Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 13. Februar 2014, Az. 4b O 144/13
Rechtsmittelinstanz: 2 U 11/14
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Verfügungsklägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 250.000,00 EUR
TATBESTAND
Die Verfügungsklägerin nimmt die Verfügungsbeklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 0 895 XXX (Verfügungspatent) im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch. Eingetragener Inhaber des Verfügungspatents ist der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin, Herr Roman Tiedemann. Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz am Verfügungspatent, das am 21.07.1998 unter Inanspruchnahme einer österreichischen Priorität vom 01.08.1997 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Verfügungspatents wurde am 07.11.1999 veröffentlicht. Das Patent steht in Kraft. Nichtigkeitsklage im Hinblick auf das Verfügungspatent wurde bislang auch von der Verfügungsbeklagten nicht eingelegt.
Das Verfügungspatent betrifft einen Ständer für Plakate und ähnliche Informationsträger.
Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 des Verfügungspatents lautet wie folgt:
„Ständer für Plakate und ähnliche Informationsträger, welcher aus zwei tafelartigen Aufnahmeeinheiten (2, 3) aufgebaut ist, die an ihrem oberen Rand scharnierartig miteinander verbunden sind und zum Aufstellen in eine Dachstellung auseinanderklappbar sind, wobei zur Bildung der scharnierartigen Verbindung am oberen Rand der einen Aufnahmeeinheit (2) eine Leiste (8) vorgesehen ist, welche an der der anderen Aufnahmeeinheit (3) zugewandten Seite eine in Längsrichtung (10) dieser Leiste (8) im Wesentlichen über die ganze Länge dieser Leiste (8) verlaufende und mindestens zu einer Endfläche dieser Leiste offene Nut (11) mit einer sich im Querschnitt über mehr als 180° erstreckenden zylindrischen Innenwandseite (12) aufweist und am oberen Rand der anderen Aufnahmeeinheit (3) eine Leiste (9) vorgesehen ist, welche einen in Längsrichtung (10) dieser Leiste (9) im Wesentlichen über deren ganze Länge verlaufenden an einem Steg (13) sitzenden Stab (14) trägt, welcher in die an der erstgenannten Leiste (8) vorgesehene Nut (11) schwenkbar passt und in diese Nut eingefügt ist, und weiter eine an der Nut (11) und an dem Stab (14) angreifende Verschiebesicherung vorgesehen ist, die die gegenseitige Längsposition der beiden Leisten fixiert, dadurch gekennzeichnet, dass die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten Profilleisten (8, 9) sind, in welchen den oberen Rand von in die Aufnahmeeinheiten einsetzbaren Plakaten und ähnlichen Informationsträgern einschiebbar sind, und dass als Verschiebesicherung an den jeweils benachbarten Enden der an der einen Leiste (8) vorgesehenen Nut (11) und des an der anderen Leiste (9) befindlichen Stabes (14) Anschläge (15) vorgesehen sind, welche über das Stabende und das diesem benachbarte Nutende reichen.“
Wegen des Inhalts der in Form von „insbesondere“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2 und 6 wird auf die Verfügungspatentschrift Bezug genommen (Anlage AS 2).
Nachfolgend wird mit der Figur 1 eine aus der Verfügungspatentschrift stammende zeichnerische Darstellung einer bevorzugten Ausführungsform eines erfindungsgemäß ausgebildeten Ständers in einer Schrägansicht wiedergegeben. Die Figur 2 stammt ebenfalls aus der Verfügungspatentschrift und zeigt den oberen Bereich eines solchen Ständers in einem quer zur geometrischen Scharnierachse geführten Schnitt, der in der Figur 1 dargestellt ist.
Mit Email vom 10.07.2013 kündigte das türkische Unternehmen A, handelnd unter A1 (nachfolgend: A2), der Verfügungsklägerin einen neuen Plakatständer an. Die Verfügungsklägerin bestellte daraufhin das neue Modell, das ihr am 24.09.2013 ausgehend von der Türkei an ihren Sitz in Österreich geliefert wurde. Es handelte sich dabei um einen Plakatständer des Typs „B1“. Mit Schreiben vom 23.10.2013 wandte sich die Verfügungsklägerin an A2 und vertrat die Auffassung, dass der Plakatständer in den Schutzbereich des Verfügungspatents eingreife. Dies wies der von A2 beauftragte Patentanwalt Dr. C mit Schreiben vom 09.12.2013 zurück.
Bereits auf der vom 07.11.2013 bis zum 09.11.2013 stattfindenden Messe „D“ erfuhr die Verfügungsklägerin erstmals, dass die Verfügungsbeklagte einen neuen Plakatständer ausstellte. Dieser sah äußerlich dem Ständer von A2 ähnlich. Es war jedoch nicht möglich, den Plakatständer auf der Messe zu zerlegen, um die innenliegende Mechanik zu prüfen. Daraufhin ließ die Verfügungsklägerin über ein anderes Unternehmen im Rahmen eines Testkaufs bei der Verfügungsbeklagten einen Plakatständer des Typs „B1“ (30 mm Profile in DIN A1 mit Logoplatte) mit der Artikelnummer UAP0305NA1X1000 bestellen. Die Bestellung erfolgt am 14.11.2013. Die Verfügungsklägerin erhielt den Plakatständer am 20.11.2013. Dieser Ständer war mit dem von A2 erworbenen Plakatständer baugleich. Bereits am 15.11.2013 wandte sich der von A2 beauftragte Patentanwalt Dr. C an die Verfügungsklägerin und bat um substantiierte Darlegung, warum die Verfügungsklägerin meine, ihre Patentrechte würden verletzt. Anlass war die Messe D in Düsseldorf, auf der die Verfügungsbeklagte – so wörtlich in der Email vom 15.11.2013 – „das B1 unserer Mandantin präsentierte“ und der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin gegenüber der Verfügungsbeklagten die Auffassung vertreten hatte, seine Patentrechte würden verletzt.
Mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geht die Verfügungsklägerin gegen Angebot und Vertrieb der Plakatständer „B1“ (angegriffene Ausführungsform) durch die Verfügungsbeklagte vor. Diese bewirbt die angegriffene Ausführungsform auch in einem Faltblatt, das auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten www.update-displays.deheruntergeladen werden kann. Die beiden nachstehenden Abbildungen geben Teile des Musters der angegriffenen Ausführungsform wieder, das die Verfügungsklägerin von der Verfügungsbeklagten im Rahmen des Testkaufs erwarb. Die Bezugsziffern stammen von der Verfügungsklägerin.
Die Abmahnung durch die Verfügungsklägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2013 wurde von der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 20.12.2013, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zurückgewiesen. Daraufhin hat die Verfügungsklägerin am 27.12.2013 den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht.
Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Verfügungspatentanspruchs 1 wortsinngemäß, jedenfalls aber mit äquivalenten Mitteln Gebrauch. Der Verfügungspatentanspruch gebe eine bestimmte Anzahl von Leisten zur Bildung der scharnierartigen Verbindung zwischen den beiden Aufnahmeeinheiten nicht vor. Es sei nicht erforderlich, dass genau eine Leiste eine Nut und eine andere Leiste den Stab trage. Bei der angegriffenen Ausführungsform könne die mittlere, die Stäbe tragende Leiste einer der beiden Leisten mit Nut zugeordnet werden. Jedenfalls sei das Merkmal äquivalent verwirklicht, weil trotz allem die scharnierartige Verbindung zwischen den Leisten mittels Nut und Feder verwirklicht werde und der Kern der Erfindung nicht in der Verwendung von genau zwei Leisten für die Bildung der scharnierartigen Verbindung bestehe. Die Ersatzmittel führten weder zu einem wesentlich größeren Materialeinsatz, noch vermöge ein erhöhter Materialeinsatz die Gleichwirkung zu verneinen. Das Ersatzmittel sei für den Durchschnittsfachmann auch auffindbar gewesen, weil es sich durch die einfache Spiegelung der aus dem Verfügungspatent bekannten Lösung ergebe. Da die angegriffene Ausführungsform auch ein dachartiges Auseinanderklappen erlaube, sei sie der patentgemäßen Lösung gleichwertig.
In die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten sei auch der obere Rand eines Informationsträgers einschiebbar. Dabei seien die Leisten der angegriffenen Ausführungsform zweiteilig ausgebildet und umfassten einen Grundteil und einen schwenkbaren Deckteil. Im unteren Randbereich seien diese Teile beabstandet, so dass ein nutartiger Raum gebildet werde, in den eine Unterlagsplatte eingeschoben und ein Informationsträger mit seinem oberen Rand einschiebbar sei. Diese Gestaltung der Leisten sei jedenfalls gleichwirkend zu einer Nut in einer (im Profil) einteiligen Leiste. Dem Fachmann sei es geläufig, dass mit einer zweiteiligen Ausbildung der Leiste die gleichen Wirkungen wie mit einer einzelnen Leiste erzielbar seien. Tatsächlich sei bei der angegriffenen Ausführungsform der obere Rand des Informationsträgers ebenso wie bei der erfindungsgemäßen Lösung gegen äußere Einflüsse geschützt. Der Fertigungs- und Materialaufwand sei in beiden Fällen vergleichbar. Zudem sei das Ersatzmittel auffindbar gewesen, da es für den Fachmann erkennbar nur auf das Umgreifen des oberen Randes des Informationsträgers ankomme und die durch die angegriffene Ausführungsform verwirklichte Lösung im Verfügungspatent beschrieben werde. Die Gleichwertigkeit beider Lösungen ergebe sich aus dem vergleichbaren Herstellungs- und Materialaufwand.
Die Verfügungsklägerin ist weiterhin der Ansicht, dass der Rechtsbestand des Verfügungspatents hinreichend gesichert sei. Einer in einem kontradiktorischen Verfahren ergangenen Entscheidung über den Rechtsbestand des Verfügungspatents bedürfe es nicht, weil das Verfügungspatent seit zehn Jahren unangefochten in Kraft stehe und in diesem Zeitraum keine patentverletzenden Gegenstände aufgefunden worden seien. Sie behauptet insofern, dass die E GmbH im Jahr 2003 patentgemäße Plakatständer habe vertreiben wollen, aber nach patentanwaltlicher Beratung von einem Vertrieb und auch von einem zeitlich noch möglichen Einspruch gegen die Patenterteilung abgesehen habe. Außerdem habe die F s.r.o. (Prag/Tschechien) – insofern unstreitig – mündlich um eine Lizenz gebeten, die aber abgelehnt worden sei. Aufgrund der am 16.01.2014 beginnenden Messe G sei ihr – der Verfügungsklägerin – nicht zuzumuten, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten.
