.

Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, das Merkmal 1.5. bereits nach seinem Wortlaut nicht verlangt, dass die Nukleinsäure, die für das Bindungsmolekül kodiert, unmittelbar, das heißt ohne weitere Zwischenschritte, von dem abge-trennten filamentösen Bakteriophagenparikel isoliert wird. Wie der Fachmann vielmehr aus dem Zusammenhang der Merkmale 1.5. bis 1.7. erkennt, dient die Isolierung der Nukleinsäure dazu, diese für die weiteren Schritte, nämlich das Insertieren der Nukleinsäure und das Erzeugen eines Bindungsmoleküls oder Fragments oder Derivats davon in einem rekombinanten System, vorzuberei-ten. Hierfür kommt es jedoch nicht darauf an, ob die Nukleinsäure direkt aus abgetrennten filamentösen Bakteriophagenpartikeln isoliert wurde, oder ob diese zunächst vermehrt wurden, um identische Nukleinsäure zu gewinnen. Entscheidend ist vielmehr, dass Nukleinsäure aus den selektierten Bakteriophagenteilchen als Ausgangsmaterial für die isolierte Nukleinsäure verwendet wird.

7.
Schließlich handelt es sich bei Ranibizumab um ein Derivat im Sinne des Kla-gepatents, so dass bei der Herstellung von Ranibizumab auch die Merkmale 1.6. und 1.7. des Klagepatents verwirklicht wurden.

a)
Was patentgemäß unter einem „Derivat“ zu verstehen ist, entnimmt der Fach-mann S. 14, Z. 19 ff. der Übersetzung des Klagepatents (= Abschnitt [0081] der englischsprachigen Originalfassung). Danach ist patentgemäß unter einem Derivat eine Substanz zu verstehen, die von einem Polypeptid abstammt, welches von der innerhalb eines ausgewählten Bakteriophagenteilchens befindlichen DNA kodiert wird. Das Derivatpolypeptid kann sich vom kodierten Polypeptid durch die Addition, Deletion, Substitution oder Insertion von Aminosäuren oder durch die Verbindung von anderen Molekülen mit dem kodierten Polypeptid unterscheiden, wobei diese Änderungen auf der Nukleotid- oder der Proteinebene erfolgen können. Da das Klagepatent somit den Begriff des Derivats ausdrücklich definiert, kann es dahinstehen, ob der Fachmann üblicherweise den Begriff des „Derivats“ enger fasst, wie beispielsweise der Sachverständige C im britischen Parallelverfahren ausgeführt hat (vgl. Anlage B 24a, S. 87). Das Klagepatent ist insoweit sein eigenes Lexikon (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 28).

b)
Ausgehend von der allgemeinen Definition des Begriffes „Derivat“ in der Klagepatentschrift ist für die Auslegung der Beklagten, der Begriff „Derivat“ erfasse keine Veränderungen bei den spezifischen Aminosäuren in den Bindungsregionen (CDRs) eines Antikörpers, weshalb es sich bei Ranibizumab, wo unstreitig Änderungen in der CDR-L1-Region der leichten Kette und in der CDR-H1-Region der schweren Kette vorgenommen wurden, um kein „Derivat“ im Sinne der Merkmale 1.6 und 1.7 handeln könne, kein Raum. Für eine derartige einschränkende Auslegung bietet weder der Patentanspruch selbst, noch die Patentbeschreibung einen Anhaltspunkt, so dass die Beklagten Patentanspruch 1 insoweit unter seinem Wortlaut auslegen. Zwar sprechen die Merkmale 1.6 und 1.7 davon, dass auch das Derivat Bindungsspezifität für das Target aufweisen muss. Allein dies rechtfertigt es jedoch nicht, den Anspruch, wie von den Beklagten vertreten, einschränkend auszulegen und den Begriff des Derivats entgegen der De-finition in der Klagepatentbeschreibung auf Änderungen außerhalb der CDRs zu beschränken. Vielmehr erkennt der Fachmann bereits aus der Formulierung des Patentanspruchs, dass Änderungen – auch in den CDRs – solange zulässig sein sollen, wie die Bindungsspezifität für das Target erhal-ten bleibt. Dies ist hier jedoch auch nach der Änderung der CDR-L1- und der CDR-H1-Region der Fall, da Ranibizumab – wie Y0238-3 und Y0243-1 – spezifisch an VEGF bindet.

