4a O 116/10 – Hochdruckrotationssystem

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  1649

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. April 2011, Az. 4a O 116/10

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 50.000,00 € festgesetzt.

T a t b e s t a n d :

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Reinigung von Filterschläuchen. Filterschläuche werden in industriell genutzten Luftfilter- und Entstaubungsanlagen eingesetzt. Beim Betrieb lagert sich an diesen Filterschläuchen Material, insbesondere Staub ab, sodass der Austausch oder die Reinigung der Schläuche notwendig ist. Die Reinigung kann sowohl im aus- als auch im eingebauten Zustand der Schläuche erfolgen. Bei der Reinigung im eingebauten Zustand kann ein längerer Produktionsstopp verhindert werden. Die Parteien führen derartige Reinigungen von eingebauten Filterschläuchen mit Hilfe von Hochdruckverfahren aus, bei dem Druckluft zur Reinigung verwendet werden.

Die Beklagte bietet die Reinigung von Filterschläuchen in eingebautem Zustand mittels eines „Hochdruckrotationssystems“ unter der Bezeichnung „A“ an.

In einem Flyer, der auch unter der Internetseite der Beklagten „www.B.de“ abrufbar ist, bewirbt sie das System wie folgt:

„Mit A® bieten wir Ihnen eine effektive off-line Hochdruckabreinigung nach dem neuesten Stand der Technik. Die Kombination von Hochdruck und Rotation entfernt mühelos Staub an der Filterschlauchoberseite sowie im Querschnitt des Filzes. […]“

Im unteren Bereich des Flyers ist ein sog. Funktionsschema der Reinigungseinrichtung der Beklagten abgebildet. Dieses zeigt einen vertikal montierten Filterschlauch, in dem von oben die Reinigungseinrichtung eingeführt ist. Diese weist im unteren Bereich einen als Rechteck dargestellten Reinigungskopf auf. Über eine Zuleitung wird diesem Druckluft zugeführt, was durch einen blauen Pfeil und eine „transparente“ dem Pfeil folgende breite Linie dargestellt ist. An den Seiten des Kopfes sind jeweils rechts und links drei blaue Pfeile zur Veranschaulichung des Druckluftaustritts angeordnet. Der Filterschlauch zeigt im Bereich dieser Pfeile eine Wellenbewegung. Ein weiterer gedrehter Pfeil unterhalb des Kopfes veranschaulicht die auch im Text beschriebene Rotationsbewegung.

Bei den potentiellen Kunden, die mit dem Flyer angesprochen werden sollen, handelt es sich um Betreiber von Filteranlagen, mithin ein bestimmtes Fachpublikum.

Am 10. Dezember 2003 meldete der Geschäftsführer der Klägerin ein deutsches Gebrauchsmuster und ein Europäisches Patent (EP 1 543 XXX B1) an, die eine Filtervorrichtung betreffen, bei der mittels eines in den Filterschlauch eingesetzten Düsenkopfes eine Rotationsbewegung erzeugt wird, die eine kontrollierte Wellenbewegung des Schlauches zur Folge hat. Zuvor wurde eine Wellenbewegung mittels eines Jetpulses erreicht. Aufgrund des Einspruchs der Beklagten ist das Patent zwischenzeitlich (nicht rechtskräftig) widerrufen worden. Das Gebrauchsmuster hat die Klägerin nicht aufrecht erhalten.

Unter dem 8. Juli 2009 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, in der sie sich verpflichten sollte, nicht unter dem Slogan „nach dem neuesten Stand der Technik“ zu werben. Dies lehnte die Beklagte mit patentanwaltlichem Schreiben vom 21. Juli 2009 mit dem Hinweis ab, dass sie weitere nicht aus dem Flyer ersichtliche Merkmale verwende, mit denen sie sich vom Stand der Technik absetze. Es folgten weitere Schreiben zwischen den Parteien, in denen die jeweiligen Standpunkte konkretisiert wurden.