Die Verfügungsklägerin beantragt,
der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Verfügungsbeklagten an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, aufzugeben,
es zu unterlassen,
Ständer für Plakate und ähnliche Informationsträger, welche aus zwei tafelartigen Aufnahmeeinheiten aufgebaut sind, die an ihrem oberen Rand scharnierartig miteinander verbunden sind und zum Aufstellen in eine Dachstellung auseinanderklappbar sind, wobei zur Bildung der scharnierartigen Verbindung am oberen Rand der einen Aufnahmeeinheit eine Leiste vorgesehen ist, welche an der der anderen Aufnahmeeinheit zugewandten Seite eine in Längsrichtung dieser Leiste im Wesentlichen über die ganze Länge dieser Leiste verlaufende und mindestens zu einer Endfläche dieser Leiste offene Nut mit einer sich im Querschnitt über mehr als 180° erstreckenden zylindrischen Innenwandseite aufweist und am oberen Rand der anderen Aufnahmeeinheit eine Leiste vorgesehen ist, welche einen in Längsrichtung dieser Leiste im Wesentlichen über deren ganze Länge verlaufenden an einem Steg sitzenden Stab trägt, welcher in die an der erstgenannten Leiste vorgesehene Nut schwenkbar passt und in diese Nut eingefügt ist, und weiter eine an der Nut und an dem Stab angreifende Verschiebesicherung vorgesehen ist, die die gegenseitige Längsposition der beiden Leisten fixiert,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
in welchen die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten Profilleisten sind, in welchen der obere Rand von in die Aufnahmeeinheiten einsetzbaren Plakaten und ähnlichen Informationsträgern einschiebbar ist, und in welchen als Verschiebesicherung an den jeweils benachbarten Enden der an der einen Leiste vorgesehenen Nut und des an der anderen Leiste befindlichen Stabes Anschläge vorgesehen sind, welche über das Stabende und das diesem benachbarte Nutende reichen,
hilfsweise
einen Ständer für Plakate und ähnliche Informationsträger, welcher aus zwei tafelartigen Aufnahmeeinheiten aufgebaut ist, die an ihrem oberen Rand scharnierartig miteinander verbunden sind und zum Aufstellen in eine Dachstellung auseinanderklappbar sind, wobei zur Bildung der scharnierartigen Verbindung am oberen Rand der beiden Aufnahmeeinheiten jeweils eine separate Leiste vorgesehen ist, welche an der der anderen Aufnahmeeinheit zugewandten Seite jeweils eine in Längsrichtung dieser separaten Leiste im Wesentlichen über die ganze Länge dieser separaten Leiste verlaufende und mindestens zu einer Endfläche dieser Leiste offene Nut mit einer sich im Querschnitt über mehr als 180° erstreckenden zylindrischen Innenwandseite aufweist und am oberen Rand der beiden Aufnahmeeinheiten zudem eine gemeinsame Leiste vorgesehen ist, welche zwei in Längsrichtung dieser gemeinsamen Leiste im Wesentlichen über deren ganze Länge verlaufenden an Stegen sitzende Stäbe trägt, von welchen Stäben jeweils einer in die Nut einer der separaten Leisten schwenkbar passt und in diese jeweilige Nut eingefügt ist, und weiter eine an den Nuten und an den Stäben angreifende Verschiebesicherung vorgesehen ist, die die gegenseitige Längsposition der beiden separaten Leisten und der gemeinsamen Leiste fixieren,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
in welchen die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten jeweils mehrteilige Profilleisten mit einem schwenkbaren Deckelteil sind, in welchen der obere Rand von in die Aufnahmeeinheiten einsetzbaren Plakaten und ähnlichen Informationsträgern einschiebbar ist, und in welchen als Verschiebesicherung an den jeweils benachbarten Enden der an den separaten Leisten vorgesehenen Nuten und der an der gemeinsamen Leiste befindlichen Stäbe Anschläge vorgesehen sind, welche über die Stabenden und die diesen benachbarten Nutenden reichen,
insbesondere wenn – bezogen auf den Haupt- und Hilfsantrag –
die Anschläge durch den Kopf dreier in den Stab eingedrehter Schrauben oder durch von solchen Schrauben gehaltenen Scheiben gebildet sind, und/oder
die Profilleisten Hohlprofile sind, und wenn an den Enden dieser Profilleisten Endabdeckungen aufgesetzt sind.
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen,
hilfsweise eine Vollziehung einer einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, durch die angegriffene Ausführungsform werde das Klagepatent nicht verletzt. Die scharnierartige Verbindung zwischen den beiden Aufnahmeeinheiten eines erfindungsgemäßen Plakatständers dürfe nur durch genau zwei Profilleisten gebildet werden. Die eine weise die Nut auf, die andere trage den Stab. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Verfügungspatentanspruchs sowie der Aufgabe des Verfügungspatents und den mit der patentgemäßen Erfindung verbundenen Vorteilen. Die angegriffene Ausführungsform benötige hingegen drei Leisten, um die Aufnahmeeinheiten scharnierartig zu verbinden. Auch eine Verletzung unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz scheide aus, weil die erfindungsgemäßen Vorteile (der geringere Herstellungs- und Materialaufwand bei hoher Stabilität) durch eine mehrteilige Ausbildung der Leisten gerade nicht erreicht würden. Zudem seien die Ersatzmittel nicht auffindbar.
Weiterhin müssten die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten nach der Lehre des Verfügungspatents so ausgebildet sein, dass in sie der obere Rand eines Informationsträgers eingeschoben werden könne. Den Leisten komme insofern eine Doppelfunktion zu, nämlich zum einen die Bildung der scharnierartigen Verbindung und zum anderen die Vereinfachung der Anbringung eines Informationsträgers am erfindungsgemäßen Plakatständer. Durch diese Doppelfunktion, die weitere Bauteile nicht erforderlich mache, werde der Herstellungsaufwand verringert. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei ein Informationsträger jedoch nicht einschiebbar. Stattdessen sehe die angegriffene Ausführungsform einen Klemmmechanismus vor, mit dem der Informationsträger gehalten werde. Dafür seien weitere Profilleisten erforderlich, bei denen es sich aber nicht um Leisten handele, die das Scharnier zwischen den Aufnahmeeinheiten bildeten und dazu auch nichts betrügen. Zudem müssten diese Profilleisten zuvor hochgeklappt werden, um einen Informationsträger zu befestigen. Auch hier scheitere eine Verletzung mit äquivalenten Mitteln, weil es an der Gleichwirkung fehle. Dem Verfügungspatent komme es auf eine möglichste einfache Verbindung des Informationsträgers mit der Aufnahmeeinheit an. Die angegriffene Ausführungsform sei in dieser Hinsicht jedoch, was Herstellung und Handhabung angehe, deutlich aufwändiger. Auch die Gleichwertigkeit des Ersatzmittels sei nicht gegeben, weil das Verfügungspatent den von der angegriffenen Ausführungsform verwirklichten Klappmechanismus kenne, aber nicht in den Patentanspruch aufgenommen habe.
Weiterhin ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass ein Verfügungsgrund nicht gegeben sei. Der Rechtsbestand sei nicht hinreichend gesichert, weil das Verfügungspatent noch kein kontradiktorisches Rechtsbestandsverfahren überstanden habe. Dieses sei auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Zudem fehle es an der zeitlichen Dringlichkeit. Die Verfügungsklägerin habe bereits auf der Messe D Kenntnis vom Aufbau der angegriffenen Ausführungsform gehabt, weil es sich bei dem ausgestellten Plakatständer erkennbar um den Ständer von A2 gehandelt habe. Spätestens durch die Email vom 15.11.2013 sei der Verfügungsbeklagten bekannt gewesen, dass die Plakatständer baugleich seien.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen Anspruch auf Unterlassung des weiteren Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG.