c)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Begriff „Derivat“ auch nicht so zu verstehen, dass die Derivatisierung bereits zwingend vor dem Einführen der Nukleinsäure in das rekombinante System auf der Ebene der isolierten Nukleinsäure erfolgen muss. Insbesondere entnimmt der Fachmann Patentanspruch 1 auch nicht, dass Änderungen, die wiederum das Isolieren der Nukleinsäure des Bindungsmoleküls aus dem rekombinanten System erfordern, um im Anschluss an die rekombinante Herstellung eine Derivatisierung durchzuführen, unzulässig sein sollen.

Dass die in Patentanspruch 1 aufgenommenen Verfahrensschritte nicht ab-schließend sind, erkennt der Fachmann bereits aus einer Zusammenschau der Merkmale 1.5. – 1.6. So soll nach Merkmal 1.5. Nukleinsäure, die für das Bindungsmolekül kodiert, von den abgetrennten filamentösen Bakteriophagen-partikeln isoliert werden. Demgegenüber sieht Merkmal 1.6. nicht nur das Insertieren der für das Bindungsmolekül kodierenden Nuklein-säure in dem rekombinanten System vor. Ausreichend ist vielmehr auch das Insertieren eines Fragments oder Derivats davon, ohne dass Patentanspruch 1 zu entnehmen wäre, wie dieses Derivat hergestellt werden soll. Korrespondie-rend dazu wird in Merkmal 1.7. ein Bindungsmolekül oder Fragment oder Deri-vat davon in einem rekombinanten System erzeugt. Der Fachmann wird sich somit insoweit zur Bestimmung des Begriffes „Derivat“ an der in der Klage-patentbeschreibung enthaltene Definition orientieren, welche den Begriff des „Derivats“ lediglich über die Addition, Deletion, Substitution oder Insertion bzw. über die Verbindung von anderen Molekülen mit dem kodierten Polypeptid definiert, ohne die Derivatisierung auf die Zeit bis zum (erstmaligen) Insertieren der Nukleinsäure zu beschränken.

III.
Bei dem den Wirkstoff Ranibizumab enthaltenden Medikament „B“ handelt es sich um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG. Für die Frage der Verletzung des Klagepatents kommt es dabei nicht darauf an, ob es sich bei dem hier streitgegenständlichen Patentanspruch 1 um einen sog. „Durchgriffsanspruch“ handelt. Auch wenn derartige Ansprüche teilweise als unzulässig angesehen werden, ist es für die Verletzungsfrage allein entscheidend, ob die Voraussetzungen von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG, nämlich das Vorliegen eines unmittelbaren Verfahrenserzeugnisses, erfüllt sind. Die Frage der Patentierbarkeit stellt sich demgegenüber ausschließlich im Zusammenhang mit der Frage der Aussetzung der Verhandlung.

1.
Bei dem von Patentanspruch 1 geschützten Verfahren handelt es sich um ein Herstellungs- und nicht lediglich um ein Arbeitsverfahren.

a)
Verfahren im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG bzw. Art. 64 Abs. 2 EPÜ sind alle Verfahren, die ein Erzeugnis hervorbringen. Demgegenüber liegt ein reines Arbeitsverfahren vor, wenn sich das Verfahren auf die veränderungsfreie Einwirkung auf das Objekt beschränkt (vgl. Schulte/Kühnen, Patentgesetz mit EPÜ, 8. Auflage, § 9 Rz. 82 f., vgl. auch Kraßer, Patentgesetz, 6. Auflage, S. 773; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Auflage, § 9 Rz. 53).