Die Klägerin behauptet, dass die potentiellen Kunden aufgrund des Slogans „ nach dem neuesten Stand der Technik“ erwarten würden, dass die Beklagte die aktuellste Technik verwende. Dies sei ein wesentliches Entscheidungskriterium. Zudem impliziere der Superlativ „neueste“ eine gewisse Allein- oder Spitzenstellung der Beklagten. Dies sei aber unwahr. Das Funktionsschema zeige eine Funktionsweise, die dem EP 1 543 XXX B1 entspreche und daher seit Jahren bekannter Stand der Technik sei. Der in dieser und in früheren Druckschriften offenbarte technische Erfindungsgehalt gehöre zum „historischen“ Stand der Technik. Die in Anspruch genommene Spitzenstellung erfolge folglich „ins Blaue hinein“.
Das angesprochene Publikum kenne sich auch als bestimmtes Fachpublikum nicht mit der Technik für Reinigungsvorrichtungen aus.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte darlegen müsse, dass ihre Werbeaussage zutreffend sei. Hierzu behauptet sie, dass die Geräte der Beklagten auf dem Markt nicht erhältlich seien. Die Reinigungsarbeiten würden beim Kunden und damit nicht öffentlich zugänglich stattfinden. Auch habe die Beklagte ihre Vorrichtung auf keinen Messen o.ä. präsentiert.

Die Klägerin beantragt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis sechs Monate, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für ein Hochdruckrotationssystem zur Reinigung von Filterschläuchen, bei dem die Reinigungsvorrichtung in den Filterschlauch eingeführt wird, in diesem in Längsrichtung bewegt werden kann, einen Düsenkopf aufweist, aus dem Druckluft entweicht und bei dem der Düsenkopf in einer Rotationsbewegung während des Betriebs versetzt wird, mit

„Hochdruckabreinigung nach dem neuesten Stand der Technik“

zu werben, wie in dem Flyer „A“ geschehen;

2. an die Klägerin 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Juli 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass sie mit der Werbeaussage keine Alleinstellung für sich in Anspruch nehme. Sie stelle sich lediglich mit anderen Wettbewerbern auf eine Stufe. Als Stand der Technik sei der gesamte Entwicklungsstand zu verstehen. Sie behaupte nicht, den neuesten Stand selbst entwickelt zu haben, sondern diesem nur zu entsprechen. Das von ihr eingesetzte Reinigungsgerät „A“ stelle eine Weiterentwicklung des Standes der Technik dar, da es um Merkmale ergänzt worden sei, die nicht durch die EP 1 543 XXX B1 offenbart worden seien.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass es der Klägerin obliege, den bekannten neuesten Stand der Technik darzulegen und weiter darzulegen, dass die Vorrichtung der Beklagten diesem Stand nicht entspreche. Zudem handele es sich bei der Werbung um eine pauschale Selbsteinschätzung und damit lediglich um eine Meinungsäußerung.

Das Landgericht Münster hat sich nach Anhörung der Parteien durch Beschluss vom 3. März 2010 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf – Patentkammer – verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig.

Die Parteien haben die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf nach der Verweisung des Landgerichts Münster nicht gerügt.

Die Klage ist hingegen unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG gegen die Beklagte.

Die Voraussetzungen einer unlauteren Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt.
Die Werbung der Beklagten ist dann unlauter, wenn sie eine Spitzen-oder Alleinstellung für sich in Anspruch nimmt und dieser nicht der Wahrheit entspricht. Die Zulässigkeit einer Spitzen- oder Alleinstellungsbehauptung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen der anderenfalls bestehenden Gefahr einer Irreführung des Publikums voraus, dass die Werbebehauptung wahr ist, der Werbende einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern vorzuweisen hat und der Vorsprung die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bietet. Darunter sind nur inhaltlich nachprüfbare Aussagen über geschäftliche Verhältnisse zu verstehen. Dagegen unterfallen nicht dem Irreführungsverbot reklamehafte Übertreibung und reine Werturteile (BGH, GRUR 2002, 182 (183) – Das Beste jeden Morgen; OLG Hamburg, GRUR-RR 2004, 267).