I.
Das Verfügungspatent schützt im Patentanspruch 1 einen Ständer für Plakate und ähnliche Informationsträger, der aus zwei tafelartigen Aufnahmeeinheiten aufgebaut ist, die an ihrem oberen Rand scharnierartig miteinander verbunden sind und zum Aufstellen in einer Dachstellung auseinanderklappbar sind.
In der Beschreibung des Verfügungspatents wird ausgeführt, dass Ständer der vorgenannten Art in verschiedenen Ausführungen bekannt seien, wobei die im Stand der Technik bekannten Ständer aber Nachteile – insbesondere hinsichtlich der Herstellung und des Herstellungsaufwands – hätten. So würden hölzerne Rahmen oder Tafeln paarweise mit aufgeschraubten Scharnieren verbunden, um Plakatständer zu bilden, oder es würden Rahmen aus Metallrohren gebogen und diese Metallrohre mit Scharnierteilen integriert, um jeweils zwei solcher Metallrohrrahmen scharnierartig zu einem Ständer zusammenzufügen. An diesen Ständern sieht das Verfügungspatent als nachteilig an, dass sie nicht nur einen verhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand bei der Herstellung, sondern auch spezielle Fertigungseinrichtungen erforderten, die zumeist nur für ein spezielles Format der tafelartigen Aufnahmeeinheiten ausgebildet seien. Dies gelte auch hinsichtlich des in der US-A-4,253,260 beschriebenen Plakatständers, der aus zwei mit einem speziellen Format hergestellten Tafeln gebildet sei, die an den Enden ihres oberen Randes angeformte Scharnierteile trügen, die zum Verbinden der beiden Tafeln ineinander gesteckt werden könnten. Darüber hinaus führt die Verfügungspatentschrift die Druckschrift JP-A-07 310 307 an, die einen Ständer für Plakate nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbare.
Dem Klagepatent liegt vor diesem Hintergrund die Aufgabe (das technische Problem) zu Grunde, einen Ständer der eingangs genannten Art zu schaffen, bei dem die Nachteile der bekannten Konzepte weitgehend vermieden sind und dessen Komponenten einfach, mit geringem Aufwand an Arbeit und Materialkosten herstellbar und zum verwendungsbereiten Ständer zusammenfügbar sind. Der zu schaffende Ständer soll auch über eine gute Stabilität verfügen, und es soll auch das Anbringen der Informationsträger auf einfache Weise ausführbar sein.
Dies soll durch einen Plakatständer mit den Merkmalen des Verfügungspatentanspruchs 1 erreicht werden, die wie folgt gegliedert werden können:
1. Ständer für Plakate und ähnliche Informationsträger.
2. Der Ständer ist aus zwei tafelartigen Aufnahmeeinheiten (2, 3) aufgebaut.
3. Die Aufnahmeeinheiten
3.1 sind an ihrem oberen Rand scharnierartig miteinander verbunden und
3.2 zum Aufstellen in eine Dachstellung auseinanderklappbar.
4. Zur Bildung der scharnierartigen Verbindung ist am oberen Rand der einen Aufnahmeeinheit (2) eine Leiste (8) vorgesehen und ist am oberen Rand der anderen Aufnahmeeinheit (3) eine Leiste (9) vorgesehen.
4.1 Die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten sind Profilleisten (8, 9).
4.2 In die Profilleisten ist der obere Rand von in die Aufnahmeeinheiten einsetzbaren Plakaten und ähnlichen Informationsträgern einschiebbar.
5 Die Leiste (8) weist eine Nut (11) auf.
5.1 Die Nut (11) befindet sich an der der anderen Aufnahmeeinheit (3) zugewandten Seite der Leiste (8).
5.2 Die Nut (11) verläuft in Längsrichtung (10) dieser Leiste (8) im Wesentlichen über die ganze Länge dieser Leiste (8).
5.3 Die Nut (11) ist mindestens zu einer Endfläche dieser Leiste offen.
5.4 Die Nut (11) hat eine sich im Querschnitt über mehr als 180° erstreckende zylindrische Innenwandseite.
6. Die Leiste (9) trägt einen Stab (14).
6.1 Der Stab (14) sitzt an einem Steg (13).
6.2 Der Stab (14) verläuft in Längsrichtung (10) der Leiste (9) im Wesentlichen über deren ganze Länge.
6.3 Der Stab (14) passt schwenkbar in die an der erstgenannten Leiste (8) vorgesehene Nut (11).
6.4 Der Stab (14) ist in diese Nut eingefügt.
7. Weiter ist eine Verschiebesicherung vorgesehen.
7.1 Die Verschiebesicherung greift an der Nut (11) und an dem Stab (14) an.
7.2 Die Verschiebesicherung fixiert die gegenseitige Längsposition der beiden Leisten (8, 9).
7.3 Als Verschiebesicherung sind an den jeweils benachbarten Enden der an der einen Leiste (8) vorgesehenen Nut (11) und des an der anderen Leiste (9) befindlichen Stabes (14} Anschläge (15) vorgesehen sind, welche über das Stabende und das diesem benachbarte Nutende reichen.
II.
Es kann dahinstehen, ob die streitige Merkmalsgruppe 6 durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht wird. Jedenfalls ist der obere Rand eines Plakates oder eines ähnlichen Informationsträgers nicht in die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten einschiebbar (Merkmal 4.2). Dieses Merkmal wird weder wortsinngemäß, noch mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.
1.
Nach der Lehre des Verfügungspatents besteht ein erfindungsgemäßer Ständer aus zwei tafelartigen Aufnahmeeinheiten, die an ihrem oberen Rand scharnierartig miteinander verbunden und dachartig auseinanderklappbar sind (Merkmale 1 bis 3.2). Jeweils am oberen Rand der beiden Aufnahmeeinheiten ist eine Leiste vorgesehen (Merkmal 4). Die räumlich körperliche Gestaltung dieser Leisten ist in den nachfolgenden Merkmalen beschrieben (Merkmale 4.1 bis 6.4). Die Funktion der am oberen Rand der Aufnahmeeinheiten angeordneten Leisten besteht darin, die scharnierartige Verbindung zwischen den beiden Aufnahmeeinheiten zu bilden oder jedenfalls an der Bildung einer solchen Verbindung mitzuwirken (Merkmal 4). Dies geschieht dadurch, dass die eine Leiste eine in Längsrichtung verlaufende Nut aufweist, in die ein an der anderen Leiste befindlicher, in Längsrichtung verlaufender Stab eingefügt ist und dort schwenkbar gehalten werden kann (Merkmalsgruppen 5 und 6).