b)
Ausgehend von diesen Überlegungen handelt es sich bei dem beanspruchten Verfahren um ein Herstellungs- und nicht lediglich um ein Arbeitsverfahren. Auch wenn „Screening-Verfahren“ teilweise als Arbeitsverfahren angesehen werden (vgl. etwa Wolfram, Mitt. 2003, 57, 61; Busse, Patentgesetz, 6. Auflage, § 9 Rz. 101; Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Auflage, § 9 Rz. 54), liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor. Zwar findet nach den Merkmalsgruppen 1.1. und 1.2. ein Screening („Phage Display“) statt. Anders als etwa bei dem durch Wolfram diskutierten Anspruch ist Patentanspruch 1 jedoch nicht auf das bloße Screening beschränkt. Vielmehr kommt es sodann zu einer Iso-lierung der Nukleinsäure (Merkmale 1.3. bis 1.5.) sowie zum Erzeugen eines Bindungsmoleküls oder Fragments oder Derviats davon mit einer Bindungsspezifität für das Target (Merkmale 1.6. und 1.7.), so dass das Verfahren der Herstellung eines Bindungsmoleküls, das für ein bestimmtes Target spezifisch ist, dient. Damit beschränkt sich das Verfahren gerade nicht auf die veränderungsfreie Einwirkung auf ein Objekt, sondern bringt ein Erzeugnis hervor.

2.
Zudem wurde das den Wirkstoff Ranibizumab enthaltende Medikament „B“ auch unmittelbar mittels des durch Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahrens hergestellt.

a)
§ 9 S. 2 Nr. 3 PatG bzw. Art. 64 Abs. 2 PatG beschränken den Patentschutz auf durch das beanspruchte Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnisse. Damit ein Erzeugnis als unmittelbar durch ein Verfahren hergestellt gelten kann, muss ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis und dem Verfahren bestehen. Dies ist zunächst regelmäßig dann zu bejahen, wenn es sich um das Erzeugnis handelt, das mit Abschluss sämtlicher Verfahrensschritte des geschützten Verfahrens entstanden ist (vgl. Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Auflage, § 9 Rz. 55). Im Übrigen liegt die erforderliche Unmittelbarkeit dann vor, wenn das geschützte Verfahren nach der Verkehrsanschauung wesentlich zu der Hervorbringung des Erzeugnisses beigetragen hat und das so geschaffene Erzeugnis seine charakteristischen Eigenschaften und seine Selbstständigkeit nicht durch eine weitere Behandlung einbüßt (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 7, 70 – Videosignal-Codierung I; Schulte/Kühnen, Patentgesetz, 8. Auflage, § 9 Rz. 84). Die Unmittelbarkeit fehlt daher, wenn zur Herstellung des Erzeugnisses neben dem patentierten Verfahren auch andere Verfahren wesentlich beigetragen haben, es sei denn, dass das patentierte Verfahren zuletzt angewendet wurde oder für das Endprodukt nach der Verkehrsanschauung ursächlich ist. Unmittelbares Verfahrenserzeugnis ist daher entweder das Erzeugnis, das Endprodukt des Verfahrens ist, oder das Erzeugnis, das trotz einer Weiterver-arbeitung seine charakteristische Identität im Wesentlichen behält (vgl. Schulte/Kühnen a. a. O., vgl. auch Benkard/Scharen, PatG, 10. Auflage, § 9 Rz. 55 ff.).

b)
Ausgehend von diesen Überlegungen handelt es sich bei „Ranibizumab“ um ein unmittelbares Verfahrenserzeugnis im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG, da „Ranibizumab“ als Derivat unmittelbar aus dem letzten Verfahrensschritt her-vorgegangen ist.

3.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für § 9 S. 2 Nr. 3 PatG auch nicht darauf an, ob Teile des beanspruchten Verfahrens vor Erteilung des Kla-gepatents im patentfreien Ausland verwirklicht wurden. Der Inhaber eines inländischen Verfahrenspatents wird durch § 9 S. 2 Nr. 3 PatG gerade vor der Einfuhr und dem Inlandsvertrieb von Erzeugnissen geschützt, die im Ausland nach dem für ihn im Inland patentierten Verfahren hergestellt worden sind (vgl. Benkard/Scharen, Patentgesetz, 10. Auflage, § 9 Rz. 53). Für die Verwirklichung von § 9 S. 2 Nr. 3 PatG reicht es somit aus, dass das durch das Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis im Geltungsbereich des Klagepatents angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu diesem Zweck eingeführt oder besessen wurde. Dies ist hier jedoch unstreitig der Fall.