Die Beklagte berühmt sich mit der Aussage „nach neuestem Stand der Technik“ lediglich der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe, nicht aber einer Alleinstellung. Das angesprochene Publikum versteht unter der Aussage, dass das Produkt der Beklagten dem neuesten Stand der Technik entspricht. Dieser Aussage kann aber trotz der Verwendung des Superlativs nicht entnommen werden, dass die Beklagte für sich in Anspruch nimmt, dass allein sie diese Technik anbietet oder die Technik von ihr entwickelt worden ist. Sie sagt aus, dass die Beklagte die Gesamtheit der technischen Entwicklungen in ihrem Produkt vereint und somit dem aktuellen technischen Standard entspricht. Sie gehört daher zu den Unternehmen, die die modernste Technologie anbieten.

Aber auch die Behauptung der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe ist um Falle ihrer Unwahrheit unlauter.
Die Beweislast dafür, dass die Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe unzutreffend ist, trifft grundsätzlich den Kläger. Für den Kläger ist es regelmäßig überaus schwierig, die Unrichtigkeit einer Spitzengruppenzugehörigkeit nachzuweisen, weil ihm die innerbetrieblichen Verhältnisse des Werbenden nicht bekannt sind. Da andererseits der Beklagte ohne weiteres über die Informationen verfügt, mit denen er die Richtigkeit seiner Werbebehauptung unter Beweis stellen kann, trifft ihn die Verpflichtung im Sinne einer prozessualen Aufklärungspflicht darzulegen und ggf. zu beweisen, worauf sich die Werbebehauptung stützt (BGH, GRUR 1983, 779 (781) – Schuhmarkt; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 5, Rn. 2.155). Diese Umkehr der Beweislast (Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Auflage, § 5, Rn. 3.25) kommt aber nur für die Tatsachen in Betracht, bei denen tatsächlich für den Kläger eine Beweiserschwernis vorliegt (BGH, NJW-RR 2010, 921 – Hier spiegelt sich die Erfahrung). Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei der üblichen Beweislastverteilung.
Vor diesem Hintergrund obliegt es der Klägerin den neusten Stand der Technik darzulegen und zu beweisen. Hierbei handelt es sich nicht um Sonderwissen der Beklagten, sondern um allgemeine Informationen, die der Klägerin als Fachunternehmen beispielsweise durch eine Patentrecherche ebenso zugänglich sind wie der Beklagten.
Dagegen ist es nach den obigen Ausführungen an der Beklagten darzulegen und ggf. zu beweisen, dass ihr Produkt dem neuesten Stand der Technik entspricht. Insoweit muss die Beklagte die Funktionsweise der Filtervorrichtung „A“ offen legen.
Die Klägerin hat aber bisher nicht dargelegt, welche Kriterien die Beklagte erfüllen müsste, um dem neuesten Stand der Technik zu entsprechen. Sie hat lediglich den Stand der Technik bis zur ihrer eigenen Patentanmeldung vom 10. Dezember 2003 wiedergegeben und ausgeführt, dass dies gerade nicht der aktuelle Stand der Technik sei. Welche Weiterentwicklungen es seitdem nach Ansicht der Klägerin gegeben haben soll, führt sie nicht aus. Insbesondere führt sie keine neueren Schutzrechte oder Schutzrechtsanmeldungen an, die ggf. einen neueren Stand der Technik belegen würden. Insbesondere wirbt die Beklagte auch nicht mit Merkmalen, die über das Patent der Klägerin hinausgehen oder schreibt sich selbst eigene Weiterentwicklungen in dem Flyer zu. Vielmehr wirbt sie lediglich mit der Aussage, dass ihr Produkt dem neuesten Stand der Technik entspricht. Eigene Fortschrittsleistungen behauptet sie nicht. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem aktuellen Stand der Technik nicht um Sonderwissen der Beklagten. Da die Klägerin nicht dargelegt hat, ob der Stand der Technik sich nach ihrem eigenen Patent, dem das Produkt der Beklagten unstreitig entspricht, weiter entwickelt hat, hat die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt, sodass die Beklagte hierauf auch nicht mit der Offenlegung der Funktionsweise ihres Produkts reagieren musste.

Demzufolge hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung gemäß §§ 677, 683, 670 BGB in Höhe von 1.379,80 € gegen die Beklagte.
Da der Klägerin kein Anspruch auf Unterlassung zusteht, erfolgte die Abmahnung, die der Höhe nach nicht zu beanstanden wäre, unberechtigt.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus § 91 Abs. 1, 709 ZPO.