Der Verfügungspatentanspruch verlangt ferner, dass es sich bei den die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten um Profilleisten handelt (Merkmal 4.1). Profilleisten sind nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien Leisten, die über ihre gesamte Länge einen unverändert bleibenden Querschnitt aufweisen. Die Funktion eines solchen Halbzeugs für den mit der erfindungsgemäßen Lehre zu erzielenden technischen Erfolg besteht darin, dass ein patentgemäßer Plakatständer in verschiedenen Ausführungsformen realisiert werden kann, wobei mit geringem Materialaufwand und geringem Aufwand für die Fertigung und Montage der Komponenten das Auslangen gefunden werden kann (Sp. 2 Z. 10-15; Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Verfügungspatentschrift). Zwar beruhen diese Vorteile unter anderem auch auf dem über die ganze Länge der beiden Profilleisten gegebenen Eingriff der ein Scharnier bildenden Komponenten, Stab und Nut, weil das Scharnier durch einfaches Ineinanderschieben der Komponenten hergestellt werden kann (Sp. 2 Z. 16-22). Es ist jedoch ohne weiteres ersichtlich, dass die Verwendung von Profilleisten dadurch zum erfindungsgemäßen Erfolg beiträgt, dass der Materialaufwand und der Aufwand für die Fertigung und Montage geringer ist als bei Leisten, die über ihre Länge unterschiedliche Profile aufweisen. Da die Profilleisten aufgrund ihres gleichbleibenden Profils zudem in beliebigen Längen verwendet werden können (Sp. 2. Z. 22 f; vgl. auch Sp. 3 Z. 28-35), können die patentgemäßen Plakatständer in einfacher Weise in verschiedenen Ausführungsformen und Formaten verwirklicht werden, ohne dass es formatgebundener Herstellungseinrichtungen bedarf (Sp. 2 Z. 10 ff und 22-27; vgl. auch Sp. 3 Z. 28-35).
In die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten soll nach der Lehre des Verfügungspatents der obere Rand von in die Aufnahmeeinheiten einsetzbaren Plakaten oder ähnlichen Informationsträgern einschiebbar sein. Da es sich bei den Leisten um Profilleisten handeln soll, in die der obere Rand der Informationsträger einschiebbar sein soll, muss das Profil der Leisten so geformt sein, dass ein Informationsträger mit seinem oberen Rand in die Leiste eingeschoben werden kann. Das Profil muss also eine Öffnung aufweisen, die der Aufnahme des oberen Randes des Informationsträgers dient. Die Wendung „in welche [Profilleisten] (…) einschiebbar sind“ im Wortlaut des Verfügungspatentanspruchs macht deutlich, dass sich der obere Rand des Informationsträgers innerhalb der Profilleiste befinden muss. Im eingeschobenen Zustand muss der obere Rand beidseitig von Abschnitten der Profilleiste umgeben sein, unabhängig davon, ob der Informationsträger an der Profilleiste zur Anlage kommt oder nicht.
Die Funktion, die mit der Einschiebbarkeit des Informationsträgers in die Profilleiste verbunden ist, besteht darin, das Anbringen der Informationsträger an einem erfindungsgemäßen Plakatständer zu vereinfachen. Dies geschieht dadurch, dass der Informationsträger mit seinem oberen Rand lediglich in die Profilleiste eingeschoben werden muss (vgl. Sp. 3 Z. 19-27) und keine weitere Manipulation des Informationsträgers oder an der Aufnahmeeinheit erforderlich ist. Die zitierte Textstelle betrifft zwar die Beschreibung einer Einschiebenut für eine den Informationsträger stützende Unterlagsplatte. Diese Nut soll aber neben einer engeren Zone für die Unterlagsplatte eine erweiterte Zone aufweisen, in welche der Rand eines Informationsträgers auf der Unterlagsplatte liegend einschiebbar ist (Sp. 3 Z. 14-27 und Sp. 6 Z. 35-45). Die erweiterte Zone betrifft daher – wie Merkmal 4.2 des Verfügungspatentanspruchs – die Einschiebbarkeit des Informationsträgers in die Profilleiste. Der Verfügungspatentanspruch sieht insofern von der konkreten Gestaltung einer Einschiebenut ab und verlangt lediglich, dass der obere Rand des Informationsträgers in die Profilleisten einschiebbar ist. Für die Funktion der Einschiebbarkeit ist dies unbeachtlich. In beiden Fällen soll das Anbringen der Informationsträger am Plakatständer erleichtert werden. Die räumlich-körperliche Gestaltung der Öffnung in der Profilleiste wird insofern dem Fachmann überlassen. Dass nach der Beschreibung des Verfügungspatents der Informationsträger auf der Unterlagsplatte liegend einschiebbar sein soll, ist ebenfalls unbeachtlich, da der Verfügungspatentanspruch ein solches Erfordernis nicht enthält. Die Profilleiste muss lediglich geeignet sein, den oberen Rand des Informationsträgers aufzunehmen. Ob sie zusätzlich auch der Aufnahme einer Unterlagsplatte zwecks stabiler Zusammenfügung der Profilleisten mit der Unterlagsplatte dient (vgl. Sp. 3 Z. 14-19), überlässt der Verfügungspatentanspruch dem Fachmann.