Soweit die Beklagten demgegenüber auf die Entscheidung „Motorblock“ (BGH GRUR 1951, 313) abstellen, rechtfertigt auch dies keine andere Bewertung. Zwar hat der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass vor Eintritt des Schutzes hergestellte Erzeugnisse durch die spätere Patenter-teilung nicht rückwirkend patentverletzenden Charakter erhalten. Jedoch gilt es vorliegend zu berücksichtigen, dass unstreitig Verfahrensschritt 1.7, nämlich das Erzeugen des Bindungsmoleküls bzw. eines Fragments oder Derivats davon, im rekombinanten System nach Erteilung des Klagepatents bis heute immer wieder durchgeführt wird, wobei das den Wirkstoff „Ranibizumab“ enthaltende Arzneimittel „B“ sodann durch die Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland angeboten und vertrieben wird.

IV.
Da die Beklagten unstreitig das den Wirkstoff „Ranibizumab“, enthaltende Me-dikament „B“ in der Bundesrepublik Deutschland anbieten und in Verkehr bringen, stehen der Klägerin auch die auf das „Ranibizumab“ betreffende er-gänzende Schutzzertifikat gestützten Ansprüche zu.

Soweit die Beklagten insoweit geltend machen, die Klägerin sei an der Gel-tendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen einer widerrechtlichen Benutzung des Gegenstandes gehindert, weil die Klägerin als Patentinhaberin anstrebe, der Beklagten den Vertrieb genau jenes Arz-neimittels zu verbieten, das Gegenstand der Genehmigung für das Inverkehrbringen sei, die gerade die Grundlage für das erteilte ergänzende Schutzzertifikat darstelle, rechtfertigt dies keine andere Bewertung. Zwar weisen die Beklagten zurecht darauf hin, dass mit der Einführung des ergänzenden Schutzzertifikats der Tatsache Rechnung getragen werden sollte, dass staatliche Genehmigungsverfahren, die der Zulassung eines Stoffes oder Verfahrens für den Verkehr vorausgehen, zu einer Ein-schränkung der effektiven Nutzungszeit des auf das Erzeugnis erteilten Patents führen können (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Auflage, § 16a, Rz. 6). Jedoch bedeutet dies nicht, dass der Inhaber des Grundpatents auf der Grundlage des Schutzzertifikats nicht gegen den Inhaber der arzneimittelrechtlichen Genehmigung vorgehen könnte. Vielmehr kann die Inhaberschaft an dem Schutzzertifikat und an der arzneimittelrechtlichen Genehmigung auseinanderfallen. Demnach ist es möglich, dass der Inhaber des Schutzzertifikats – wie hier – dem personenverschiedenen Inhaber der Genehmigung die Benutzung des Schutzzertifikats untersagen kann (vgl. EuGH GRUR-Int. 1997, 363 – Biogen; Benkard/Grabinski, Patentgesetz, 10. Auflage, § 16a, Rz. 40).

V.
Da es sich bei der angegriffenen Ausführungsform mithin um ein unmittelbar durch das beanspruchte Verfahren hergestelltes Erzeugnis handelt und die angegriffene Ausführungsform zudem unter den Schutzbereich des zugunsten der Klägerin erteilten ergänzenden Schutzzertifikats fällt, ohne dass die Beklagte zu einer Nutzung des Klagepatents sowie des Schutzzertifikats berechtigt ist (§§ 16a, 9 S. 2 Nr. 3 PatG), rechtfertigen sich die tenorierten Rechtsfolgen.

1.
Die Beklagten verletzen durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland das Schutzzertifikat, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet sind (§ 16a PatG i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG).

2.
Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 16a PatG i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunterneh-men hätten sie die Verletzung des Schutzzertifikats sowie des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahr-scheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzver-pflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO. Darüber hinaus haben die Beklagten der Klägerin gemäß Art. II § 1 IntPatÜG im zuerkannten Umfang eine angemessene Entschädigung zu zahlen.

3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadener-satzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus werden die Beklagten durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 16a PatG i.V.m. § 140 b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist den Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abneh-mer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

4.
Schließlich steht der Klägerin gegen die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Klagepatents und des Schutzzertifikats sind, aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 16a PatG i. V. m. § 140 a Abs. 1 S. 1 PatG zu. Demgegenüber sind die Voraussetzungen eines entsprechenden Vernichtungsanspruchs gegen die in der Schweiz ansässige Beklagte zu 2) nicht schlüssig dargelegt. Da die Beklagte zu 2) ihren Sitz im Ausland hat, hätte es hierfür eines dahingehenden Vortrages bedurft, dass die Beklagte zu 2) tatsächlich verletzende Gegenstände im Inland (noch) im Eigentum oder Besitz hat.

VI.
Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung,
§ 148 ZPO.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesge-richt Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 – Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch auf eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

2.
Ausgehend von diesen Überlegungen bietet das Vorbringen der Beklagten im Hinblick auf den gegen die Erteilung des Klagepatents gerichteten Einspruch für eine Aussetzung der Verhandlung keine Veranlassung.

a)
Soweit sich die Beklagten zunächst auf eine unzulässige Änderung des Klagepatents berufen, scheidet eine Aussetzung der Verhandlung unter diesem Gesichtspunkt bereits deshalb aus, weil die Beklagten die Stammanmeldung des Klagepatents (Anlage BM 2 im Einspruchsverfahren) entgegen der Vorgaben aus dem frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung nicht in deutscher Übersetzung vorgelegt haben. Für die Frage der unzulässigen Erweiterung ist jedoch der Gegenstand des Patents, der durch die Patentansprüche definiert wird, mit dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung zu vergleichen. Der Inhalt der Patentanmeldung ist demnach nicht durch den Inhalt der Patentansprüche begrenzt. Vielmehr dürfen alle Gegenstände, die sich einem Fachmann aus der ursprünglichen Anmeldung ohne Weiteres erschließen, zum Gegenstand eines Patents gemacht werden (vgl. Schulte/Moufang, PatG, 8. Auflage,
§ 21 Rz. 55 ff.). Eine Prüfung des Gesamtinhaltes der Anmeldung ist für die Kammer ohne eine deutsche Übersetzung der Offenlegungsschrift jedoch nicht möglich.

b)
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten zudem auf eine unzureichende Offenbarung.

Eine patentierte Erfindung ist nur dann unzureichend offenbart, wenn ein für das Gebiet der Erfindung zuständiger Fachmann anhand der Patentschrift unter Zuhilfenahme seines Fachwissens und des allgemeinen Fachwissens mit zumutbarem Aufwand nicht in der Lage ist, die unter Schutz gestellte Erfindung in ausreichendem Maße im gesamten beanspruchten Bereich praktisch zu verwirklichen (vgl. Schulte/Moufang, Patentgesetz mit EPÜ, § 21 Rz. 29 ff.).

Das dies hier tatsächlich der Fall ist, lässt sich für die Kammer mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht feststellen.

Die Beklagten begründen den Einwand der mangelnden Offenbarung im We-sentlichen damit, es handele sich bei Patentanspruch 1 um einen sogenannten „Durchgriffsanspruch“. In diesem Zusammenhang fehle es an der Offenbarung einer Lehre zur Bereitstellung von Populationen von Bin-dungsmolekülen, zur strukturellen Charakterisierung der herzustellenden Moleküle und zur Herstellung von Derivaten und Fragmenten.

Zwar werden sogenannte „Durchgriffsansprüche“ in der Literatur als kritisch angesehen (vgl. etwa Wolfram, Mitt. 2003, S. 57 ff.), wobei Wolfram unter ande-rem darauf hinweist, dass EPA, USPTO und JPO zu dem Ergebnis gekommen seien, dass Durchgriffsansprüche nicht gewährbar seien (vgl. Wolfram, a. a. O., S. 60, linke Spalte oben). Jedoch wurde die zugrunde liegende Studie bereits 2001 veröffentlicht, während die Veröffentlichung des Klagepatents am 28.10.2009 und damit nach dieser Veröffentlichung erfolgte.

Im Rahmen der Aussetzungsentscheidung hat die Kammer daher zu berück-sichtigen, dass das Klagepatent durch das sachkundig besetzte Europäische Patentamt, dem zu diesem Zeitpunkt bereits die Problematik der sogenannten „Durchgriffsansprüche“ bekannt war, erteilt wurde. Zudem hat das Deutsche Patent- und Markenamt auf der Grundlage des Klagepatents nunmehr auch ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt. Im Übrigen haben beide Parteien im Verletzungsverfahren ausführliche Gutachten vorgelegt, welche sich ausführlich mit der technischen Lehre des Klagepatents befassen, ohne dass die jeweiligen Sachverständigen zu dem eindeutigen Ergebnis gelangen, die technische Lehre des Klagepatents sei nicht hinreichend offenbart.