Nach alledem ist nicht ausgeschlossen, dass die Profilleisten eine Einschiebenut aufweisen, wie sie in der Verfügungspatentschrift beschrieben ist. Es ist aber ebenso möglich, dass der Informationsträger an seinem oberen Rand unmittelbar selbst durch die Profilleiste gehalten wird. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass andere Mittel zur Fixierung des Informationsträgers wie etwa die in der Verfügungspatentschrift beschriebenen Seitenrandleisten vorhanden sind (Sp. 3 Z.36-53 und Sp. 6 Z. 46 bis Sp. 7 Z. 39) oder die in der Verfügungspatentschrift beispielhaft genannten Klebetechniken, Magnetfixierungen oder ähnliches zur Anwendung gelangen (Sp. 8 Z. 37-40). In allen Fällen bilden die Profilleisten lediglich eine Überdeckung für den oberen Rand eines etwaigen Informationsträgers. Unabhängig davon, ob der Informationsträger tatsächlich in der Profilleiste zur Anlage gelangt, kommt der Profilleiste gleichwohl im weitesten Sinne auch eine Haltefunktion zu. Denn der obere Rand des Informationsträgers liegt nicht mehr nach außen offen und kann – beispielsweise infolge äußerer Einflüsse – gegebenenfalls an der Profilleiste zur Anlage gelangen.
Nach der Lehre des Verfügungspatents handelt es sich bei den Leisten, in die der obere Rand des Informationsträgers einschiebbar sein soll, um die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten. Dies schließt es bereits nach dem Wortlaut des Verfügungspatentanspruchs aus, dass der Informationsträger in andere Leisten, die zur scharnierartigen Verbindung der beiden Aufnahmeeinheiten nichts beitragen, einschiebbar ist. Aus diesem Grund führt es ebenso aus der Lehre des Verfügungspatents heraus, wenn die Leisten zweistückig ausgebildet sind, jedenfalls dann, wenn beide Teile durch eigenständige Profilleisten gebildet werden, von denen die eine auch der Aufnahme des oberen Rands des Informationsträgers dient, ohne zur Bildung der scharnierartigen Verbindung beizutragen.
Die am oberen Rand der Aufnahmeeinheiten angeordneten und als Profilleisten ausgebildeten Leisten haben insofern eine Doppelfunktion. Zum einen sollen sie die scharnierartige Verbindung zwischen den Aufnahmeeinheiten bilden. Zum anderen dienen sie der Aufnahme des oberen Rands des Informationsträgers. In beiden Fällen trägt die Ausbildung der Leisten als Profilleisten entscheidend zur Lösung des der Erfindung zugrundeliegenden technischen Problems bei. Denn die Verwendung von Profilleisten sorgt in jedem Fall dafür, dass die Komponenten einfach und mit geringem Aufwand an Arbeit und Materialkosten hergestellt und zu einem verwendbaren Plakatständer zusammengefügt werden können (Sp. 1 Z. 34-40 und Sp. 2 Z. 8-22). Insbesondere kann die Länge der Profilleisten und damit das Format der jeweiligen Aufnahmeeinheit frei gewählt werden, ohne dass es spezieller formatgebundener Herstelleinrichtungen bedarf (Sp. 2 Z. 22-27 und Sp. 3 Z. 28-35), weil die Profilleisten über ihre gesamte Länge dasselbe Profil haben. Zugleich ermöglicht es die Ausbildung der Leisten als Profilleisten, dass diese über ihre gesamte Länge eine räumlich-körperliche Gestaltung erhalten, die es erlaubt, den Informationsträger auf der gesamten Breite der Aufnahmeeinheit in die Profilleisten einzuschieben, wodurch das Anbringen des Informationsträgers auf einfache Weise ausführbar ist (Sp. 1 Z. 40-43 und Sp. 3 Z. 19-27). Dazu steht es im Widerspruch, wenn zwei Leisten vorgesehen sind, von denen die eine der Bildung der scharnierartigen Verbindung zwischen den Aufnahmeeinheiten dient und die andere – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit der ersten Leiste – der Aufnahme des oberen Randes des Informationsträgers. Der Vorteil, das Profil einer scharnierbildenden Leiste zugleich zur Aufnahme des oberen Randes des Informationsträgers zu nutzen, wird in einem solchen Fall gerade nicht verwirklicht.
2.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Auslegung verwirklicht die angegriffene Ausführungsform jedenfalls nicht das Merkmal 4.2. Sie weist keine als Profilleisten ausgebildeten Leisten auf, die die scharnierartige Verbindung zwischen den Aufnahmeeinheiten bilden und in die der obere Rand von in die Aufnahmeeinheiten einsetzbaren Plakaten oder ähnlichen Informationsträgern einschiebbar ist.
Ungeachtet der zwischen den Parteien streitigen Auslegung der Merkmalsgruppe 5 kann die in der Abbildung der Anlage AS 10 mit den Bezugsziffern (8) mit den Abschnitten (8a) sowie (8c) gekennzeichnete Leiste als eine die scharnierartige Verbindung der Aufnahmeeinheiten bildende Leiste angesehen werden (Soweit nichts anderes angegeben ist, beziehen sich nachfolgend angegebene Bezugsziffern immer auf die Abbildung in der Anlage AS 10). Gleiches gilt aus Symmetriegründen für die Leiste (8‘) mit den Abschnitten (8a‘) und (8c‘). Bei beiden Leisten handelt es sich unstreitig um Profilleisten, die zur scharnierartigen Verbindung zwischen den beiden Aufnahmeeinheiten beitragen. In diese Leisten ist jedoch der obere Rand eines Plakats oder eines ähnlichen Informationsträgers nicht einschiebbar. Die Leisten weisen keine Öffnung zur Aufnahme des oberen Randes des Informationsträgers auf, so dass eine Überdeckung durch die Leiste stattfinden könnte. Ein an der Aufnahmeeinheit anstelle oder auf der Unterlagsplatte U angeordneter Informationsträger befindet sich regelmäßig unterhalb des unmittelbar oberhalb der Unterlagsplatte U und dem Standbein (2) beziehungsweise (3) befindlichen Profilabschnitts der Leiste (8) beziehungsweise (8‘). In dieser Lage mag sich der letzte Millimeter des oberen Randes des Informationsträgers auf der Höhe dieser Leiste befinden, weil die Leiste ausgehend von dem vorgenannten Profilabschnitt geringfügig unterhalb des Profilabschnitts verläuft und in dem Standbein (2, 3) versenkt ist. Gleichwohl fehlt es an einer Überdeckung durch die Profilleisten (8, 8‘), weil sich auf der anderen Seite des Informationsträgers kein Abschnitt dieser Profilleiste befindet. Gleiches gilt, wenn der Informationsträger über den oberen Rand der Unterlagsplatte U hinaus nach oben geschoben werden sollte.