Vor diesem Hintergrund ist es der nicht fachkundig besetzten Kammer nicht möglich, mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Wahr-scheinlichkeit festzustellen, dass das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren un-ter dem Gesichtspunkt der mangelnden Offenbarung vernichtet werden wird.

c)
Soweit sich die Beklagten des Weiteren unter Heranziehung der WO 92/18XXX (= Anlage BM 15 im Nichtigkeitsverfahren sowie Teilübersetzung gemäß Anlage B 15a) auf eine fehlende Neuheit des Klagepatents berufen, rechtfertigt dieses Vorbringen eine Aussetzung der Verhandlung bereits deshalb nicht, weil es sich bei dieser Entgegenhaltung um im Erteilungsverfahren gewürdigten Stand der Technik handelt (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rz. 1394).

d)
Auch der Einwand der mangelnden Erfindungshöhe rechtfertigt eine Ausset-zung der Verhandlung nicht.

Insoweit hat die Kammer im Rahmen ihrer Aussetzungsentscheidung zu be-rücksichtigen, dass es sich bei den durch die Beklagte zu 2) im Einspruchs-verfahren in Bezug auf die fehlende erfinderische Tätigkeit herangezogenen Schriften um bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten und zum Teil so-gar in der Klagepatentbeschreibung ausdrücklich gewürdigten Stand der Technik handelt. Da sich das fachkundig besetzte Europäische Patentamt somit bereits im Erteilungsverfahren mit diesen Schriften beschäftigt hat und zudem nunmehr auch ein ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage des Klagepatents erteilt hat, kommt eine Aussetzung unter dem Gesichtspunkt der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht.

4.
Die gegen das ergänzende Schutzzertifikat gerichtete Nichtigkeitsklage bietet für eine Aussetzung der Verhandlung ebenfalls keine Veranlassung.

Die Kammer hat im Rahmen der Aussetzungsentscheidung zunächst zu be-rücksichtigen, dass sich die Beklagten am Erteilungsverfahren des ergänzen-den Schutzzertifikats bereits als unbeteiligte Dritte mit den als Anlagen KB 22 und KB 23 vorgelegten Schriftsätzen beteiligt und umfassende Einwände vor-gebracht haben. Insbesondere haben sich die Beklagten insoweit nicht nur darauf berufen, der Klägerin fehle das Recht zur Bezugnahme auf die arzneimittelrechtliche Zulassung und sie würden rechtsmissbräuchlich handeln. Vielmehr haben die Beklagten geltend gemacht, dass es an einem Grundpatent fehle. Schließlich haben sich die Beklagten mit ausführlicher Begründung auch darauf berufen, bei der Entwicklung von „Ranibizumab“ seien die Anspruchsmerkmale nicht verwirklicht (vgl. Anlage KB 23). Damit ist davon auszugehen, dass die Einwände, auf welche sich die Beklagte zu 2) im Rahmen der durch sie gegen das ergänzende Schutzzertifikat erhobenen Nichtigkeitsklage im Wesentlichen beruft, bereits im Schutz-rechtserteilungsverfahren durch das fachkundig besetzte Europäische Patentamt berücksichtigt wurden.

Im Übrigen ist auch unabhängig davon unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Anwendung der technischen Lehre des Klagepatents bei der Entwicklung von Ranibizumab nicht mit der für eine Aussetzung der Verhandlung erforderlichen Wahrscheinlichkeit mit einer Nichtigerklärung des ergänzenden Schutzzertifikats zu rechnen, da – wie bereits ausgeführt – die technische Lehre des das Grundpatent bildenden Klagepatents bei der Entwicklung von Ranibizumab angewandt wurde.

VII.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Vollstreckungsschutz sind nicht gegeben.