Die Überdeckung des oberen Randes des Informationsträgers wird bei der angegriffenen Ausführungsform stattdessen dadurch hergestellt, dass das Abdeckelement (8b) beziehungsweise (8b‘) nach unten geklappt wird und den oberen Rand eines gegebenenfalls auf der Unterlagsplatte befindlichen Informationsträgers gegen dieselbe drückt. Durch diese Klemmwirkung kann ein etwaiger Informationsträger auf der Unterlagsplatte gehalten werden. Bei den Abdeckelementen (8b, 8b‘) handelt es sich zwar um Profilleisten. Ein Informationsträger ist jedoch nicht im Sinne des Verfügungspatents in die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten einschiebbar. Denn wird ein Informationsträger anstelle der Unterlagsplatte oder auf dieser an der Aufnahmeeinheit angebracht, befindet sich sein oberer Rand nicht in der Profilleiste, sondern zwischen zwei Profilleisten, nämlich dem Abdeckelement (8b, 8b‘) und der Leiste (8, 8‘). Auch eine isolierte Betrachtung der Abdeckelemente (8b, 8b‘) führt zu keinem anderen Ergebnis, da es sich bei den Abdeckelementen nicht um die die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten handelt. Die Abdeckelemente tragen zur Scharnierbildung nichts bei. Sie stellen vielmehr eigenständige Profilleisten dar, die lediglich scharnierartig – nämlich mittels Stab und Nut – mit den Leisten (8, 8‘) verbunden sind. Sie können auch nicht als Teil einer zweiteiligen Leiste bestehend aus den Leisten (8, 8‘) sowie den Abdeckelementen (8b, 8b‘) angesehen werden. Denn bei zutreffender Auslegung schließt der Verfügungspatentanspruch – wie ausgeführt – eine solche Zweiteilung aufgrund seines Wortlauts und der mit der Ausbildung der Leisten als Profilleisten verbundenen Funktion gerade aus.
Dass die angegriffene Ausführungsform im Hinblick auf das Einfügen der Informationsträger mit ihrem oberen Rand in die Aufnahmeeinheit ein völlig anderes Konzept verfolgt, als es die Lehre des Verfügungspatents beschreibt, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit der im Ausführungsbeispiel des Verfügungspatents dargestellten Befestigung der Informationsträger am seitlichen Rand der Aufnahmeeinheiten. Während die Informationsträger im oberen und unteren Bereich lediglich in die Profilleisten beziehungsweise unteren Randleisten eingeschoben werden, werden sie an ihren seitlichen Rändern mit als Klemmleisten wirkenden Seitenrandleisten an die Unterlagsplatte angedrückt (Sp. 6 Z. 46-58). Die Informationsträger werden in diesem Bereich nicht in Profilleisten eingeschoben, sondern aufgelegt (vgl. Sp. 7 Z. 40-48). Das Verfügungspatent geht insofern selbst davon aus, dass das Auflegen und Festklemmen zwischen zwei Leisten – auch wenn diese als zweiteilige Seitenrandleisten (aber eben nicht als Profilleisten) bezeichnet werden – etwas anderes ist als ein Einschieben in die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten. Genau dieses Konzept des Auflegens und Andrückens, wie es das Verfügungspatent für die Seitenrandleisten beschreibt, setzt aber die angegriffene Ausführungsform auch im oberen Randbereich der Aufnahmeeinheiten ein. Eine Einschiebbarkeit in die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten ist damit nicht verbunden.
3.
Das Merkmal 4.2 wird durch die angegriffene Ausführungsform auch nicht mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.
Damit eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Ausführung in dessen Schutzbereich fällt, muss regelmäßig dreierlei erfüllt sein. Die Ausführung muss erstens das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit (zwar abgewandelten, aber) objektiv gleichwirkenden Mitteln lösen. Zweitens müssen seine Fachkenntnisse den Fachmann befähigen, die abgewandelte Ausführung mit ihren abweichenden Mitteln als gleichwirkend aufzufinden. Die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, müssen schließlich drittens am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten Lehre orientiert sein. Sind diese Voraussetzungen der Gleichwirkung, der Auffindbarkeit und der Orientierung am Patentanspruch erfüllt, ist die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln aus fachmännischer Sicht als der wortsinngemäßen Lösung gleichwertige (äquivalente) Lösung in Betracht zu ziehen und damit nach dem Gebot von Art. 2 des Protokolls über die Auslegung des Art. 69 EPÜ bei der Bestimmung des Schutzbereichs des Patents zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2002, 515, 516 f – Schneidmesser I; 2007, 959, Rn 24 – Pumpeinrichtung; 2011, 313 317 – Crimpwerkzeug IV; GRUR 2011, 701 Rn 28 f; Okklusionsvorrichtung ).
Die Verfügungsklägerin sieht als Ersatzmittel für die in Merkmal 4.1 genannten, die scharnierartige Verbindung bildenden Leisten jeweils mehrteilige Profilleisten mit einem schwenkbaren Deckelteil an, in die der obere Rand etwaiger Informationsträger einschiebbar ist. Es ist bereits fraglich, ob diese Gestaltung mit der Ausbildung der scharnierbildenden Leisten als Profilleisten, in die zugleich der obere Rand von Informationsträgern einschiebbar sein soll, gleichwirkend ist. Denn die Funktion der Merkmale 4.1 und 4.2 besteht gerade darin, den Material- und Herstellungsaufwand zu verringern, indem als Leisten, die die scharnierartige Verbindung bilden, Profilleisten verwendet werden, in die zugleich der obere Rand von Informationsträgern eingeschoben werden kann. Diese Wirkungen werden mit einer „mehrteiligen Leiste“ nicht erzielt, weil es sich – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – bei den einzelnen Teilen gleichwohl um eigenständige Profilleisten handelt, durch die der Material- und Herstellungsaufwand im Verhältnis zu einer einzelnen Profilleiste, die beide Funktionen erfüllt, vergrößert ist.