In Betracht kommen könnte ein Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO allen-falls im Hinblick auf die Verurteilung zur Unterlassung und Vernichtung. Die Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht hat ohnehin kei-nen vollstreckungsfähigen Inhalt. Hinsichtlich des Rechnungslegungsanspruchs ist ein nicht zu ersetzender Nachteil nicht erkennbar, weil die Verurteilung unter Wirtschaftsprüfervorbehalt erfolgt ist und daher ein Bekanntwerden von Geschäftsgeheimnissen nicht droht (BGH GRUR 1978, 726). Für den Fall einer Vollstreckung aus der Kostenentscheidung ist die Beklagte durch die Regelung des § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO ausreichend geschützt.

Hinsichtlich des titulierten Unterlassungs- und Vernichtungsanspruchs gilt, dass im allgemeinen zwar auf Seiten des Schuldners die Voraussetzung des § 712 Abs. 1 ZPO – der nicht zu ersetzende Nachteil – gegeben sein dürfte, dass jedoch gleichwohl im Rahmen der Interessensabwägung gemäß § 712 Abs. 2 ZPO in der Regel von einem überwiegenden Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines zeitlich begrenzten Anspruchs auszugehen ist (vgl. im Einzelnen: OLG Düsseldorf GRUR 1991, 188 (189 ff.) – Flachdachabläufe). Grundsätzlich ist deshalb ein erweiterter Vollstreckungsschutz nach § 712 ZPO in Patentsachen zu verweigern. Er kann nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt sein, die im Einzelnen vorzutragen und gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen sind (vgl. OLG Düsseldorf, InstGE 8, 117 – Fahrbare Betonpumpe). Der Vortrag der Beklagten im konkreten Fall reicht hierzu nicht aus.

Auch wenn es sich bei Ranibizumab um einen wirksamen Wirkstoff gegen die feuchte altersabhängige Makuladegeneration (AMD) handelt, haben die Beklagten bereits nicht glaubhaft gemacht, dass dieser Wirkstoff alternativlos ist, so dass Patienten zwingend auf diesen angewiesen wären. Vielmehr lässt sich dem durch die Beklagten vorgelegten Auszug aus Wikipedia zu dem Wirkstoff Bevacizumab entnehmen, dass in einer Vergleichsstudie eine Überlegenheit von Ranibizumab gegenüber Becavizumab nicht belegt werden konnte. Auch wenn es für den Einsatz von Becavizumab mangels Zulassung für die augenärztliche Indikation der ausdrücklichen Zustimmung des Patienten zur Behandlung mit diesem Wirkstoff bedarf, steht somit ein weiterer Wirkstoff zur Behandlung von AMD zur Verfügung. Dass die Klägerin mit keinem eigenen Medikament auf dem Markt ist, rechtfertigt keine andere Bewertung, da sie als (Mit-) Inhaberin des Klagepatents und des Klageschutzzertifikates gleichwohl ein schutzwürdiges Interesse an der effektiven Durchsetzung ihrer Schutzrechte hat, das nicht ohne Weiteres hinter das Interesse der Beklagten an Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zurücktreten muss. Insbesondere ist dieses Interesse auch nicht dadurch vermindert, dass die Klägerin – aus welchen Gründen auch immer – im britischen Verfahren ihren ursprünglich gestellten Unterlassungsantrag zurückgenommen hat.

VIII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 Satz 1 i. V. m. 108 ZPO. Für die Festsetzung einer über 25.000.000,- EUR hinausgehenden Sicherheitsleistung besteht keine Veranlassung. Insbesondere entsprechen die bis zum Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats zu erwartenden Umsätze nicht dem der Beklagten entstehenden Schaden.

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze bieten für eine Wiedereröffnung der Verhandlung keine Veranlassung, § 296a ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.000.000,- EUR festgesetzt. Davon entfallen 6.250.000,- EUR auf die beantragte Feststellung der gesamtschuldnerischen Pflicht zur Schadensersatzleistung und Entschädigung. Die Aufteilung des Streitwerts ist notwendig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofes (GRUR-RR 2008, 460, 461) bei den hier streitgegenständlichen Ansprü-chen nur der gesamtschuldnerisch gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Entschädigung gebührenrechtlich eine Angelegenheit darstellen, für die eine Erhöhungsgebühr in Betracht kommt.