Abgesehen davon fehlt es aber jedenfalls an der Gleichwertigkeit der abgewandelten Lösung. Neben der Einschiebbarkeit des oberen Randes eines Informationsträgers in die Profilleiste, wie dies etwa bei einer Einschiebenut mit einer erweiterten Zone der Fall ist (Sp. 3 Z. 14-27 und Sp. 6 Z. 35-45), beschreibt das Verfügungspatent auch eine als Klemmleiste wirkende zweiteilige Seitenrandleiste, die aufgeklappt werden kann, um einen Informationsträger einzulegen, und im zugeklappten Zustand den Informationsträger an seinen seitlichen Rändern gegen die Unterlagsplatte drückt (Sp. 3 Z. 28-53; Sp. 6 Z. 55 bis Sp. 7 Z. 39). In den Klagepatentanspruch hat lediglich die Möglichkeit der Einschiebbarkeit des oberen Randes des Informationsträgers in die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten Eingang gefunden. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht hingegen am oberen Rand der Aufnahmeeinheiten das Konzept der als Klemmleisten wirkenden Seitenrandleisten. Trifft aber der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen (BGH GRUR 2011, 701 Rn 35 – Okklusionsvorrichtung). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist daher eine Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents ausgeschlossen, wenn sie zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar ist, der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte, und dass eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln in der Regel zu verneinen ist, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (BGH GRUR 2011, 701 – Okklusionsvorrichtung; GRUR 2012, 45 Rn 44 – Diglycidverbindung). Im Streitfall geht aus der Verfügungspatentschrift gerade hervor, dass der Verfügungspatentanspruch von den mehreren Möglichkeiten zur Anbringung von Informationsträgern lediglich die technische Lösung verfolgt, den oberen Rand des Informationsträgers in die die scharnierartige Verbindung bildende Leiste einschieben zu können. Von dem Erfordernis, den oberen Rand in die Profilleisten einschieben zu können, statt von einer mehrteiligen Leiste einen Teil aufzuklappen und den Informationsträger mit seinem oberen Rand einzulegen, kann auch nicht ohne weiteres abgesehen werden. Denn dem Verfügungspatent kommt es aufgrund des damit verbundenen geringeren Material- und Herstellungsaufwands gerade auf die Doppelfunktion der die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten an.
Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewendet werden, dass die Lösung des technischen Problems mit den als Klemmleisten fungierenden Seitenrandleisten in der Verfügungspatentschrift nicht als alternative Lösung für das Anbringen des oberen Randes der Informationsträger beschrieben wird, sondern den seitlichen Rand der Informationsträger betrifft. Damit eine gleichwirkende und naheliegende Ersatzlösung vom Patentschutz ausgeklammert werden kann, bedarf es besonderer Umstände, die dem grundsätzlich zu gewährenden Äquivalenzschutz vorgehen. Solche Umstände können sich – wie auch sonst im Bereich der subjektiven Rechte – aus einem erklärten Verzicht des Berechtigten – hier: auf den ihm prinzipiell zugutekommenden Äquivalenzschutz – ergeben. Ihn festzustellen und für die Schutzbereichsbestimmung zu berücksichtigen, ist in aller Regel, aber auch nur dann, gerechtfertigt, wenn die Patentschrift erkennen lässt, dass der Anmelder das von der angegriffenen Ausführungsform benutzte naheliegende Austauschmittel als gleichwirkende Lösungsmöglichkeit für die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe erkannt, ungeachtet dessen aber einen Patentanspruch formuliert hat, der dieses Ersatzmittel nicht erfasst (OLG Düsseldorf Urt. v. 07.11.2013 – I-2 U 29/12). So liegt der Fall auch hier.
Grundsätzlich macht es keinen Unterschied, ob sich die in der Verfügungspatentschrift dargestellten Mittel zur Anbringung des Informationsträgers auf den oberen oder seitlichen Rand der Aufnahmeeinheiten beziehen. In beiden Fällen stellt sich das Problem einer günstigen Anbringung des Informationsträgers an der Aufnahmeeinheit. Dies geht auch aus der Beschreibung des Verfügungspatents selbst unmittelbar hervor. Denn die Basisteile der als Klemmleisten fungierenden Seitenrandleisten weisen in einem Ausführungsbeispiel wie auch die die scharnierartige Verbindung bildenden Profilleisten am oberen Rand der Aufnahmeeinheit eine Einschiebenut zur Aufnahme des Randes der Unterlagsplatte auf (Sp. 3 Z. 44-53 und Sp. 7 Z. 12-21). Genau diese Einschiebenut ist es aber, die am oberen Rand der Aufnahmeeinheit in ihrer erweiterten Zone die Möglichkeit bietet, den Informationsträger auf der Unterlagsplatte in die Profilleiste einzuschieben (Sp. 3 Z. 19-27 und Sp. 6 Z. 40-45). Davon sieht das Verfügungspatent bei den Seitenrandleisten jedoch ab und beschreibt stattdessen ein klappbares Deckteil, mit dem der Rand des Informationsträgers im zugeklappten Zustand fixiert werden kann. Es mag zwar sein, dass jedenfalls an einer Seite eine aufklappbare Randleiste erforderlich ist, weil der Informationsträger nicht mit allen vier Seiten zugleich in eine Einschiebenut eingeschoben werden kann, ohne ihn zu knicken, biegen oder in ähnlicher Weise zu manipulieren und gegebenenfalls zu beschädigen. Darauf kommt es aber vorliegend nicht an, weil der Klagepatentanspruch lediglich Anordnungen zum oberen Rand der Aufnahmeeinheit trifft und die weitere Gestaltung am unteren Rand und den Seitenrändern offen lässt. Insofern hätte ohne weiteres die Möglichkeit bestanden, den Schutz des Verfügungspatents auch auf solche Gestaltungen auszudehnen, die am oberen Rand der Aufnahmeeinheiten das Konzept der als Klemmleisten fungierenden Seitenrandleisten verwirklichen. Da dies nicht geschehen ist, obwohl dem Patentanmelder das Ersatzmittel ausweislich der Beschreibung des Verfügungspatents bekannt war, kann von der Gleichwertigkeit des Ersatzmittels nicht ausgegangen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6, 711 ZPO.